Mittwoch, 9. September 2009

Keine Experimente!

Hat man keinen Aufkleber "Werbung unerwünscht!" an seinem Briefkasten, sammelt sich schnell allerhand Schund an. Etwa "rechte Parteien". Wie die Hochglanzwerbung "Die Wahrheit über Mügeln" von der NPD... Und das neueste nun: "Sachsen: Brief Ausgabe 1 - Die politische Zeitung für Sachsen". Von der CDU- Landtagsfraktion Sachsen... Holladrio, der Wahlkampf hat begonnen! Was genau soll mich da denn nun veranlassen, mein Kreuzchen ganz oben zu machen? Soweit oben, dass Oma keine Brille mehr braucht, um ihr geliebtes Christenkreuz auf den Stimmzettel zu drücken?

Nun, da begeistert zunächst mal der Artikel " Flath: Kinder brauchen Werte / Wo Eltern als Erzieher ausfallen, müssen Lehrer einspringen". Nun waren Sachsens Schulen zu Ferienende im allgemeinen beidseitig eingerahmt von aussagelosen, aber hübsch bunten CDU-Plakaten. Und da das ja sicher was gekostet hat, soll es dann auch Stimmen regnen lassen, im demnächst bevorstehenden Wahljahr... Und was hat Flath (ein Schelm, wem nun der Begriff "Unflath" einfällt...) den Eltern wichtiges zu verkünden? "Wo früher die dörfliche Gemeinschaft und Großfamilie war, herrscht heute der Individualismus. Unsere Gesellschaft zerfällt. Es fehlt an einem Werte-Kitt, der unsere Gemeinschaft zusammenhält." Pfui Teifi, böser Individualismus! Das ist ein Luxus, den sich der deutsche Arbeitsmarkt nun aber wirklich nicht mehr leisten kann! Es wird Zeit für Kinder mit viereckigen Köpfen, denn die kann man besser stapeln.

"Schule muss ein Ort sein, an dem Werte wie Disziplin, Fleiß, Ordnung und Respekt vor Mitmenschen gelehrt und gelobt werden." Kennt jemand die Band "Erste Allgemeine Verunsicherung"? Spontan fällt mir die Textpassage ein: "Wir marschiern, wir marschiern, es vertrocknet unser Hirn. Vorwärts Marsch Delirium, um den Kaiser rum!" Aber die Band stammt ja aus Österreich, und da gibt's keine CDU... Wenn man sich Sachsens Schulen genauer anschaut, sieht man den "Werte-Kitt" nur allzu deutlich, die Durchschnittshaarlänge macht jeder Musterung Ehre. Was man dann demnächst noch mit Schuluniformen anschaulicher werden lässt. Und Sitzenbleiber? Die kommen in Ferienlager zur Nachhilfe... Vielleicht nach Afghanistan? Aber bitte erst wieder in 14 Monaten drüber diskutieren, nicht in der angespannten Wahlzeit...

Noch besser wird unser CDU-Provinzblättchen dann unter der Überschrift "Der sächsische Akzent behindert bei der Karriere." Da schreibt Tom Vörös: "Stimmt für überregionale Jobs, stimmt nicht für regional verwurzelte Unternehmen. Laut der diesjährigen Allensbach Studie finden über 50 Prozent der Deutschen den sächsischen Akzent eher abstoßend - im Gegensatz zu Bayerisch oder Berlinerisch. Deshalb können sächsische Bewerber vor allem bei überregionalen Jobangeboten schnell in die Karrierefalle tappen. Einige Ratgeber und Jobbörsen empfehlen zwar, sich sprachlich nicht zu verstellen. Aber gerade bei Telefoninterviews, im Bewerbungsgespräch und später im Job in der neuen Stadt kann starker sächsischer Dialekt den Weg nach oben verbauen. Anders in Unternehmen, in denen selbst Vorgesetzte Dialekt sprechen. Zu sächseln kann also zumindest in Sachsen ein Standortvorteil sein."

Nun, was will uns die Landtagsfraktion der CDU Sachsen hiermit denn nun sagen?? "Sachsen bleibt in Sachsen" und "Auswärtige, bleibt in Auswärtigland" - stimmt allerdings nicht für Kurt Biedenkopf. Auch nicht für Tillich, der als Sorbe auch aus Brandenburg stammen könnte. Aber: Werbung wie "Sachsen kauft beim Sachsen" zierte 1993 noch Dresdner Strassenbahnen - eine Parole wie "Einer von uns" reicht - als einzige Aussage - auf dem Wahlplakat eines CDU-Kandidaten schon völlig aus, um in den Bundestag gewählt zu werden. Es ist letztlich doch auch nichts anderes als jener ranzige Regionalismus, der in Fußballstadien jedes Wochenende zu blutigen Schlachten führt. Nur ein bißchen mehr auf die Interessen der heimischen Wirtschaft zugeschnitten, als bei der NPD: Ausländer als Touristen jederzeit willkommen... im Klartext: nur der Geldbeutel ist willkommen.

What the fuck ist an sächsischem Akzent denn schlimmer als an kölschem, schwäbischem oder bayrischem? Das es diesen Regionalismus auch in Westdeutschland gibt (mit ekligen Ossiwitzen u.ä.), macht ihn in Ostdeutschland mitnichten intelligenter... Die Zugehörigkeit zu einer Region ist ja nun sicherlich nur das "kleinste gemeinsame Vielfache", soll dann etwa den, der von Hartz 4 betroffen ist, genauso ins "Gemeinsame Boot" holen wie den, der davon profitiert... Und alle sind stolz auf ihr "gemeinsames Bruttosozialprodukt"?? **kopfschütteln** Allerdings, wenn das kleinste Gemeinsame sich auf solcherart Banalität reduzieren lässt, dann ist wohl klar, dass da "Individualismus" einen Störfaktor darstellt...

Genauso kopfschüttelnd kann man das CDU-Blättchen nur seinem wohlverdienten Ehrenplatz im Altpapier zuführen... Nun ist diese überaus christliche Partei zwar überall mehr oder weniger an der Regierung, aber wohl nur dank einer SPD, die das mit ihrer geilen "Agenda 2010" zugelassen hat. Die Mehrheit der Bevölkerung hat das bei der letzten Bundestagswahl NICHT gewählt... Sollte man nicht vergessen. Immerhin.

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