Mittwoch, 26. September 2018

BDI bestellt »Reformen«


Industriellenverband rechnet mit konjunktureller Abkühlung und verlangt Senkung der Unternehmenssteuern. Merkel will bald liefern

Von Nico Popp
Tag_der_Deutschen_In_58828704.jpg
Zu Gast bei Freunden: Bundeskanzlerin Merkel am Dienstag beim »Tag der deutschen Industrie«, flankiert von WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo (links) und BDI-Präsident Dieter Kempf
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet mit einem Ende der mehrjährigen Phase kapitalistischer Konjunktur. »Die Hochphase der weltwirtschaftlichen Erholung ist vorbei, die Investitionstätigkeit hat sich abgeflacht«, sagte BDI-Chef Dieter Kempf am Dienstag in Berlin beim »Tag der deutschen Industrie«, der in diesem Jahr unter dem Motto »Risiko« stand. Vor allem der deutsche Export werde immer stärker bedroht, betonte Kempf unter Verweis auf den Handelsstreit mit den USA und den Austritt Großbritanniens aus der EU. Gerade wegen des hohen Exportanteils gelte: »Deutschland ist angreifbar.« Man solle sich »auf den Abschwung der Konjunktur gefasst machen. Deshalb müssen wir jetzt vorsorgen.«
Welche Wege diese »Vorsorge« am Ende nehmen wird, war bei der Auftaktveranstaltung am Vorabend einer kurzen, mit Beifall bedachten Rede von Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, zu entnehmen. Ischinger konstatierte »massive Kräfteverschiebungen«, die »uns alle nachhaltig treffen werden«. Dann beklagte er unter Verweis auf die Lage im Südchinesischen Meer, dass einmal ein Bundespräsident zurückgetreten sei, weil »man« ihm nicht habe erlauben wollen, an dem Satz festzuhalten, dass »freie Handelswege ein deutsches Interesse sein könnten«, zu »deren Verteidigung man möglicherweise auch militärische Mittel einsetzen müsse«.
Bevor allerdings in Südostasien geschossen wird, um deutschen Waren die Bahn frei zu machen, will Kempf erst einmal im eigenen Haus Ordnung schaffen: »Reformen« müssen her, »mehr Wirtschaft« müsse »gewagt« werden. Kempf verlangte am Dienstag von der Bundesregierung, aus dem »Selbstgesprächemodus« herauszukommen. Im Stile einer Befehlsausgabe erklärte er in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Andernfalls hilft nur Durchgriff oder personelle Veränderung.« Von einer derart aufgemöbelten Regierung verlangt Kempf vor allem Steuererleichterungen für Unternehmen: Deutschland entwickele sich »vom Hoch- zum Höchststeuerland«, während weltweit, etwa in den USA, die »Regierungen munter die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern suchen«. Die Bundesregierung schaue dem tatenlos zu: »Das grenzt fast schon an unterlassene Hilfeleistung.«
Merkel hat verstanden. Man könne sich, teilte sie den BDI-Granden mit, in der Bundesrepublik natürlich »nicht einfach von der Welt abkoppeln«. Angesichts der internationalen Konkurrenz müsse man eine Absenkung der Unternehmenssteuern prüfen. Merkel kündigte zudem an, in der Koalition erneut über die ebenfalls von Kempf geforderte Abschaffung des Solidaritätszuschlages reden zu wollen. Den, suggerierte sie, gebe es nur noch wegen der SPD. »Ich stand vor der Frage, keine Regierung oder diese Entscheidung«, entschuldigte sich Merkel. »Dies fällt mir extrem schwer und ich halte sie auch nicht für gerecht.« Sie werde »immer und immer wieder« versuchen, eine Änderung zu erreichen.
Nach der Kanzlerin sprach Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er kündigte »Entlastungsmaßnahmen« für »wirtschaftlich Aktive« in Milliardenhöhe an. Nur CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt reagierte verschnupft auf die Dienstanweisungen des BDI-Chefs. Die Regierung arbeite mit hoher Dynamik ihre Aufgaben ab und habe dabei »sehr viel richtig gemacht«. Er wünsche sich, dass die Industrie »die Erfolge« stärker anerkenne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen