Dienstag, 10. Oktober 2017

Existenz sichern - Regelsätze erhöhen!


Von den Regelsätzen sind rund acht Millionen Menschen – darunter sechs Millionen Leistungsberechtigte im SGB II (Grundsicherung) – und somit zehn Prozent der Wohnbevölkerung von Mindestsicherungsleistungen abhängig. Die Höhe der Regelsätze ist somit eine zentrale Größe im System der sozialen Sicherung in Deutschland.
Das bisher praktizierte Verfahren zur Berechnung der Regelsätze wird immer wieder bemängelt. Zuletzt hatten Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände die Bundesregierung kritisiert, da die angewandte Bemessungsmethode ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht sicher stellt. Der aktuelle Regelsatz in der Grundsicherung von 409 Euro im Monat (seit Januar 2017) für alleinstehende Erwachsene ist nicht realitätsgerecht und leistet keinen Beitrag, die Einkommensarmut der Betroffenen zu überwinden.
Der tatsächliche Bedarf der Betroffenen ist wesentlich höher als die derzeitigen Regelsätze. ver.di fordert, die Regelsätze an die tatsächlichen Kosten der Bedarfe anzupassen, um somit  Existenzsicherung zu gewährleisten und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.07.2014 soll mit der Regelsatzberechnung auch eine untere Armutssicherung erreicht werden, was derzeit nicht der Fall ist.

Faire Berechnung der Regelsätze

Die Grundsicherung im SGB II und SGB XII soll sich aus dem tatsächlich notwendigen Verbrauch der unteren Einkommensgruppen ergeben, wie es in der Einkommens- und Verbrauerstichprobe (EVS) geregelt ist. Bei der Berechnung der Regelsätze für 2017 wurden die statistischen Zahlen aus dem Jahr 2013 als Grundlage genommen. Die EVS gibt allerdings nur darüber Auskunft, was einkommensschwache Haushalte ausgeben. Dabei werden die Einkommen der unteren 15 Prozent (Regelsätze für Erwachsene) bzw. der unteren 20 Prozent (Regelsätze für Kinder) zugrunde gelegt. Das Wenige, was diese Haushalte aufgrund stark begrenzter finanzieller Mittel ausgeben können, darf nicht unreflektiert mit einer ausreichenden Bedarfsdeckung gleichgesetzt werden.
Doch die Regelsätze werden nicht methodisch sauber und mathematisch transparent berechnet, sondern willkürlich und nach politischen Vorgaben minimiert. So können die Regelsätze  weder zuverlässig ein Abrutschen in Armut verhindern noch gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten. Die Betroffenen fühlen sich nicht nur abgehängt, sie sind es auch – und ihr Abstand zum Durchschnittseinkommen der Bevölkerung wächst weiter. Steuerfinanzierte Sozialleistungen dürfen nicht kleingerechnet werden, vielmehr sind diese nachvollziehbar zu begründen
und offen zu diskutieren. Insbesondere muss bei der Berechnung der Grundsicherung eine Rechenregel eingesetzt werden, die die Ausbreitung der Armut wirksam verhindert.

Was will ver.di?
Was erwartet ver.di von der Politik?

Wir fordern eine grundlegende Neuermittlung der Regelsätze. Das Berechnungsverfahren muss transparent und realitätsgerecht sein, um im Ergebnis zu Regelsätzen zu führen, die einen wirksamen Schutz vor Armut bieten und ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen.
ver.di hat gemeinsam mit dem DGB und anderen Akteuren im „Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum“ konkrete Anforderungen an die Herleitung der Regelsätze formuliert:
  • Bei der Bemessung der Regelsätze müssen Zirkelschlüsse vermieden werden. Haushalte mit einem Einkommen unterhalb der derzeitigen Grundsicherung von 409 Euro („verdeckte Armut“) müssen aus der Datenbasis zur Bestimmung der Regelsätze herausgenommen werden.
  • Willkürliche und sachlich nicht begründete Kürzungen der statistisch gemessenen Ausgaben einkommensschwacher Haushalte müssen unterbleiben, d.h., das bisher übliche Streichen angeblich für die Existenzsicherung irrelevanter Positionen (z.B. Kantinenessen, Schnittblumen, Buntstifte für Schulkinder) findet nicht mehr statt.
  • Eine Expertenkommission, bestehend aus Betroffenenorganisationen, Wissenschaftler*innen, den Tarifparteien und Sozialverbänden soll eine Empfehlung für den Gesetzgeber für armutsfeste und bedarfsdeckende Regelsätze entwickeln.
  • Dabei kann die Kommission auf ein aktuelles Verfahren (Gutachten von Becker/Tobsch für die Diakonie) zur Bemessung der Regelsätze aufgreifen, bei dem Mindestversorgungsstandards und ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe sichergestellt werden.
Die Existenzsicherung und eine wirksame Armutsbekämpfung stehen weiterhin im Mittelpunkt der gewerkschaftlichen Aktivitäten. Es ist höchste Zeit für soziale Gerechtigkeit und die Umverteilung des Reichtums.
Motiv zur ver.di-Kampagne "Regelsätze rauf!" ver.di
Die Erwerbslosen in ver.di erwarten deshalb von der Politik:
  • eine deutliche Anhebung der Regelsätze,
  • sinnvolle Maßnahmen für Erwerbslose und
  • dass Armut und Ausgrenzung wirksam bekämpft werden,
statt mit Druck, Zwang und Sanktionen auf die erforderlichen Bedarfe der Menschen zu reagieren.

Beratung für ver.di-Mitglieder

Beratung für Aufstocker*innenWir beraten, wenn der Lohn nicht zum Leben reicht. Ob Mini-Job oder Leiharbeit, ob Solo(Schein)-Selbstständig oder Werkverträge, durch Niedriglohn geraten Erwerbstätige immer wieder in existenzielle Nöte. Viele Beschäftigte müssen deshalb ihren Lohn mit Arbeitslosengeld aufstocken.
Welche ergänzenden finanziellen Leistungen sind möglich?
http://www.verdi-aufstockerberatung.de
ErwerbslosenberatungWir beraten bei Fragen zur Arbeitslosigkeit. In der Rubrik „Oft gestellte Fragen“ werden wichtige Themen behandelt: Wann, wie und wo muss ich mich arbeitslos melden? Welche Leistungen gibt es und ist das Arbeitslosengeld richtig berechnet? Was ist bei einer Eingliederungsvereinbarung zu beachten?
http://www.verdi-erwerbslosenberatung.de
Die Aktivitäten der ver.di-Erwerbslosen
Informationen zu den Aktivitäten der Erwerbslosen vor Ort in den ver.di-Bezirken: http://www.verdi.de/wegweiser
Kontakt
ver.di-Bundesverwaltung / Bereich Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik / Referat Erwerbslose, 10112 Berlin
Werner Schäffer
Mail: erwerbslose@verdi.de
Web: http://erwerbslose.verdi.de

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