Mittwoch, 6. Januar 2016

Wo die Drogenkartelle Lokalpolitik machen

 
Nur einen Tag war Bürgermeisterin Gisela Mota im Amt, bis sie ermordert wurde. Nach ihrem Tod lösen Bundespolizisten und Soldaten die lokalen Polizeikräfte ab.

von
Nicole Anliker


Neue Zürcher Zeitung, 6.1.2016

Bei ihrer Antrittsrede, in knallrotem Kleid und mit gelber Schärpe, hatte die neue Bürgermeisterin von Temixco versprochen, in ihrer Stadt mit dem organisierten Verbrechen aufzuräumen. Nicht einmal 24 Stunden später war Gisela Mota Ocampo tot. Ein Erschiessungskommando von mehreren Personen war am vergangenen Samstag um sieben Uhr früh in ihr Haus eingedrungen, um die 33-jährige Juristin umzubringen.

Bereits 71 Ermordete

Die für den linken Partido de la Revolución Democrática politisierende Mota genoss den Ruf einer sauberen Politikerin. Sie galt als unerschrockene Frau, die zu sagen wagte, dass sie nicht mit der Mafia paktieren werde, und die den Kampf gegen die Drogenkriminalität zu ihrem vorrangigen Ziel erklärte. Dass sie ihr Versprechen gehalten haben soll, behauptet einer ihrer mutmasslichen und inzwischen festgenommenen Mörder. Laut dessen Aussage soll Mota eine vom Drogenkartell «Los Rojos» angebotene Geldsumme abgelehnt haben – was sie offenbar teuer zu stehen kam.
Ob die Aussage stimmt, bleibt unklar. Dass das Syndikat «Los Rojos» hinter dem Attentat steht, haben offizielle Quellen aber bestätigt. Das Kartell kämpft gegen das der «Guerreros Unidos» um die Kontrolle Temixcos. Gisela Mota reiht sich in die lange Liste der 71 Bürgermeister ein, die in den vergangenen zehn Jahren getötet wurden – meist vom organisierten Verbrechen. Hunderte von Beamten und Polizisten kostete die öffentliche Funktion ebenfalls das Leben. Und trotzdem hat die Ermordung Motas bis über die Landesgrenzen Mexikos zu reden gegeben. Wahrscheinlich, weil der Fall der aufstrebenden Politikerin ein Schlaglicht auf die Verhältnisse wirft, denen viele Träger öffentlicher Ämter in Mexiko ausgesetzt sind: Entweder man kooperiert mit dem organisierten Verbrechen, oder man bezahlt mit dem Leben.

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