Donnerstag, 30. Juli 2020

IMI-List] [0571] Analyse: Klima & Krieg / Neue Texte: EU-Haushalt / Syrien / Drohnen

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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0571 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Hinweise auf aktuelle IMI-Texte, u.a. zum heutigen EU-Finanz- und
Rüstungspaket, der Drohnendebatte, der Berichterstattung über den
Syrienkonflikt und zur Militarisierung in den USA;

2.) eine IMI-Analyse zum Thema Klima, Umwelt und Krieg.


1.) Neue IMI-Analysen: EU-Haushalt, Drohnen, Syrien, US-Innenmilitarisierung

Heute Morgen einigen sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf
Vorschläge für den EU-Haushalt 2021 bis 2027. Damit rückt die erstmalige
Einrichtung mehrere EU-Militärhaushalte deutlich näher! Erschienen ist
inzwischen auch eine Analyse über die „Debatte“ zur Bewaffnung von
Drohnen und über die Berichterstattung im Syrienkrieg. Außerdem ist neu
auf der Homepage eine Analyse über Szenarien des US-Militärs für Einätze
im inneren.

IMI-Standpunkt 2020/021b
Budgetäre Klimmzüge
EU-Kommission und Rat nähern sich bei den Vorschläge für die
(Rüstungs-)Haushalte 2021 bis 2027 an
http://www.imi-online.de/2020/07/21/budgetaere-klimmzuege-2/
Jürgen Wagner (21. Juli 2020)

IMI-Standpunkt 2020/036 - in: Telepolis 15.7.2020
500.000 tote Kinder?
Leerstellen in der „humanitären“ Berichterstattung über den Nordwesten
Syriens
http://www.imi-online.de/2020/07/16/500-000-tote-kinder/
Christoph Marischka (16. Juli 2020)

IMI-Standpunkt 2020/035
Zbellion
Kriegssimulation des Pentagon übt militärisches Eingreifen gegen eine
innerstaatliche Bewegung junger Menschen in den USA
http://www.imi-online.de/2020/07/09/zbellion/
Emma Fahr (9. Juli 2020)

IMI-Analyse 2020/33
SPD unter Bedingungen für Drohnenbewaffnung?
Ist die Vorentscheidung für eine Bewaffnung der Bundeswehrdrohnen gefallen?
http://www.imi-online.de/2020/07/06/spd-unter-bedingungen-fuer-drohnenbewaffnung/

Marius Pletsch (6. Juli 2020)


2.) IMI-Analyse Krieg und Klima

IMI-Analyse 2020/34
Krieg und Klima
http://www.imi-online.de/2020/07/21/krieg-und-klima/
Jacqueline Andres (21. Juli 2020)

Krieg zerstört Mensch und Umwelt, daher ist es nicht verwunderlich, dass
die Militärapparate weltweit einen erheblichen Einfluss auf den
Klimawandel haben. Erst letztes Jahr sorgte die Studie von Neta Crawford
von der Boston University für Schlagzeilen, denn diese zeigte auf, dass
das US-amerikanische Verteidigungsministerium der größte institutionelle
Verbraucher von fossilen Brennstoffen weltweit ist.

Im Jahr 2017 lagen die Treibhausgasemissionen der Einsätze des US
Militärs bei 59 Millionen Tonnen CO2 und damit etwa bei der Menge, die
auch die Industriestaaten Schweden und Dänemark freisetzten.[1] Bezieht
man jedoch die dazu erforderliche Militärindustrie und die durch sie
verursachten Treibhausgasemissionen mit ein, so lagen diese im Zeitraum
von 2011 bis 2017 bei durchschnittlich stolzen 153 Millionen Tonnen CO2
pro Jahr.[2]

Tatsächlich ist es schwer, offizielle Zahlen der militärisch
verursachten CO2-Emissionen zu finden, denn solchen Erhebungen werden
meistens nicht gemacht. Auf Drängen des US-amerikanischen
Verhandlungsteams wurden die Kraftstoffe aus den im Kyoto-Protokoll
verpflichtenden Berichten ausgeklammert, die vom jeweiligen Militär bei
UN-Einsätzen außerhalb der eigenen Landesgrenzen verbraucht werden. Die
Emissionen müssen damit weder dokumentiert noch gemeldet werden. Im
Übereinkommen von Paris, das 2015 verabschiedet wurde, taucht der
Begriff „Militär“ nicht ein einziges Mal auf.[3] Immerhin wird die
Bundeswehr einmal im Klimaschutzbericht der Bundesregierung 2018
genannt, jedoch mit den Worten: „Die Emissionen der militärisch
genutzten Fahrzeuge bleiben [...] unberücksichtigt.“[4] Auch im
Klimapaket kommt die Bundeswehr nicht vor, obwohl diese „den
überwiegenden Teil aller CO2-Emissionen von Bundes-Institutionen
(geschätzt auf ca. 60%)“[5] verursacht. Doch auch wenn es keine
öffentlichen, umfassenden Messwerte zu den Emissionen der Bundeswehr und
anderer Militärapparate gibt, so ist eines klar: Die Emissionen sind
enorm. Nicht nur die Luftschläge, sondern auch die ständig laufende
Kriegseinübung, die Errichtung und die logistische Versorgung der
Militärstützpunkte sowie die mit dem Militär zusammenhängende
Rüstungsproduktion setzen täglich massenweise Treibhausgase frei.
Abgesehen davon digitalisiert die Bundeswehr ihr Gefechtsfeld – d.h.
immer mehr Energie wird verbraucht, um die steigende Zahl an technischen
Gerätschaften, mit denen Soldat*innen hantieren, am Laufen zu halten.


Militärübungen

Eine tägliche Militäraktivität ist die Einübung des Krieges. So müssen
Pilot*innen der Luftwaffe vor ihrem ersten Einsatz eine gewisse Anzahl
an Flugstunden absolvieren und Soldat*innen müssen lernen, mit Panzern
zu fahren oder Schiffe zu steuern. Diese militärischen Großgeräte
verbrauchen weitaus mehr als zivile Fahrzeuge. Ein Kampfpanzer des Typs
Leopard 2 verbraucht im Gelände rund 530 Liter Diesel auf 100 km.
Ähnlich sieht es mit weiteren Panzern aus: Der Schützenpanzer Marder
liegt bei 400l/100 km im Gelände und der Minenräumpanzer Keiler bei
stolzen 580l/100km.[6] Ein Kampfjet des Typs Eurofighter verbraucht pro
Flugstunde 3.500 kg Treibstoff[7] – alleine im Jahr 2018 verbrachten die
Eurofighter der Bundeswehr mindestens 10.480 Stunden in der Luft und
verursachten damit etwa 115.280 Tonnen CO2. Mehr als 9 Millionen Bäume
bräuchte es, um diese Mengen an CO2 zu speichern.[8] Abgesehen von den
zahlreichen Kampfjets, verfügt die Luftwaffe auch über Hubschrauber mit
hohem Verbrauch: Ein Transporthubschrauber des Typs NH90  hat einen
Flugbetriebsstoffverbrauch von rund 550l pro Stunde und ein mittlerer
Transporthubschrauber THS CH-53 einen von rund 1.100l pro Stunde.[9] Das
Kriegschiff Bayern, eine sogenannte Fregatte, legte zwischen den Jahren
1996 und 2010 rund 350.000 Seemeilen zurück. Laut dem damals abdankenden
Kommandanten Jens Schwarter, habe sie somit „den Äquator sechzehnmal
umrundet“. Was das für den Treibstoffverbrauch bedeutet, erklärte er
auch: „Dabei wurden 43.000t Dieselkraftstoff verbraucht. Legt man bei
einem Münchner Taxi eine Laufleistung von 400.000 km zu Grunde, könnte
man mit diesem Verbrauch 1000 Mercedes C-Klasse PKW über ihre
Lebensdauer betanken.“[10] Stolze 6.600l Kraftstoff verbraucht die
Fregatte, um 100km zurückzulegen. Wenn eine der acht Fregatten der
Bundesmarine im Hafen liegt, nutzt sie den sogenannten „Landstrom“ - und
zwar zwischen 4.500 kWh und 23.000 kWh pro Tag.[11] Der
durchschnittliche Jahresstromverbrauch einer in Deutschland lebenden
Person liegt bei etwa 1.300-2.500 kWh. Die Emissionen, die durch dieses
tagtägliche Einüben von Krieg entstehen, sind enorm und ungezählt.
Abgesehen davon laufen Militärübungen häufig schief und verursachen
dadurch noch mehr Emissionen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür
dürfte der für mehr als vier Wochen währende Moorbrand bei Meppen im
Jahr 2018 sein. In diesem Jahr herrschte akute Waldbrandgefahr und es
wurde öffentlich davon abgeraten, im Wald zu rauchen geschweige denn ein
Feuer zu machen. Trotz dieses heißen Wetters führte die Bundeswehr eine
Raketenübung durch, d.h. die Luftwaffe schoss von einem Helikopter eine
Rakete Richtung Boden. Dabei geriet das Moorgebiet in Brand, was
besonders gravierend für das Klima ist, denn Moore binden große Mengen
Kohlenstoff. Der Naturschutzbund (NABU) schätze, etwa 500.000 Tonnen CO2
wurden somit freigesetzt. Laut dem NDR entspricht dies der Menge CO2,
die durch 50.000 Einwohner*innen der Bundesrepublik innerhalb eines
gesamten Jahres entsteht.[12] Immer wieder lösen sogenannte
Luft-Boden-Übungen, bei denen Luftschläge geübt werden, Brände aus. Im
Jahr 2014 verursachte die Bundeswehr mit einer solchen Übung einen 26
Hektar großen Waldbrand auf Sardinien – dieser Brand wiederum ließ die
Wut und den Widerstand der bis dahin ruhiger gewordene
anti-militaristischen Bewegung der Insel neu entflammen, welche seither
wieder vermehrt von sich hören macht.[13] Solche Übungen sind vielzählig
und finden auch auf multinationaler Ebene statt: So führte die größte
Militärallianz der Welt, die North Atlantic Treaty Organization (NATO)
im Jahr 2019 insgesamt 102 gemeinsame Militärübungen durch und ihre
Mitgliedsstaaten absolvierten weitere 208 Übungen in einem nationalen
oder multinationalen Rahmen.[14] Nicht selten laufen diese großen
Übungen auf klimaschädliche Machtdemonstrationen hinaus, die als
militaristisches Säbelrasseln auch schwerwiegende politische Folgen
haben können.


Kriegsausübung

Es gibt nichts zerstörerischeres und umweltschädlicheres als Krieg:
Abgesehen von dem enormen Kraftstoffverbrauch der eingesetzten
Kriegsgeräte, hinterlassen Kriege ökologische Langzeitschäden für Mensch
und Natur. Die Wucht einer Rakete, die auf den Boden trifft, ist enorm.
Es treten Schadstoffe in den Boden, in die Luft und nicht selten ins
Grundwasser. Was zerstört wird, muss irgendwann wieder aufgebaut werden.
Nicht selten werden Fabriken getroffen: Im Jahr 1999 bombardierte die
NATO die nahe von Belgrad gelegene Raffinerie NIS, die Kunststofffabrik
HIPetrohemija und die Düngemittelfabrik HIP Azotara. Wochenlang brannte
der leicht entzündliche Treibstoff und verschmutze die Luft und den
Boden langfristig.

Die umweltschädlichen Luftschläge hören nicht auf. Seit 2015 herrscht
Krieg in Jemen. Die von Saudi Arabien geführte Militärkoalition führte
bis April 2020 zwischen 20.934 und 59.641 Luftschläge aus[15] und die
Zahl der Bombardierungen stieg im Laufe der letzten Monate trotz der
globalen Gesundheitskrise wieder an.[16] Auch in diesem Krieg werden
neben Krankenhäusern, Schulen, Getreidespeichern, Häfen, Märkten,
Hochzeiten und Trauerfeiern auch zahlreiche Fabriken getroffen – auch
aus dem Nahrungsmittelsektor. Dies ist in Jemen angesichts der dortigen
desolaten Nahrungsmittelversorgung und der Hungerkatastrophe umso
gravierender.

Unvergessen dürften auch die Bilder aus dem Golfkrieg 1991 sein, als
monatelang rund 600 Ölfelder brannten, wodurch rund 300 Millionen Tonnen
CO2 freigesetzt wurden. Zusätzlich gelangten 60 Millionen Barrel Erdöl
(etwa 9.539.238.000l) in den Boden und verschmutzten das Grundwasser und
mindestens 6 Millionen Barrel flossen mit verheerenden Folgen in den
Persischen Golf.[17]

Abgesehen von Raketen und Bomben, nutzen verschiedene Militärapparate
auch chemische Kampfstoffe, die jetzt zum Großteil international
geächtet sind. So zum Beispiel das berüchtigte Entlaubungsmittel Agent
Orange: Während des Vietnamkrieges, bzw. zwischen 1962 und 1971,
sprühten US-Soldat*innen etwa 72 Millionen Liter des toxischen Agent
Orange und anderer Herbizide  auf eine Fläche von 1,5 Millionen Hektar.
Die Wälder sollten entlaubt werden, um die zum Feind erkorene Nationale
Front für die Befreiung Südvietnams aufzuspüren und ihre
Nahrungsgrundlage zu zerstören.[18]  Ganze Ernten wurden vernichtet, was
die gesamte Bevölkerung traf. Bilder aus der Zeit zeigen Baumstümpfe,
die wie zerschlagen aus dem Boden ragen und kahle Landschaften. 36% der
Mangrovenwälder Südvietnams wurden dabei zerstört – dabei sind es gerade
Mangrovenwälder, die jetzt mit dem menschenverursachten Steigen des
Meeresspiegels dringend benötigt werden. Bis heute sind die Böden und
Gewässer verseucht und der Schadstoff Dioxin TCDD gelangt noch immer in
die Nahrungskette. Schätzungsweise eine bis drei Millionen Menschen
leiden unter den gesundheitlichen Folgen, heute bereits in der dritten
Nachkriegsgeneration. Das krebserregende Dioxin verursacht rund
einhundert Krankheiten (u.a. Diabetes, Parkinson und Immunschwächen) und
schädigt das Erbgut – dies führt u.a. zu fehlenden Gliedern und
Gaumenspalten bei Neugeborenen.[19]

Oftmals führen Kriegseinsätze auch dazu, dass die Abholzung der lokalen
Wälder beschleunigt wird – einerseits werden sie von Menschen, deren
Häuser und Lebensgrundlage zerstört wurde, als Feuerholz genutzt oder
zum Wiederaufbau verwendet. Aber auch Unternehmen haben ein großes
Interesse an Holz, das dann oftmals leicht zu fällen ist, da
Umweltschutzgesetze in Kriegssituationen meist zweitrangig und nichtig
werden.

Doch abgesehen von den konkreten Kriegshandlungen führt die militärische
Präsenz von Kampftruppen zu weiteren Problemen für die Gesundheit der
Menschen und der Natur. Wie entsorgen Soldat*innen ihren Müll in
Kriegsgebieten? Das US-Militär z.B. greift immer wieder zur Lösung  von
Verbrennungsgruben (burn pits). Alles von kaputten Uniformen, Munition
und Blindgängern, medizinischem Abfall bis hin zu ausgedienten Computern
oder anderen elektronischen Geräten und giftigen Müll wird zusammen in
einem ausgehobenen Loch im Boden typischerweise mit Kerosin überschüttet
und in Brand gesetzt. In Afghanistan wurden bis zu 400 Tonnen Müll an
einem Tag in solchen Pits verbrannt. Trotz der nachweislich
katastrophalen Langzeitauswirkungen auf die Atemwege der Soldat*innen
und der lokalen Anwohner*innen sowie der zahlreichen freigesetzten
umweltschädlichen Luftschadstoffe hält das US-Militär an dieser Praxis
fest und nutzte zumindest noch im März 2019 sieben sogenannte burn pits
in Syrien, eines in Afghanistan und eines in Ägypten.[20]


Rüstungsproduktion

Im Jahr 2019 lagen die globalen Rüstungsausgaben laut dem Stockholm
International Peace Research Institute (SIPRI) bei 1.917.000.000.000
(1.917 Milliarden) US-Dollar.[21] Die Tendenz ist steigend – die
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer setzt sich z.B.
dafür ein, die Rüstungsausgaben der BRD drastisch zu steigern. Die
oftmals energieintensive Rüstungsproduktion von Munition,
Kriegsschiffen, -fahrzeugen und -flugzeugen schadet ebenfalls den
Menschen, der Natur und dem Klima – ganz zu schweigen von den
umweltschädlichen Folgen ihres Einsatzes und dem erforderlichen
Wiederaufbau der zerstörten „Ziele“. Zu den großen Rüstungsunternehmen
in Deutschland zählen u.a. Airbus Group, Diehl Defence Holding, Hensoldt
und Rheinmetall. Letzteres hat sogar die im Jahr 2019 verursachten
Emissionen veröffentlicht – 354.919 Tonnen CO2.  Allerdings umfasst
dieser Wert nur undefinierte „89 von 193 Gesellschaften der Rheinmetall
Group“[22] und ist damit irrelevant. Bedenkt man jedoch die Vielzahl an
unterschiedlichen weniger bekannten Unternehmen in der „Sicherheits-“
und Kriegsindustrie, die z.B. in der militärischen Logistik, in der
Produktion von Ferngläsern oder von IT- und Kommunikationshardware
eingebunden sind, so dürften es tausende sein, die in der BRD von
Rüstung und Kriegseinsätzen profitieren. Meistens finden sich solche
Firmen auch im direkten Umkreis. In Tübingen zum Beispiel ist seit 2016
auch der Rüstungskonzern Atos angesiedelt. Zwar produziert Atos keine
Bomben, aber zu seinen Produktionssparten zählt auch der
„Verteidigungssektor“ bzw. der Kriegssektor: „Atos entwickelt
militärische, zukunftssichere Cloud-Lösungen für die zweckmäßige und
dynamische Bereitstellung und Verarbeitung sensibler Informationen (z.B.
Verschlusssachen). Verlässliche, auch verlegefähige
Cloud-Infrastrukturen von Atos bewähren sich im militärischen
Einsatz.“[23] Zu den Kunden von Atos zählt auch die Bundeswehr: „Atos
unterstützt proaktiv die Digitalisierung der Landstreitkräfte und der
Marine durch Konzepte für einen durchgängigen Verbund digitaler
Datenverarbeitungs- und Datenübertragungssysteme.“[24] Digitalisierung
heißt hier, dass die einzelnen Soldat*innen, Kampfsysteme und
Gerätschaften der Bundeswehr u.a. durch Sensoren miteinander vernetzt
werden sollen. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und
Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) beauftrage Ende 2019 Atos und weitere
Unternehmen mit der Erstellung einer Studie zur „Erzeugung eines
gläsernen Gefechtsfeldes zur Unterstützung dynamischer Operationen“.
Konkret heißt das, Atos untersucht einen „hochautomatisierten
Multirobotereinsatz“ bzw. Drohnenschwärme. Diese von einer KI
gesteuerten Drohnen sollen Daten sammeln und diese Daten sollen mit
Hilfe von Algorithmen ein digitales Lagebild produzieren, auf dem z.B.
die Bewegungen aller Militärfahrzeuge und Soldat*innen in Echtzeit
dargestellt werden. Dabei sollen die Drohnen mit Kampffahrzeugen, wie
z.B. Panzern, vernetzt sein.[25] Noch gibt es keine Studie, die die
Emissionen von militärischen Kommunikations- und
Informationstechnologien ausgearbeitet hat. Doch die stetig wachsende
digitale Vernetzung zahlreicher Systeme und die gesteigerte
Datenübertragung deuten darauf hin, dass diese Emissionen steigen
werden. Laut einer von dem The Shift Project erstellten Studie stieg der
Anteil digitaler Technologien an den globalen CO2-Emissionen zwischen
den Jahren 2013 und 2018 von 2,5 auf 3,7%, womit diese Technologien
einen erheblichen Beitrag zur Erderwärmung leisten.[26]


Militär abschaffen – das ist Klimaschutz!

Klima und Krieg sind eng miteinander verwoben: Der Zugang zu fossilen
Brennstoffen stellt oftmals ein wichtiges wirtschaftliches Ziel bei
Kriegen dar – folgend erfordern die Transportwege eine militärische
Absicherung. Das klimaschädliche Militär wird u.a. dafür eingesetzt, um
mehr fossile Brennstoffe verbrennen zu können. Durch den
menschengemachten Klimawandel und unsere umweltschädliche
wachstumsorientierte, neoliberale Wirtschaftsweise werden die
beschränkten Ressourcen knapper: u.a. mineralische Rohstoffe, Öl und
Erdgas. Die Bundeswehr und weitere Militärapparate sprechen von
Klimakriegen, Kriegen um Wasser und fruchtbare Böden. Für „unsere“
Sicherheit hier in Deutschland soll die Bundesregierung mehr
Steuergelder in den Ausbau der Bundeswehr stecken, um „unseren“
Wohlstand zu garantieren. Doch der Irrsinn hinter dieser Argumentation
tritt immer deutlicher zum Vorschein. Wir brauchen keinen militärisch
gesicherten „Wohlstand“, der diesen Planeten in den Ruin treibt. Dieser
Planet und seine menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebewesen
sind „unser“ Wohlstand und den gilt es zu schützen. Die Ressourcen, die
wir haben, sind endlich und wir sollten nicht eine weitere Tonne Stahl
für die Herstellung von Zerstörungsgeräten verschwenden und nicht einen
Liter Kerosin, um Kampfjets in den Himmel zu schicken. Die Abschaffung
der Bundeswehr und aller Militärapparate wäre nicht nur ein bedeutsamer
Schritt für den Aufbau eines solidarischen Zusammenlebens, das sich nach
den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt richtet, sondern auch ein
logischer und ein erforderlicher Schritt für den Klimaschutz.


Dieser Text ist Teil einer Broschüre von Fridays for Future Tübingen zum
Thema Klimagerechtigkeit, die voraussichtlich im Oktober 2020 erscheint.


Anmerkungen

[1]           Neta C. Crawford: Pentagon Fuel Use, Climate Change, and
the Costs of War, watson.brown.edu, Boston University, 12.6.2019

[2]           Marc Werner: Das US-Militär. Auf Kriegsfuß mit dem Klima,
IMI-Studie 7/2019, imi-online.de, 4.11.2019

[3]           Ebd.

[4]           Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Abgeordneten Kathrin Vogler, Andrej Hunko, Heike Hänsel, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 19/14589,
Militärische Aktivitäten der Bundeswehr und ihre Klimabilanz, 8.1.2020

[5]           Karl-Heinz Peil: Vortragsunterlagen,
frieden-und-zukunft.de, 14.1.2020

[6]           Bundesministerium der Verteidigung: Waffensysteme und
Großgerät, bmvg.de, Oktober 2016

[7]           Drucksache 16/12803, Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill und der Fraktion DIE LINKE, Neuburger Jagdgeschwader 74,
27. 04. 2009

[8]           Klimakiller Bundeswehr - Material & Infos,
kathrin-vogler.de, 26.11.2019

[9]             Bundesministerium der Verteidigung: Waffensysteme und
Großgerät, bmvg.de, Oktober 2016

[10]         Festrede des Kommandanten der Bayern, FKpt Schwarter,
fregattebayern-freunde.de, 19.2.2010

[11]         Kleine Anfrage der Abgeordneten Bernd Reuther, Frank Sitta,
Christine Aschenberg-Dugnus, u. a. und der Fraktion der FDP betr.:
„Landstrom in der Schifffahrt", BT-Drucksache: 1914740, 31.10.2018

[12]         Marc Wichert: Moorbrand. Mehr als 500.000 Tonnen CO2
freigesetzt, ndr.de, 17.9.2018

[13]         Drucksache 18/3113, Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Höger, Christine Buchholz, Andrej
Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Auswirkungen
der NATO-Übungen auf Sardinien, 07.11.2014

[14]         Key NATO and Allied exercises in 2019, Factsheet,
nato.int/factsheets, Februar 2019

[15]         Yemen Data Project, yemendataproject.org, April 2020

[16]         Airstrikes on Yemen intensify, shatter hope for peace,
al-monitor.com, 4.4.2020

[17]         Fred Pearce: Future looks bleak for Iraq's fragile
environment, newscientist.com, 15.3.2003

[18]         Andreas Frey: Agent Orange. Das Gift, das bleibt,
spektrum.de, 15.6.2019 und Jan Banout, Ondrej Urban, Vojtech Musil,
Jirina Szakova und Jiri Balik: Agent Orange Footprint Still Visible in
Rural Areas of Central Vietnam, J Environ Public Health, 4.2.2014

[19]         Peter Jaeggi: Wissen Agent Orange – Vietnams giftige
Kriegslast, SWR2 Wissen, swr.de, 31.8.2015

[20]         Meghann Myers: Why DoD is still using burn pits, even while
now acknowledging their danger, militarytimes.com, 12.7.2019

[21]         Global military expenditure sees largest annual increase in
a decade, sipri.org, 27.4.2020

[22]         Einzelabschluss Rheinmetall Group 2019, ir.rheinmetall.com,
18.3.2020

[23]         DWT Marineworkshop 2018, atos.net, September 2018

[24]         Ebd.

[25]         ATOS und RAFAEL mit Studie „Gläsernes Gefechtsfeld“
beauftragt, Europäische Sicherheit und Technik, esut.de, 9.12.2019

[26]         Lean ICT. Towards Digital Sobriety, theshiftproject.org,
März 2019
IMI-List - Der Infoverteiler der
Informationsstelle Militarisierung
Hechingerstr. 203
72072 Tübingen
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