Donnerstag, 2. August 2018

CSU im Lagerwahlkampf


»Anker-Zentren« für Asylsuchende: Einrichtungen in Bayern umbenannt. Flüchtlingsrat warnt vor Modell aus dem »menschenrechtlichen Hinterhof«

 

In Bayern selbst ändert sich nach Einschätzung des dortigen Flüchtlingsrats nicht viel, nur weil bisherige Erstaufnahmeeinrichtungen und Transitzentren für Asylsuchende dort jetzt »Anker-Zentren« heißen. »Die Schaffung von Anker-Zentren würde in anderen Bundesländern teils zu massiven Verschlechterungen führen, in Bayern sind diese längst an der Tagesordnung«, hatte der Flüchtlingsrat einen Tag vor der Umbenennung am Mittwoch erklärt. Bayern sei »in der Asylpolitik bereits der menschenrechtliche Hinterhof in Deutschland«. Was diesbezüglich im »schwarz-roten« Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart worden sei, basiere auf dem bayerischen Modell.
»Anker« steht für »Ankunft, Entscheidung, Rückführung«. Das letzte Wort dürfte der CSU zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl am 14. Oktober besonders wichtig gewesen sein. Als Anker-Zentren firmieren nun die bisherigen Transitzentren in Manching, Bamberg, Deggendorf und Regensburg, ebenso die Erstaufnahmeeinrichtungen in Donauwörth, Zirndorf und Schweinfurt. Etwa 1.000 bis 1.500 Menschen sollen dort jeweils untergebracht sein.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter, Justiz- und Ausländerbehörden sollen an den Standorten vertreten sein, um die Verfahren zu beschleunigen. Durch die Bündelung aller wichtigen Behörden bekomme man noch schneller Klarheit über den Ausgang des Asylverfahrens, betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zum Neustart der Einrichtungen.
Stimmt wenigstens das? – Nein, meint der Bayerische Flüchtlingsrat: »Die Behauptung, diese Abschiebelager dienten der Beschleunigung der Asylverfahren, ist eine beharrliche Täuschung der Öffentlichkeit.« In Manching seien zehn Prozent der Betroffenen schon mehr als 18 Monate untergebracht. Was das bedeutet, fasste die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Ulla Jelpke am Mittwoch zusammen: »Arbeitsverbote, Residenzpflicht, beengte Wohnverhältnisse ohne Privatsphäre, Sachleistungsprinzip, Kantinenessen.« Die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bundesweit angestrebten Anker-Zentren nähmen Geflüchteten jede Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde, erklärte Jelpke.
»Es sind keine Gefängnisse, aber es gibt dort so etwas wie unsichtbare Gitterstäbe – die Menschen dürfen nicht arbeiten, sie haben kein Geld für die Fahrkosten zu ihren Anwälten in größeren Städten und keines für die Teilnahme am öffentlichen Leben; ihre Kinder gehen nicht in normale Schulen«, betonte Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat am Mittwoch im Gespräch mit junge Welt.
Schlafräume seien generell nicht abschließbar, Duschräume meist auch nicht – ein Zustand, den Frauenrechtsorganisationen schon lange kritisieren. Die meisten Frauen und Mädchen landen in »gemischten« Unterkünften. Auch werde bei der Ankunft nicht erfasst, wer besonders schutzbedürftig sei, so Weidhaase. Dazu zählen neben Kindern, Älteren, Schwangeren, Kranken und Menschen mit Behinderung auch »Queer Refugees« – also schwule, lesbische, bi-, trans-, und intersexuelle Flüchtlinge, die in den Massenunterkünften Anfeindungen oder schlimmstenfalls Gewalt von seiten religiös verblendeter Mitbewohner fürchten müssen. Zwar gibt es für sie in deutschen Großstädten wie Berlin und Nürnberg spezielle Unterkünfte, aber auch diese Geflüchteten landen in Bayern erst einmal auf unbestimmte Zeit in den Anker-Zentren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen