Mittwoch, 6. Januar 2016

Köln: Wo bleibt der Aufschrei der Frauen??????

 

05.01.2016 - von Hanne Schweitzer, Birgit Kelle
Wo bleibt die große Demonstration auf der Domplatte in Köln, um Männern zu zeigen, dass frau von KEINEM Mann, egal wo er herkommt oder welche Augenfarbe er hat, ungefragt begrabscht und angefasst werden will?

Wo bleibt der Protest gegen die Kölner Polizei, der schon seit Monaten bekannt war, dass Männergrüppchen als "Antänzer", Dealer und Taschendiebe in Köln immer wieder Frauen belästigt haben? Polizistinnen der Polizeiwache, die für den Hauptbahnhof und die Domplatte zuständig sind, haben der Kölner Zeitung Express gesagt, dass sie nach Feierabend den Bereich am Bahnhof aus diesen Gründen meiden! Warum hat die Kölner Polizei am 1.1.2016 um 08:57 folgende Pressemitteilung abgesetzt: "Die Polizei Köln zieht Bilanz. Wie im Vorjahr verliefen die meisten Silvesterfeierlichkeiten auf den Rheinbrücken, in der Kölner Innenstadt und in Leverkusen friedlich." Auf der Pressekonferenz am 5. Jan. 2016 um 15:43 Uhr entschuldigte sich Polizei-Präsident Alberm für die Meldung, der Abend sei ruhig verlaufen: Albers: "Das war falsch." Ist der Kölner Polizei nicht -wie mir - aufgefallen, dass am Silvesterabend schon um 19.30 rund um den Dom auffällig viele Grüppchen junger Männer zu sehen waren?

Wo bleibt der Protest gegen eine Kölner Oberbürgermeisterin, die sich nur um den Wirtschaftsstandort Köln sorgt, wenn sie sagt: "Es darf nicht sein, dass BESUCHERINNEN und BESUCHER, die nach Köln kommen, um hier an Veranstaltungen teilzunehmen, Angst haben müssen, überfallen zu werden." Sind die BewohnerInnen Kölns für sie uninteressant???

Wo bleibt die Frauensolidarität? Der juristische Weg, den die betatschten und/oder bestohlenen Frauen gehen, indem sie Anzeige erstatten, ist der eine. Laut zu demonstrieren, uvermitteln, dass Frauen kein Freiwild sind, für KEINEN Mann auf dieser Welt, auch nicht für Nazis oder für betrunkene Ehemänner, das ist das andere. 2013 ging das Umzingeln und Demütigen von Frauen durch die Weltpresse, als Männer auf dem Tahirplatz in Kairo es betrieben haben. Human Rights Watch damals: „Es handelt sich um schwere Verbrechen, die Frauen davon abhalten, ... am öffentlichen Leben zu partizipieren“.

Frauenverachtendes Verhalten hat NICHTS mit der Religionszugehörigkeit oder dem Herkunftsland der Täter zu tun. Ist die Emanzipation, ist das damit einhergehende Aufbegehren gegen männliche Übergriffe verkommen zum Recht der jungen Frauen auf Doppelbelastung und Konsum?

Birgit Kelle erinnert in einem Kommentar zum gruseligen Geschehen in Köln an den Medienhype, der vor ziemlich genau vor drei Jahren das Feuilleton beschäftigte. Damals ging es um den FDP-Mann Rainer Brüderle und seinen altherrendämlichen Anmachversuch in einer Hotelbar.
Kelle weiter:
"Die Kölner Zeitungs-Reaktionen sind erwartungsgemäß in drei Fraktionen aufgeteilt:
Entsetzte Reaktionen angesichts dieses Ausmaßes an sexuellen Übergriffen mitten im öffentlichen Raum.
Ein Drittel spontanes Dumpfbackentum, das Messer zücken will und zur Lynchjustiz aufruft an allen, die irgendwie fremd aussehen und innerhalb von Sekunden bei der Unterstellung landet, das passiert eben, wenn so viele Flüchtlinge von der „doofen Merkel“ ins Land gelassen werden.
Dann das unvermeidliche Gutmenschentum, das sich darüber beschwert, dass überhaupt veröffentlicht wird, dass es Männer mit arabischem oder afrikanischem Aussehen waren. Das sei irrelevant, außerdem hetzerisch und rassistisch und spiele zudem „nur den Dumpfbacken“ in die Hände. Also mal besser nicht darüber reden, wer die Täter wohl waren, wie sie aussahen, bloß keine Details, man will ja niemandem auf die Füße treten. Damit sind sie auf einer Linie mit Löschung von diversen Facebook-Postings in Diskussionsforen, wo über die Kölner Vorfälle berichtet wurde. Sowohl Kritik an dem Einsatz der Polizei als auch die Hinweise auf die mögliche Abstammung der Täter und selbst Augenzeugenberichte wurden immer wieder von Administratoren gelöscht. Augen zu, Ohren zu, Mund zu. Nun könnte man ja sagen: Na gut, solange man noch nichts sicher weiß und die Identität der Täter nicht klar ist, wollen wir mal nicht spekulieren und falsche Debatten anheizen.

Zwei Einwände: Hätte es sich bei den Tätern zum Beispiel um deutsche Hooligans gehandelt, wir wüssten alle inzwischen deren Vornamen, die Tagesschau hätte berichtet und Justizminister Maas hätte einen runden Tisch eingesetzt. Niemand hätte ein Problem damit, dass die Identität der Täter offen genannt wird, zumal Pranger in Deutschland ja wieder ganz hoch im Kurs sind. Wie um Himmels willen soll nach Tätern gefahndet werden, wenn es nicht mehr möglich sein darf, sie zu beschreiben? Und ja, verdammt, es ist relevant, wie jemand aussah, genauso relevant, wie die Frage, welche Sprache er sprach, welchen Akzent er hatte oder wie alt er ungefähr war. Wer einen Täter finden will, muss ihn so genau wie möglich beschreiben (dürfen).

Noch einmal zurück zu Rainer Brüderle. Ein angetrunkener Politiker macht einer Journalistin ein missglücktes Kompliment – das reichte vor zwei Jahren aus, um die halbe Bevölkerung Deutschlands als sexistische Chauvinisten unter Generalverdacht zu setzen. Es reichte aus, um Forderungen nach neuen Gesetzen und Verhaltenskodexen aufzustellen Und es reichte aus, Mann zu sein, um sich latent auf der Täterseite wiederzufinden, selbst wenn man sich nie etwas hat zu Schulden kommen lassen. Wir sind ein Land geworden, in dem man sprachlich nur noch von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen tappt, weil sich eine Frau oder eins der hunderten von Geschlechtern falsch, gar nicht, oder nicht angemessen sprachlich berücksichtigt fühlt. Wir sind ein Land, in dem man als Mann überlegt, zu einer Frau alleine in den Aufzug zu steigen oder als Vorgesetzter Gespräche mit Mitarbeiterinnen nur noch unter vier Augen zu führen, es könnte ja falsch verstanden werden.

Und jetzt Köln. Männer die Frauen massiv körperlich betatschen, sie sexuell nötigen, sie beleidigen, sie ausrauben. Auf einem öffentlichen Platz. Kein Einzelfall, sondern massiv, gezielt und offenbar ohne Angst vor der Videoüberwachung und der Polizeipräsenz. Der Aufschrei bleibt aus.

Genauso übrigens, wie er im Herbst ausblieb, als die ersten Berichte aus Flüchtlingsunterkünften veröffentlicht wurden, dass es dort zu sexuellen Übergriffen gegenüber Flüchtlingsfrauen kommt. Auch damals kein Aufschrei, stattdessen der Rechtsextremismusvorwurf an diejenigen, die Sorge äußern, dass ein Frauenbild zuwandert in unserem Land, das wir nicht dulden können. Auch hier waren es wohl die falschen Täter. Der Sexismus-Vorwurf, sonst schnell zur Hand, weicht der Aufforderung zum Verständnis für andere Kulturen. Ich will kein Verständnis haben und werde es auch nicht aufbringen. Es ist mir egal, welche Nationalität ein Täter hat, welche Hautfarbe oder welche Sprache. Und wenn wir mit manchen Nationalitäten, Hautfarben und Sprachen mehr Probleme haben, als mit anderen, gehört es zur ganzen Wahrheit dazu. Weil es auch keinen Unterschied macht, ob das Opfer eine Deutsche, oder eine Frau mit Migrationshintergrund ist, ob sie Flüchtling ist oder Asylbewerberin. Wenn wir Täter jedoch mit zweierlei Maß messen, lassen wir die betroffenen Frauen im Stich."


Bleibt noch: der Zweifel.
Ist es nicht easy, jungen Männern ein bisschen Geld zu versprechen und zu sagen: Macht mal?

-------
Am 5.1.2016 haben ca. 300 Frauen in Köln demonstriert. Behshid Najafi von der Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen sagte: „In was für einer Stadt leben wir eigentlich?, „wie kann es sein, dass so viele Frauen an einem so großen Platz offen belästigt werden und niemand zur Hilfe kommt?“
Link: Sexualisierte Gewalt in der Lebensgeschichte heute alter Frauen
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen