Samstag, 28. Oktober 2017

Razzia bei Kollegen


Polizist und Anwalt in Mecklenburg-Vorpommern des Rechtsterrorismus verdächtigt. Anschlagsziele waren Linke. Bundesanwalt schaltet sich ein

Von Markus Bernhardt
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Brisante Ermittlungen: Polizisten einer Spezialeinheit am Montag in Banzkow (Mecklenburg-Vorpommern)
Kurz nach dem 25. Jahrestag der rassistisch motivierten Pogrome von Rostock-Lichtenhagen hat es am Montag Polizeiaktionen wegen »des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« gegeben. Unter Beteiligung der Spezialeinheit GSG 9 durchsuchten die Beamten unter anderem Wohnungen und Geschäftsräume in Rostock und in der Nähe von Schwerin. Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bekanntgab, sollen die beiden Beschuldigten geplant haben, »Vertreter des politisch linken Spektrums festzusetzen und mit ihren Waffen zu töten«, wie es in der Pressemitteilung der Behörde heißt. So sollen die Beschuldigten zu diesem Zweck »eine Liste mit Namen und weiteren Personalien angelegt haben«. Die Verdächtigen hätten sich mit »Munition für ihre bereits legal beschafften Waffen eingedeckt«, hieß es außerdem. Haftbefehle seien allerdings noch nicht erlassen worden.
Brisanz erhalten die Ermittlungen vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Beschuldigten um einen Polizeibeamten der Polizeiinspektion Ludwigslust und den Rostocker Rechtsanwalt Jan Hendrik H. handelt. H. ist zugleich Mitglied der Rostocker Bürgerschaft und gehört dort als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Gruppierung »Unabhängige Bürger für Rostock« (UFR) an. Auf seiner Internetseite bezeichnet sich der besagte Zusammenschluss als »neue, unabhängige, politische Kraft« für Bürger, »die außerhalb der etablierten Parteien für Rostock etwas bewegen« wollen.
Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, sollen die Beschuldigten sich in Chatgruppen ausgetauscht haben. Als Motiv für ihre Anschlagspläne gilt der Behörde »die politische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland«, namentlich die aus der Sicht der Beschuldigten »verfehlte Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik«. Wie das Landesinnenministerium Mecklenburg-Vorpommern am Montag bekanntgab, seien auch Wohnungen und Räumlichkeiten weiterer Personen durchsucht worden, die derzeit »als nicht tatverdächtige Dritte geführt« würden. Darunter befände sich auch ein weiterer Polizeibeamter des Bundeslandes.
Bei Linke-Politikern sorgten die Enthüllungen für Entsetzen, auch Namen von Parteimitgliedern sollen auf der »Todesliste« gestanden haben. »Stichwortgeber dieser Entwicklung ist ganz klar die AfD«, sagte der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger auf einer Pressekonferenz am Montag in Berlin. Wenn sich der Verdacht bezüglich einer bereits vorhandenen Todesliste bestätigen werde, sei dies »die Fortsetzung der NSU-Mordserie«, warnte Riexinger außerdem. Der Bochumer Professor für Kriminologie, Tobias Singelnstein, warnte über den Mikrobloggingdienst Twitter vor einem »Hauch von tiefem Staat« in Mecklenburg-Vorpommern und verwies auf die Ermittlungen wegen »rechtem Terror«, die nicht in der »Naziszene, sondern bei Polizisten, Anwälten, Politikern« stattfänden.
Martina Renner, Bundestagsabgeordnete von Die Linke, hatte sich bereits am Montag mittels einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung gewandt. Sie wollte wissen, seit wann die Behörden über die Anschlagspläne informiert gewesen seien und wie viele der Personen, die sich auf der sogenannten Todesliste befänden, darüber informiert worden wären. Bei Twitter bezeichnete die Abgeordnete die neuerlichen Enthüllungen über rechte Terrornetzwerke als »Folge der Hetze gegen links«.

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