Dossier
“In einem Bericht fordert die Menschenrechtsorganisation große Daten-Konzerne dazu auf, ihre Geschäftsmodelle der unbeschränkten Überwachung und Datenausbeutung radikal zu ändern, da sie sie unvereinbar sind mit dem Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung. EU und Bundesregierung müssen ihrer Schutzpflicht nachkommen und elementare Menschenrechte auch für die digitale Moderne gewährleisten. Die Dominanz von Onlinediensten, die u.a. Google und Facebook anbieten, geben diesen Unternehmen eine nie dagewesene Macht über die persönlichsten Daten von Millionen Menschen: 2,8 Milliarden Personen pro Monat nutzen einen Facebook-Dienst, mehr als 90 Prozent aller Internetsuchen finden auf Google statt und mehr als 2,5 Milliarden Handys nutzen das Google-Betriebssystem Android. Das Internet ist eine grundlegende Infrastruktur für die Ausübung zahlreicher Menschenrechte. Facebook und Google sind Torhüter dieser digitalen Welt. Sie haben eine historisch einmalige Macht über den “digitalen öffentlichen Platz” und bestimmen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Einschränkungen Meinungs- und Informationsfreiheit online ausgeübt werden können – und welchen Preis man dafür zahlen muss. (…) Dies umfasst nicht allein freiwillig zur Verfügung gestellte Informationen, sondern die digitale Erfassung und Überwachung aller Aktivitäten, weit über die Nutzung einzelner Social-Media-Plattformen hinaus. Auch ist es nicht auf die Daten derer beschränkt, die sich bewusst dafür entschieden haben, diese Dienste zu nutzen. (…) “Es braucht eine digitale Infrastruktur und Angebote, die Selbstbestimmung, Privatsphäre und Autonomie der Menschen respektieren und schützen. Die EU und die deutsche Bundesregierung sind gefordert, rechtsstaatliche Rahmenbedingen zu schaffen, um die Grund- und Menschenrechte kommender Generationen in einer digitalen Welt zu bewahren.“…” Pressemitteilung von Amnesty International in Deutschland vom 21. November 2019 und neu dazu:
- Enteignung, Überwachung, Ausbeutung – demokratische Spielregeln im digitalen Kapitalismus sind überfällig
“… Die größten Unternehmen der Welt (nach Marktwert) sind fast ausschließlich digitale Unternehmen wie Google, Facebook oder Microsoft. Der Reichtum dieser Unternehmen beruht auf der Aneignung, Verarbeitung und dem Verkauf von Daten. Dies unterscheidet digitale Unternehmen von Industrieunternehmen. Letztere kaufen Waren ein (hierzu zählt die menschliche Arbeitskraft), die sie zu neuen Waren (wie z.B. Autos) verarbeiten und dann profitträchtig verkaufen. Im digitalen Kapitalismus stößt diese industrielle Produktionsweise jedoch auf Widersprüche in der Logik der Kapitalakkumulation. Denn digitale Produkte (wie z.B. Software, Musikdateien, Videos) kann man im Prinzip kostenlos vervielfältigen und weiterreichen. Ohne Preis daher kein Profit, also auch keine Kapitalakkumulation. Was die digitale Kapitalakkumulation jedoch ermöglicht, sind Daten. (…) Vorzugsweise nehmen sich digitale Unternehmen unsere Daten einfach, d.h. sie enteignen uns. Enteignungsprozesse sind in der Geschichte des Kapitalismus keine Seltenheit. Schließlich ermöglichten die koloniale Enteignung der amerikanischen Bevölkerungen und die spätfeudale Enteignung der englischen Landbevölkerung die „ursprüngliche Akkumulation“ und bildeten somit die Vorbedingungen des Industriekapitalismus. Auch der digitale Kapitalismus hat eine Vorbedingung. Diese besteht in der „ursprünglichen Datenakkumulation“, die Google durch weitreichende Datenenteignung als Pionier einleitete. Einmalige „digitale Diebstahlsakte“ reichen aber nicht aus, um den Profithunger der digitalen KapitalistInnen und ihrer digitalen Algorithmuswerwölfe zu stillen. Ständig neue und weitreichendere Datenenteignungsprozesse sind erforderlich, um den Marktwert digitaler Unternehmen zu steigern. Wie Zuboff betont, erfordert dies nicht nur eine permanente und zunehmende Überwachung – auch die Verletzung unserer Privatsphäre sowie die Bildung von Monopolen sind notwendige Begleiterscheinungen der digitalen Akkumulationslogik. (…) Wenn digitale Unternehmen nicht durch Enteignung zu menschlichen Verhaltensdaten gelangen, dann greifen sie auf die Leistungen digitaler ArbeiterInnen zu. Es gibt heutzutage zwar viele unterschiedliche Tätigkeiten, die „digital“ verrichtet werden. „Idealtypisch“ gesprochen gilt aber: Im digitalen Kapitalismus wird digitale Arbeit verrichtet, um die digitalen Produktionsmittel von digitalen Unternehmen zu optimieren und somit den digitalen Produktionsprozess profitabler zu gestalten. Während also im Industriekapitalismus die ArbeiterInnen neue und bessere Maschinen produzierten, wird im 21. Jahrhundert menschliche Arbeitskraft eingesetzt, um Algorithmen zu trainieren…” Beitrag von Bernhard Siegl vom 14. Januar 2020 beim A&W blog - Dem Markt-Kannibalen Facebook knurrt der Magen – Monopolisierung und Plattformisierung schaffen laufend vollendete Tatsachen einer Medienrevolution
“Wir müssen reden. Und wissen doch, dass es einstweilen gar nichts ändern wird. Zuletzt entwarf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) neue “Wettbewerbsregeln” – Quasi-Monopolisten wie amazon, Facebook und Google sollen angehalten werden, auf ihren Plattformen Wettbewerber nicht zu benachteiligen. Der scheidende ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm sieht ebenfalls Handlungsbedarf, da Deutschland seine “digitale Souveränität” einstweilen schon verloren habe. Das sind allgemeine Befunde, die bestenfalls zu ganz neuen Mühen der Ebene führen. (…) Ob die Heutigen je eine Pleite der genannten Internet-Riesen erleben werden, kann niemand sagen. Amazon-Chef Jeff Bezos beschwört seit Jahren die zwangsläufige Insolvenz jedes Boom-Unternehmens, wie auch des seinen. Für die 200 Millionen Paket-Junkies seiner Plattform ist dies wohl kaum vorstellbar. Dasselbe gilt für unser tägliches Googlen. Auf Facebook herrschen etwas speziellere Bedingungen – sowohl, was seine Angebote wie auch seine Nutzer betrifft. Unter deutlich über 2 Mrd. monatlich aktiven Facebookianern befinden sich laut 2014er Statistiken in europäischen Ländern überdurchschnittlich viele Akademiker – nur nicht in Deutschland. (…) In Gestalt nüchterner Zahlen kommen dabei täglich ca. 4 Petabyte neue Daten auf Facebook in kollektiver Arbeit zustande. Dies dürfte ein Spitzenwert in menschlicher Zeichenproduktion überhaupt sein. Bei vielen, die gar nicht oder nur auf Konsumentenseite damit konfrontiert sind, ist ein Bewusstsein über Arbeit und Wert in diesem neuartigen Feld noch nicht spürbar eingetreten. Angedeutete politische oder kooperative Initiativen darf man getrost als Kurieren an begrenzten Symptomen bezeichnen. Der Kulturwandel hat laufend unbekannte Opfer. Regenerationen einer zerstörten sozioökonomischen Basis von Medienproduktion wären eine Zukunftsaufgabe, für die wir in der Öffentlichkeit kompetente Sprecher oft vergeblich suchen, wie auch der politische Mut und die gedankliche Kreativität dazu zu fehlen scheinen und die Debatte nur am Rande läuft. Für einen Medien-Hype ist eine solche Selbstthematisierung vielleicht und dann tragischerweise etwas zu abstrakt und ohne emotionalen Faktor für das große Publikum selbst. Dass die Konsequenzen nicht noch bitterer werden, sollte eigentlich Motivation genug sein.” Artikel von Daniel Hermsdorf vom 5. Januar 2020 bei Telepolis - Internet-Plattformen: digitale Monopolmacht?
“Internetplattformen wie Amazon, Google, Facebook oder auch Uber sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Neben einer allgemeinen Technikbegeisterung finden jedoch zunehmend kritische Stimmen Gehör: Eine Regulierung der Internetplattformen scheint mittlerweile unumgänglich. Die EU-Kommission arbeitet daher aktuell an Regulierungsmaßnahmen für Internetplattformen. (…) Der großen ökonomischen Macht einiger weniger großer Plattformen stehen häufig sehr schlechte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gegenüber. (…) Das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union richtet sich jedoch gerade darauf, das Ausnutzen zu großer Marktmacht durch einzelne Unternehmen zu unterbinden. Fairer Wettbewerb ist nur möglich, wenn sich alle an die Spielregeln halten. (…) Ein effektives Wettbewerbsrecht müsste zunächst arbeitsmarktpolitische Überlegungen und insbesondere die Situation der Beschäftigten bei Entscheidungen der EU-Wettbewerbskommission stärker ins Kalkül ziehen. Bisher findet eine angemessene Berücksichtigung von ArbeitnehmerInneninteressen in der Wettbewerbspolitik der EU nicht statt. Das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen durch Lohndruck oder schlechte Arbeitsbedingungen muss jedoch verhindert werden. Ein faires Wettbewerbsumfeld im Digitalbereich kann überdies nur dann geschaffen werden, wenn auch Faktoren wie die Datenkonzentration bei Entscheidungen einbezogen werden. Zugleich kann das Wettbewerbsrecht alleine nicht genug sein: So stellt sich eine Vielzahl von arbeits- oder auch steuerrechtlichen Fragen. Eine baldige gesetzliche Regulierung der Internetökonomie und ihrer Plattformen erscheint vor diesem Hintergrund unumgänglich.” Beitrag von Michael Gogola vom 16. Dezember 2019 bei Kompetenz online- Anm.: Zu beachten ist bei dieser Haltung zum Wettbewerb vielleicht, dass die Idee von einer Marktgerechtigkeit nicht nur typisch liberal-kapitalistisch (vgl. FDP) ist, sondern nicht nur Marx sondern auch Schumpeter die Monopolbildung gerade als wesentlich für die Überwindung des Kapitalismus betrachteten.
- Siehe dazu auch: Die Internetgiganten in die Schranken weisen
- Neue Wettbewerbsregeln für die Plattformökonomie
“… Wie soll Politik auf die übermächtigen Digitalkonzerne Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft (GAFAM) und Co. reagieren? Eines der schärferen Schwerter der deutschen Regulierungsbehörden ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), welches unsere marktwirtschaftliche Ordnung vor Monopolen und ökonomischer Machtkonzentration einzelner Unternehmen schützen soll. Bereits im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung angekündigt, das Wettbewerbsrecht zu modernisieren. Nun liegt ein Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für die 10. GWB-Novelle mit wichtigen Neuerungen vor, der sich aktuell in der Ressortabstimmung befindet. Aber stellen die vorgeschlagenen Maßnahmen einen ausreichenden Schutz gegen die Macht der Internetgiganten dar? (…) Trotz dieser vielversprechenden Reformen scheitert die GWB-Novelle am Versuch, die Wettbewerbsregeln fit fürs digitale Zeitalter zu machen. Denn der vermeintlich „freie“ Wettbewerb, den das GWB schützen soll, ist in weiten Teilen der Digitalökonomie gar nicht mehr vorhanden. (…) Für benachteiligte Drittanbieter:innen auf der Plattform ist es praktisch kaum möglich, die unfairen Handelspraktiken aufzudecken und in einem Verfahren über mehrere Instanzen gegen Internetgiganten wie Amazon anzuklagen. Leider wurde auch das unter anderem von der Monopolkommission geforderte Antragsrecht von (Datenschutz-) und Verbraucherschutzorganisationen zur Aufnahme eines Kartellverfahrens bei offensichtlichen Rechtsverstößen nicht bei der neuen GWB-Novelle berücksichtigt. Bleibt also nur das Bundeskartellamt selbst, das auf Basis des neuen Artikels §19a zwar eigenständig in diesen Fällen aktiv werden könnte, jedoch mit 350 Mitarbeiter:innen bei Weitem nicht über eine ausreichende Personaldecke verfügt, um einen Marktplatz wie Amazon mit mehreren hundert Millionen Produkten permanent zu überwachen. (…) Das Bundeswirtschaftsministerium verpasst in der 10. GWB-Novelle die Chance, eine rechtliche Grundlage für die Entflechtung beziehungsweise Aufspaltung von Großkonzernen wie Google, Amazon oder Facebook zu schaffen, von denen eine nachhaltige und substantielle Verzerrung des Wettbewerbs ausgeht. Dabei scheint die Zeit reif: Der Ruf nach einer härteren Gangart gegenüber Großkonzernen ertönt in den letzten Jahren immer lauter und quer durch das politische Spektrum…” Gastbeitrag von Dominik Piétron und Marita Wiggerthale vom 6. Dezember 2019 bei Netzpolitik.org - [FsA] Brecht die Macht der Digitalkonzerne! “Google muss zerschlagen werden!”
“Genau das Gleiche gilt natürlich auch für Facebook, Microsoft, Amazon und Apple. Konzerne, die mit einer Marktmacht von Hunderten Milliarden Euro kleine und mittlere Staaten in die Tasche stecken könnten, dürfen nicht existieren. Und es gab in der Geschichte der USA schon einige Beispiele, wo der Staat solche Unternehmen auseinander genommen hat. Digitalcourage schreibt uns dazu: „Google muss zerschlagen werden!“ sagten wir bereits 2013, als wir Google einen BigBrotherAward verliehen haben. Dafür wurden wir angefeindet und auch ausgelacht, denn das sei ja völlig unmöglich. Doch unmöglich ist das keineswegs. Hättest Du’s gewusst? Standard Oil wurde 1911 zerschlagen, 1982 fiel das Telefonmonopol von AT&T, und Microsoft darf Windows nicht mehr mit dem Internet-Explorer koppeln. Wir stellen uns der Macht der Internet-Konzerne entgegen. Jetzt ist die Chance, etwas zu bewegen! (…) Wir sind überzeugt: In Sachen Google, Facebook, Amazon & Co. geht es schon längst nicht mehr nur um das Behindern des Wettbewerbs und das Übervorteilen von Verbrauchern − auf dem Spiel stehen heute auch die Unabhängigkeit der öffentlichen Meinung und die unserer Demokratie. (…) Die Auseinandersetzung um die Macht der Internetkonzerne beginnt jetzt und heute: Schon im Frühjahr 2020 wird der Bundestag über das neue Wettbewerbsgesetz abstimmen. Zusammen mit vielen Verbündeten arbeiten wir zur Zeit an einem Kommentar zum Gesetzentwurf der Regierung und stellen konkrete Forderungen auf. Denn die Wettbewerbshüter haben bisher bei der Einhegung der Digitalkonzerne versagt. Wir wollen endlich einen wirksamen Hebel im Gesetz verankern…” Aufruf vom 1. Dezember 2019 von und bei der Aktion Freiheit statt Angst
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