Freitag, 26. Oktober 2012
Heilbronner Kessel am 1.Mai 2011: Kurzbericht Erster Prozesstag
Heute begann vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart der Prozess wegen der Einkesselung mehrerer hundert Antifaschistinnen und Antifaschisten am 1.Mai 2011 in Heilbronn.
Damals waren rund 400 Personen gemeinsam mit dem Zug nach Heilbronn gekommen, um sich an den Protesten gegen den Aufmarsch von 800 Nazis aus ganz Süddeutschland zu beteiligen.
Die Nazigegnerinnen und Nazigegner wurden bereits bei ihrer Ankunft von martialisch ausgerüsteten Polizeieinheiten eingekesselt und bis 20.00 Uhr abends auf dem Bahnhofsvorplatz festgehalten.
Gegen diese freiheitsentziehende Maßnahme reichten 5 Personen Klage beim Verwaltungsgericht ein. Der heutige Prozesstag endete nach mehr als 4 Stunden ohne eine Entscheidung und wurde schließlich vom Vorsitzenden Richter Rolf Vondung vertagt.
Begonnen hatte der Tag bereits um 10.00 Uhr mit einer Kundgebung vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht. Rund 30 Menschen nahmen daran teil um sich mit den klagenden AntifaschistInnen solidarisch zu zeigen und sie zu unterstützen.
Die Klagenden schilderten dann in der Verhandlung noch einmal eindrücklich die Einkesselung am 1.Mai 2011 und die menschenunwürdige Situation, in der sie sich an diesem Tag mit vielen Menschen stundenlang befanden - eingepfercht mit Hamburger Gittern, umringt von voll ausgerüsteten und aggressiven Polizeieinheiten, ohne Schutz vor Sonne, ohne ausreichende Versorgung mit Getränken und ohne die Möglichkeit eine Toilette aufzusuchen.
Die Vertreterin des Regierungspräsidiums, Regierungsrätin Lang, widersprach dieser Darstellung und behauptete, es habe die Möglichkeit für die Antifaschistinnen und Antifaschisten gegeben, den Bahnhofsvorplatz nach einer entsprechenden Durchsuchung durch die Polizei über eine sogenannte "Durchlassstelle" zu verlassen.
Dies sei auch mehrmals durch Lautsprecherdurchsagen der Polizei bekannt gegeben worden.
Für die Schilderungen der Klagenden, die einen beängstigenden "Belagerungszustand", kaum zu verstehende und chaotische Polizeidurchsagen und Auskunft verweigernde "Anti- Konflikt- Team- Polizisten" beschrieben, zeigte Lang kein Verständnis. Vielmehr rechtfertigte sie das Vorgehen der Polizei und verwies mehrmals auf das angeblich hohe Gefahrenpotential am 1.Mai 2011 durch "gewaltbereite Linke". Bemerkenswert war hierbei, dass Lang unter anderem von Steinwürfen und Angriffen auf Polizisten berichtete. Von solchen angeblichen Attacken war bisher im Bezug auf den 1.Mai 2011 noch nie die Rede gewesen, die antifaschistischen Proteste wurden von allen Seiten als durchweg friedlich beschrieben.
Klar wurde in der Verhandlung, dass für die gesamte Einkesselung am Bahnhofsvorplatz keine schriftliche richterliche Anordnung existiert. Zitiert wurde lediglich ein Aktenvermerk mehrerer am 1.Mai 2011 eingesetzter Richter, die in Kooperation mit dem Heilbronner Polizeichef Eisele eine Ingewahrsamnahme der NazigegnerInnen für notwendig befunden hätten. Ausgesprochen worden sei der Gewahrsam aus Sicherheitsgründen am Nachmittag um ca. 16.00 Uhr, als sich die Nazis auf den Rückweg vom Arbeitsamt zum Hauptbahnhof machten und somit den AntifaschistInnen näherten.
Ab ca. 18.00 Uhr habe die Maßnahme dann nicht mehr "präventiven", sondern "repressiven" Charakter gehabt, da es jetzt darum gegangen sei, "Straftäter" unter den Eingekesselten zu identifizieren.
Zentral bleibt die Frage, ob es für die eingekesselten NazigegnerInnen eine Möglichkeit gegeben hat, den Kessel zu verlassen und ob die Maßnahme am Bahnhofsvorplatz juristisch "verhältnismäßig" war - immerhin waren am 1.Mai 2011 fast 4000 Polizisten in Heilbronn im Einsatz. Ob eine den Anwälten der Klagenden z.T. erst einen Tag vor dem heutigen Prozess zugestellte DVD mit einigen zusammengeschnittenen Polizeivideos zur Aufklärung
bei tragen kann, ist fraglich. Deshalb haben die Anwälte der Klagenden beantragt, dass von der Polizei alle Videoaufnahmen vom 1.Mai 2011 ungeschnitten dem Gericht zur Verfügung gestellt werden.
Ein Termin für die Fortsetzung des Prozesses steht bisher noch nicht fest.
Wir werden rechtzeitig informieren und rufen dazu auf, die Klagenden auch weiterhin solidarisch zu unterstützen!
Infos zur Kesselklage: http://kesselklage.wordpress.com/
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