Sonntag, 21. Juli 2013
Detroit – einst Zentrum der US-Autoindustrie - meldet Konkurs an
19.07.13 - Am 15. März 2013 wurde die Stadt Detroit durch Gouverneur Rick Snyder unter Zwangsverwaltung gestellt und Kevyn Orr als Insolvenzanwalt eingesetzt. Orr meldete am 18. Juli den Konkurs an – Detroit ist pleite. 18,5 Milliarden Dollar (=14 Milliarden Euro) betragen die Schulden. Die Auswirkungen für die Bürger sind dramatisch. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt mit 18,3 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt von 7,6 Prozent. Bereits 2011 galten 36 Prozent der Bevölkerung als arm, die Hälfte der Kinder ist auf Lebensmittelmarken angewiesen. Nur gut die Hälfte der Straßenlaternen brennen noch. Nur etwa ein Drittel der 36 Ambulanzfahrzeuge ist einsatzbereit für 685.000 Einwohner!
In den 1950er Jahren war Detroit noch die viertgrößte Metropole der USA und Zentrum der US-Autoindustrie (Sitz von General Motors) mit 1.849.568 Einwohnern. Um mehr als 60 Prozent ist die Einwohnerzahl seither gesunken, eine Stadt im Verfall. Etwa 80.000 Häuser stehen leer oder sind heruntergekommen, während 20.000 Menschen obdachlos sind. 85 Prozent der Einwohner Detroits sind Afro-Amerikaner.
Konzernen wie General Motors ist das egal. Als der bis dahin weltgrößten Automobilkonzern durch den Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise schwer erschüttert wurde, interessierte das Finanzkapital sich nur für die Wiederherstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit. Im Wege einer zeitweiligen Zwangsverstaatlichung wurde der Konzern mit massiver Hilfe der US-Regierung durch ein 15,4 Milliarden-Sanierungsprogramm wieder „fit“ gemacht und ist seit 2011 wieder weltgrößter Automobilkonzern. Die „Sanierung“ kostete weitere 26.000 Arbeiter bei GM zwischen 2008 und 2009 den Arbeitsplatz. Die Staatsverschuldung der USA explodierte in der Weltwirtschaftskrise seit 2009 von 10,71 auf 16,7 Billionen Dollar.
„Das staatliche Krisenmanagement überträgt die allgemeine Krisenanfälligkeit der imperialistischen Weltwirtschaft auf die Staatshaushalte und erzeugt die chronische Gefahr eines allgemeinen Staatsbankrotts“, prognostizierte Stefan Engel bereits 2009 in seiner Broschüre »Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen«)
Die Beschäftigten hatten überhaupt nichts von diesem Deal. Allein in Detroit schlossen GM, Chrysler und Ford sechs Werke seit Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Heute existiert in der Autostadt nur noch das Jefferson-Werk von Chrysler. Durch den Verlust von Steuern hatte die Stadt allein 2011 ein Haushaltsdefizit von 196 Millionen Dollar. Hinzu kamen unsinnige und teure Großprojekte wie die als Konkurrenz zur New Yorker Fifth Avenue angelegte Prachtstraße Washington Boulevard, die heute mit Leerstand zu kämpfen hat.
Auch in Deutschland wälzen die Konzerne die Krisenlasten rücksichtslos auf die Staatshaushalte ab. Die Verschuldung der Staatshaushalte stieg seit 2008 von 1,517 Billionen Euro auf 2,17 Billionen Euro Ende 2012. Die bis 2009 schuldenfreie "Auto-Stadt" Sindelfingen geriet in die „Schuldenfalle“, als die Gewerbesteuerzahlungen von 14 auf 6,5 Millionen Euro einbrachen. Vor allem Daimler zahlte immer weniger. Auch in Deutschland werden Kommunen mit staatlicher Zwangsverwaltung zur Durchsetzung drastischer Umverteilungsprogramme erpresst.
Der Bundestagswahlkampf bietet eine gute Gelegenheit für eine grundsätzliche Diskussion der Staatsfinanzen. Wer hat eigentlich die Verfügungsgewalt über den gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum?
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