Montag, 11. Juni 2018

Gießereiunternehmen Neue Halberg Guss will Werk in Leipzig schließen. Beschäftigte und Gewerkschaft reagieren mit Warnstreik

Auf dem Rücken der Arbeiter


Von Stefan Thiel
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Wird offenbar gerade im Konkurrenzkampf der Konzerne ­zerrieben: Eisengießerei von ­Halberg Guss in Leipzig-Rückmarsdorf
Schon wieder eine drohende Werksschließung und erneut soll es Leipzig treffen. Nachdem erst die rund 270 Beschäftigten des Siemens-Kompressorenwerkes im Stadtteil Plagwitz monatelang um den Erhalt ihrer Fabrik kämpfen mussten (der Betrieb soll nun nicht mehr geschlossen, sondern »nur« verkauft werden; siehe jW vom 15. Mai), bangen jetzt die Arbeiter der zur Neue Halberg Guss GmbH gehörenden Eisengießerei in Rückmarsdorf um ihre Arbeitsplätze. Am vergangenen Donnerstag gab das Unternehmen bekannt, den Standort mit seinen 660 Mitarbeitern »voraussichtlich bis Ende 2019« dichtmachen zu wollen.
Begründet wird das geplante Aus für die Fabrik von der Kapitalseite mit der »zu erwartenden geringen Auslastung des Werkes«. Sie sei »unumgänglich, da sonst das Unternehmen als Ganzes in seiner Existenz gefährdet wäre«. Neben der Schließung der Leipziger Gießerei, in der Zylinderköpfe vor allem für Dieselmotoren produziert werden, sollen auch am Stammsitz von Halberg Guss in Saarbrücken 300 von insgesamt 1.400 Arbeitsplätzen abgebaut werden. Dort werden Motorblöcke hergestellt.
Die IG Metall reagierte auf die angekündigte Stellenvernichtung – zumindest in Leipzig – mit einem Aufruf zum Warnstreik. So legten dort ab Freitag mittag etwa 400 Beschäftigte die Arbeit nieder. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Leipzig, Bernd Kruppa, sprach gegenüber jW davon, dass es sich dabei nicht um einen »Warnschuss«, sondern um den »Auftakt« für einen längeren Arbeitskampf gehandelt habe. Der Preis einer Schließung solle möglichst hochgetrieben werden. Die Ankündigung vom Donnerstag sei ein »Spaltungsversuch«. Offensichtlich wolle man Leipzig gegen Saarbrücken ausspielen, so Kruppa. Dabei habe man sich aber verkalkuliert, schließlich seien die Belegschaften »kampfstark und hoch organisiert«.
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Bereits Anfang vergangener Woche hatten sich an beiden Standorten Tarifkommissionen gebildet. Im Fall der Fälle will die Gewerkschaft einen möglichst guten Sozialtarifvertrag aushandeln. Sie fordert deshalb unter anderem eine Qualifizierungsgesellschaft und einen vom Unternehmen finanzierten Fonds, aus dem Abfindungen und Vermittlungsmaßnahmen gezahlt werden sollen. Wenn das Werk schon vor dem Ende stehe, sollten die Beschäftigten wenigstens etwas von den Millionen abbekommen, die zwischen Halberg Guss und den Autokonzernen hin- und hergeschoben werden, sagte Gewerkschafter Kruppa.
Wer nach den Ursachen der Misere bei Halberg Guss sucht, landet relativ schnell beim neuen Eigentümer. Erst im Januar hatte eine Tochterfirma der vor allem für ihr aggressives Vorgehen gegenüber VW berüchtigten Prevent-Gruppe der deutsch-bosnischen Investorenfamilie Hastor das traditionsreiche Unternehmen übernommen. Die Neue Halberg Guss firmiert seitdem als Tochterfirma einer erst Mitte 2016 gegründeten Castanea Rubra Assets GmbH. Letztere hat ihren Sitz in einem Mehrfamilienhaus im gutbürgerlichen Berlin-Lichterfelde.
Prevent ist dafür bekannt, Zulieferer aufzukaufen und anschließend mit Hilfe von Lieferstopps Druck auf große Abnehmer wie VW auszuüben. Ausgetragen wird dieser Kampf der Konzerne freilich immer auf dem Rücken der Beschäftigten. 2016 ließ etwa ein Lieferstopp der beiden Prevent-Firmen ES-Guss und Car-Trim die Bänder in mehreren VW-Werken stillstehen. Anlass war ein Streit über Preise und Auftragsumfänge mit dem Wolfsburger Konzern. Im April dieses Jahres kündigte VW die Verträge dann fristlos. In der Folge droht sowohl beim Getriebehersteller ES-Guss als auch beim Sitzelieferanten Car-Trim Stellenvernichtung (siehe jW vom 10. April).
Im Leipziger Fall wirft die Prevent-Tochter Halberg Guss Volkswagen vor, die Abnahmemenge reduziert zu haben. Laut der Onlineausgabe des Handelsblatts vom Donnerstag betont VW aber, es gebe nach wie vor »gültige und ungekündigte Lieferverträge«. Derzeit lote man »Chancen für eine längerfristige Lösung« aus. VW mit seiner Lkw-Sparte um Scania und MAN ist neben Daimler der Hauptabnehmer für Halberg Guss. Rund 70 Prozent der Produktion gehen an die beiden Autokonzerne. Bereits im April hatte die Geschäftsführung Lieferungen mit der Begründung gestoppt, VW habe Rechnungen in Millionenhöhe nicht bezahlt. Die Gefahr ist also groß, dass Prevent auch hier zu Lasten der Beschäftigten eines seiner bösen Spielchen treibt. Für Gewerkschafter Kruppa zeigt sich hieran »die ganze Perversion des kapitalistischen Wirtschaftssystems«.

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