Samstag, 28. Oktober 2017

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Drei Jahre nach dem gewaltsamen Verschwindenlassen von 43 Studenten aus Ayotzinapa/Mexiko

Düsseldorf, 26.9.2017

An die Familien der 43 verschleppten Studenten aus Ayotzinapa:
An die Studenten der Lehramtsuniversität von Ayotzinapa:
An unsere Compas in Mexiko und der ganzen Welt:

Wir hoffen, euch allen in Mexiko und euren Familien und Freund_innen geht es angesichts der drei schweren Erdbeben der letzten Wochen gut. Allen von euch, die nahe Menschen verloren haben, senden wir unsere Anteilnahme. Wir wünschen euch allen Kraft und versuchen, euch von hieraus zu unterstützen.
Es ist heute drei Jahre her seit den schrecklichen Ereignissen von Iguala im mexikanischen Bundesstaat Guerrero. Damals wurden sechs Menschen erschossen, 40 Menschen schwer verletzt und 43 Studenten der Lehramtsuniversität von Ayotzinapa vom mexikanischen Staat verschleppt – wie es aussieht, auch unter Einsatz von in Deutschland produzierten Waffen [1]. Die 43 sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. Ihr Familien leben seit drei Jahren in ständiger Unsicherheit und mit dem Wunsch, ihre Kinder, Geschwister und Partner lebend wiederzusehen.
Die mexikanische Regierung unter Präsident Peña Nieto ist für dieses Verbrechen des gewaltsamen Verschwindenlassens direkt verantwortlich. An der Tat waren die mexikanische Polizei und das Militär beteiligt [2]. Die Regierung zeigte anschließend keinen Willen zur Aufklärung des Verbrechens, sondern log und versuchte alles, eine Aufklärung zu verhindern. Sie verhöhnte die Opfer und schütze die Täter. Die Interdisziplinäre Unabhängige Expertengruppe (GIEI) wurde behindert und konnte ihre Arbeit nicht fortsetzen. Ihre Empfehlungen und Ermittlungsergebnisse wurden vom mexikanischen Staat bis heute nicht weiter verfolgt [3].
Gleichzeitig setzte die mexikanische Regierung in den letzten drei Jahren ihren Staatsterror gegen die Bevölkerung fort: So etwa in Nochixtlán, Oaxaca [4], oder bei den wiederholten Angriffen gegen indigene Gemeinden, die vom Congreso Nacional Indigena (CNI) veröffentlicht wurden [5], so auch bei den insgesamt mehr als 32.000 Menschen, die von staatlichen Kräften gemeinsam mit dem organisierten Verbrechen verschleppt wurden, und bei den mehr als 160.000 Menschen, die von organisiertem Verbrechen und staatlichen Akteuren seit 2006 ermordet wurden, so bei den Angriffen auf Proteste gegen das Staatsverbrechen von Ayotzinapa, so auch bei der Spionage gegen die Mitglieder der GIEI, gegen Anwält_innen, Aktivist_innen und Menschenrechtsorganisationen [67]. Die mexikanische Regierung hat viel Blut und Tränen ihrer eigenen Bevölkerung an den Händen.
Dieses Blut und diese Tränen haben auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel [8], Außenminister Sigmar Gabriel [9], Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier [10] und der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker [11] an ihren Händen. Sie alle haben in den letzten drei Jahren der mexikanischen Regierung freudig die Hände geschüttelt, sie hofiert und als „verlässlichem und strategischem Partner“ bezeichnet, mit der man „zentrale und grundlegende Werte wie Demokratie sowie den Respekt vor Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte teilt“ [12]. Sie verhandeln gerade mit der mexikanischen Regierung eine Neufassung des gemeinsamen Freihandelsabkommens [13]. Sie haben Waffenkäufe gefördert [14] und Vereinbarungen zur Polizeizusammenarbeit mit Mexiko [15] getroffen. Ihnen sind die Interessen der europäischen Konzerne, die in Mexiko Menschen und Natur ausbeuten, sehr viel wichtiger als die Würde und die Rechte der mexikanischen Bevölkerung. Sie sind damit mitverantwortlich für die staatlichen Morde, das Verschwindenlassen und das Leid in Mexiko. Sie sind mitverantwortlich dafür, dass die 43 Studenten aus Ayotzinapa verschleppt wurden und bis heute nicht mehr aufgetaucht sind. Sie werden das Blut und die Tränen an ihren Händen nicht mehr los werden.
Seit drei Jahren kämpfen die Familien der 43 verschleppten Studenten, die Studenten aus Ayotzinapa und hunderttausende Aktivist_innen überall in Mexiko und auf der Welt für die Aufklärung, für Gerechtigkeit und ein politisches System, das solche Verbrechen unmöglich macht. Auch wir sind ein kleiner Teil dieses würdevollen Kampfes. Wir haben uns in den letzten drei Jahren gemeinsam mit unseren Compas in Ayotzinapa, in Mexiko und weltweit vernetzt, haben einander zugehört, unsere Stimmen erhoben, gemalt und musiziert, uns unterstützt, protestiert, Forderungen gestellt, informiert, gemeinsame Erfahrungen gemacht und Vertrauen ineinander gewonnen.
Angesichts von drei Jahren ohne unsere 43 Compañeros und ohne Gerechtigkeit empfinden wir Schmerz und Wut. Wir vergessen nicht. Wir sehen die Würde und die Hoffnung, die in diesen drei Jahren unter uns gewachsen sind.
Wir verlangen die lebende Rückkehr der 43 verschleppten Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa/Mexiko!
Wir verlangen eine Aufklärung dieses Staatsverbrechens!
Wir verlangen die Bestrafung aller Täter und derer, die sie decken!
Wir verlangen den Rücktritt aller politisch Verantwortlichen!
Wir verlangen den sofortigen Abbruch der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der EU!
Für eine andere Welt von Unten und Links!

Eine solidarische Umarmung,
¡Alerta! – Lateinamerika Gruppe Düsseldorf


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