Freitag, 8. Januar 2016

Irans Botschaft attackiert

 

Weitere Eskalation am Golf: Saudi-Arabien hat nach Angaben aus Teheran diplomatische Vertretung in Jemen bombardiert. Riad will Vorwürfe »prüfen«

Von Knut Mellenthin
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Protest gegen die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr Al-Nimr vor der saudischen Botschaft am Donnerstag in Sanaa
Der Konflikt zwischen den Rivalen Saudi-Arabien und Iran um eine einflussreiche Position im Nahen Osten wird weiter verschärft. Ein Sprecher des Teheraner Außenministeriums warf den Saudis am Donnerstag vor, die iranische Botschaft in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa mit Raketen beschossen zu haben. Mehrere Angehörige des Wachpersonals seien verletzt und das Gebäude sei beschädigt worden. Der Angriff sei ein »Verstoß gegen alle Konventionen und internationalen Regeln«. Saudi-Arabien sei für die entstandenen Schäden verantwortlich. Der Iran behalte sich rechtliche Schritte vor.
Saudi-Arabien und einige seiner Verbündeten beteiligen sich seit dem 26. März 2015 mit Luftangriffen und Bodentruppen am Bürgerkrieg im Jemen. Die UNO schätzt die Zahl der Menschen, die seit diesem Zeitpunkt getötet wurden, auf 2.800. Etwa die Hälfte seien Zivilpersonen gewesen. Die meisten Opfer hätten die saudischen Bombardements gefordert..
Der Sprecher der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition, Brigadegeneral Ahmed Asseri, sagte in einer ersten Reaktion auf die iranischen Vorwürfe eine Prüfung des Sachverhalts zu. Er räumte ein, dass Kampfflugzeuge der Allianz in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag schwere Luftangriffe gegen Sanaa geflogen hätten, das seit September 2014 von der schiitischen Miliz Ansar Allah – im Westen meist »Houthis« genannt – kontrolliert wird. Ziel seien Stellungen der »Houthis« in zivilen Gebäuden, darunter auch in verlassenen Botschaften, gewesen. Da die meisten Staaten nur die Gegenregierung in der Hafenstadt Aden anerkennen, haben diese ihre Diplomaten aus Sanaa abberufen.
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Für Verwirrung sorgte am Donnerstag nachmittag eine Meldung der deutschen Presseagentur dpa: Angeblich hatte eine ihrer Mitarbeiterinnen sich in Sanaa durch eigenen Augenschein überzeugt, dass an der iranischen Botschaft keine Schäden zu erkennen seien. Ob sie sich wirklich einen Überblick über die ganze Anlage verschaffen konnte, war zunächst unklar.
Der Streit zwischen Teheran und Riad hatte sich am Wochenende zugespitzt, nachdem die Saudis am Sonnabend in der größten Massenhinrichtung seit 35 Jahren 47 Menschen als angebliche Terroristen getötet hatten. Unter den Opfern war ein schiitischer Geistlicher, Scheich Nimr Al-Nimr, dem selbst westliche Medien übereinstimmend attestierten, dass er nie zur Gewalt aufgerufen habe. Am Rande einer Protestkundgebung in Teheran setzten daraufhin einige Demonstranten ein Nebengebäude der saudischen Botschaft in Brand. Das Regime in Riad nahm das umgehend zum Anlass, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Am Montag gab der saudische Außenminister darüber hinaus auch die Kappung aller Handels- und Verkehrsverbindungen bekannt. Saudischen Staatsbürgern wurden Reisen in den Iran verboten.
Am Donnerstag beschloss das iranische Kabinett als Gegenmaßnahme ein »totales« Verbot von Importen aus Saudi-Arabien. Iraner dürfen »bis auf weiteres« nicht mehr zum Hadsch – den alljährlichen Pilgerfeiern in Mekka – oder zur Umrah nach Saudi-Arabien reisen. Letzteres ist eine individuelle Form der Pilgerfahrt, die nicht an ein bestimmtes Datum gebunden ist.
China ist offenbar bemüht, vermittelnd einzuwirken. Wie am Donnerstag bekannt wurde, hält sich der stellvertretende Außenminister Zhang Ming in Riad auf und will anschließend nach Teheran weiterreisen.

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