Montag, 4. Januar 2016

Mumia Abu-Jamal klagt auf medizinische Behandlung. Richter kritisiert Gefängnisbehörden

Juristischer Erfolg

 

Von Jürgen Heiser
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Mumia Abu-Jamal
Der jW-Kolumnist Mumia Abu-Jamal wird sich am 9. Januar 2016 wieder mit einer Grußbotschaft an die Teilnehmer der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz im Berliner Urania-Haus wenden
Die Gefängnisbehörden des US-Bundesstaates Pennsylvania haben am Freitag eine juristische Niederlage erlitten. Bei der gerichtlichen Anhörung zur Klage des inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal, mit der er seine medizinischen Behandlung durchsetzen will, hatte die Rechtsvertreterin des beklagten »Department of Corrections« (DOC), Laura Neal, das Gericht aufgefordert, die Anhörung einzustellen und den Antrag Abu-Jamals auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen. Sie behauptete, der Gefangene habe »noch nicht alle rechtlichen Möglichkeiten im Beschwerdeverfahren unterhalb der Ebene der US-Bundesgerichte ausgeschöpft«. Vor allem habe er in seiner Beschwerde nicht ausdrücklich nach einer Behandlung seiner Hepatitis-C-Infektion verlangt. Das Bundesgericht sei folglich nicht zuständig.
Bundesrichter Robert D. Mariani reagierte darauf mit der Feststellung, es sei für den Kläger unmöglich gewesen, sich auf Hepatitis C zu beziehen, da er bislang noch nicht in den Genuss einer gründlichen Diagnose gekommen sei, aus der sich zweifelsfrei hätte schließen lassen, dass Hepatitis C die Ursache seiner gesundheitlichen Probleme ist. Deshalb wertete der Richter Neals Ausführungen als »eine verzerrte Sichtweise darauf, was von einem Häftling in einem Beschwerdeverfahren erwartet« werden könne. Zur Genugtuung von Abu-Jamals Unterstützern im vollbesetzten Gerichtssaal verkündete Mariani gegen Mittag (Ortszeit), Mumia Abu-Jamal habe tatsächlich schon alle rechtlichen Möglichkeiten im Beschwerdeverfahren gegenüber dem DOC ausgeschöpft, die Ablehnung der laufenden Anhörung durch die Gefängnisbehörde mit dieser Begründung sei deshalb gegenstandslos. Die Verhandlung über den Antrag Abu-Jamals auf einstweilige Anordnung einer angemessenen medizinischen Behandlung kann also weitergehen. Noelle Hanrahan von Prison Radio nannte schon dieses Ergebnis des ersten Verhandlungstages im US-Bundesbezirksgericht von Scranton »historisch«.
Hintergrund des Verfahrens ist eine schwere Erkrankung des seit 34 Jahren im Gefängnis sitzenden Mumia Abu-Jamal. Im März war er durch einen diabetischen Schock in akute Lebensgefahr geraten. Im August wurde seinen Anwälten durch den juristisch erstrittenen Einblick in seine Krankenakte klar, dass dem DOC bereits seit 2012 Abu-Jamals Infektion mit Hepatitis C bekannt war. Nach monatelangen vergeblichen Beschwerden bei den Behörden und einem Magistratsgericht blieb den Verteidigern nur die Anrufung des Bundesbezirksgericht, das dazu die jetzt laufende erweiterte Anhörung in mündlicher Verhandlung anordnete.
Anwalt Bret Grote vom »Abolitionist Law Center« in Pittsburgh und sein Kollege Robert Boyle aus New York trugen am Freitag zur Untermauerung der Notwendigkeit der einstweiligen Verfügung umfangreiche Argumente vor, warum Anstaltsleiter John Kerestres sowie das DOC gegen die US-Verfassung verstießen, die jedem Gefangenen eine angemessene medizinische Versorgung garantiert.
Auch Mumia Abu-Jamal selbst konnte persönlich in der Anhörung aussagen. Dazu war eine Livevideoschaltung aus dem Mahanoy-Gefängnis in den Gerichtssaal eingerichtet worden. In der Haftanstalt standen Abu-Jamal die Anwältinnen Ashley Henderson und Nikki Grant vom »Amistad Law Project« zu Seite. Vom Gerichtssaal aus führte Anwalt Boyle die Befragung seines Mandanten durch. Dieser sagte aus, dass er Anfang April, nachdem er auf der Intensivstation einer öffentlichen Klinik »drei Tage dem Tode nahe gewesen war, wieder auf die Krankenstation des SCI Mahanoy zurückverlegt« wurde. Dort sei er »nicht imstande gewesen, auch nur einen Schitt zu gehen«, habe seine Arme nicht heben und nicht allein aufstehen können. Die Aussage Abu-Jamals, »zu keiner Zeit gegen Hepatitis C behandelt worden« zu sein, was wohl den diabetischen Schock und die von der kranken Leber ausgehenden Hautexzeme verursacht und ihn weiteren Organerkrankungen ausgesetzt habe, bestätigte auch der nach ihm vor Gericht auftretende medizinische Gutachter Dr. Joseph Harris. Der Vertrauensarzt Abu-Jamals erklärte zudem, dass die Erkrankung durch ein neues Medikament gegen Hepatitis C behandelt werden könne, das »eine 95prozentige Heilungschance« aufweise und dem heutigen Standard medizinischer Behandlung entspreche.
Die Anhörung wird am morgigen Dienstag mit dem Kreuzverhör von Dr. Harris und den Zeugenaussagen von Johanna Fernandez und Suzanne Ross fortgesetzt. Die beiden langjährigen Besucherinnen Abu-Jamals werden zur Verschlechterung seines Gesundheitszustands in diesem Jahr aussagen.

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