Sonntag, 28. Juli 2013
Und so ist dann die Geschichte der Sowjetunion nicht mehr die Geschichte eines unaufhörlichen, heroischen Kampfes zur Abwehr der Angriffe des Imperialismus und zur Verteidigung des Stützpunktes der proletarischen Revolution und der revolutionären Befreiungsbewegungen der Völker, sondern die besonders finstere Fortsetzung der zaristischen asiatischen Despotie unter den „roten Zaren“ Lenin und Stalin.
STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER SED IM KAMPF GEGEN DEN REVISIONISMUS
Quelle: Kurt Gossweiler Politisches Archiv siehe
Von Kurt Gossweiler
(Referat, am 2. Mai 1993 auf der 1.Mai-Veranstaltung der Partei der Arbeit Belgiens in Brüssel in gekürzter Form gehalten)
Liebe Genossinnen und Genossen!
Zuerst schließe ich mich aus vollem Herzen dem Dank für die Einladung an, den Genosse Karl Eduard von Schnitzler vorhin zum Ausdruck brachte. Für uns, die wir aus einem Land kommen, in dem die furchtbare Niederlage zu Orientierungslosigkeit, Resignation und massenhaftem Renegatentum geführt hat, ist dieses Treffen ein unvergessliches Erlebnis der weltumspannenden kommunistischen Verbundenheit, des lebendigen proletarischen Internationalismus, das uns frische Kraft und Zuversicht verleiht.
Bevor ich zum Thema spreche noch einige Vorbemerkungen:
Die erste: Ich bin zwar Mitglied der PDS, aber was ich hier vortrage, ist nur meine persönliche Ansicht; ich spreche hier nur für mich, für keine Organisation oder Gruppierung.
Die zweite: Wir haben es nicht mit der Katastrophe einzelner sozialistischer Länder, etwa der DDR, zu tun, sondern mit der Katastrophe des Sozialismus in Europa und weit darüber hinaus.
Es ist deshalb unmöglich, den Zusammenbruch eines einzelnen sozialistischen Landes isoliert zu behandeln, so, als ob jedes einzelne nur an seinen eigenen inneren Gebrechen zugrunde gegangen wäre.
Die Krankheit, an der sie alle zugrunde gegangen sind, war und ist überall die gleiche; sie heißt: Revisionismus.
Deshalb kann man über den Kampf gegen den Revisionismus, über seine Stärken und Schwächen in einzelnen Ländern, erst sprechen, wenn vorher klarzustellen versucht wird, welche Rolle der Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung gespielt hat. Daher muss ich um Geduld bitten; bevor ich auf die DDR und die SED zu sprechen komme, werde ich versuchen, die Rahmenbedingungen zu umreißen, innerhalb derer die SED ihre ideologische und politische Arbeit zu leisten hatte.
I. Zum Revisionismus in der kommunistischen Bewegung
Die kommunistische Bewegung entstand bekanntlich als Antwort auf die revisionistische Verfaulung der II. Internationale.
Wie jede junge revolutionäre Bewegung neigte sie eher zur Kinderkrankheit des Radikalismus als zur entgegen gesetzten Krankheit des feigen Opportunismus.
An der Gründung der kommunistischen Bewegung waren Revolutionäre verschiedener Generationen beteiligt, mit unterschiedlichen Erfahrungen im Klassenkampf.
Die Generation der Älteren – Lenin, Clara Zetkin, Wilhelm Pieck u.a. – verfügte über den reicheren Erfahrungsschatz; sie hatte nicht nur die revisionistische Entartung der Sozialdemokratie, sondern auch deren heroische, revolutionäre Zeit erlebt; sie wusste aus eigener Kampferfahrung um die Stärken und Schwächen der verschiedenen Kampfformen und kannte die Gefahren einer einseitigen Festlegung auf eine einzige von ihnen.
Die Generation der Jüngeren – Stalin, Ernst Thälmann, Walter Ulbricht, Maurice Thorez, Palmiro Togliatti, Georgi Dimitroff, um nur die hervorragendsten von ihnen zu nennen, – war geprägt von zwei Grunderlebnissen: dem Verrat der Sozialdemokratie und deren Übergang auf die Seite des Imperialismus zum einen, vom Sieg der Oktoberrevolution zum anderen.
Die Grundlehren, die sich diesen kommunistischen Führern wie auch den einfachen Mitgliedern der jungen kommunistischen Parteien eingebrannt hatten, waren
erstens: Der Sieg des Oktober hat bewiesen, dass auf der Tagesordnung der Menschheitsgeschichte der Sturz des Kapitalismus, die proletarische Revolution steht;
zweitens: die Rolle der Sozialdemokratischen Parteien und ihrer Führungen hat 1914, 1917/18 bewiesen, dass die Sozialdemokratie zu einer konterrevolutionären Kraft, zu einer Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung geworden ist; und die Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung im Herbst 1923 infolge des Paktierens der Brandler-Thalheimer-Führung der KPD mit den linken Sozialdemokraten hat bewiesen, dass ein Paktieren mit der Sozialdemokratie, selbst mit ihrem linken Flügel, zur Niederlage führen muss.
Drittens: Der Sieg über den Imperialismus kann nur errungen werden, wenn der Einfluss der Sozialdemokratie auf die Mehrheit der Arbeiterklasse gebrochen ist.
Aus dieser Generation von Revolutionären gingen die hervorragendsten Marxisten-Leninisten und die fähigsten Führer der Massen hervor; zugleich aber war diese Generation kommunistischer Parteiführer in ihren Lehrjahren der Gefahr der „Kinderkrankheit“ des Radikalismus besonders stark ausgesetzt.
Das zeigte sich z.B. in einigen Feststellungen des Programms der Kommunistischen Internationale, das auf dem VI. Weltkongress der KI im Jahre 1928 angenommen wurde; so etwa in der Festlegung, dass in entwickelten kapitalistischen Staaten, wie Deutschland, nur noch der direkte Übergang zur Diktatur des Proletariats auf der Tagesordnung stehe, ohne irgendwelche Zwischenstufen; oder in der Charakteristik der Sozialdemokratie als „Sozialfaschismus“. (Diese Charakteristik war nicht nur in taktischer Hinsicht falsch, sondern ist auch theoretisch unhaltbar.)
Diese „Linksabweichungen“ waren aber keineswegs Sache von einzelnen Personen, etwa Stalins, sondern es war in der Tat die Kinderkrankheit einer jungen, im Kampf gegen den sozialdemokratischen Opportunismus entstandenen Bewegung.
Nachdem die Kampferfahrungen und die bitteren Lehren des Sieges des Faschismus in Deutschland diese und andere Festlegungen als falsch und schädlich erwiesen hatten, wurden von eben diesen Führern auf dem VII. Weltkongress der KI und auf der so genannten „Brüsseler Konferenz“ der KPD in scharfer Selbstkritik die Fehler korrigiert.
Es ist heute in Deutschland, auch in der PDS, üblich, zu behaupten, unter Stalins Einfluss sei die kommunistische Bewegung von der Linie des VII. Weltkongresses – der Linie der Schaffung der breitesten Einheits- und Volksfront gegen den Faschismus – wieder abgegangen. Das Gegenteil entspricht der Wahrheit.
Es war die Sozialistische Internationale und es waren die ihr angeschlossenen Parteien, die alle und jede Angebote der KI und der kommunistischen Parteien auf Aktionseinheit im Kampf gegen den Faschismus mit den fadenscheinigsten Argumenten ablehnten. Es gehört zu den alten Geschichtslügen, die neuerdings aber auch von so genannten „Erneuerern“ in den kommunistischen und ehemals kommunistischen Parteien übernommen wurden, dass eine sich anbahnende Aktionseinheit mit der Sozialdemokratie durch die Moskauer Prozesse zunichte gemacht worden sei. Die Moskauer Prozesse waren nirgendwo Ursache für ein Abschwenken sozialdemokratischer Parteien von einer sich bildenden Einheitsfront, sondern der hochwillkommene Vorwand, die bisherige Verweigerungshaltung nun der eigenen Anhängerschaft „plausibel“ zu begründen.
Es entsprach hingegen voll der vom VII. Weltkongress vorgezeichneten Linie, wenn die Sowjetunion trotz des Verrats von München – der Auslieferung ihres Verbündeten Tschechoslowakei an Hitler durch die Westmächte – vom Frühjahr 1939 an bis in den August hinein zäh und äußerst konstruktiv mit den Westmächten um das Zustandekommen eines wirkungsvollen Paktes der Kollektiven Sicherheit rang.
Und es war die Frucht ihrer, der Sowjetunion, Politik, dass es schließlich zur Anti-Hitlerkoalition kam, und es war nur ihrer Kraft und Autorität zu danken, dass die Anti-Hitlerkoalition bis zur Vernichtung der faschistischen Bestie in ihrer Höhle zusammenhielt und nicht vorher durch einen Separatfrieden mit Hitlerdeutschland gesprengt wurde.
Schließlich fand die Linie des VII. Weltkongresses ihre Verwirklichung in der Schaffung des Nationalkomitees Freies Deutschland in der Sowjetunion und in entsprechenden Bewegungen in Deutschland und in der antifaschistischen Emigration, später in der Zusammenarbeit der antifaschistisch-demokratischen Parteien in der sowjetischen Besatzungszone und in den von der Sowjetunion befreiten Ländern.
In der Sowjetunion und in den Parteien der Kommunistischen Internationale waren die linken – trotzkistischen – und rechten – bucharinschen – Abweichungen vom Leninschen Kurs in den zwanziger Jahren ideologisch und in den dreißiger Jahren politisch geschlagen worden. Wenn wir sehen, wohin die Wiederbelebung dieser Strömungen durch Gorbatschow innerhalb kürzester Zeit geführt hat, gewinnt die These gewaltig an Überzeugungskraft, dass gerade durch den erfolgreichen Kampf gegen diese Abweichungen der Sieg über den Hitlerfaschismus gesichert wurde, und dass gerade durch ihn auch die kommunistischen Parteien in zahlreichen kapitalistischen Ländern – allen voran Frankreich und Italien – sich zu starken Massenparteien, zu wirklichen Führern der Volksmassen im Kampf gegen den Faschismus entfalten konnten.
Beide Abweichungen – die linken wie die rechten – besitzen jedoch auch nach dem Sturz des Kapitalismus noch eine soziale Basis und ideologische Wurzeln. Sie können nicht mit einem Schlage ein für allemal ausgerottet werden, der Kampf gegen sie muss kontinuierlich geführt werden; denn sie gewinnen immer wieder neue Nahrung aus den überkommenen Anschauungen, die nicht in ein bis zwei Generationen restlos verschwunden sind; die vielmehr aus der imperialistischen Umwelt im Medienzeitalter immer massiver und wirkungsvoller erneuert werden.
Die Hauptquelle der ständigen Erneuerung linker und rechter Abweichungen vom marxistisch-leninistischen Weg in den sozialistischen Ländern waren und sind die gewaltigen Schwierigkeiten des Aufbaus des Sozialismus angesichts des riesigen Rückstandes in der Entwicklung der Produktivkräfte im Vergleich zu den führenden kapitalistischen Ländern. Eine solche Situation bringt auf der einen Seite immer wieder Ideen und Versuche hervor, den Rückstand mit pseudorevolutionären, abenteuerlichen Mitteln und Methoden beschleunigt aufzuholen, auf der anderen Seite Stimmungen der Kapitulation vor den Schwierigkeiten und Vorschläge, den sonst angeblich unaufholbaren Rückstand mit Hilfe der führenden imperialistischen Mächte, notfalls bei Preisgabe eines Teiles der eigenen Unabhängigkeit, zu überwinden.
Der Sieg der Sowjetunion im (Großen) Vaterländischen Krieg war auch ein Sieg und ein Triumph der marxistisch-leninistischen Politik der KPdSU(B). Das Ansehen der Sowjetunion, des Sozialismus und der Kommunisten hatte nicht durch Propaganda, sondern durch die vor den Augen der ganzen Welt vollbrachten Taten und Leistungen des Sozialismus, der Sowjetunion und ihrer Menschen, eine kaum zu überbietende Höhe erreicht. Wer damals behauptet hätte, die Politik der KPdSU(B) und ihres Führers habe die kommunistische Bewegung in die Katastrophe geführt, – er wäre für irrenhausreif erklärt worden.
Zugleich aber waren mit dem Ende des Krieges Bedingungen entstanden, die eine Wiederbelebung der revisionistischen Strömungen in der kommunistischen Bewegung wie selten zuvor begünstigten:
Erstens hatte die Anti-Hitlerkoalition auch die Wirkung, bei nicht wenigen Kommunisten das Bewusstsein des letztlich unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen Imperialismus und Sozialismus abzuschwächen oder gar auszulöschen. Eine Einteilung der Imperialisten in „bündnisfähige“, gute, vertrauenswürdige – die Bundesgenossen der Anti-Hitler-Koalition – und in unakzeptable, feindliche – die faschistischen Achsenmächte – machte sich breit. Das führte zu einer Abschwächung der Wachsamkeit gegen feindliche Umtriebe und Zersetzungsarbeit von US-amerikanischer und englischer Seite.
Zweitens traten in manchen kommunistischen Parteien Tendenzen auf, aus der Praxis der breiten antifaschistischen Volksfront liquidatorische Schlussfolgerungen zu ziehen in dem Sinne, dass man um der Erhaltung dieser breiten Einheitsfront willen die Kommunistische Partei in ihr aufgehen lassen, also auflösen solle (z.B. Browderismus in den USA).
Solche Tendenzen traten auch in der Kommunistischen Partei Jugoslawiens auf. So führte Tito auf dem II. Kongress der Jugoslawischen Volksfront (1947) folgendes aus:
„Besitzt die Kommunistische Partei außerhalb der Volksfront irgend- ein anderes Programm? Nein! Die Kommunistische Partei hat kein anderes Programm. Das Programm der Volksfront ist auch ihr Programm.“ [2]
Es blieb nicht dabei, dass Tito dies für sein Land und seine Partei proklamierte: Er erhob den Anspruch, damit den allein richtigen Weg auch für andere zu weisen:
„Jede Volksfront kann volle Bedeutung für die innere Entwicklung des Landes … nur dann haben, wenn sie sich allmählich in eine einheitliche, alle nationalen Interessen umfassende Organisation verwandelt.“ [3]
Was hier propagiert wurde, brachte eine Meinungsverschiedenheit innerhalb der kommunistischen Bewegung ans Tageslicht, die nicht etwa eine untergeordnete Frage betraf, sondern die Zentralfrage der Rolle der kommunistischen Partei. Was Tito vorschlug, war nichts anderes als das Aufgehen der kommunistischen Partei in einer gesamt-nationalen „Volksgemeinschafts“-Organisation.
Dieses Konzept war kein Gegenkonzept zu einem „stalinistischen“ Parteiverständnis, sondern befand sich in fundamentalem Gegensatz zur Parteiauffassung von Marx, Engels und Lenin. Dem musste entgegengetreten werden. Das geschah in dieser wie in anderen Fragen mit der Resolution des Informationsbüros der Kommunistischen Parteien vom Juni 1948. Diese Resolution war gewissermaßen eine – keineswegs nur von Stalin, sondern von allen Unterzeichnerparteien – verabreichte notwendige Schutzimpfung der gesamten kommunistischen Bewegung gegen den von der Tito-Partei aktiv verbreiteten Revisionismus.
Drittens war im Sowjetvolk nach den unerhörten Anspannungen und Opfern der Kriegsjahre die Sehnsucht begreiflicherweise riesig, endlich einmal die Früchte der langen Entbehrungen und des Sieges zu ernten. Das schuf eine günstige Situation für Demagogen vom Schlage Chruschtschows, sich eine Massenbasis zu schaffen durch die Verheißung einer raschen Verbesserung und Erleichterung des Lebens im Ergebnis eines „neuen Kurses“ der Verlagerung des Schwergewichtes der Wirtschaftspläne von der Produktionsgüter- auf die Konsumgüterindustrie.
Viertens begegneten nach dem Kriegsende erstmals hunderttausende Sowjetmenschen durch die Öffnung nach außen den Lebensbedingungen, dem Alltag in den kapitalistischen Ländern, insbesondere in Deutschland. Zum ersten Mal erlebten sie das große Gefälle an Komfort und Alltagstechnik, das zwischen dem kapitalistischen Westen und dem eigenen Land bestand, ein Gefälle, das selbst noch in den Trümmerwüsten der deutschen Städte zu erkennen war. Hatten die Sowjetbürger ihre Lebensverhältnisse bisher immer mit denen ihrer Eltern vor der Revolution verglichen und daraus die Gewissheit von der Überlegenheit des Sozialismus gewonnen, so wurde jetzt der Vergleichsmaßstab das Leben im kapitalistischen oder bis 1945 kapitalistischen Westen, und dabei mussten sie mit Bitterkeit feststellen, dass sie, die Sieger, schlechter lebten als die besiegten Deutschen. Das schuf einen günstigen Nährboden für die Aufnahme von Parolen, welche die Abschwächung der Konfrontation zum Kapitalismus und die Annäherung der Systeme propagierten.
Fünftens erwies sich je länger desto mehr, dass in besonders starkem Maße gerade Vertreter jener Schicht gegenüber der „westlichen Lebensweise“ anfällig waren und zu deren Propagandisten wurden, deren eigentliche Aufgabe in der sozialistischen Gesellschaft die Bewahrung und Weiterentwicklung der sozialistischen Kultur und Ideologie gegen das Eindringen bürgerlicher Denk- und Lebensweisen war – der Schicht der Intellektuellen, insbesondere der Kulturschaffenden. Nicht so sehr jene, die ihren Weg zur Arbeiterbewegung unter kapitalistischen Bedingungen gefunden hatten, sondern vor allem jene, die nach dem Sieg der Revolution geboren und aufgewachsen waren, waren für die Losungen von der Freiheit der künstlerischen Persönlichkeit, von ihrem Recht auf „Selbstverwirklichung“ als einmaligem Individuum empfänglich. Einige von ihnen beanspruchten von der sich gerade erst entwickelnden Gesellschaft eine Freiheit für das Individuum, die erst der entfaltete Sozialismus, der nicht mehr um seine Selbstbehauptung kämpfen muss, gewähren kann, empfanden aber die Forderung, ihre Fähigkeiten in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, als unzulässige Beeinträchtigung ihrer Freiheit, und wurden so eine leichte Beute der revisionistischen Seelenjäger auf ihrer Suche nach namhaften Persönlichkeiten, deren Namen man für die Attacken gegen die kommunistische Partei und den angeblichen „Stalinismus“ missbrauchen konnte.
Nach Stalins Tod wurde der Kampf gegen die bürgerlichen Einflüsse in der Sowjetunion Schritt für Schritt vermindert, schließlich eingestellt oder nur noch formal geführt, während zugleich die Schleusen für die Propagierung der westlichen Lebensweise immer weiter geöffnet wurden.
Der XX. Parteitag war eine entscheidende Zäsur in der Geschichte der Sowjetunion, aber auch der ganzen kommunistischen Weltbewegung. Er vollzog den Bruch mit dem Leninismus und den Übergang auf die Position des Revisionismus in entscheidenden Fragen, dies aber unter der Flagge der „Rückkehr zu Lenin“.
Im Folgenden sollen die meiner Meinung nach wichtigsten Hauptlinien der revisionistischen Verfälschungen der Theorie und Praxis der kommunistischen Parteien nachgezeichnet werden.
Die erste Hauptlinie:
Klassenversöhnung statt Klassenkampf
Für die Abstumpfung des Klassenkampfes zugunsten der Klassen- bzw. Systemversöhnung wurden und werden verschiedene Begründungen angeführt.
In den Jahren unmittelbar nach dem Sieg über den Faschismus wurde ein Argument wieder aufgegriffen, das 1925 bereits Karl Kautsky benutzt hatte, nämlich, weil die Arbeiterklasse jetzt so stark sei, werde der Klassenkampf immer milder.
„Nicht nur die Proletarier werden bei ihren Kämpfen immer ruhiger dank ihrem steigenden Selbstbewusstsein, und immer überlegener, klarer und einsichtsvoller dank ihrer zunehmenden Erfahrungen. Ihre wachsende Kraft zwingt auch ihre Gegner, die Kapitalisten selbst wie deren Freunde in den Regierungen und der Presse, den Proletariern respektvoller, gesitteter entgegenzutreten. So werden die Kapitalisten zu einer Milderung ihrer Methoden im Klassenkampf erzogen.“ [4]
Dies hatte Kautsky 1925 im Vorwort zum Heidelberger Programm der SPD geschrieben. Wenige Jahre später ließen die „gesitteten“ Kapitalisten in Deutschland die Hakenkreuz-Diktatur errichten!
Unter Berufung auf die gewachsene Stärke der Arbeiterklasse verkündete Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU die Möglichkeit, auf parlamentarischem Wege zum Sozialismus zu gelangen:
„In der ganzen Welt sind die Kräfte des Sozialismus und der Demokratie unermesslich gewachsen, der Kapitalismus dagegen ist um vieles schwächer geworden…. Unter diesen Umständen hat die Arbeiterklasse… die Möglichkeit, … eine stabile Mehrheit im Parlament zu erobern und es aus einem Organ der bürgerlichen Demokratie in ein Werkzeug des tatsächlichen Volkswillen zu verwandeln.“ [5]
Diese revisionistische Theorie war nicht Chruschtschows Erfindung. Er hat mit dieser Äußerung nur eine These des Tito-Revisionismus übernommen und zum offiziellen Theorie-Gepäck der KPdSU erhoben und damit als Konterbande in den Marxismus-Leninismus eingeschmuggelt. Als sich die Tito-Revisionisten 1958 auf ihrem Laibacher Parteitag doch ein eigenes Programm gaben, war darin zu lesen:
„Die bisherigen Erfolge des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse, … das Entstehen des sozialistischen Weltsystems, … all das bietet der Arbeiterklasse … mehr Aussichten als früher, in den einzelnen Ländern unter bestimmten Bedingungen auch auf dem Wege eines vergleichsweise friedlichen politischen Kampfes zur führenden Kraft der Gesellschaft zu werden, einen entscheidenden Einfluss auf die Macht zu erlangen und allmählich, je nach vorhandenen objektiven Bedingungen und eigener politischer Stärke, die Entstehung und Entwicklung zum Sozialismus zu gewährleisten.“ [6]
Wurde zu Beginn der Nachkriegszeit die Predigt der „Milderung“ des Klassenkampfes mit der gewachsenen Stärke der Arbeiterbewegung und des Sozialismus begründet, so wurde in den 60er Jahren vor allem von revisionistisch angekränkelten Ökonomen in den sozialistischen Ländern ein weiteres Argument eingeführt: der staatsmonopolistische Kapitalismus, so sagten sie, habe nichts mehr gemein mit dem von Marx analysierten Kapitalismus. Erstens sei das ein Kapitalismus auf einer Stufe der höchstentwickelten Technik, die nur von hoch qualifizierten Arbeitern gemeistert werden könne; solchen Arbeitern aber müsse der moderne Kapitalist sowohl einen relativ hohen Lebensstandard einräumen als auch demokratische Rechte, weshalb vom staatsmonopolistischen Kapitalismus kein Rückfall mehr in eine diktatorische Herrschaftsform zu gewärtigen sei, der friedliche Übergang zum Sozialismus folglich größere Chancen denn je habe.
Zweitens aber sei das ein Kapitalismus, bei dem von Anarchie der Produktion keine Rede mehr sein könne. Staatsmonopolistischer Kapitalismus sei geplanter Kapitalismus, deshalb seien auch Überproduktionskrisen nicht mehr zu erwarten.
Auf der Grundlage solcher Einschätzungen des „modernen“ Kapitalismus fanden dann Theorien von der „Konvergenz der Systeme“, von der gegenseitigen Annäherung von staatsmonopolistischem Kapitalismus und Sozialismus, die zu einer friedlichen Synthese führen könnte, Verbreitung in den kommunistischen Parteien bis in deren Spitzen hinein.
Eine dritte Begründung für die Absage an den unversöhnlichen Kampf gegen den Imperialismus, von Chruschtschow eingeführt, von Gorbatschow bis zur freiwilligen Entwaffnung des Sozialismus getrieben, bestand in der Behauptung, angesichts der Atomkriegsgefahr könne der Frieden nicht mehr gegen, sondern nur noch gemeinsam mit dem Imperialismus erhalten werden.
In der Praxis war die mit diesem Argument von Chruschtschow betriebene so genannte „Entspannungspolitik“ das Gegenteil einer marxistisch-leninistischen Politik des Kampfes um den Frieden. Leninsche Politik setzt sich zum Ziel, durch höchste Mobilisierung der Volksmassen die Imperialisten daran zu hindern, ihre Aggressions- und Kriegsabsichten zu verwirklichen.
Chruschtschowsche und Gorbatschowsche „Entspannungspolitik“ lief im Gegenteil darauf hinaus, in Geheimgesprächen, genannt „Gipfeldiplomatie“, unter Ausschaltung der Aktivität der Volksmassen (diese vielmehr zu erwartungsvoll auf die Ergebnisse der Verhandlungen der Lenker der Geschichte der Völker harrendem Publikum degradierend) „Entspannungsschritte“ auszuhandeln, die sich im Nachhinein nur zu oft als Komplott gegen den Frieden und den Sozialismus herausstellten.
Als Modellfall sei hier nur die so genannte Cuba-Krise von 1962 angeführt:
Angeblich aus Sorge um die Sicherheit des sozialistischen Cuba schwatzte Chruschtschow Fidel Castro regelrecht auf, sowjetische Raketen auf cubanischem Boden zu stationieren. (Nachzulesen bei Chruschtschow: „Chruschtschow erinnert sich“, Hamburg 1971, S. 489 bis 502)
Als dies die USA-Imperialisten zum Anlass nahmen, mit Krieg zu drohen, wenn die Raketen nicht wieder beseitigt würden, einigte sich Chruschtschow mit Kennedy nicht nur darüber, die Raketen wieder abzuziehen, sondern auch darüber, dass die Amerikaner das Recht erhielten, den Abbau durch eine Kommission in Cuba zu überwachen – ohne vorher Fidel Castro gefragt zu haben, ob er damit einverstanden sei. Chruschtschow handelte also nicht wie ein Kommunist, sondern entschied wie der Chef einer Supermacht mit dem Chef einer anderen Supermacht über das Schicksal eines dritten, noch dazu verbündeten Landes, und ließ sich für dieses großmachtchauvinistische Verhalten auch noch als Friedensstifter feiern!
Beide, Chruschtschow wie Kennedy, hatten die Rechnung allerdings ohne Fidel Castro und die cubanischen Kommunisten gemacht: sie nahmen dieses – von vielen als eine Art Münchner Abkommen bezeichnete – Diktat der beiden „Friedensretter“ nicht hin; Fidel erklärte vielmehr, wenn die Amerikaner den Abbau der Raketen in Cuba zu überprüfen wünschten, dann könnten sie das tun, allerdings nur unter der Bedingung, dass eine cubanische Kommission im Gegenzug überprüfen könne, dass von den Exilcubanern in Miami keine neue Intervention auf Cuba vorbereitet würde. Damit war das Komplott der beiden gegen Cuba geplatzt.
Der Modellfall „Friedensrettung“ in der „Cuba-Krise“ 1962 enthält alle wesentlichen Elemente, durch die sich die revisionistische „Entspannungspolitik“ auszeichnet: es ist dies eine Politik der Geheimdiplomatie der Sowjetführer mit den Führern der imperialistischen Führungsmacht hinter dem Rücken der Völker und mit nur scheinbaren Entspannungserfolgen, denen bald danach neue Hochspannungssituationen folgen.
Am Ende der sowjetischen Begründungen für die Preisgabe des Klassenkampfes zugunsten der Versöhnung mit dem Imperialismus stand die Gorbatschow-Schewardnadse-These von den „globalen Menschheitsinteressen“, die über den Klasseninteressen stünden. Die globalen Probleme seien nur noch gemeinsam mit dem Imperialismus zu lösen.
Aber Gorbatschow/Schewardnadse waren keineswegs die Erfinder dieser These; auch sie ist vielmehr von den Tito-Revisionisten übernommen, die sie in verschiedenen Varianten schon in ihrem Laibacher Programm zu Papier brachten. So wird dort zur Begründung der jugoslawischen Politik der so genannten „aktiven Koexistenz“ ausgeführt:
„Diese Entwicklung führt zur faktischen Verbundenheit der ganzen Welt … Die Politik der aktiven Koexistenz … entspricht den zeitgemäßen wirtschaftlichen Erfordernissen der Weltwirtschaft als Ganzes.“ (S. 99) Ferner: „Jugoslawien ist ein Bestandteil der europäischen und Weltgemeinschaft und als sozialistisches Land ist es ein Bestandteil der sozialistischen Welt, d.h. der sozialistischen fortschrittlichen Kräfte der zeitgenössischen Menschheit.“ (S. 104)
Die Tito-revisionistische Definition der „sozialistischen Welt“ ist bemerkenswert: „sozialistische Welt“ das heißt „die sozialistischen fortschrittlichen Kräfte der zeitgenössischen Menschheit“. Hier tritt mit besonderer Deutlichkeit ein Charakteristikum der Terminologie aller Verlautbarungen des „Bundes der Kommunisten Jugoslawiens“ hervor: Die Vermeidung klarer Aussagen über Klassenpositionen, die kunstvoll gedrechselten Formulierungen, in denen die klassenübergreifende Verbundenheit mit dem Imperialismus in verhüllter Form ausgesprochen wird. Die Sprache der Tito-Revisionisten ist eine Orakel-Sprache, absichtlich so gefasst, dass sie nach mehreren Seiten hin ausgedeutet werden kann.
Soviel zur ersten Hauptlinie der revisionistischen Verfälschung des Marxismus-Leninismus. Ihre konsequente Verfolgung führt zu einer zweiten Hauptlinie, zur Propagierung des Imperialismus als Vorbild für die Gestaltung des Sozialismus.
Die zweite Hauptlinie:
Die Propagierung des Imperialismus als Vorbild für die Gestaltung des Sozialismus
Lenin lehrte: Wer die Menschheit vom Joch des Imperialismus befreien will, der darf nicht zulassen, dass das Bewusstsein dessen verdunkelt wird, dass der Imperialismus der Todfeind aller Ausgebeuteten und Unterdrückten, aller sozial und national versklavten Völker ist.
Kennzeichnend für die Politik Chruschtschows und noch viel mehr Gorbatschows war dagegen die systematische Untergrabung eben dieses Bewusstseins.
Während Chruschtschow bei bestimmten Gelegenheiten superradikale Reden gegen den Imperialismus vom Stapel ließ, öffnete die von ihm betriebene Liberalisierung das Land einer immer breiteren Propagierung der westlichen Lebensweise.
Ihren krassesten Ausdruck fand diese Linie in der Wirtschaftspolitik darin, dass als deren Ziel nicht mehr die Festigung der sozialistischen ökonomischen Basis, sondern die möglichst rasche Steigerung des Konsums der Sowjetbürger pro Kopf auf das Niveau der entwickeltsten kapitalistischen Länder proklamiert wurde. Das geschah allerdings nicht direkt, sondern auf dem Wege, dass die Erreichung des Kommunismus, die Erreichung „des höchsten Lebensstandards der Welt“ (so Chruschtschow auf dem XXI. Parteitag der KPdSU, Januar 1959) als eine Aufgabe dargestellt wurde, die in naher Zukunft zu erreichen sei. Chruschtschow nannte als Zeitraum, in dem die Sowjetunion „sowohl nach dem absoluten Produktionsumfang als auch in der Pro-Kopf-Quote auf den ersten Platz in der Welt rücken“ werde, zwölf Jahre, verhieß damit also den Sowjetbürgern den höchsten Lebensstandard der Welt für das Jahr 1971! [7]
Diesen abenteuerlichen Versprechungen folgend beschloss der XXII. Parteitag der KPdSU ein neues Programm, in dem es wörtlich hieß:
„Im nächsten Jahrzehnt (1961 bis 1970) wird die Sowjetunion beim Aufbau der materiell-technischen Basis des Kommunismus die USA das mächtigste und reichste Land des Kapitalismus – in der Pro-Kopf-Produktion überflügeln…. Als Ergebnis des zweiten Jahrzehnts (1971 bis 1980) wird die materiell-technische Basis des Kommunismus errichtet, die einen Überfluss an materiellen und kulturellen Gütern für die gesamte Bevölkerung sichert; die Sowjetgesellschaft wird soweit sein, das Prinzip der Verteilung nach den Bedürfnissen zu verwirklichen… Somit wird in der UdSSR die kommunistische Gesellschaft im wesentlichen aufgebaut sein.“ [8]
Statt in realistischer Weise auf die gewaltigen Anstrengungen vorzubereiten, die das Aufholen des Produktivitätsrückstandes für noch viele Jahre erforderlich machen würde, wurde dem Sowjetvolk und darüber hinaus allen Völkern der sozialistischen Länder der Weg zum nahen Überfluss in allem als ein relativ müheloser und mit Sicherheit in Kürze zum Ziel führender Wettlauf dargestellt.
Das konnte nur zur Diskreditierung des Sozialismus, zum Verlust des Vertrauens der Massen zur Kommunistischen Partei und zu wachsender Wirksamkeit der imperialistischen Propaganda führen, da die Wirklichkeit eine genau entgegen gesetzte Entwicklung brachte.
Während die revisionistische Politik der Chruschtschow-Führung auf solche Weise die sozialistische Ordnung bei der eigenen Bevölkerung mehr und mehr in Misskredit brachte, scheute sich Chruschtschow nicht, unverhohlene Vertrauenswerbung für den USA-Imperialismus und seinen obersten Repräsentanten zu betreiben. Als er im Oktober 1959 von einem Gipfeltreffen mit dem USA-Präsidenten Dwight Eisenhower zurückkam, hielt er in Moskau eine Lobrede auf seinen Gastgeber (der immerhin 1953 Ethel und Julius Rosenberg auf dem elektrischen Stuhl hatte hinrichten lassen!):
„Von dieser Tribüne aus“, sagte er, „muss ich vor den Moskauern, vor meinem ganzen Volk, vor der Regierung und vor der Partei sagen, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Dwight Eisenhower, das absolute Vertrauen seines ganzen Volkes genießt.“ [9]
Wie man sieht, zählten für diesen Führer der KPdSU die amerikanischen Kommunisten nicht zum amerikanischen Volk!
Zwischen dieser Lobrede Chruschtschows auf den politischen Führer des USA-Imperialismus und der Duz-Freundschaft Gorbatschows mit dem Bundeskanzler des imperialistischen Deutschland liegen zwar zeitlich über dreißig Jahre, aber beides dokumentiert ein und dasselbe: die Komplizenschaft des Revisionismus mit dem Imperialismus!
Am unverhülltesten zeigt sich diese Komplizenschaft in einer weiteren Hauptlinie revisionistischer Verfälschung des Marxismus-Leninismus, im Austausch des Freund- und des Feindbildes.
Die dritte Hauptlinie:
Der Austausch von Freund- und Feindbild
Als Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU seine Geheimrede gegen Stalin hielt, begründete er sein außergewöhnliches Vorgehen damit, es müsse die „volle Wahrheit“ aufgedeckt werden, damit sich derartige Verstöße gegen die sozialistische Gesetzlichkeit niemals wiederholen könnten.
Nun, welcher Kommunist könnte etwas gegen die wahrheitsgemäße Darstellung auch der Geschichte seiner eigenen Bewegung einwenden?
Jedoch musste jeder, der Chruschtschows Anklagerede aufmerksam hörte oder las, sich darüber verwundern, dass diese angebliche Offenbarung der Wahrheit einige mit Händen zu greifende Unwahrheiten und Erfindungen enthielt, andererseits durchaus bekannte und wesentliche Wahrheiten – wie etwa über seine eigene, Chruschtschows, Rolle bei der Liquidierung von „Volksfeinden“ in der Ukraine – vermissen ließ.
Zu den offenkundigen Lügen gehört die geradezu absurde Behauptung, „dass Stalin militärische Operationen auf einem Globus plante“. (Chruschtschow erinnert sich, S. 562)
Sehr verwunderlich war auch die Tatsache, dass niemand, weder Chruschtschow selbst, noch das ZK der KPdSU, bereit war, die Autorenschaft für diese dubiose Rede zu übernehmen. Sie wurde bekanntlich zuerst am 4. Juni 1956 durch das US-Außenministerium veröffentlicht; als man Chruschtschow fragte, ob diese Veröffentlichung mit seiner Rede identisch sei, antwortete er, er wisse nichts davon und man müsse die Frage an Allan Dulles, an den amerikanischen Geheimdienst also, richten. (ebd. S. 357)
Vielleicht war dieser Hinweis gar nicht so abwegig. Auf jeden Fall hätte dort kaum ein Pamphlet von verhängnisvollerer Wirkung für die gesamte kommunistische Bewegung ausgedacht werden können als diese Chruschtschow-Rede. Denn mit dieser Rede begann die Neu-Schreibung der Geschichte der Sowjetunion, ihre Um-Schreibung, mit der die gewaltigste Befreiungsbewegung der Menschheitsgeschichte umgelogen wurde in eine seit 1924 ununterbrochene Abfolge von Verbrechen. Was unter Chruschtschow begann, wurde unter Gorbatschow ins nicht mehr überbietbare Ungeheuerlichste gesteigert. Es gab und gibt keine antisowjetische Lüge und Verleumdung, auch keine aus der Goebbels-Küche, die von „sowjetischen“ Medienmeldungen und Publikationen nun nicht bestätigt und noch um vieles übertroffen worden wäre.
Die Infamie dieser „Geschichtsschreibung“ bestand nicht darin, dass bisher verschwiegene Tatsachen über Verfolgung und Repressalien gegen Unschuldige bis hin zu Todesurteilen und Morden aufgedeckt wurden, sondern darin, dass ganz im Stile der antikommunistischen Hetze des Imperialismus, Mord und Verbrechen zum Wesenskern der Sowjetmacht erklärt wurden, wobei nicht erst seit Jelzin, sondern schon unter Gorbatschow auch die Jahre 1917 bis 1924 in diese Verurteilung mit einbezogen wurden; man hatte – das wurde jetzt deutlich – auch vorher schon, indem man auf Stalin eindrosch, auch Lenin, und sogar vor allem Lenin gemeint, war er doch – wie man jetzt lesen konnte – der eigentliche Erfinder des „Stalinismus“.
Die Methode, die bei alledem angewandt wurde, war und ist einfach genug: Nicht nur verschwiegen, sondern geleugnet wird, dass der Sowjetstaat einen ununterbrochenen Selbstbehauptungskampf gegen den brutalen, barbarischen Würgegriff, gegen kalte und heiße Kriege des Imperialismus und gegen die Sabotage und Schädlingstätigkeit innerer Feinde und Agenten des Imperialismus zu führen hatte; nein, Stalin habe die Bedrohung der Sowjetunion durch äußere und innere Feinde erfunden, um mit seinen Gegnern und Rivalen abrechnen und seine persönliche Macht erhalten zu können. Alles, was nicht in dieses Bild passt, wird aus der Geschichte gestrichen.
Und so ist dann die Geschichte der Sowjetunion nicht mehr die Geschichte eines unaufhörlichen, heroischen Kampfes zur Abwehr der Angriffe des Imperialismus und zur Verteidigung des Stützpunktes der proletarischen Revolution und der revolutionären Befreiungsbewegungen der Völker, sondern die besonders finstere Fortsetzung der zaristischen asiatischen Despotie unter den „roten Zaren“ Lenin und Stalin.
Am Anfang seiner Laufbahn als Generalsekretär der KPdSU predigte Gorbatschow: „Es gilt, auf die Schaffung von Feindbildern … zu verzichten“. [10] Das war schon eine recht merkwürdige, verdächtige Parole. Gab es denn keine Feinde des Sozialismus mehr? Wenn aber doch – wieso sollte man sich dann über sie keine Klarheit verschaffen, also kein realistisches Bild von den Feinden machen?
Im Klartext war dies ein Aufruf dazu, das „Feindbild“ Imperialismus fallen zu lassen und den Kampf gegen den Imperialismus einzustellen. Aber wie sich zeigte, war Gorbatschow keineswegs dafür, jegliche Feindbilder aufzugeben. Aufgegeben und vergessen werden sollten nur die bisherigen Feindbilder. An ihre Stelle sollte nun endgültig die eigene Geschichte, die eigene Vergangenheit treten.
Auf der Festsitzung zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution am 2. November 1987 hat Gorbatschow in einer winzigen Nebenbemerkung dieses Leitmotiv, das von da an in den Medien der Sowjetunion immer stärker anschwoll bis zum alles andere erdrückenden Hauptmotiv, anklingen lassen, indem er sagte: „Die Schuld Stalins und seiner nächsten Umgebung … ist unverzeihlich.“ Dies war das neue Feindbild, auf das der Zorn und die Abscheu des ganzen Volkes zu konzentrieren waren, damit es verwirrt genug wurde, um widerstands- und tatenlos die Demontage der Sowjetordnung und die Entmachtung der Kommunistischen Partei hinzunehmen.
Als Präsident der Sowjetunion erließ Gorbatschow ein Gesetz, nachdem alle wegen politischer Vergehen in der Sowjetunion Verurteilten rehabilitiert wurden!
Damit wurde zum Ausdruck gebracht: wer immer die Sowjetmacht bekämpfte und dafür verurteilt wurde, war im Recht! Gegen diese Macht zu kämpfen, konnte kein Unrecht sein!
Welch abgrundtiefer Hass gegen diesen ersten sozialistischen Staat spricht aus einer solchen Handlung!
Hier erleben wir die Entblößung des innersten Kerns des Revisionismus: die Vernichtung der eigenen sozialistischen und kommunistischen Identität durch Versöhnung mit dem Imperialismus und Erzeugung von Hass und Abscheu gegen die eigene sozialistische Vergangenheit.
Aber noch eine weitere Hauptlinie der revisionistischen Verfälschung des Marxismus-Leninismus, vielleicht sogar die wichtigste, muss Erwähnung finden: Die Zerstörung des kommunistischen Partei-Bewusstseins.
Die vierte Hauptlinie:
Die Zerstörung des kommunistischen Parteibewusstseins
Für Marx, Engels und Lenin war und für jeden wirklichen Marxisten-Leninisten ist die Partei die wichtigste Errungenschaft der Arbeiterklasse, unersetzlich, weil die höchste Form der Klassenorganisation, ohne die es keine Orientierung und keinen Sieg im Kampf gegen das Kapital und auch keinen erfolgreichen Aufbau des Sozialismus nach dem Sieg geben kann. Voraussetzung ist dabei, dass die Partei eine Partei des wissenschaftlichen Sozialismus bleibt, die ständig und konsequent gegen die Verwässerung ihrer theoretischen Grundlagen durch das Eindringen bürgerlicher Ideologie kämpft.
Der Revisionismus als die gefährlichste Form bürgerlicher Ideologie in der Arbeiterbewegung zerstört nicht nur – wie die Geschichte der II. Internationale und der kommunistischen Weltbewegung gezeigt hat – die Einheit der Bewegung, er richtet seinen Angriff auch zielstrebig gegen das marxistische Parteibewusstsein.
Er greift alle Parteigesetze an, die auf die Erhaltung der ideologischen und organisatorischen Einheit und Geschlossenheit der Partei gerichtet sind, indem er sie als „stalinistisch“ denunziert. Er züchtet in der Mitgliedschaft Feindschaft gegen die Funktionäre des Parteiapparats, die er als „Apparatschiks“ und „Parteibürokraten“ in Bausch und Bogen attackiert.
Er sucht die Kampfkraft der Partei zu schwächen, indem er die Parteidisziplin mit Kadavergehorsam gleichsetzt.
(Dies alles jedoch nur, solange die Revisionisten nicht die Parteiführung an sich gerissen haben; wo ihnen das gelingt, erweisen sie sich als unduldsamste Verfechter des Zentralismus und Verfolger jeder innerparteilichen Opposition.)
Eine neue Form der Zersetzung des Parteibewusstseins breitete sich in den kommunistischen Parteien einige Zeit nach dem Machtantritt Chruschtschows aus. Delegationen, die aus der Sowjetunion zurückkamen, brachten plötzlich außer den üblichen Andenken aus Moskau auch ganze Kollektionen von Witzen über die Partei und den Sozialismus mit. Witze, die sehr oft keineswegs freundliche Selbstverspottung, sondern bösartige Verhöhnung und Lächerlichmachung darstellten. Wenn dann die verblüfften Daheimgebliebenen fragten, woher die Heimgekehrten denn derartige böse Witze über die Partei hätten, wurde ihnen regelmäßig geantwortet, dies seien keine bösen Witze, denn sie wären ihnen von Mitarbeitern des ZK oder anderen Parteifunktionären erzählt worden. So lernten also die Kommunisten der Bruderländer von der KPdSU, dass man die erfolgreiche Überwindung des Dogmatismus am überzeugendsten dadurch demonstriert, dass man die jeweils letzten Witze des „Senders Jerewan“ auf Lager hatte.
Wenn einmal die Geschichte der Zersetzung der kommunistischen Parteien und des Parteibewusstseins ihrer Mitglieder geschrieben werden sollte, dann darf die Rolle der aus den Parteizentralen kommenden „Witze“ nicht übergangen werden.
Eine ganz wesentliche Rolle bei der Zerstörung des kommunistischen Parteibewusstseins spielte die Verdrängung des Proletarischen Internationalismus durch Nationalismus.
Für wirkliche Marxisten-Leninisten sind alle kommunistischen Parteien aufgrund ihrer gemeinsamen Ziele Teile einer weltumspannenden kommunistischen Bewegung, ganz unabhängig davon, ob dies durch einen gemeinsamen organisatorischen Rahmen dokumentiert ist oder nicht. Die Auflösung der Kommunistischen Internationale 1943 hat an diesem Bewusstsein der internationalen Zusammengehörigkeit und Verbundenheit nichts geändert.
Eine entscheidende, radikale und verhängnisvolle Zäsur bedeutete jedoch die sowjetisch-jugoslawische Deklaration vom 2. Juni 1955. In ihr hieß es – unterzeichnet von Tito und Chruschtschow: „Beide Regierungen gehen von folgenden Prinzipien aus: … gegenseitige Achtung und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten – Einmischung weder aus wirtschaftlichen noch aus politischen, ideologischen oder sonstigen Gründen – da die Frage der inneren Einrichtung, des Unterschieds in den konkreten Formen der Entwicklung des Sozialismus ausschließlich Sache der Völker der einzelnen Länder sind.“ [11]
Mit Chruschtschows Unterschrift unter diesem Dokument verriet die KPdSU das marxistisch-leninistische internationalistische Parteiverständnis und führte das revisionistische Prinzip des so genannten „Nationalkommunismus“ in die kommunistische Weltbewegung ein. Von nun an konnte sich jede kommunistische Partei darauf berufen, dass das alte Prinzip nicht mehr galt, nach dem jede Partei der gesamten kommunistischen Weltbewegung gegenüber rechenschaftspflichtig ist, und sie konnte nunmehr jede Kritik einer Bruderpartei an ihrer Politik als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zurückweisen.
Mit der Annahme dieser Prinzipien wurde die Axt an die Lebenswurzel der kommunistischen Bewegung und der sozialistischen Staatengemeinschaft, an den proletarischen Internationalismus, gelegt.
Wenn gefragt wird, warum die Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) nicht klappte, dann muss die erste Antwort lauten: Weil auf den Prinzipien der sowjetisch-jugoslawischen Deklaration vom Juni 1955 keine internationale sozialistische Zusammenarbeit aufgebaut werden kann.
Dies umso weniger, als die KPdSU unter Chruschtschows Führung nicht nur auf die Position des Tito-Revisionismus überging, sondern gemeinsam mit Tito dafür sorgte, dass auch in anderen kommunistischen Parteien alte „stalinistische“, d.h. marxistisch-leninistische Führungen gestürzt wurden, und an ihrer Stelle ihresgleichen, also Revisionisten, Vertrauensleute Titos, traten: Imre Nagy und nach dessen Sturz Kadar in Ungarn, Gomulka in Polen. Doch dies sollte nur der Anfang sein, wie Tito in erfreulicher Offenheit in einer Rede in Pula am 19. November 1956 ausplauderte. Er sagte damals u.a.: „Gemeinsam mit den polnischen Genossen“ – also Gomulka – „werden wir gegen solche Tendenzen kämpfen müssen, die in den verschiedenen anderen Parteien in den Ostländern oder im Westen auftreten. Dieser Kampf wird schwer und langwierig sein, denn jetzt geht es wirklich darum, ob in den kommunistischen Parteien der neue Geist siegen wird, der in Jugoslawien seinen Ausgang genommen hat, und für den in den Beschlüssen vom XX. Kongress der KPdSU ziemlich viele Elemente geschaffen wurden. Es geht jetzt darum, ob dieser Kurs Siegen wird, oder ob wieder der Stalinsche Kurs siegen wird.“ [12]
In diesem Zusammenhang muss auch die Tatsache erwähnt werden, dass Chruschtschow bei seinem Besuch in Jugoslawien der Ausbreitung des „neuen Geistes, der von Jugoslawien seinen Ausgang genommen hat“, schon bei seiner Ankunft auf dem Flughafen einen unschätzbaren Dienst geleistet hat, indem er, kaum dass er dem Flugzeug entstiegen war, Tito wie folgt begrüßte:
„Teurer Genosse Tito! Wir bedauern aufrichtig, was geschehen ist, und fegen entschlossen beiseite, was sich in dieser Periode abgelagert hat…. Wir haben eingehend die Materialien überprüft, auf denen die schweren Anschuldigungen und Beleidigungen beruhten, die damals gegen die Führer Jugoslawiens erhoben wurden. Die Tatsachen zeigen, dass diese Materialien von Volksfeinden, niederträchtigen Agenten des Imperialismus, fabriziert waren, die sich durch Betrug in die Reihe unserer Partei eingeschlichen haben.“ [13]
Das war wieder eine faustdicke Lüge. Keine Erfindung von Agenten des Imperialismus war die Tatsache, dass Tito Jugoslawien 1953 in das imperialistische Paktsystem eingebunden hatte, indem er mit den NATO-Staaten Türkei und Griechenland den Balkanpakt schloss und als Belohnung von den USA Waffen erhielt zur Ausrüstung der jugoslawischen Armee.
Und kein anderer als Chruschtschow sah sich wenige Jahre später, im Juni1958, genötigt, seine Ausführungen von 1955 Lügen zu strafen, indem er erklärte: „Der moderne Revisionismus ist eine Art trojanisches Pferd. Die Revisionisten versuchen, die revolutionären Parteien von innen zu zersetzen, die Einheit zu unterminieren und Verwirrung und Durcheinander in die marxistisch-leninistische Ideologie zu tragen…
Im Jahre 1948 nahm die Konferenz des Informbüros eine Resolution ´Über die Lage der KP Jugoslawiens´ an, die eine berechtigte Kritik an der Tätigkeit der KP Jugoslawiens in einer Reihe prinzipieller Fragen enthielt. Diese Resolution war im wesentlichen richtig und entsprach den Interessen der revolutionären Bewegung.“ [14]
Aber eben diese Resolution, die eine Schutzimpfung gegen die Ausbreitung des revisionistischen Bazillus gewesen war, hatte Chruschtschow durch seine verlogene Flugplatz-Erklärung 1955 unwirksam gemacht. Der Schaden, der dadurch angerichtet worden war, konnte durch die Erklärung von 1958 nicht mehr gutgemacht werden: die revisionistische Seuche war schon viel zu tief in den Organismus der kommunistischen Bewegung eingedrungen.
So also war die Situation innerhalb der kommunistischen Bewegung und in den sozialistischen Ländern beschaffen. Die führende Partei der kommunistischen Weltbewegung, die Kommunistische Partei der Sowjetunion, bislang eine zuverlässige Bastion der Verteidigung des Marxismus-Leninismus, war unter der Führung Chruschtschows zur Hauptkraft der Bekämpfung der marxistisch-leninistischen Führungen der Bruderparteien, zum Förderer und Beschützer der revisionistischen Kräfte in der kommunistischen Bewegung geworden.
Gelungen war dies durch eine staatsstreichähnliche Überrumpelung der marxistisch-leninistischen Kräfte in der KPdSU. Diese Kräfte führten einen erbitterten Kampf gegen die in die Parteispitze eingedrungenen revisionistischen Elemente, der im Juni 1957 schon fast zum Ziele geführt hatte. Auf seiner Sitzung in diesem Monat setzte das Präsidium des ZK der KPdSU mit einem Mehrheitsbeschluss Chruschtschow als 1. Sekretär ab. Doch mit Hilfe seiner Kumpane in der Parteiführung gelang es Chruschtschow, eine von seinen Anhängern dominierte ZK Tagung einzuberufen, die den Beschluss des Präsidiums des ZK rückgängig machte und seine Hauptwidersacher Molotow und Kaganowitsch zu Parteifeinden erklärte. Damit wurde die Position der gesunden Kräfte in der Parteiführung entscheidend geschwächt und die Chruschtschow-Fraktion konnte ihre Bemühungen, die KPdSU von oben bis unten in eine völlig revisionistische Partei nach dem Muster des jugoslawischen „Bundes der Kommunisten“ umzuwandeln, noch sieben Jahre, bis zum Oktober 1964, fortsetzen. Dann jedoch waren die katastrophalen Folgen seiner Politik so offenkundig geworden, dass nunmehr die Mehrheit des ZK seine Absetzung beschloss. Eine rücksichtslose Aufdeckung der tatsächlichen Rolle Chruschtschows und eine Abrechnung mit dem Revisionismus unterblieb jedoch. Mehr noch: zu seinem Nachfolger wurde sein engster Vertrauter, der von ihm selbst schon lange zum Nachfolger ausersehene Leonid Breschnjew, gewählt. So konnte also unter der Oberfläche einer scheinbaren Einheit der Partei auf Leninscher Grundlage der von der Chruschtschowfraktion implantierte Krankheitskeim weiterwuchern und den Organismus nicht nur der KPdSU, sondern der kommunistischen Bewegung insgesamt zerfressen.
Der so genannte „Sowjetblock“ war alles andere als ein fest gefügter Block. Innerhalb dieses „Blocks“ waren zwei Staaten – Polen und Ungarn – von Parteien geführt, die – wie Tito in seiner Pula-Rede zutreffend ausgeführt hatte -, mit dem BdKJ zusammen den Kampf führten für den Sieg des „Geistes, der von Jugoslawien seinen Ausgang genommen hat“ – offen und deutlich, wenn es die Umstände zu gestatten schienen, wie 1956, verhüllt und konspirativ, wenn es anders nicht möglich war.
Die KPdSU selbst war ebenfalls nur nach außen hin eine einheitliche Partei. In Wahrheit fand in ihr ein erbitterter Kampf zwischen jenen statt, die aus der Partei die revisionistische Krankheit wieder austreiben wollten, und denen, die mit Gorbatschow schließlich endgültig die Oberhand gewannen und das zu Ende führten, was Chruschtschow nicht gelungen war, zu Ende zu führen.
Diese Rahmenbedingungen für das Wirken regierender kommunistischer Parteien in den sozialistischen Ländern muss man kennen, wenn man ihre ideologische Arbeit richtig verstehen und beurteilen will.
II. Einige Bemerkungen zum Platz der SED/DDR im Kampf zwischen Marxismus-Leninismus und Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung
Wie schon erwähnt, gelang den Kommunisten in der sowjetischen Besatzungszone dank der strikten Befolgung der vom VII. Weltkongress ausgearbeiteten Politik der Einheits- und Volksfront 1946 die Herstellung der organisatorischen Einheit der Arbeiterbewegung durch die Vereinigung von SPD und KPD zur SED.
Diese Vereinigung erfolgte auf der von beiden Parteien gemeinsam beschlossenen Grundlage der Lehren von Marx und Engels und führte durch eine enorme und effektive ideologische Schulung der Parteimitglieder in sehr kurzer Zeit zu einer weitgehend auch ideologischen Einheit. Ein eindruckvolles bleibendes Zeugnis dafür war die große Rede Otto Grotewohls, des aus der SPD gekommenen Ko-Vorsitzenden der SED aus Anlass des 30. Jahrestages der Novemberrevolution, die unter dem Titel: „Vor dreißig Jahren“ auch als Buch erschien. Der nächste konsequente Schritt der ideologischen Entwicklung der Partei war ihre Weiterentwicklung aus einer marxistischen in eine marxistisch-leninistische Partei, zu deren ideologischer Grundausrüstung vor allem solche Werke Lenins wie „Staat und Revolution“ und „Der Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus“ gehörten und natürlich auch der „Kurze Lehrgang der Geschichte der KPdSU(B)“ sowie andere Arbeiten Stalins.
Im Kampf gegen den vom Informbüro verurteilten Revisionismus der KP Jugoslawiens stand die SED in vorderster Front.
Allerdings litt die ideologische Arbeit der SED wie wohl der kommunistischen Parteien aller sozialistischen Länder daran, dass die Lehren der Begründer des Marxismus-Leninismus und Stalins oft wie Glaubenssätze behandelt wurden, die auf ihre Richtigkeit nicht geprüft zu werden brauchten, da diese von vornherein feststand. Damit wurde eine Autoritätsgläubigkeit anerzogen, die es später der revisionistischen Führung der KPdSU sehr erleichterte, die ganze Bewegung vom marxistischen auf das revisionistische Gleis umzustellen, zumal das ja unter der Behauptung geschah, damit die Stalinschen Entstellungen zu korrigieren und wieder auf den Leninschen Weg zurückzukehren.
Welchen Platz nahmen DDR und SED im Kampf gegen die sich mit dem XX. Parteitag der KPdSU voll entfaltende Offensive des Revisionismus ein?
Diese Offensive wurde vorgetragen von Tito-Jugoslawien und seinen Bundesgenossen in der sozialistischen Staatengemeinschaft, der Chruschtschow-Fraktion in der KPdSU, Gomulka-Polen und Imre Nagy/Kadar-Ungarn.
An der Spitze des Kampfes gegen die revisionistischen Kräfte standen die KP Chinas unter der Führung von Mao Tse-tung und Tschou En lai sowie die Leninisten der KPdSU, am stärksten unterstützt vom Albanien Enver Hodshas, der DDR und der Tschechoslowakei.
In den kapitalistischen Ländern stemmten sich dem Chruschtschow-Kurs vor allem die KP Frankreichs entgegen, solange an ihrer Spitze Maurice Thorez und Jaques Duclos standen, und – wenngleich nicht mit gleicher Konsequenz – die KP Italiens unter Führung Palmiro Togliattis. Aber unter dem Eindruck der Chruschtschowschen „Enthüllungen“ über Stalin gingen sehr viele kommunistische Parteien auf einen antistalinistischen, nach der Intervention gegen die CSSR vom August 1968 auf einen antisowjetischen, „eurokommunistischen“, d.h. revisionistischen Kurs über.
Das große Verhängnis für die Bewegung bestand darin, dass die Kämpfe und Auseinandersetzungen verborgen vor der Parteiöffentlichkeit hinter einer Fassade der Einheit des sozialistischen Lagers ausgetragen wurden.
Die Chruschtschowisten tarnten ihre Angriffe auf den Marxismus-Leninismus als Kampf gegen die „Stalinismus“, ihre Einschleusung des trojanischen Pferdes der Tito-Revisionisten ins eigene Lager als „Wiederherstellung der durch Stalin zerstörten Einheit der sozialistischen Länder“. Sie schufen der Propagierung revisionistischer Auffassungen innerhalb der Partei Freiräume unter der Flagge des Kampfes gegen den Dogmatismus und für die Entfaltung der innerparteilichen Demokratie; sie stumpften das Klassenbewusstsein ab durch die Behauptungen, unter den neuen Bedingungen und im Interesse der Erhaltung des Friedens könne der Klassenkampf nicht mehr in den alten Formen und in der alten Schärfe geführt werden.
Sie führten den Kampf gegen die auf den Positionen des Leninismus verharrenden Führungen der Parteien sozialistischer Länder im direkten Einflussbereich der Sowjetunion nicht offen, sondern verdeckt, gewissermaßen aus dem Hinterhalt.
Ihrerseits konnten und wollten diese Führungen ihren Widerstand gegen die Linie der Chruschtschow-Führung der KPdSU nicht öffentlich machen,
erstens, weil sie davon überzeugt waren, dass die revisionistischen Machtusurpatoren bald wieder aus der Führung der Partei Lenins verjagt sein würden;
zweitens, weil die Sowjetunion trotz dieses revisionistischen Einbruches in die Spitze der Partei nach wie vor ein sozialistisches Land, der stärkste Stützpunkt für die revolutionäre Weltbewegung war, weil eine in Jahrzehnten gewachsene sozialistische Gesellschaft nicht mit einem Handstreich in eine kapitalistische Gesellschaft rückverwandelt werden kann;
drittens, weil dem imperialistischen Gegner nicht die Möglichkeit gegeben werden sollte, durch eine offen ausgetragene Kontroverse das Seinige dazu beizutragen, die Gegensätze zuzuspitzen und zu seinen Gunsten auszunutzen;
viertens aber auch, weil ihre ökonomische, politische und militärische Abhängigkeit von der Sowjetunion so groß war, dass ein offener Bruch mit ihr das Risiko der Selbstaufgabe in sich barg.
Eine Ausnahme machten zwei sozialistische Staaten, denen gemeinsam war, dass sie außerhalb des direkten Einflussgebietes der Sowjetunion lagen, die aber sonst gegensätzlicher kaum gedacht werden konnten. Das eine war das kleinste sozialistische Land, Albanien, Nachbar Tito-Jugoslawiens (das immer auf dem Sprung lag, sein schon aus Kriegszeiten herrührendes Begehren, sich Albanien einzuverleiben, [15] doch noch zu befriedigen). Das andere war der menschenreichste Staat der Welt, die Volksrepublik China.
Als Chruschtschow von den albanischen Parteiführern (wie von allen anderen) verlangte, als Konsequenz der „Aussöhnung“ mit Tito alle wegen titoistischer Umtriebe im Lande Verurteilten zu rehabilitieren, weigerten sie sich als Einzige, und das mit gutem Grund: bei ihnen wäre ein solcher Schritt geradezu eine Einladung an den größeren Nachbarn und seine Parteigänger im Lande gleichgekommen, Albanien von der Führung der Partei der Arbeit Albaniens zu „befreien“ und an Jugoslawien anzuschließen. Für Albanien und die albanische Partei war es ein Gebot der Selbsterhaltung, Chruschtschow und seinen Handlangern offenen Widerstand zu leisten und seine revisionistische Politik anzuprangern.
Anders war die Situation Volkschinas. Dieses sozialistische Land und seine Partei waren stark und unabhängig genug, um ohne jede Rücksicht auf etwaige „ Strafaktionen“ der gegenwärtigen sowjetischen Führung den Leninisten in der KPdSU und in allen anderen Parteien dadurch zu Hilfe zu kommen, dass sie ohne Diplomatie die Dinge beim Namen nannten, also den Revisionismus der Chruschtschow-Führung in aller Öffentlichkeit als das bezeichneten, was er war.
Beide – die albanischen wie die chinesischen Parteiführer – taten das im übrigen zunächst sehr zurückhaltend, indem sie kritische Vorbehalte zu bestimmten Feststellungen und Festlegungen des XX. Parteitages äußerten, vor allem zu der undifferenzierten Verurteilung Stalins und der einseitigen Beurteilung der sowjetischen Geschichte.
Die beiden internationalen Konferenzen der kommunistischen Parteien in Moskau von 1957 und 1960 bereiteten den Revisionisten eine kräftige Niederlage, indem sie den „modernen Revisionismus“, d.h. den Tito-Revisionismus, als die Hauptgefahr in der kommunistischen Bewegung kennzeichneten und damit die Vorstöße der Revisionisten zurückwiesen, die das Feuer von sich selbst auf die Marxisten-Leninisten lenken wollten, mit der Behauptung, die Hauptgefahr stellten der Dogmatismus und das Sektierertum dar.
Die Revisionisten, von diesen beiden Konferenzen in die Defensive gedrängt, gingen 1961 auf dem XXII. Parteitag erneut zur Offensive über, und zwar nicht nur gegen die Widersacher in der KPdSU, sondern auch gegen die albanischen und chinesischen Kommunisten.
Chruschtschow benutzte das Forum des Parteitages, um zunächst die albanische Partei scharf zu attackieren, und diese Attacken, nachdem Tschou En lai die Angriffe gegen die albanische Partei kritisiert hatte, auch auf die KP Chinas auszudehnen. [16] Dies war der Auftakt zum „Schisma“ im sozialistischen Lager, provoziert und vorsätzlich vorangetrieben von der Chruschtschow-Führung der KPdSU.
Eine derartige Situation war schwierig und voller Gefahren für alle sozialistischen Länder und alle kommunistischen Parteien, besonders schwierig aber für die Deutsche Demokratische Republik und ihre führende Partei, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands:
Dieses Land war das einzige sozialistische Land in Europa, das aus der Teilung eines früher einheitlichen Staates entstanden war. Ihm stand jenseits der Grenze der imperialistische deutsche Staat gegenüber, der die reichsten und wirtschaftlich am meisten entwickelten Gebiete Deutschlands in seinem Machtbereich behalten hatte, und der innerhalb kurzer Zeit zur wirtschaftlich stärksten Macht Europas, zur zweitstärksten in der Welt nach den USA, herangewachsen war.
Einem solch mächtigen Gegner gegenüber war an eine Behauptung aus eigner Kraft nicht zu denken. Die Existenz der DDR beruhte auf dem Schutz vor der Annexion durch die verbündete Sowjetunion. Mehr als in jedem anderen sozialistischen Land musste die Führung der regierenden Partei in der DDR darauf bedacht sein, den Imperialisten keine Möglichkeit zu geben, einen Keil zwischen das eigene Land und die Sowjetunion zu treiben.
Zum anderen aber konnte eine Parteiführung, die den Charakter der Partei als einer marxistisch-leninistischen Partei verteidigen wollte, nicht passiv bleiben gegenüber der Einschleusung revisionistischer Auffassungen, wie sie spätestens seit 1955, seit der Total-Rehabilitierung Titos, von der KPdSU-Führung ausging, ganz massiv dann aber seit dem XX. Parteitag.
Das Führungskollektiv der SED mit Walter Ulbricht als Generalsekretär führte denn auch einen ebenso entschlossenen wie flexiblen Kampf zur Verteidigung einer marxistisch-leninistischen politischen Linie der SED. Dafür aber geriet Walter Ulbricht sehr bald nicht nur unter das Feuer des Klassenfeindes in Bonn, sondern sah sich immer häufiger gezwungen, Fallen auszuweichen und unschädlich zu machen, deren Herkunft nicht im Westen, sondern im Osten lag.
Bis zum Sturz Chruschtschows im Oktober 1964 musste Ulbricht eine Gratwanderung vollbringen, die höchste politische Meisterschaft erforderte; er musste den massiven Bemühungen Chruschtschows, die SED ebenso wie die polnische und die ungarische Partei auf revisionistischen Kurs zu bringen, ständig entgegentreten und sie abwehren, zugleich aber alle Versuche durchkreuzen, zwischen SED und KPdSU Keile zu treiben oder Zweifel an der zuverlässigen Freundschaft der DDR zur Sowjetunion aufkommen zu lassen. Später einmal wird man auf der Grundlage auch sowjetischer Dokumente hoffentlich die Möglichkeit haben, nachzuzeichnen, wie oft die Chruschtschow-Riege in der KPdSU Anlauf nahm, Walter Ulbricht ebenso zu stürzen, wie das mit Rakosi in Ungarn gelungen war. Aber auch ohne diese Dokumente lässt sich nachweisen, dass ein solcher Versuch erstmals nach Stalins Tod, im Mai/Juni 1953 unternommen wurde [17], und ein neuerlicher Versuch im Gefolge des XX. Parteitages der KPdSU.
Mit Sicherheit kann auch gesagt werden, dass die Attacke, die Chruschtschow auf dem XXII. Parteitag gegen Enver Hodsha und die KP Chinas ritt, zugleich auch alle Parteiführer treffen sollte, die sich dem revisionistischen Kurs widersetzten, darunter an einer der vordersten Stellen Walter Ulbricht.
Der letzte Versuch lässt sich im Jahre 1964 feststellen. Chruschtschow setzte in diesem Jahr zum entscheidenden Schlag gegen seinen gefährlichsten Gegner, gegen Mao Tse-tung und die KP Chinas an. Er bereitete für den Herbst 1964 eine Konferenz kommunistischer Parteien vor, auf der er die Zustimmung zur „Exkommunikation“ der KP Chinas aus der Familie der kommunistischen Parteien erreichen wollte.
Zu dieser Besprechung war Palmiro Togliatti mit einer Erklärung in die Sowjetunion gereist, die als sein Testament in die Geschichte der Arbeiterbewegung eingegangen ist, da er auf der Fahrt zum Konferenzort plötzlich verstarb. In dieser Erklärung sprach sich Togliatti ausdrücklich und mit Nachdruck gegen die Idee aus, die Kommunistische Partei Chinas zu „exkommunizieren“, obwohl er viele kritische Einwände gegen die KP Chinas vorbrachte.
Im gleichen Jahr 1964 reiste der Schwiegersohn Chruschtschows, Adshubei, Chefredakteur des Regierungsorgans „Iswestja“, in die Bundesrepublik Deutschland, wo er auch mit Franz Josef Strauß, dem Vorsitzenden der noch rechts von der CDU Adenauers stehenden CSU (Christlich Soziale Union) ein anscheinend sehr intimes Gespräch hatte, denn die Westpresse wusste darüber zu melden, dass er u.a. Strauß darüber informiert hatte, Walter Ulbricht sei ein „todkranker Mann“. Das war natürlich nicht medizinisch, sondern politisch gemeint, als Hinweis darauf, dass Walter Ulbrichts politischer Sturz bevorstehe.
Das Jahr 1964 sollte also zum Jahr des Triumphes Chruschtschows über seine hartnäckigsten und gefährlichsten Gegner werden. Stattdessen wurde es das Jahr des endlichen Sturzes Chruschtschows.
Bei den Versuchen, Walter Ulbricht von der Spitze der SED zu beseitigen, nutzten Chruschtschow und seine Verbindungsleute in der DDR die Meinungsverschiedenheiten und persönlichen Animositäten, die es im Kreise der Parteiführung gab, zu dem Versuch aus, eine Politbüro-und ZK-Mehrheit gegen Ulbricht zustande zu bringen. Das war der Hintergrund für die „Affären“, die mit dem Ausschluss Rudolf Herrnstadts und Wilhelm Zaissers 1953 und Karl Schirdewans und Ernst Wollwebers 1958 aus der Führungsspitze und aus der Partei (Herrnstadt/Zaisser) endeten.
Meine persönliche Ansicht ist, dass die meisten der Genossen, die damals gegen Walter Ulbricht auftraten, dies nicht aus revisionistischer Gesinnung taten – es handelte sich dabei größtenteils um Genossen, die sich als Kommunisten und antifaschistische Widerstandskämpfer erwiesen hatten -, vielmehr in Unkenntnis dessen, dass sie Schachfiguren in einem ihren Interessen ganz fremden Spiel darstellten. Andererseits war es Walter Ulbricht natürlich nicht möglich, diese Hintergründe, über die er selbst sich als einer der erfahrensten Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Internationale ganz gewiss im Klaren war, im Zentralkomitee oder auch nur im Politbüro darzulegen.
Die Möglichkeiten, den revisionistischen Grundentscheidungen der KPdSU-Führung entgegenzutreten, waren aufgrund all dessen außerordentlich begrenzt. Dennoch gehörte die SED zu den Parteien, die pro-revisionistische Beschlüsse und Entscheidungen aus Moskau mit spürbar fehlendem Engagement übernahmen, alle antirevisionistischen Stellungnahmen dagegen breit popularisierten und mit ihnen eine intensive Mitgliederschulung betrieben.
Das war so 1955 bei der „Versöhnung“ mit Tito; sie musste nolons volens nachvollzogen werden, jedoch nicht, ohne dafür den Preis des Bruches der Hallstein-Doktrin durch die endliche Anerkennung der DDR zu verlangen, [18] dem Tito nachzugeben sich schließlich am 15. Oktober 1957 gezwungen sah. Das hinderte die SED-Führung aber nicht daran, zwei scharfe Kritiken sowjetischer Verfasser am Revisionismus der Tito-Partei umgehend auch in der DDR zu verbreiten. [19]
Ähnlich das Verhalten zum XX. Parteitag, insbesondere zu Chruschtschows Geheimrede. Sie wurde in der DDR in keinem Presseorgan und auch auf keinem anderen Wege veröffentlicht. Lediglich in Parteiversammlungen wurde ihr Hauptinhalt in Kurzfassung mitgeteilt. Als ein großer Teil der Parteimitgliedschaft auf den XX. Parteitag genau so reagierte, wie das von Chruschtschow und seinen Leuten beabsichtigt worden war, nämlich mit der Forderung nach der Entfaltung einer breiten Diskussion über die Fehler der Vergangenheit, widerstand dem die Parteiführung und orientierte darauf, „die Fehler im Vorwärtsschreiten“ zu korrigieren und zu überwinden. Viele waren damit unzufrieden und meinten, die Parteiführung drücke sich nur davor, Rechenschaft über ihre eigenen Fehler abzulegen; ihnen schien die „Abrechnung mit der Vergangenheit“, wie sie im Polen Gomulkas betrieben wurde, genau das Richtige und Notwendige zu sein. Erst als die negativen Folgen eines solchen Vorgehens in Polen und dann in der ungarischen Konterrevolution vom Herbst 1956 offensichtlich wurden, fand das Verhalten der Parteiführung allmählich wieder die Zustimmung einer festen Mehrheit in der Partei. Aber ein erheblicher Teil, vor allem unter den Intellektuellen, blieb unzufrieden mit der – wie sie meinten – „Abwürgung“ der Kritik. In der Partei wie auch in der Bevölkerung hatte der XX. Parteitag Stimmungen geweckt, die bislang als kleinbürgerlicher Liberalismus durchaus richtig gekennzeichnet worden waren, die nun aber vom XX. Parteitag gewissermaßen die „höheren Weihen“ als das bessere, undogmatische, freiheitliche und zukunftsweisende Denken und Empfinden erhalten hatten.
Trotz dieses wachsenden Druckes auf die Parteiführung hielt sie konsequent an ihrer Linie fest, sich von den konkreten Aufgaben des sozialistischen Aufbaus durch endlose „Fehlerdiskussionen“ nicht ablenken zu lassen.
Als die Chruschtschow-Führung den Bruch mit Albanien und Volkschina durchsetzte, konnte sich die DDR- und SED-Führung der Forderung nicht entziehen, Partei zu ergreifen für die Sowjetführung und gegen die albanischen und chinesischen Genossen.
Als dann der Streit zwischen der KPdSU und der KP Chinas 1963 einen ersten Höhepunkt erreichte um die Frage der Generallinie der Außenpolitik eines sozialistischen Landes, veröffentlichte die DDR sowohl den Brief der KPdSU als auch den der KP Chinas und gab so den Lesern die Möglichkeit, sich einen eigenen Standpunkt zu erarbeiten: die Parteiführung unterließ es in diesem Falle, zu erklären, die sowjetische Position sei richtig, die chinesische dagegen falsch.
Im Fortgang der Anti-China-Kampagne übernahm die SED die sowjetischen „Analysen“ über die angeblichen Ursachen der angeblichen antimarxistischen Linie der KP Chinas, manche ihrer Theoretiker traten dabei auch mit ihren eigenen, im Kielwasser der sowjetischen Publikationen segelnden Untersuchungen auf; aber die ganz und gar bösartigen, hasserfüllten Publikationen in deutscher Sprache waren Importe aus der Sowjetunion. Den sowjetischen Hetzfeldzug gegen China machte man in der DDR nicht mit, die Anti-China-Propaganda hielt sich im Rahmen des Pflichtpensums eines zum Gehorsam genötigten Vasallen.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Die revisionistischen Grundentscheidungen der sowjetischen Führung der Chruschtschow-Periode glaubte die SED-Führung mitvollziehen zu müssen. Insofern wurde auch die SED-Mitgliedschaft und die Bevölkerung infiziert von der revisionistischen Verfälschung des Marxismus-Leninismus und der Geschichte der sozialistischen Staaten.
Doppelt verhängnisvoll wirkte und wirkt sich aus, dass dieses Abgehen vom Marxismus-Leninismus mit Erfolg als das genaue Gegenteil dessen, nämlich als Wiederherstellung und Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus ausgegeben wurde. Das hat zum einen, als es noch Zeit dafür war, Widerstand gegen das Verlassen des wirklich marxistisch-leninistischen Weges zu leisten, diesen Widerstand verhindert; und es verhindert zum anderen heute die Erkenntnis für die wirklichen Ursachen des Zusammenbruchs der sozialistischen Staaten, weil dieser Zusammenbruch ja vermeintlich das Ergebnis des Beharrens auf dem marxistisch-leninistischen Weg war.
Dennoch wäre es falsch, die SED als eine revisionistische Partei zu bezeichnen. Unter der Führung Walter Ulbrichts hat diese Partei ein Maximum des damals möglichen Widerstandes gegen den Revisionismus der Chruschtschow-Clique geleistet und erheblich dazu beigetragen, dass Chruschtschow im Oktober 1964 gestürzt wurde.
Sie hat darüber hinaus wichtige Beiträge an theoretischen Erkenntnissen über den sozialistischen Aufbau auf verschiedenen Gebieten geleistet, die künftig bei einem neuerlichen Anfang von großem Nutzen sein werden. Dafür nur einige wenige Beispiele:
Beispiel: Es war schon die Rede davon, dass die Revisionisten die Stärke der Arbeiterbewegung und des Sozialismus als Argument für die Abschwächung des Klassenkampfes benutzen. Zu eben diesem Ziel wurden von der Chruschtschow-Mannschaft in der Sowjetunion die Erfolge des sozialistischen Aufbaus gewaltig übertrieben und die Schwierigkeiten bagatellisiert. Am Beispiel der abenteuerlichen Verheißung, in zehn Jahren den höchsten Lebensstandard der Welt in der Sowjetunion und in zwanzig Jahren den Kommunismus erreicht zu haben, wurde dies ja schon gezeigt.
Gegen diese Linie der Kommunismus-Verheißung in kürzester Zeit war bereits Molotow aufgetreten. Zu den Anklagen gegen ihn gehörte der Vorwurf, Molotow habe sieh gegen die These gewandt, die Sowjet-Union befinde sich schon auf dem Wege zum Kommunismus; er habe demgegenüber erklärt, in der Sowjetunion seien gerade erst die Grundlagen des Sozialismus errichtet [20]; außerdem habe er sich gegen die Feststellung gewandt, dass der Sieg des Sozialismus in der Sowjetunion nicht mehr rückgängig zu machen sei.
Das bedeutet, dass die Leninisten in der KPdSU, wie Molotow, sich von der alten Vorstellung befreit hatten, dass mit der Errichtung der Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft sofort der Übergang zum Kommunismus eingeleitet werde, während die Revisionisten an dem wirklichkeitsfremden Geschwätz vom Aufbau des Kommunismus aus demagogischen Gründen festhielten, auch noch nach Chruschtschows Sturz.
Dagegen wandte sich Walter Ulbricht in einem Vortrag über die Bedeutung des Werkes von Karl Marx für die Schaffung des Systems des Sozialismus auf einer internationalen wissenschaftlichen Tagung im September 1967, die in Berlin aus Anlass des Erscheinens des „Kapital“ von Karl Marx vor 100 Jahren stattfand. [21]
In diesem Vortrag fasste Walter Ulbricht die internationalen und die eigenen Erfahrungen beim Aufbau des Sozialismus zusammen und gelangte zu der bisher nirgendwo ausgesprochenen Schlussfolgerung, „dass der Sozialismus nicht eine kurzfristige Übergangsphase in der Entwicklung der Gesellschaft ist, sondern eine relativ selbständige sozial-ökonomische Formation in der historischen Etappe des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus im Weltmaßstab.“ [22]
Diese Feststellung war ein deutlicher Einspruch gegen das dauernde Gerede in der Sowjetunion von der Nähe der „lichten Höhen des Kommunismus“, und wurde dort auch durchaus so verstanden.
Unter der Führung Walter Ulbrichts wurde auch systematisch nach Wegen gesucht, die sozialistische Planwirtschaft auf ein festes wissenschaftliches Fundament zu stellen, um seine prinzipielle Überlegenheit über das kapitalistische Wirtschaftssystem zu einer faktischen Überlegenheit werden zu lassen. Er verlangte und setzte durch, dass die Fachleute der DDR sich mit dem jeweiligen wissenschaftlich-technischen Höchststand in der Welt vertraut machten und Vorschläge erarbeiteten, wie in den sozialistischen Ländern und insbesondere in der DDR der Rückstand zu diesem höchsten Niveau aufgeholt werden könne. [23]
Weil das aber nur in einer kollektiven Anstrengung aller sozialistischen Länder gelingen konnte, gehörte die DDR-Delegation im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zu denen, die am meisten und hartnäckigsten darauf drängten, dass der RGW zu einem wirklich effektiven Leitungsorgan einer internationalen planmäßigen Zusammenarbeit aller Mitgliedsländer entwickelt wird. [24] Voraussetzung für einen Erfolg solcher Bemühungen wäre aber gewesen, dass an der Spitze aller kommunistischen Parteien der Mitgliedsländer Marxisten-Leninisten, also echte Internationalisten, gestanden hätten. Das aber war leider nicht der Fall. Mit Revisionisten aber ist kein Sozialismus aufzubauen, mit „Nationalkommunisten“ keine internationalistische Zusammenarbeit, mit Saboteuren der Einheit keine Einheit der sozialistischen Staatengemeinschaft.
Wie wirkte sich der Wechsel von Ulbricht zu Honecker in der DDR aus?
Es ist selbstverständlich, dass Erich Honecker als dem aufrechten Kommunisten und Antifaschisten, dem von der Rachejustiz des siegreichen westdeutschen Imperialismus Verfolgten, unsere ganze Sympathie und Solidarität gehört. Mit Freude haben wir erlebt, dass er sich mit seiner Rede vor Gericht der Tradition eines Karl Liebknecht und Georgi Dimitroff würdig erwies und zum Ankläger derer wurde, die ihn zum Verbrecher und Repräsentanten eines verbrecherischen Regimes stempeln wollten.
Das darf uns jedoch nicht dazu verleiten, auf eine nüchterne, selbst-kritische Betrachtung der Entwicklung der SED und der DDR unter Honeckers Führung zu verzichten.
Die Ablösung Ulbrichts und der Wechsel zu Honecker war natürlich nicht ohne Einwirkung der Moskauer Führung vor sich gegangen. Dennoch wäre es falsch, in diesem Wechsel etwa den Wechsel von einem Marxisten-Leninisten zu einem Revisionisten zu sehen. Es war vielmehr der Wechsel von einem der im Klassenkampf erfahrensten und begabtesten Führer der deutschen und der internationalen kommunistischen Bewegung zu einem von bestem Willen erfüllten, aber infolge schwacher Führungsqualitäten leicht auf Abwege zu führenden Parteifunktionär.
Zunächst schien es so, als sei mit ihm die Ära der größten Erfolge der DDR angebrochen, denn Anfang der siebziger Jahre wurde die DDR trotz allen Sperrfeuers seitens der BRD in rascher Folge von Dutzenden Staaten anerkannt und schließlich im September 1973 auch in die UNO aufgenommen, nachdem sich die Bundesrepublik gezwungen gesehen hatte, im Dezember 1972 in einem Vertrag die DDR als selbständigen deutschen Staat anzuerkennen. Indessen war damit nur eine Ernte eingefahren worden, für die der Grund in den davor liegenden Jahren regt worden war.
Überblickt man die fast zwanzig Jahre, in denen Honecker an der Spitze der SED und des Staates stand, so muss man feststellen, dass er eine Politik repräsentierte, die auf allen Gebieten äußerst widerspruchsvoll war und sich auf einer insgesamt absteigenden Linie bewegte.
Letzteres trifft aber auf alle sozialistischen Staaten Europas zu, ist also nicht in erster Linie etwaigen Fehlern der von ihm geleiteten Partei- und Staatsführung anzulasten.
Anfang der siebziger Jahre machte sich in den sozialistischen Ländern eine Trendwende der wirtschaftlichen Entwicklung bemerkbar. Die Störungen, die von der Desintegration der Wirtschaft der RGW-Staaten und von den Fehlplanungen und sprunghaften Planänderungen in verschiedenen Ländern, allen voran die Sowjetunion, als Ergebnis der revisionistischen Umorientierung der Planziele ausgingen, vergrößerten den Rückstand zu den entwickeltsten kapitalistischen Ländern, statt ihn zu verringern und verschlechterten die Lebenslage der Bevölkerung, statt sie zu verbessern.
Die Folgen waren wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung, abnehmende Zustimmung und Unterstützung für die Politik von Partei und Regierung, immer schwächer werdende Verbindung der Partei zu den Massen, dafür stetig wachsender Einfluss westlicher elektronischer Medien und der Anziehungskraft der so genannten „westlichen Lebensweise“.
Es war kein Zufall, dass gerade dort, wo von der Spitze her dem westlichen Einfluss Tür und Tor geöffnet worden waren und der Sozialismus in den ökonomischen Verhältnissen am schwächsten entwickelt war, in Polen, das erste politische Erdbeben stattfand, das nicht vorwiegend von der Intelligenz – wie 1956 in Polen und Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei -, sondern von der Arbeiterschaft getragen war und die Führung zum Rücktritt zwang. Im Dezember 1970 musste Gomulka seinen Platz räumen; seine Nachfolge als 1. Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) trat Edward Gierek an. Da dieser aber im Grunde am revisionistischen Kurs der Partei nichts änderte, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vielmehr vergeblich mit Krediten aus dem westlichen Ausland zu beheben suchte, wurde er 10 Jahre später durch eine noch viel stärkere Unmutsbewegung großer Teile der Arbeiterschaft, diesmal unter der Führung einer von der katholischen Kirche gesteuerten „Gewerkschaft“ – der „Solidarnosc“, ebenfalls gestürzt. Damit begann die lang anhaltende Agonie der Volksrepublik Polen.
Was aber 1970 weithin nur als eine alleinige Angelegenheit eines einzelnen sozialistischen Landes, eben Polens, angesehen wurde, weist sich im Rückblick als ein deutliches Symptom des Eintritts des europäischen Sozialismus in seine Auflösungsphase.
So gesehen, stand die neue – personell größtenteils alte – Parteiführung mit Erich Honecker an der Spitze vor einer von vornherein unlösbaren Aufgabe. Dies umso mehr, als von der KPdSU und der sowjetischen Staatsführung nicht Hilfe, sondern in zunehmendem Maße Störungen ausgingen.
Mit dem neuen Mann Gorbatschow im Kreml im April 1985 lebte bei allen Kommunisten noch einmal die Hoffnung auf, in der Sowjetunion fände nun wirklich die schon so lange erwartete und so dringend notwendige Rückkehr auf den Weg Lenins statt, wie es dieser neue Mann ja verkündet hatte. Aber bald mussten alle, die nicht in Illusionen verharren wollten, feststellen: dieser Mann und seine Vertrauten sind Erz-Revisionisten, Zöglinge der Chruschtschow-Ära, die fortführten, was jener begonnen hatte, um zu vollenden, woran er gescheitert war.
Letzten Endes sind sogar die am meisten der Honecker-Führung als gewissermaßen „Eigenleistung“ anzurechnenden, nicht selten einfach unbegreiflichen Widersprüche ihrer Politik eine Folge dieser Situation. Ganz banal und einfach ausgedrückt könnte man den Kern der Widersprüche dieser Politik so benennen: Hervorragende Absichten und Planziele – aber ruinöse Ergebnisse. Nehmen wir als Beispiel die Wirtschaftspolitik.
Auf diesem Gebiet erklärte Honecker zur Hauptaufgabe die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, was heißen sollte, im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum müsse auch das Leben der Arbeitenden sich verbessern. Das Ergebnis dieser Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik werde sein, dass die Arbeitsmoral und die Leistungsbereitschaft der Arbeitenden in gleichem Maße wachsen würden.
Um die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik zu sichern, wurde für jedes Jahr berechnet, wieviel Prozent Wirtschaftswachstum dafür vonnöten sei, und diese Zahl zur Grundlage des Jahresplanes gemacht.
Um das notwendige Wirtschaftswachstum zu sichern, wurde Anfang der siebziger Jahre die Umstellung von der vorwiegend extensiven auf die vorwiegend intensive erweiterte Reproduktion vorgenommen. Zugleich sollte den einzelnen Unternehmen ermöglicht werden, die Mittel zur Rationalisierung der Produktion selbst zu erwirtschaften.
Überlegungen waren gut und richtig, dennoch funktionierte das System auf die Dauer nicht, das wirkliche Wirtschaftswachstum blieb hinter dem als notwendig errechneten zurück.
Die Gründe dafür waren vielfältig.
Der wichtigste und entscheidende Grund war der faktische Ausfall wichtigsten Faktors des gemeinsamen Wachsens und Aufblühens aller sozialistischen Länder – der planmäßigen internationalen Arbeitsteilung im RGW.
Ein weiterer Grund waren die Kürzungen der sowjetischen Lieferungen an Rohstoffen, vor allem Erdöl. Dazu kamen die Preissteigerungen auf dem Weltmarkt für dringend benötigte Produkte, bei gleichzeitigem Preisverfall der Waren, die die DDR exportierte. Die Schere zwischen Import- und Exportpreisen ging zu Ungunsten der DDR immer weiter auseinander.
Engpässe bei Rohstoffen und Halbfabrikaten erschwerten die Arbeitsorganisation, führten immer wieder zu Stillstandszeiten einerseits, zu Hektik und Aufholjagden im Arbeitsprozess andererseits, verteuerten insgesamt die Produktion und gefährdeten die Planerfüllung.
Diese und weitere Ursachen führten dazu, dass das errechnete Wirtschaftswachstum nicht erreicht wurde, damit aber auch nicht die Mittel erarbeitet wurden, die für die Realisierung der „Einheit von Wirtschaftsund Sozialpolitik“ notwendig gewesen wären. Mit anderen Worten: Die Mittel reichten nicht aus, um sowohl die notwendigen Investitionen zu gewährleisten als auch die sozialen Leistungen zu finanzieren, z.B. wie versprochen, die Preise für die lebensnotwendigen Waren, für Verkehrs- mittel und Mieten stabil zu halten. Es mussten entweder die Preise erhöht, die Subventionen zur Stützung der niedrigen Preise und Mieten gekürzt oder aber die Akkumulationsrate gesenkt werden.
Eine Senkung der Akkumulationsrate musste sich verhängnisvoll auf die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft auswirken, den technischen Rückstand zu den kapitalistischen Ländern, insbesondere zur BRD, noch weiter vergrößern, die Exportfähigkeit weiter verringern, die Abhängigkeit von westlichen Kreditgebern erhöhen, kurzum, auf Dauer katastrophale Folgen zeitigen.
Eine Nichteinhaltung der Versprechungen auf Stabilität von Preisen und Mieten und Beibehaltung und sogar Ausbau der sozialen Leistungen musste mit Sicherheit zu großer Unzufriedenheit und zu politischer Instabilität führen. Ohnehin war die erwartete Steigerung der Arbeitsmoral nicht eingetreten, im Gegenteil. Schlechte Arbeitsorganisation und unkontinuierlicher Arbeitsfluss zum einen, eine allzu liberale Duldung von nachlässiger Arbeitsmoral und das Bewusstsein des Rechts auf einen Arbeitsplatz hatten dazu geführt, dass die Arbeitszeit immer großzügiger durch vorzeitigen Feierabend, Arbeitsbummelei usw. eigenmächtig verkürzt wurde, die Arbeitsproduktivität also absank statt verbessert zu werden.
Bei der Entscheidung darüber, auf welchem Wege aus dem Dilemma herauszukommen sei, durch Kürzung der Akkumulationsrate oder durch Beschränkung der sozialen Leistungen, wurde immer der Weg der rigorosen Beschneidung der Investmittel und der nur zaghaften Belastung der Bevölkerung z.B. durch Preiserhöhungen für Mittel des ´gehobenen Bedarfs“ gewählt. Dabei hat sicherlich die Erinnerung an den 17. Juni 1953 und haben die Ereignisse in Polen diese Entscheidung erheblich beeinflusst. Aber es entsprach das ganz sicher auch einem Gefühl der Verantwortung gegenüber den Arbeitenden.
Nur: es war dies keine Lösung. Es war nur die Wahl zwischen zwei Wegen des Untergangs. Denn es konnte keine vereinzelte Lösung für sozialistischen Länder geben. Die Lösung konnte nur in einer gemeinsamen Ursachenforschung und einer gemeinsamen Anstrengung zur Überwindung der Krise liegen, die im übrigen absolut möglich war. Der wirtschaftliche Zustand der SU und ihrer Verbündeten war selbst 1989 nicht entfernt so katastrophal wie in Russland nach dem Ende des Bürgerkrieges.
Wenn Gorbatschow wirklich Kommunist und Leninist gewesen wäre, hätte er 1985 als erstes die Führer aller kommunistischen Parteien der RGW-Länder zu einer Beratung über die gemeinsame Überwindung der krisenhaften Situation zusammengerufen. Statt dessen vertiefte er die Spaltung und die Vereinzelung der sozialistischen Staaten und die Orientierung auf die Rettung durch die imperialistischen Mächte und ihre Versklavungsinstrumente, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank. Dies enthüllt eigentlich wie kaum ein Zweites, was hinter der so genannten „Entstalinisierung“ in Wahrheit steckt und schon seit Chruschtschow gesteckt hat: nicht die „Humanisierung des Sozialismus“´ sondern die „Entsozialisierung“, die Rekapitalisierung des durch die Oktoberrevolution dem Imperialismus entrissenen Teils der Erde.
Immer wieder wird an uns – so auch hier nach dem Vortrag des Genossen Schnitzler – die Frage gerichtet, wieso die sozialistische DDR so rasch und lautlos zugrunde gehen konnte, wieso die Opposition so großen Zulauf hatte.
Die Hauptursache habe ich schon genannt: Die wirtschaftliche Entwicklung erfüllte nicht die Erwartungen der Leute und die Versprechungen der Partei. Statt stetigem Aufschwung trat von einem bestimmten Punkt an ein Abschwung ein, verschlechterte sich die Versorgung, gab es auf bestimmten Gebieten doch Preiserhöhungen, verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in den Betrieben, wurden zwar auf der einen Seite viele neue Wohnungen gebaut, wurde aber auf der anderen dem Verfall der Altbausubstanz kein Einhalt geboten, kurzum, das Leben wurde statt leichter und reicher – belastender und ärmer. Das alles wäre aber noch zu ertragen gewesen, wenn die Partei den Menschen offen die Ursachen für diese negative Entwicklung dargelegt und mit ihnen darüber beraten hätte, wie man die Situation meistern könnte.
Doch die Parteiführung ging einen anderen Weg. Sie ließ über die Medien verbreiten, dass alles in Ordnung sei, dass die Pläne erfüllt und übererfüllt würden, dass das Land von Erfolg zu Erfolg schreite – kurz, zwischen dem, was die Menschen tagtäglich im Betrieb, auf den Straßen, in den Läden und Verkehrsmitteln erlebten, und dem, was ihnen abends vom Bildschirm in den Nachrichten entgegentrat, klaffte ein Abgrund. Die Medienpolitik der Partei musste die Menschen empören, weil sie sich nicht nur belogen, sondern auch veralbert, nicht ernst genommen sahen. Sie verloren das Vertrauen zur Partei, die ihnen nicht die Wahrheit sagte, und öffneten nicht nur ihre Ohren, sondern schenkten auch ihren Glauben den Westmedien, deren Berichte über den DDR-Alltag in vielem dem, was sie kannten, näher kam, als die eigenen Sender.
Wie schrecklich weit Erich Honecker dem Denken und Fühlen der DDR-Bürger und von denen insbesondere der Jugend entfernt war, wurde besonders deutlich, als er zu einem Jahrestag des 13. August 1961, dem Tag der Errichtung der „Mauer“ in Berlin, erklärte, die Mauer werde „noch 100 Jahre stehen“, wenn nötig. Er, der einst an der Spitze der Jugendorganisation der Freien Deutschen Jugend gestanden hatte, hatte keinerlei Empfinden dafür und offenbar auch keine Kenntnis davon, dass die DDR-Jugend der 80er Jahre die Mauer längst nicht mehr als Schutzwall empfand, sondern als eine Gefängnismauer, die sie lieber heute als morgen beseitigt sehen würde.
Die Kluft zwischen Partei und breiten Teilen des Volkes war groß geworden, und auch in der Partei selbst verlor die Parteiführung immer mehr an Vertrauen bei den einfachen Mitgliedern.
Diese Unmutsstimmung war Gorbatschow natürlich bestens bekannt. Er tat alles, um sie weiter zu schüren. Seine demagogischen Losungen: „Glasnost“ und „Wir brauchen die Wahrheit wie die Luft zum Atmen!“ dienten der Entfachung der Unzufriedenheit gegen die Partei nicht nur im eigenen Land, sondern besonders auch in den Ländern, die bisher standhafte Säulen des Widerstandes gegen die Wogen des Revisionismus geblieben waren – die DDR und die CSSR. Und er hatte Erfolg damit! „Gorbi“ wurde zum Hoffnungsträger sowohl derer, die wie Reagan und Bush und Kohl den Sozialismus beseitigt sehen wollten, als auch derer, die eine „Reformierung“, Verjüngung und Erneuerung des Sozialismus erstrebten.
Gorbatschow wusste sehr wohl, dass Honecker ihm misstraute und ihm, wo immer er konnte, entgegenwirkte.
Honecker hatte zwar auf außenpolitischem Gebiet mehrfach der revisionistischen Aufweichungspolitik in die Hände gearbeitet: So bei der Vorbereitung und Durchführung des KSZE-Prozesses und dem Abschluss des Helsinki-Abkommens, oder auch bei der Billigung des gemeinsamen Dokumentes von SED und SPD vom August 1987 „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, mit dem die Vertreter der SED-Seite geradezu Vorarbeit für die Ereignisse des Herbstes 89 geleistet haben. [25]
Aber nie dachte Honecker daran, die DDR dem Imperialismus auszuliefern; in allem, was er tat, ging es ihm darum, die Existenz der DDR zu sichern. Deshalb wandte er sich auch entschlossen gegen die Übernahme der Gorbatschowschen „Perestroika“, und sagte unverblümt, Perestrojka in der DDR würde ins Chaos führen, womit er natürlich die Situation in der UdSSR Gorbatschows kennzeichnete. Er ließ auch nicht zu, dass die deutschsprachige Ausgabe der „Moskauer Nachrichten“ – eines der übelsten antisowjetischen Hetzblätter, seit es in den Händen der Gorbatschow-Leute war -, in die Postzeitungslisten der DDR aufgenommen wurde. Große Wellen schlug auch seinerzeit das Verbot der Auslieferung einer besonders üblen Nummer der sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“ in der DDR, wobei eine lange Diskussion darüber entstand, ob es nicht besser gewesen wäre, die Zeitschrift erscheinen zu lassen und sich dann öffentlich mit ihrem Inhalt auseinanderzusetzen. Aber auf jeden Fall zeigte die DDR-Führung ihre Entschlossenheit, gegen die Infiltration antikommunistischer Hetze vorzugehen, auch dann, wenn sie das Herkunftszeichen „KPdSU, Moskau“ trug. Davon zeugte auch eine Rede des Sekretärs des ZK der SED, Kurt Hager, in der er der Verharmlosung des Imperialismus, wie sie von Gorbatschow und Schewardnadse betrieben worden war, mit der Feststellung entgegentrat, der Imperialismus werde niemals sein räuberisches, menschenfeindliches Wesen ändern.
An uns wurde auch die Frage gestellt, warum die DDR-Regierung kampflos das Feld geräumt hat, ohne bewaffneten Widerstand zu leisten. Aber gegen wen hätten die Waffen eingesetzt werden sollen? Etwa gegen die Demonstranten auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989?
Wer das meint, der ist auf das Gerede von der „friedlichen Revo1ution“ hereingefallen, durch die angeblich die „SED-Diktatur“ gestürzt worden sei.
Aber weder die DDR noch der Sozialismus in irgendeinem der ehemals sozialistischen Länder ist durch Aktionen der Massen gestürzt worden.
Der Sozialismus in Europa wurde in einem über 40-jährigen Kalten Krieg von außen in einer fast 40-jährigen Kombination mit einer vom Zentrum ausgehenden Zersetzungsarbeit im Innern zuerst an seiner Entfaltung gehindert, dann gelähmt und seiner wichtigsten Kraft, der Unterstützung durch die Massen, beraubt, um dann in diesem Zustand von der früheren Schutzmacht an den Imperialismus ausgeliefert zu werden.
Die Konterrevolution fand nicht an einem Tage, sondern 40 Jahre lang statt. Die Demonstranten des 4. November waren zwar von der Konterrevolution in Bewegung gesetzt – aber sie waren nicht die Konterrevolution. Schüsse, auf sie abgegeben, hätten nicht die Konterrevolution, sondern größtenteils die von der Konterrevolution verführten eigenen Leute getroffen, und die Getroffenen wären zu Blutzeugen der Konterrevolution gegen den Sozialismus gemacht worden.
Den Untergang der DDR hätten sie nicht verhindert, denn deren Auslieferung an die BRD war dem Bundeskanzler Kohl von dessen späterem Duz-Freund Gorbatschow schon 1987 zugesagt worden; aber sie hätten den Siegern von heute die von niemandem glaubwürdig zu widerlegende Propagandalüge in die Hand gegeben, die „machtbesessenen Greise des Politbüros“ seien nicht einmal davor zurückgeschreckt, ein Massaker unter Demonstranten anzurichten, die für den besseren Sozialismus auf die Straße gegangen seien, nur um sich der Macht zu halten.
Für den Neubeginn der Sozialisten wäre dies eine Katastrophe gewesen, für die Sieger von heute aber ein unschätzbares Geschenk, hätte es ihnen doch die Glorifizierung ihrer brutalen Kolonisierungspraxis ebenso erlaubt wie die Rechtfertigung einer grausamen Abrechnung mit allen, die, in welcher Form auch immer, für die Deutsche Demokratische Republik eingetreten waren und sie verteidigten.
Bleibt als Allerletztes die Frage: War die Niederlage des Sozialismus unvermeidlich?
Nein, sie war nicht unvermeidlich, wenn die Marxisten-Leninisten den Vorstoß des Revisionismus im Keime erstickt hätten, also schon bei der Rehabilitierung Titos oder auf dem XX. Parteitag der KPdSU. Allerspätestens hätte bei der Absetzung Chruschtschows 1964 dessen wahre Rolle offen gelegt werden müssen.
Ja, die Niederlage war unausweichlich, weil den Revisionisten erlaubt wurde, die Parteiführung zu erobern und in ihr zu verbleiben. Denn der Kampf gegen den Imperialismus kann nur erfolgreich geführt werden, wenn er im eigenen Lager keine Verbündeten findet.
Es wird lange dauern, bis diese Wahrheit wieder Allgemeingut aller Kommunisten geworden sein wird.
Es ist unsere Aufgabe, diesen Prozess zu beschleunigen, damit die kommunistische Bewegung wieder eine geschichtsmächtige Kraft wird, noch bevor der Imperialismus die Menschheit in den Untergang getrieben hat.
Erschienen in „Streitbarer Materialismus“, Nr. 18, Januar 1994, S. 35-80 und Kurt Gossweiler, Wider den Revisionismus, München: Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung, 1997, S. 341-386
Anmerkungen:
[2] Marschall Tito, Wie wir es machen. Bericht über den Weg, den Jugoslawien geht. Berlin 1947, S. 28.
[3]ebd., S. 12.
[4] Karl Kautsky, Erläuterungen zum Heidelberger Programm der SPD, 1925.
[5] N.S. Chruschtschow, Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der KPdSU an den XX. Parteitag, Berlin 1956, S. 46.
[6] Das Programm des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens. Angenommen von dem siebenten Kongress des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens in Ljubljana (Laibach), vom 22. bis 26. April 1958, Beograd 1958, S. 54f.
[7] Referat N. S. Chruschtschows auf dem XXI. Parteitag der KPdSU, in: Die Presse der Sowjetunion, Berlin, Nr. 13, 30. Januar 1959, S. 267.
[8] Programm und Statut der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, angenommen auf dem XXII. Parteitag der KPdSU, 17. bis 31. Oktober 1961, Berlin 1961, S. 62.
[9] Die Presse der Sowjetunion Nr. 118 von 1959, S. 2655.
[10] Aus der Deklaration von Delhi über die Prinzipien einer Welt ohne Kernwaffen und Gewalt, unterzeichnet von Rajiv Gandhi und Gorbatschow, November 1986.
[11] Handbuch der Verträge 1871-1964, Berlin 1968, S. 606.
[12] Archiv der Gegenwart, Folge 46/1956, 19. XI. bis 24. XI.
[13] Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie! Organ des lnforrnbüros, Nr. 21/1955.
[14] „Neues Deutschland“, Berlin, 5.6.1958.
[15] The artful Albania. Memoirs of Enver Hoxha, ed. by Jon Halliday, London 1986, S. 4 (Editors introduction).
[16] Die Presse der Sowjetunion, Berlin, Nr. 125, S. 2672 f., Nr. 136, S. 3024-26, Nr. 13.
[17] Siehe dazu: Kurt Gossweiler, Hintergründe des 17. Juni 1953, in: Marxistische Blätter 3/1993, S. 77 bis 83.
[18] Hermann Matern auf dem 33. ZK-Plenum der SED, 16.-19. Oktober 1957: „Wir haben auf der Parteilinie den jugoslawischen Genossen mitgeteilt, dass die diplomatische Anerkennung des militaristischen Westdeutschlands durch Jugoslawien und die Nichtanerkennung der Deutschen Demokratischen Republik unhaltbar ist.“
[19] Als Beilage zum Heft 1, Januar 1957, der Zeitschrift „Einheit“ erschien ein Artikel von A. Rumjanzew: Die sozialistische Wirklichkeit und die „Theorien“ des Genossen E. Kardelj. – Als Beilage zum Heft 4, April 1958, der „Einheit“ erschien ein Artikel von Fedossejew/Pomelow/Tscheprakow: Über den Entwurf des Programms des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, beide Übersetzungen aus der sowjetischen Zeitschrift „Kommunist“.
[20] Auf dem XXII. Parteitag trat das Chamäleon A. Mikojan gegen Molotow mit folgender Beschuldigung auf: Molotow habe in einer Rede 1956 „offen daran gezweifelt, dass die sozialistische Gesellschaft in der UdSSR aufgebaut ist“. Er habe gesagt, dass in der Sowjetunion „die Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft errichtet sind“. Mikojan dazu: „Sie werden selbst begreifen, dass man auf der Grundlage solcher Thesen an einen Plan zum Aufbau des Kommunismus nicht einmal denken kann.“ (Die Presse der Sowjetunion, Nr. 129/1961, S. 2804)
[21] Walter Ulbricht, Die Bedeutung des Werkes „Das Kapital“ von Karl Marx für die Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR und den Kampf gegen das staatsmonopolistische Herrschaftssystem in Westdeutschland, Berlin 1967.
[22] ebd., S. 38.
[23] Siehe dazu: Sahra Wagenknecht, Marxismus und Opportunismus. Kämpfe in der sozialistischen Bewegung Gestern und Heute, in: Weißenseer Blätter, 4/1992, S. 13/14. – Wolfgang Berger, Zu den Hauptursachen des Unterganges der DDR, in ebd., S. 29 bis 33.
[24] Siehe dazu: Kurt Gossweiler, Hatte der Sozialismus nach 1945 keine Chance? in: Weißenseer Blätter 2/1991, S. 56.
[25] Einer der Mitverfasser des SPD-SED-Papieres von SED-Seite, Rolf Reißig, damals Direktor des Instituts für Wissenschaftlichen Sozialismus an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, in einem Interview der Berliner Zeitung vom 27.8.1992 auf die Frage, ob der damalige Dialog mit der SPD zum Verschwinden der DDR beigetragen habe: „Wir wollten die Reformierung, die Öffnung der DDR einklagen – also alles das, was Oppositionsgruppen zur gleichen Zeit oder auch schon früher vehement gefordert hatten.“ Und an anderer Stelle: „In der SED hat das Papier wie eine Lawine gewirkt, hat polarisiert. Das Papier hat überholte ideologische Grundsätze in Frage gestellt: Feindbild, das Imperialismusbild, das Bild des revolutionären Weltprozesses. Und indem das Informations- und Wahrheitsmonopol angezweifelt wurde, stand ja im Prinzip auch das Machtmonopol in Frage.“ Das Papier habe sicher dazu beigetragen, dass sich die Parteiführung „zum ersten Mal nicht mehr auf die Kader, auf die zwei Millionen SED-Mitglieder stützen konnte.“
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