Freitag, 26. Oktober 2012
Paramilitärische Übergriffe auf zapatistische Gemeinde
Im nördlichen Chiapas kam es in den letzten Wochen zu massiven, bewaffneten Übergriffen auf eine zapatistische Basisgemeinde.
Nachdem Mitte der Neunziger Jahre die offen militärische Bekämpfung des EZLN und seiner sozialen Basis am großen öffentlichen und internationalen Druck auf die mexikanische Regierung scheiterte, setze selbige auf die Strategie des sogenannten „Kriegs niedere Intensität“. Hierzu wurde auf den Aufbau paramilitärischer Strukturen gesetzt. Ausgebildet, finanziert und bewaffnet wurden und werden diese Gruppierungen von der Mexikanischen Armee, den verschiedenen Polizeistrukturen und lokalen Machthaber_innen (Gouverneure, Munizipalpräsidentinnen,etc.). Oftmals wurden hierfür Gemeinden ausgewählt die sich direkt neben zapatistischem Territorium befinden, häufig sind Gemeinden auch intern in ein Zapatistisches und ein Pro-Regierungslager gespalten (so auch im aktuellsten, im folgenden beschriebenen Fall der Gemeinde Commandante Abel). Als Anreiz für den Kampf gegen die zapatistischen Autonomiebestrebungen wird den Paramilitärs häufig das von den Zapatisten besetzte
Land versprochen. Auch materielle Zuwendungen wie das Bauen von Häusern mit Betonboden oder das verschenken von Vieh an die größtenteils bitterarme Landbevölkerung gehören zum Repertoire der Zurückdrängung zapatistischen Einflusses. Paramilitärische Gruppierungen wie „Paz y Justicia“ und „Movimiento Indigena Revolucionario Antizapatista“, sind für zahlreiche Vetreibungen, Überfälle, die Zerstörung von Feldern und Nahrung, Viehdiebstahl und nicht zuletzt zahlreiche Morde und Folterungen während der letzten beiden Jahrzehnte verantwortlich. Während die mexikanische Armee in Chiapas nach wie vor massiv Präsent ist, sich aber mit direkten Aktionen zurückhält, übernehmen die paramilitärischen Gruppen die Drecksarbeit. Die aktuellen Übergriffe auf zapatistische Basisgemeinden sind im Kontext dieser schon über 15 Jahre andauernden Militärstrategie zu sehen.
Übergriffe auf die „Neue Gemeinde Comandante Abel“:
Comandante Abel ist eine im nördlichen Chiapas gelegene zapatistische Gemeinde die erst seit Mai diesen Jahres existiert. Nach anhaltenden Drohungen und Übegriffen in ihrer alten Gemeinde San Patricio, die intern gespalten ist, beschlossen die zapatistischen Bewohner_innen eine neue Gemeinde zu gründen. Aber auch in ihrer neuen, auf zapatistischem Autonomiegebiet gegründeten Gemeinde, sind die ehemaligen Bewohner_innen San Patricios nicht vor Übergriffen sicher. Nach anhaltenenden Drohungen während der letzten Monate begannen Anfang September, pünktlich zur Erntezeit, Mitglieder von „Paz y Justicia“ rund um die sich im Aufbau befindende zapatistische Gemeinde Stellung zu beziehen. In einem von der Organisation Promedios veröffentlichen Video-Interview berichtet ein Bewohner von Comandante Abel von der Ankunft von 50 Paramilitärs die am 6. September in direkter nähe zur Gemeinde ihre provisorischen Lager aufschlugen. Während der nächsten Tage stieg die Zahl de
r Paramilitärs auf über 150 an und die Drohungen der letzten Monate wurden in die Tat umgesetzt. Mehrfach wurde mit großkalibrigen Waffen gezielt auf Wohnhäuser und Gemeindemitglieder geschossen, verletzt wurde niemand. Aufgrund der Schüsse und der mehrfach ausgesprochener Todesdrohungen trauten sich die Zapatist_.innen nicht mehr auf ihre Felder, was grade während der Erntezeit fatal für die größtenteils von Subsistenzwirtschaft lebenden Kleinbauern ist. Als nach einigen Tagen Belagerungszustand die Situation unerträglich wurde, beschloss der Großteil der Gemeinde zu fliehen. Während einige Gemeindemitglieder weiterhin in Comandante Abel ausharren, hat der Großteil der Gemeinde Zuflucht in benachbarten Zapatistischen Gemeinden gefunden, nachdem sie sich mehrere Tage schutzlos in den Bergen aufhielten, was grade während der Regenzeit zur Erkrankung nicht nur der anwesenden kleinen Kinder führte. Im Laufe der letzten Woche wurde eine von mehreren linken und Men
schenrechtgruppen getragene Karawane in die betroffenen Gemeinden durchgeführt um die Übergriffe zu dokumentieren und sich mit den Betroffenen zu solidarisieren. Dabei entstand unter anderem dieses von Promedios produziertes Video:
http://www.youtube.com/watch?v=0wdlId3uIbw&feature=plcp
Während einer im Anschluss gehaltenen Pressekonferenz verurteilten die Mitglieder der Karawane die Angriffe auf die Bewohner Comandante Abels und berichteten von den zahlreichen psychischen , körperlichen und materiellen Folgen der Vetreibung, Übergriffe und Drohungen (Ein Zusammenschnitt der Pressekonferenz folgt). Der zuständige Rat der Guten Regierung (Junta del Buen Gobierno, zapatische Autonomieregierung) Roberto Barrios bittet alle Menschen „mit gutem Herzen“ die aktuellen Geschehnisse weiter zu verfolgen und sich mit den Menschen aus Comandante Abel zu solidarisieren. Die Beobachtung und kritische Auseinandersetzung mit mit den zapatistischen Autonomiebestrebungen und die Schaffung einer linken Gegen-Öffentlichkeit ist und bleibt also auch weiterhin notwendig.
Siehe auch:
http://www.chiapas.eu/ua2.php?id=121
http://sanmarcosberlin.blogsport.de/2012/09/16/weitere-bedrohungen-und-uebergriffe/
http://www.chiapas.eu/news_gefunden.php?id=6616&was=comandante%20abel&bereich=alles
http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2012/09/30/tercera-denuncia-de-la-jbg-nueva-semilla-que-va-a-producir-sobre-los-ataques-desalojos-amenazas-robos-intimidaciones-y-desplazamientos-que-siguen-sufriendo-las-baz-de-comunidad-comandante-abel-y-u/
http://desinformemonos.org/2012/09/la-base-de-apoyo-zapatista-no-llora-volvemos-a-trabajar-para-resistir-y-vivir/
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