Montag, 7. September 2009

Computerschach II

Bobby Fischer gilt als "Enfant Terrible" des Schachspiels schlechthin. 1972 sorgte er für einen der spektakulärsten Siege der USA gegen die Sowjetunion - im Schach. Er besiegte den amtierenden Weltmeister Boris Spasski in einem als "Nervenkrieg" zu bezeichnenden Match in Reykjavik, Island und beendete das seit dem 2.Weltkrieg andauernde Monopol der UdSSR auf den Weltmeisterschaftstitel. Gegen den Herausforderer Anatoli Karpov trat er dann aber nicht an; mit dem Sieg 1972 gab er das aktive Schach auf, verlor sich im Alkoholismus, wurde zu Unrecht inhaftiert, erlitt paranoide Krankheiten und agierte als antisemitischer Wirrkopf... 1992 trat er im damaligen Jugoslawien erneut gegen Spasski an und kassierte dabei mehr als drei Millionen Dollar Preisgeld. Die USA verfolgten ihn seitdem wegen Verstoßes gegen US-Sanktionen, mit denen das Regime von Slobodan Milosevic unter Druck gesetzt werden sollte. Der einstige Nationalheld wurde ausgebürgert und verbrachte 2006 eine neunmonatige Abschiebehaft auf dem Flughafengelände von Tokio, bis Island sich zur Einbürgerung bereit erklärte. Robert James Fischers Verdienste für das Schach sein legendär und unbestreitbar: theoretische Neuerungen der spanischen Eröffnung in beiden Matches gegen Boris Spasski, aber auch in der Sizilianischen und Königsindischen Eröffnung, virtuose Endspielkenntnisse und ein wildes Kombinationsspiel a la Michail Tal setzten ihm schon zu Lebzeiten ein Denkmal. Der Höhepunkt der DDR-Schachgeschichte schlechthin war sicherlich die 14. Schacholympiade in Leipzig 1960, mit 75.364 Zuschauern. Und eine der Höhepunkte dieser Olympiade die folgende Partie zwischen amtierendem und zukünftigem Weltmeister, jeweils am ersten Brett ihrer Nationalmannschaften: Robert Fischer (USA) - Michail Tal (UdSSR), Französisch 1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Lb4 4. e5 c5 5. a3 La5 6. b4 cd 7. Dg4 Se7 8. ba dc 9. Dg7: Tg8 10. Dh7: Sbc6 11. Sf3 Dc7 12. Lb5 Ld7 13. 00 000 14. Lg5: Se5:! 15. Se5: Lb5: 16. Sf7: Lf1: 17. Sd8: Tg5: 18. Se6: Tg2:+ 19. Kh1! (19. Kf1:? 20. Th2:) De5 20. Tf1: De6: 21. Kg2: Dg4+ Remis Chess 960 - Kreatives Spiel vom ersten Zug an Am 19.6.1996 stellte Bobby Fischer in Buenos Aires seine neue Schach-Variation vor, damals mit seinem Namen "Fischer Random Chess". Hierbei gibt es neben der klassischen Ausgangsstellung (Stellung Nr. 518) des Schachs noch 959 weitere: die Bauern stehen wie im "normalen" Schach auf der zweiten und siebenten Reihe, die Stellung der Figuren hingegen wird mit Hilfe eines Computerprogramms oder eines Würfels bestimmt. Dabei gelten folgende Prinzipien: ein Turm muß links vom König stehen, einer rechts; d.h. die Könige dürfen nicht auf a1/a8 bzw. h1/h8 stehen. Ein Läufer muss weißfeldrig und einer schwarzfeldrig sein. Und schließlich müssen die Ausgangsstellungen beider Parteien symmetrisch sein. Die Positionen nach der Rochade sind im Chess960 genau die gleichen wie im klassischen Schach (Kg1/ Tf1 nach der kurzen bzw. Kc1, Td1 nach der langen Rochade), auch wenn König und Turm vor der Rochade womöglich auf total ungewohnten Plätzen standen, z.B. mit Kc1 und Th1 springt der König bei der kurzen Rochade nach g1 und der Turm nach f1. Die anderen Rochaderegeln sind wie beim klassischen Schach: Der König darf kein Feld betreten bzw. überqueren, das von feindlichen Figuren beherrscht wird; die Rochade geht nicht mehr, wenn Turm oder König bereits gezogen haben, und vor der Rochade müssen alle Felder zwischen König und Turm frei sein. Im Chess960 gibt es keine Eröffnungstheorie wegen der großen Zahl der Anfangsstellungen - der Autor dieses Artikels beispielsweise besitzt 11 Bücher alleine zur Sizilianischen Eröffnung - wenig, veraltet und unvollständig! Von meinen derzeit 122 Schachbüchern insgesamt handeln 56 nur von Eröffnungen... Bisherige weltmeister im Chess960: Männer: Peter Leko 2001 - 2003; Peter Swidler 2003 - 2006; Levron Aronian seit 2006; Frauen: Alexandra Kosteniuk seit 2006; Senioren: Vlastimil Hort; Junioren: Pentala Harikrishna. Partiebeispiel: Kosteniuk - Pähtz, 5. Partie des Mainzer 960 WM- Matches 2006 Die Großmeisterin Elisabeth Pähtz ist sicherlich die derzeit beste deutsche Schachspielerin (klassisches Schach!). Die Großmeisterin Alexandra Kosteniuk, eine in die USA emigrierte Russin, wurde in Dresden Europameisterin. Sie arbeitet aber gelegentlich auch als Model, wovon man sich auf ihrer (empfehlenswerten!) Homepage http://www.kosteniuk.com überzeugen kann... Ausgangsposition: Weiß: La1, Db1, Tc1, Ld1, Se1, Kf1, Sg1, Th1; Schwarz: La8, Db8, Tc8, Ld8, Se8, Kf8, Sg8, Th8 (symmetrisch) 1. c4 e5 2. b4 d6 3. c5 Lf6 4. Sgf3 Se7 5. Lb3 b6 6. a3 00 7. h4 e4 8. Sd4 bc5: 9. bc5: dc5: 10. Tc5: Sd6 11. Dc2 Db6 12. La2 Sb7 13. Tc4 c5 14. Sb3 La1: 15. Sa1: Sd6 16. Tc3: Sb5 17. Tg3 Sf5 18. Tg5 Df6 19. Dc1 h6 20. Tg4 c4 21. a4 Sbd6 22. Sac2 c3 23. d3 e3 24. Sf3 ef2: 25. Th3 Lf3: 26. Tf3: De5 27. Tgf4 Se7 28. Tf2: Sg6 29. Tg4 Dh2 30. Ke1 Kh8 31. Td4 Tcd8 32. De3 Dg1+ 33. d3 e3 34. Se3: f6 35. Kd1 Sb7 36. Td8: Td8: 37. h5 Se5 38. Kc2 Sc5 39. a5 Tb8 40. Tb1 Tb1: 41. Lb1: Sb7 42. a6 Sd6 43. Kc3: Sd7 44. Kb4 Kg8 45. La2+ Kf8 46. Sd5 Sf5 47. e4 Sg3 48. Sf4 Se5 49. Ld5 Sf1 50. d4 Sd7 51. Se6+ Ke7 52. Sg7: Se3 53. Lc6 Sb8 54. Lb5 Kd6 55. Kc3 Ke7 56. Kd2 Sg4 57. Sf5+ Ke6 58. Le2 Sf2 59. Ke3 Der Springer ist futsch; Elli hat aufgegeben... Rybka schwimmt allen davon... Die vom 11. - 18. Juni '07 in Amsterdam ausgetragene Weltmeisterschaft der Computerschachprogramme wurde mit 10 von 11 möglichen Punkten von Rybka (http://www.rybkachess.com) gewonnen, im letzten Jahr noch dritter, was da neben dem starken Spiel Juniors auch an der Niederlage aus dem Buch heraus gegen Shredder (http://www.shredderchess.de) lag. Dafür revanchierte sich Rybkas Buchautor Jeroen Noomen dieses Jahr, wo sich Shredder mit Schwarz auf die Bauernraubvariante im Najdorf-Sizilianer einließ und verlor... Interessant war auch das Unentschieden zwischen Rybka und dem Zappa-Programm von Anthony Cozzie aus den USA, mit 9 Punkten auf dem zweiten Platz - Rybka erreichte ein theoretisch gewonnenes Sechs-Steiner-Endspiel; aber es stellte sich heraus, das Rybka ohne Endspiel-Datenbank spielte und wegen Zeitnot die Partie mit Remis beenden mußte. Rybka - Diep (8.Platz) 1. e4 c5 2. Sf3 e6 3. d4 cd4: 4. Sd4: a6 5. Sc3 b5 6. Ld3 d6 7. 00 Sf6 8. Le3 Lb7 9. f4 Sbd7 10. a3 Dc7 11. Df3 Le7 12. Tae1 Sc5 13. Lf2 d5 14. e5 Sfe4 15. f5!N Sd2 16. Dg4 g6 17. fe fe 18. Scb5:! Dd7 (18. ... ab 19. Lb5:+ Kd8 20. b4 mit entscheidendem Vorteil für Weiß) 19. Sd6+ Ld6: 20. ed 00 21. Lg6:1 hg 22. Sf3!! Der zentralisierte weiße Springer aktiviert durch seinen Rückzug den Angriff auf den schwarzen Verteidiger von e6. 22. ... Sf1: 23. Lc5: Lc8 24. Se5 Dg7 25. d7 Ld7: 26. Sd7: Dd7: 27. Ld4! Tf7 28. Dg6:+ Tg7 29. Lg7: Dg7: und Diep gab auf, ohne das Nehmen auf e6 abzuwarten. Seit dem Erscheinen der ersten - jetzt frei erhältlichen - Beta Anfang Februar 2005 hat Rybka an allen 9 wichtigen offiziellen Veranstaltungen teilgenommen - davon 8 allein gewonnen und einmal, 2006, den 2./3. Platz genommen. Bei diesen 9 Veranstaltungen errang Rybka 69,5 Punkte aus 79 Partien (88%), verlor zwei Partien, machte 15 Remis und gewann die restlichen 62... Bei den diesjährigen Chess Classics vom 13. - 19. August in der Rheingoldhalle in Mainz fand vom 15. - 17.8. auch eine Computerschachveranstaltung statt, die 3. Computerweltmeisterschaft im Chess960. Neben den Chess960- Weltmeistern der letzten Jahre, Shredder (2006) und Spike (2005) traten noch Jonny, ein speziell im Chess960 sehr starkes Amateurprogramm von Johannes Zwanzger, sowie Rybka - eine kleine Überraschung, da es davon bisher keine Chess960-fähige Version gab. Die Bedenkzeit betrug 20 + 5, also 20 Minuten pro Partie und 5 Sekunden pro Zug (Fischer-Uhr). Bezüglich der Hardware mußten alle Programme auf den vom Veranstalter gestellten Computern mit AMD Athlon 64 x 2 5200x (effektiv 2,6 Ghz je CPU) antreten, eine Forderung nach Chancengleichheit, die bei den WMs bisher nicht durchsetzbar war...Nach den Vorrunden teilte sich Rybka mit Shredder den ersten und zweiten Platz, mit je 4,0 aus sechs Punkten; 3. Spike 3,0; 4. Jonny 1,0. Im 4- Partien- Finale schaffte das Programm Rybka von Vas Raijlich die Weltmeisterschaft im Chess960 mit 2,5 zu 0,5. Im kleinen Finale gewann Spike mit demselben Ergebnis gegen Jonny.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen