Sonntag, 28. Juli 2013
Österreichische Polizei greift Zeltlager der Anatolischen Föderation in Kärnten an
Von Sükriye Akar und Thomas Eipeldauer, junge Welt vom 26.07.2013 /
Döbriach in Kärnten ist ein idyllischer Ort. Die Campanlage der Roten Falken in dem kleinen Ort hat einen Seezugang, Sport- und Beachvolleyballplätze, man kann sich Kanus ausleihen und abends Billard spielen. Zum elften Mal veranstaltet dort derzeit die Anatolische Föderation (AF), ein in Köln sitzender Dachverband von Migrantenvereinen, der antirassistische und demokratische Aufklärungsarbeit leistet, ein Kinder- und Familienferienlager. Der Tagesablauf besteht nicht unbedingt aus staatsgefährdenden Tätigkeiten: Frühstück, politische oder kulturelle Aktivitäten, Schwimmen, Lagerfeuer.
Dennoch drangen am frühen Donnerstag morgen rund hundert österreichische Polizisten in das Camp ein, konfiszierten die Pässe der Anwesenden und gaben zu verstehen, daß sie auf der Suche nach »illegalen« Personen seien. Augenzeugen zufolge soll auch ein Hubschrauber im Einsatz gewesen sein. »Gegen 7.30 Uhr öffneten sie das Zelt, in dem ich mit anderen schlief. Eine Frau in Zivil schrie: ›Aufstehen, Polizei.‹ Ich hab es scheinbar nicht gleich gehört und wurde dann mit einem Tritt auf den Unterschenkel geweckt«, schildert der 14jährige Deniz die Situation.
Auf Anfrage bei der Pressestelle der Kärntner Polizei erklärte ein Sprecher gegenüber jW, es handle sich »um eine normale fremdenpolizeiliche Kontrolle«. Man wolle nur schauen, »ob sich da jemand illegal aufhält«. Die Nachfrage, ob es einen Zusammenhang mit den Verhaftungen von Mitgliedern der Anatolischen Föderation Ende Juni in Deutschland gäbe, wurde verneint.
Das allerdings vermutet nicht nur die im Camp anwesende Menschenrechtsaktivistin Sandra Bakutz, die vor einigen Jahren selbst von türkischen Behörden gefangengenommen worden war. »Es liegt nahe, daß es einen Zusammenhang mit den jüngsten Verfolgungen von Aktivisten der Anatolischen Föderation gibt«, sagt sie gegenüber jW.
Seit dem 26. Juni geht die deutsche Bundesanwaltschaft massiv gegen den Dachverband vor. Vier Menschen, darunter die Vorsitzende der AF, Latife A., wurden wegen des Vorwurfs, die türkische Organisation DHKP-C zu unterstützen, verhaftet. Schon dabei assistierten österreichische Beamte: Auf Geheiß ihrer deutschen Kollegen nahmen sie Yusuf T. fest, der nun in der Justizanstalt Wien-Josefstadt auf eine möglicherweise bevorstehende Übergabe an die deutschen Behörden wartet. Mittlerweile sitzt auch ein zweiter türkischer Aktivist in österreichischem Gewahrsam. Özgur A. droht ebenfalls die Auslieferung nach Deutschland.
Die vermeintliche »fremdenpolizeiliche Kontrolle« des Sommercamps führte gestern zu keinen Verhaftungen, da sich keine »illegalen Personen« dort aufhielten. Klar ist aber, daß sich angesichts der andauernden Proteste in der Türkei die Situation linker türkischer und kurdischer Migrantenorganisationen in Europa zuspitzt. Denn bei aller verbalen Distanz zum brutalen Vorgehen der AKP-Regierung in der Türkei – die Länder der Europäischen Union, insbesondere Deutschland, stehen treu hinter ihrem Handelspartner und NATO-Freund Recep Tayyip Erdogan.
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