Mittwoch, 9. September 2009

Der Bauerntrainer

Hab hier noch was interessantes gefunden:
1.) 1. e2 - e4 e7 - e5 2. d2 - d4 e5 x d4
Mittelgambit
Die Ausgangsstellung. Am gebräuchlichsten ist nun 3. D:d4. Interessant sind aber auch Versuche von Weiss, um den Preis des Damenbauern Entwicklungsvorteil zu erhalten: 3.c3 und 3. Sf3. Das Mittelgambit führt in vielen Fällen zu verwickelten, wenig erforschten Stellungen. Um ein vollwertiges Spiel zu erhalten, sollte sich Schwarz am besten an die typische Gegengambitmethode halten, durch die rechtzeitige Rückgabe des Bauern seine Entwicklung abzuschliessen.

2.) 1. e2 - e4 e7 - e5 2. f2 - f4 e5 x f4 3. Sg1 - f3
Königsspringergambit
Das Königsgambit ist eine der ältesten Eröffnungen. Eine mögliche Form der Fortsetzung ist das Kieseritzky-Gambit: 3. ... g5 4. h4 g4 5. Se5 Entsprechende Analysen veröffentlichte Lionel Kieseritzky (1806 - 1853) in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die wichtigste Fortsetzung besteht in 5. ... Sf6 6. d4 d6 7. Sd3 S:e4 8. L:f4 De7 (oder auch 8. ... Lg7 9. c3 De7 10. De2 Lf5 11. Sd2) 9. De2 Lg7 10. c3 Lf5 mit annäherndem Ausgleich.
Partiebeispiel: Pillsbury-Tschigorin, 1903:
1. e4 e5 2. f4 ef4: 3. Sf3 g5 4. h4 g4 5. Se5 Sf6 6. Lc4 d5 7. ed Ld6 8. d4 00 9. L:f4 Sh5 10. g3 f6 11. Sd3 S:g3 12. L:g3 L:g3+ 13. Kf1 De8 14. Sc3 De3 15. De2 D:d4 16. De4 Db6 17. Kg2 f5 18. De7 Ld6 19. Dg5+ Kh8 20. Thf1 Dd4 21. Sf4 Tg8 22. Dh6 Sd7 23. Ld3 Lf8 24. Dh5 Sf6 25. Df7 Ld7 26. Sh5 S:h5 27. D:h5 De3 28. L:f5 Dh3+ 29. Kf2 L:f5 30. D:f5 Lc5+ 31.Ke1 Tae8+ 32. Se2 Tgf8 Weiss gab auf.

3.) 1. e2 - e4 e7 - e5 2. f2 - f4 d7 - d5
Falkbeer - Gegengambit
Der österreichische Schachmeister und -theoretiker Ernst Falkbeer (1819 - 1885) gründete im Jahre 1855 die "Wiener Schachzeitung". Sein Gegengambit entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach 3. ed e4 bestehen die wichtigsten Fortsetzungen in 4. Sc3 und 4. d3.
Partiebeispiel:
Bronstein - Waismann, 1976
4. d3 Sf6 5. de S:e4 6. Sf3 Lc5 7. De2 Lf5 8. Sc3
In der Partie Spielmann-Tarrasch, 1923, spielte Weiss 8. g4 und geriet nach 8. ... 00! unter einen starken Angriff: 9. gf Te8 10. Lg2 Sf2 11. Se5 S:h1 12. L:h1 Sd7 13. Sc3 f6 14. Se4 fe 15. S:c5 S:c5 16. fe Dh4+ 17. Kf1 Tf8 18. Kg1 Dd4+ 19. Le3 D:e5 20. Te1 Sd7 21. Dc4 Kh8 22. Le4 Tae8 23. Ld4 Df4 24. Te2 Sf6 25. L:f6 gf 26. h3 Tg8+, und Weiss gab auf.
8. ... De7 9. Le3 L:e3 10. D:e3 S:c3 11. D:e7+ K:e7 12. bc L:c2 13. Kd2 La4 14. Te1+ Kd6 15. Sg5 K:d5 16. Te4 Le8 17. Td4+ Kc6 18. Le2 Sd7 19. Lf3+ Kb6 20. Tb1+ Ka5 21. T:b7 h6 22. T:c7 Tb8 23. S:f7 L:f7 24. Tc:d7. Schwarz gab auf.

4.) 1. d2 - d4 Sg8 - f6 2. c2 - c4 c7 - c5 3. d4 - d5 b7 - b5
Wolga - Gambit
Dieses Gambit wurde Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts von Schachspielern aus Kuibyschew (einer Stadt an der Wolga) aus der Taufe gehoben. Der Nachziehende will auf dem Damenflügel und der Diagonalen a6 - f1 ein Druckspiel einleiten. Danach sollen die erzwungenen Schwächen in der weissen Stellung angegriffen werden. Das Wolga-Gambit gehört gegenwärtig zu den beliebtesten Gambit-Eröffnungen. 5. ba L:a6 6. Sc3 d6 Weiss verfügt nun über eine grosse Auswahl an Fortsetzungen. Hier wollen wir uns auf zwei wichtige konzentrieren:
1.) 7.e4 L.f1 8. K:f1 g6 9. Se2 Lg7 10.h3 00 11. Kg1 Db6 12. Tb1 Sa6. Weiss muss sich aufmerksam verteidigen.
2.) 7. g3 g6 8. Lg2 Lg7 9. Sf3 00 10. 00 Sbd7 11. Dc2 Da5 12. Tb1 Tfb8 13. Ld2 Sb6 Eine für das Wolga-Gambit typische Stellung. Schwarz besitzt ein lang währendes Druckspiel.
Partiebeispiel:
F.Portisch - J.Polgar, Ungarn 1986
1. d4 Sf6 2. c4 c5 3. d5 b5 4. cb a6 5. ba g6 In dieser Variante beeilt sich Schwarz gewöhnlich nicht mit dem Schlagen auf a6. 6. Sc3 Auf 6. b3 ist 6. ... Lg7 7. lb2 S:a6! gut. 6. ... L:a6 7. e4 L:f1 8. K:f1 d6 9. Sf3 Lg7 10. h3 Besser ist 10. g3. 10. ... 00 11. Ke2?! Eine erfolglose Neuerung. Folgerichtiger ist 11. Kg1. 11. ... Sa6! 12. Te1 Db6 13. Kf1 Sb4 14. Te2 Der Versuch, mit 14. e5?! de 15. S:e5 im Zentrum aktiv zu werden, stösst auf die Widerlegung 15. ... Tfd8! mit ausgezeichnetem Spiel für Schwarz. 14. ... Da6 15. Se1 Sd7 Verhindert nicht nur den Zug e4-e5, sondern bereitet auch das gelegentliche Manöver Sd7- e5- d3 vor. 16. Lf4 Aufmerksamkeit verdient 16. Lg5. 16. ... c4! 17. Le3 Auf 17. a3 ist 17. ... Tfb8 nebst Sd3 am einfachsten. 17. ... Sd3! Schlechter ist 17. ... Se5 wegen 18.Ld4.
18. Dc2 Zum Vorteil von Schwarz führt 18. S:d3 cd 19. Td2 Se5 nebst 20. ... Sc4! Ganz schlecht wäre 18. Sf3? wegen 18. ... S:b2! Vielleicht sollte 18. Dd2!? versucht werden. 18. ... Tfb8 19. Tb1 Wiederum taugte der Sprengungsversuch nichts: 19. b3? ab 20. D:d3 D:d3 21. S:d3 L:c3, und die weisse Stellung ist aussichtslos. 19. ... Tb7! 20. Td2 Weiss ist zu passiver Verteidigung verurteilt. Im Falle von 20. b3 S:e1 21. Tb:e1 cb 22. ab Tc7! wird seine Stellung hoffnungslos. 20. ... S7e5 21. Kg1 Tab8 22. b3 cb 23. ab S:e1 24. T:e1 T:b3 Weiss ist völlig überspielt. Schwarz hat den geopferten Bauern zurückgewonnen, und alle Vorteile blieben erhalten. Weiss ist geschwächt und kann mit keinerlei Aktivitäten aufwarten. Der schwarze Druck am Damenflügel erweist sich als sehr stark. All das spricht dafür, dass das Experiment von Weiss im 11. Zug (11. Ke2?) nicht erfolgreich war. Die Partie zeigt, wie Weiss in eine hoffnungslose Lage geraten kann, selbst wenn er keine direkten Fehler begeht, jedoch nicht den richtigen aktiven Spielplan findet. Jetzt droht 25. ... T:c3! 25. Ld4 Auf 25. Se2 wäre 25. ... Sc4 gefolgt. 25. ... Sc4 26. Tdd1Unzureichend ist 26. Td3 Sa3 27. Dd2 Tb2 mit der Drohung 28. ... L:d4 29. T:d4 Sc2 26. ... Sa3 27. De2 Es gibt keine Rettung, z.B. 27. Dd3 D:d3 28. T:d3 L:d4 29. T:d4 T:c3; 27. Dd2 L:d4 28. D:d4 Sc2 oder 27. Dc1 Tc8! In allen Varianten gewinnt Schwarz schnell. 27. ... Da5! Weiss gab auf.

Verwandte Quellen:
A. Mazukewitsch: Seltene Gambits, Sportverlag Berlin 1987
Aleksei Suetin: Angreifen mit Wolga-Gambit, Sportverlag GmbH 1991
A. Kostjew: Schach lehren - leicht gemacht, Sportverlag Berlin 1987


Bauernschwächen


- Der isolierte Bauer
Isolierte Bauern treten häufiger auf. Als isolierten Bauern (Einzelbauer, Isolani) bezeichnen wir einen Bauern, der auf den benachbarten Linien keine gleichfarbigen Bauern mehr besitzt. Eigene Bauern sind daher nicht in der Lage, das Feld vor dem isolierten Bauern zu kontrollieren, und kein Bauer kann den isolierten Bauern decken. Oftmals wird unter dem isolierten Bauern noch zusätzlich verstanden, dass kein feindlicher Bauer auf der gleichen Linie gegenübersteht. Also kann vom Gegner auf den isolierten Bauern vertikal Druck ausgeübt werden.

Gesichtspunkte zur Einschätzung des isolierten Bauern
1. Das Feld vor dem isolierten Bauern kann nicht durch eigene Bauern geschützt werden.
2. Daher eignet sich das Feld vor dem isolierten Bauern für die Besetzung durch gegnerische Figuren (Blockade).
3. Der isolierte Bauer kann nicht durch eigene Bauern gedeckt werden, zur Verteidigung des Bauern werden Figuren gebunden.
4. Der isolierte Bauer schafft Stützpunkte für die eigenen Figuren (z.B. die Felder c5 und e5 bei dem isolierten Bauern d4).
5. Mit dem Vorstoss des isolierten Bauern kann das Spiel geöffnet werden. Den Zeitpunkt der Öffnung bestimmt die Partei, die den isolierten Bauern besitzt.
6. Im Endspiel ist der isolierte Bauer immer eine Schwäche, vor allem aufgrund der Tatsache, dass er durch eigene Figuren geschützt werden muss.

- Der rückständige Bauer

Der rückständige Bauer ist ebenfalls eine häufig auftretende Form der Bauernschwäche. Als rückständigen Bauern bezeichnen wir einen Bauern, der von keinem Nachbarbauern mehr gedeckt werden kann. Er steht neben oder hinter seinen Nachbarbauern. Der rückständige Bauer besitzt auf seiner Linie keinen Gegenbauern, daher kann er frontal von feindlichen Schwerfiguren angegriffen werden. Er befindet sich meist auf der 6. (3.) Reihe.

- Der Doppelbauer

Befinden sich zwei Bauern einer Partie auf einer Linie, so nennt man diese Bauern Doppelbauern. Doppelbauern entstehen beim Schlagen von Bauern oder Figuren. Der Besitz von Doppelbauern ist im allgemeinen nachteilig. Ihre Schwäche wird durch das Fehlen der Nachbarbauern verursacht. Mit dem Entstehen des Doppelbauern ist durch Schlagen zumindest einer der Nachbarbauern entfernt. Deshalb sind Doppelbauern schwer zu verteidigen und schwer vorwärts zu bewegen. Für isolierte Doppelbauern treffen diese Nachteile besonders zu. Wie bei allen anderen Bauernschwächen ist auch die Schwäche des Doppelbauern im Endspiel besonders nachteilig.
Ableitung von Plänen für den Besitzer des Doppelbauern:
1. Kontrolle des Blockadefeldes;
2. Vorstoss des vorderen Doppelbauern und eventuell Abtausch dieses Bauern;
3. Vermeiden von Figurentausch und Anstreben eines aktiven Figurenspiels.
Ableitung von Plänen für den Kampf gegen den Doppelbauern:
1. Blockierung des isolierten Doppelbauern;
2. Abtausch von Figuren;
3. Anstreben des Endspiels, um die Anfälligkeit und die Unbeweglichkeit des Doppelbauern ausnutzen können;
4. Verhinderung der Auflösung des Doppelbauern.

(frei nach Uhlmann/ Schmidt: Bauernschwächen; Sportverlag 1984 DDR)



Bauernstrategie


Der Bauer - Seine Stärken und Schwächen

Der Bauer ist der schwächste aller auf dem Brett vorhandenen Steine. Gleichzeitig verfügt er jedoch über so mannigfaltige Qualitäten, über so viel Gift und Vitalität, daß seine Rolle gewaltig ist. Nicht ohne Grund bezeichnete der erste inoffizielle Weltmeister, Francois Andre Philidor, den Bauern als die "Seele des Schachspiels". Wodurch unterscheidet sich dieser kleine Stein von den anderen?
* Zunächst einmal ist der Bauer der "billigste"aller am Kampf teilnehmenden Akteure. Wir betrachten ihn denn auch als Maßeinheit, wobei Springer und Läufer mit je drei, der Turm mit fünf und die Dame mit acht Bauern veranschlagt werden.
* Die Schwäche des Bauern spielt in der Schachpartie eine enorme Rolle. Greift ein Bauer irgendeine Figur an, muß diese, da ein Tausch nachteilig wäre, in der Regel wegziehen. Der geringe Wert eines Bauern verleiht diesem besondere Bedeutung beim Angriff: Mit Hilfe eines Bauern lassen sich die gefährlichsten und stärksten Figuren des Gegners aus günstigen Positionen vertreiben.
* Der Bauer ist wenig beweglich. Die meisten Bauern bleiben während der gesamten Partie auf ein und derselben Linie. Nur selten wechseln sie auf eine Nachbarlinie über. Die kurzen, auf ein Feld bemessenen Schritte des Bauern stempeln ihn zu einem scheinbar wenig aktiven Kämpfer. Diese geringe Aktivität hat indes auch ihre guten Seiten - sie macht den Bauern standhaft und unerschütterlich. Der Bauer gehört zu jenen Kämpfern, die, ohne sich von der Stelle zu rühren, unablässig auf Posten stehen müssen. Ist ihm einmal eine bestimmte Aufgabe zugewiesen, wird er sie auch mit aller Konsequenz verwirklichen. Es sei daran erinnert, mit welcher Selbstaufopferung Bauern ihren König verteidigen und dem Ansturm selbst der stärksten feindlichen Figuren widerstehen.
* Bauern sind in großer Zahl vorhanden - jede Partei besitzt acht. Diese Vielzahl macht sie ungewöhnlich stark. Schon wenn zwei verbundene Bauern vorrücken, können sie in den Reihen des Gegners Panik auslösen. Handelt es sich gar um eine ganze Armada von Bauern, sind auch die mächtigsten Figuren des Verteidigers nicht in der Lage, sie im Zaum zu halten. Diese wichtige Eigenschaft macht den Bauern zu einem bedeutsamen Angreifer.
* Der Bauer ist der einzige Akteur auf dem Brett, der seinen Wert jäh erheblich zu steigern vermag: Erreicht er die letzte Reihe, verwandelt er sich in eine Figur, gewöhnlich die Dame. Aus einem Stein mit der kleinsten Maßeinheit entsteht eine Figur von achtfacher Stärke. Dieser Umstand verleiht dem Bauern besondere Originalität. Schon während des Vordringens ändern sich sein Wert und seine Bedeutung. Auf der fünften Reihe ist ein Bauer bereits stark, auf der sechsten Reihe ist er noch mächtiger, und ein Bauer, der auf der vorletzten Reihe steht, kommt oft schon fast einer Dame gleich. Es ist sehr wesentlich, in seiner Armee einen Kämpfer zu haben, dessen Wert sich mit der Annäherung an das gegnerische Verteidigungsbollwerk erhöht. Diese Vielfalt der Funktionen und Eigenschaften macht den Bauern zum wichtigsten Teilnehmer jeder Schachpartie, weshalb wir uns jetzt bemühen wollen, alle seine Besonderheiten aufmerksam zu studieren.
* Einige Worte über Bauerngruppen. Bekanntlich können in geschlossener Formation auftretende Bauern jeder Auseinandersetzung auf dem Schachbrett ihr Gepräge geben und sie in eine Bahn lenken, die unmittelbar von der Bauernstellung abhängig ist. Schon zwei Bauern, die nebeneinander im Zentrum stehen, spalten die Kräfte des Gegners in zwei isolierte, nicht miteinander verbundene Abteilungen. Großen Einfluß auf das Zusammenwirken der gegnerischen Kräfte kann auch ein Doppelbauer im Zentrum haben.
* In Reih und Glied vorgehende Bauern drücken dem Charakter einer Stellung ebenfalls ihren Stempel auf. Wenn sie sich mit entsprechenden Bauernformationen des Gegners verschachteln, spricht man von Bauernketten. Es kann zu einem langwierigen Ringen um die Zerstörung dieser Ketten kommen. Nimzowitsch stellte sogar eine Regel zur Bekämpfung gegnerischer Bauernketten auf, indem er empfahl, sie an ihrer Basis, d.h. bei dem am weitesten hinten stehenden Bauern zu sprengen.
* Es kommt vor, daß sich Bauernformationen nicht mit Bauern des Gegners berühren und frei bleiben. Auch in einem solchen Fall ist die Bauernstruktur spielbestimmend. Wenn unsere Bauern z.B. auf weißen Feldern stehen, verzichten sie freiwillig darauf, die schwarzen Felder zu kontrollieren. Die Folge davon ist, daß sich in unserem Lager klaffende Lücken auftun. Die Schwäche der Peripherie ist ein schwerwiegender Stellungsmangel.
* Wenn die Bauern zersplittert und statt geschlossener Reihen nur Bruchstücke vorhanden sind, sprechen wir von Bauerninseln. Eine so ernsthafte Schwächung der Bauern wird heutzutage von Großmeistern mit Sicherheit bestraft. Soweit zur Bedeutung der Bauern im allgemeinen. Wir wollen nunmehr untersuchen, welche Rolle den Bauern zukommt, wenn eine konkrete Situation einer Schachpartie eingeschätzt werden soll.



I. Die Bauernstruktur im Zentrum

Das Schachspiel wird oft mit einer Schlacht verglichen. Tatsächlich lassen sich zwischen Auseinandersetzungen hölzerner Armeen und einer echten Schlacht gewisse Analogien feststellen. In beiden Fällen kann die Beschaffenheit des Geländes eine entscheidende Rolle spielen. Wenn eine Armee einen dichten Wald zu durchqueren hat, kommt sie nur langsam voran, da jeder Geländeabschnitt erkundet werden muß. Auf offenem Feld kann sie sich sprungartig fortbewegen. All das trifft zum größten Teil auch für eine Schachpartie zu. Ist das Brett durch Bauern verstellt, gibt es für Türme oder Läufer wenig Bewegungsfreiheit. Die Figurenmanöver erfolgen schwerfällig, ein Angriff kann nur mit sparsamen Mitteln geführt werden. Reserven sind nur schwer heranzuholen. Ist das Zenrum hingegen frei von Bauern, spielen die weitreichenden Läufer und Türme die entscheidende Rolle, und ein Angriff kann die Form eines blitzschnellen Überfalls annehmen.
* Der Charakter der Bauernstruktur im Zentrum bestimmt daher weitgehend die Richtung des Kampfes und die Wahl der Pläne.
Bei Entscheidungen über strategische Aufgaben muß man zunächst feststellen, welcherart die Bauernstruktur im Zentrum ist, und erst danach kann man den Plan für das bevorstehende Spiel entwerfen. Die "Beschaffenheit des Schachgeländes" ist ein hochwichtiger Faktor, den es sorgfältig zu berücksichtigen gilt, um die eigenen Pläne mit etwaigen Veränderungen dieses Geländes in Einklang zu bringen.
* Wir werden zwischen folgenden Bauernstrukturen im Zentrum unterscheiden:
Geschlossenes Zentrum
Offenes Zentrum
Bewegliches Zentrum
Festgelegtes Zentrum
Spannung im Zentrum.

Geschlossenes Zentrum

* In der Regel bildet sich ein derartiges Zentrum schon in der Eröffnung heraus.
In vielen Varianten der Spanischen Parie, der Königsindischen und der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung stoßen die Mittelbauern bei ihrem Vorrücken mit denen des Gegners zusammen und kommen zum Stehen. Sind es mehrere Bauern, ergeben sich lange Ketten, die das Zentrum hermetisch abriegeln. Die Figuren können nicht mehr über das Zentrum ins feindliche Lager eindringen. Offene Linien sind nicht vorhanden, die Diagonalen durch Bauern verstopft.
Wie soll man in einem solchen Fall spielen, welchen Plan wählen?
Da es nicht möglich ist, in der Brettmitte aktiv zu werden, verlagert sich der Kampf auf die Flügel. Beide Seiten schmieden ihren Plan für Aktionen auf einem dieser Brettabschnitte, wobei sie sich das Ziel stellen, Linien und Diagonalen zu öffnen, um so das Zentrum zu umgehen. Auch in dieser Situation schaffen viele positionelle Faktoren, vor allem ein räumliches Übergewicht, unterschiedliche Bedingungen. Einer der Spieler greift an, der andere muss sich verteidigen. Davon ausgehend wollen wir nun die Massnahmen untersuchen, die beide Seiten in Partien mit geschlossenem Zentrum zu treffen haben.

Der aktive Plan

Ein Spieler, der im Vorteil ist, wird bestrebt sein anzugreifen, und zwar auf einem Brettabschnitt, an dem seine Figuren über mehr Raum verfügen, aktiver stehen, oder wo im gegnerischen Lager Schwächen vorhanden sind. Als Methode eines solchen Angriffs wählt er in der Regel einen Bauernsturm, manchmal sogar ohne Rücksicht darauf, daß sich dort der eigene König befindet, dessen Stellung durch den Vorstoss der Bauern geöffnet wird. Er hat ja nichts zu befürchten: Das Zentrum ist geschlossen, und die Figuren des Gegners können dem entblössten König nichts anhaben. Ein Gegenschlag im Zentrum, der am gefährlichsten wäre, ist so gut wie ausgeschlossen. Selbstverständlich kommt der Angriff in diesem Fall nur langsam voran, da die gegnerische Abwehr nicht leicht zu durchbrechen ist und auch die nötigen Reserven schwer heranzuholen sind. Andererseits braucht sich der Angreifer überhaupt nicht zu beeilen, denn auch der Gegner hat keine Gelegenheit zu einer zügigen Konterattacke. So können alle Angriffsoperationen ruhig und methodisch vorbereitet werden, wobei man nur aufmerksam darüber wachen muss, dass der Gegner nicht doch durch ein verstecktes und überraschendes Figurenopfer das Zentrum zerstört.

Der Verteidigungsplan

Ist man gezwungen, sich bei geschlossenem Zentrum zu verteidigen, müssen alle Abwehrmassnahmen exakt mit den Besonderheiten der Stellung im Einklang stehen. Die ideale Lösung wäre ein überraschender Gegenschlag im Zentrum. Selbst wenn dieser mit einem Opfer verbunden ist, kann er schnell Erfolg oder sogar den Sieg bringen. Es gilt deshalb, jeder Gelegenheit zu einem solchen Gegenschlag sorgfältig nachzuspüren. Fürs erste kommt es jedoch darauf an, den angreifenden Figuren des Gegners soviel Hindernisse wie möglich in den Weg zu legen. Die Schaffung von Verteidigungspunkten ist ein Hauptbestandteil des Verteidigungsplanes. Hier kann schon die Prophylaxe gute Dienste leisten: Ein Grossmeister wird einen wichtigen Punkt beizeiten überdecken, noch ehe sich ihm die gegnerischen Kräfte genähert haben. Dies ist nicht nur von praktischer, sondern auch von psychologischer Bedeutung. Dem Gegner bleibt keine Wahl, er muss den Angriff an einem Flügel fortsetzen. Stösst er auf einen im voraus gesicherten Punkt, kann er natürlich den Mut verlieren, und er wird seinen Angriffseifer mässigen.


Sind alle erforderlichen Angriffsmassnahmen getroffen, lässt sich ein aktives Spiel am anderen Flügel ins Auge fassen. Wenn wir einen Gegenangriff am entgegengesetzten Ende des Brettes einleiten, wird der Gegner selbstverständlich gezwungen sein, einen Teil seiner Kräfte dorthin abzuziehen und dadurch den eigenen Angriff abzuschwächen bzw. zu verlangsamen. Es erhebt sich dann die meist partieentscheidende Frage: Wer ist schneller, wer kommt wem zuvor? Bei diesem Kampf auf Biegen und Brechen müssen beide Spieler sorgsam auf mögliche Sprengungszüge des Gegners in der Brettmitte achten, denn auch bei beiderseitigen Flügelangriffen kann eine Zerstörung des Zentrums die Stellung im Nu zugunsten desjenigen Spielers verändern, der diese Sprengungsoperation ausführte.
Schon am Anfang seiner Ausbildung lernt ein Schachspieler den Leitsatz kennen:
Ein Gegenschlag im Zentrum ist die beste Erwiderung auf einen Flankenangriff.
Es ist daher die vordringlichste Pflicht eines Angreifers, darauf zu achten, dass der Gegner nicht durch ein Opfer das Zentrum zerstört. Und noch etwas: Bei geschlossenem Zentrum verläuft das Spiel in der Regel ausserordentlich langsam. Statt scharfer Zusammenstösse im Zentrum werden hier Operationen zur Unterminierung der gegnerischen Stellung verwirklicht, die viel Zeit erfordern. Man muss sich deshalb auf einen stundenlangen ermüdenden Kampf einstellen.

* In der nachstehenden Partie war das Zentrum geschlossen, und beide Seiten griffen an den Flügeln an. Schwarz öffnete eine Linie am Damenflügel, kam aber nicht dazu, sie auszunutzen - eine Fehlentscheidung bei der Errichtung der Verteidigungslinie führte geradewegs in die Katastrophe, wobei Weiss es fertigbrachte, seinerseits den am Damenflügel geschaffenen Raum zu nutzen und dort mit der Dame entscheidend ins Lager des Gegners einzudringen.

Englische Eröffnung
Reti - Carls
Baden-Baden 1925
1. c4 Sf6 2. Sc3 c5 3. g3 g6 4. Lg2 Lg7 5.d3 Sc6 6. Ld2
Diese Partie wurde vor achtzig Jahren gespielt. Es ist interessant, wie lebensfähig Systeme sind, denen eine richtige strategische Idee zugrundeliegt - auch heutzutage beginnen viele Turnierpartien mit diesen Zügen.
6. d7 - d6
7. Dd1 - c1 Sc6 - d4
8. Ta1 - b1 Ta8 - b8
9. Ld2 - h6 0 - 0
Es ist schwer zu sagen, ob Schwarz hier oder nach einem Abtausch auf h6 mit dem Springer auf c2 Schach geben musste. Dem Verlust dieser Rochade würde der Verlust zweier Tempi gegenüberstehen.
10. Lh6 x g7 Kg8 x g7
11. e2 - e3 Sd4 - c6
12. Sg1 - e2 Sc6 - e5
13. Dc1 - d2 Lc8 - f5
14. e3 - e4 Lf5 - h3
15. 0 - 0 Dd8 - d7
Schwarz musste sofort den Läufer g2 schlagen, da er jetzt dem Springer f6 die Deckung durch die Dame entzieht und durch zwei Königszüge Zeit einbüsst.
16. Sc3 - d5 Lh3 x g2
17. Kg1 x g2 Se5 - c6
18. Dd2 - c3 e7 - e5
19. Sd5 x f6 Kg7 x f6
20. f2 - f4 Kf6 - g7
21. f4 - f5 f7 - f6
22. Dc3 - d2
Das Zentrum ist abgeriegelt. Zwar können die Springer noch nach d4 bzw. d5 ziehen, aber dies ist für den weiteren Verlauf des Kampfes unerheblich - das Spiel trägt trotzdem einen geschlossenen Charakter.
Die beiderseitigen Pläne sind klar. Schwarz wird b7 - b5 ziehen und nach b5 x c4 versuchen, die offene b-Linie auszunutzen.
Weiss wird durch Verstärkung des Drucks in der f-Linie den Gegner zu g6-g5 zwingen und nach entspechender Vorbereitung mit h2 - h4 die h-Linie öffnen, um auf ihr in die schwarze Königsfeste einzubrechen.
22. g6 - g5?
Ein ernster positioneller Fehlgriff. Schwarz möchte den Königsflügel abschliessen, macht sich dabei aber nicht die Mühe, die unmittelbaren Folgen zu berechnen. Weiss kommt dem Gegner mit dem Angriff zuvor und dringt als erster entscheidend auf der offenen h-Linie ein.
23. g3 - g4 b7 - b5
24. h2 - h4! h7 - h6
25. Tf1 - h1 b5 x c4
Dieser übereilte Tausch verliert schon die Partie. Durch die Öffnung der d-Linie legt Schwarz den Bauern d6 bloss und ist nun genötigt, den Springer nach d4 zu führen. Stattdessen konnte dieser Springer über e7 nach g8 galoppieren und eine wichtige Rolle bei der Verteidigung des Königsflügels übernehmen. Richtig war somit 25. ... Se7, um anschliessend auf h4 zu schlagen und mittels Th8 und Sg8 den Punkt h6 zu sichern.
26. d3 x c4 Sc6 - d4
27. Se2 - c3 Tf8 - h8
28. Th1 - h3 Tb8 - g8



Schwarz kann keine Festung mehr aufbauen: Nach 28. ... Th7 29. Tbh1 Tbh8 30. Sd5 Dd8 gewinnt Weiss durch 31. Kf1 und 32. Dh2 schnell.
29. Tb1 - h1 Dd7 - d8
30. Sc3 - d5 g5 x h4
Resignation. Aber auch andere Verteidigungen richten, wenn Weiss alle schweren Figuren auf der h-Linie postiert, nichts aus.
31. Th3 x h4 Kg7 - f7
32. Kg2 - f2 Dd8 - f8
33. Th4 x h6 Th8 x h6
34. Th1 x h6 Df8 - g7
35. Dd2 - a5!
Typisch für ein Spiel bei geschlossenem Zentrum. Weiss führt den abschliessenden Schlag über den Damenflügel, den
Schwarz im Eifer des Gefechts so unvorsichtig geöffnet hat. Schwarz gab auf.


Offenes Zentrum

* Wenn sich keine Bauern im Zentrum befinden, haben Türme, Läufer und Damen grosse Bewegungsfreiheit und können blitzschnell von einem Ende des Brettes an ein anderes geführt werden. Bauern nehmen mitunter überhaupt nicht am Kampfgeschehen teil. Sie erfüllen lediglich die anspruchslose Rolle, den eigenen König zu schützen. Alles ist in die Hände der Figuren gelegt - sie entscheiden die Partie. Hier gibt es keine Sprengungszüge der Bauern. Der Kampf gleicht einem Handgemenge, an dem sich meist alle eigenen Figuren und die des Gegners beteiligen: Die Möglichkeit, Reserven heranzuholen, ist nahezu unbegrenzt, weil sich jede beliebige Kampfeinheit in ein bis zwei Sätzen dem erforderlichen Frontabschnitt nähern und unter das Knäuel der streitenden schwarzen und weissen Figuren mischen kann. Es fällt nicht schwer, die beiderseitigen Pläne bei offenem Zentrum zu umreissen.

Der aktive Plan

Der Angreifer wird bestrebt sein, durch zügige Figurenmanöver eine sofortige Schwächung der gegnerischen Stellung zu erreichen. Er muss sich damit beeilen, weil der Verteidiger sonst die notwendigen Reserven heranschafft. Die Bauern bleiben gewöhnlich an ihrem Platz. Der eigene König darf nicht entblösst werden, da der Gegner dies unverzüglich bestrafen könnte. Hat er eine Schwäche hervorgerufen, nutzt sie der Angreifer zu Materialgewinn oder vielleicht sogar, um den gegnerischen König matt zu setzen.


Der Verteidigungsplan

Der Verteidiger wird sich bemühen, die gegnerischen Drohungen abzuwehren und eine Schwächung der eigenen Stellung zu vermeiden. Ein wichtiges Hilfsmittel ist in solchen Fällen der Abtausch von Figuren. Natürlich darf niemals eine Gelegenheit verpasst werden, selbst einen empfindlichen Schlag gegen die Stellung des Angreifers, besonders seinen König, auszuteilen. Eine erfolgreiche Verteidigung führt gewöhnlich zu Vereinfachungen und einem besserenEndspiel; manchmal gelingt es auch, den Gegner zu einem inkorrekten Opfer zu verleiten.

* Ein klassisches Beispiel für einen Angriff bei offenem Zentrum bietet die folgende Partie.

Damengambit
Aljechin - Lasker
Zürich 1934

1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sc3 Sf6 4. Sf3 Le7 5. Lg5 Sbd7 6. e3 00 7. Tc1 c6 8. Ld3 dc 9. Lc4: Sd5
- Das sogenannte Entlastungssystem Capablancas. Um die Entwicklung seiner Figuren erfolgreich abzuschliessen, beabsichtigt Schwarz, den Mittelbauern vorzurücken und ihn gegen den weissen d-Bauern zu tauschen. So entsteht in vielen Varianten ein offenes Zentrum.
10. Lg5 x e7 Dd8 x e7
11. Sc3 - e4 Sd5 - f6
12. Se4 - g3
- Der schon erwähnte Bauernvorstoss. Obwohl es Lasker danach gelingt, alle seine Figuren aus ihren Ausgangspositionen herauszubringen, bleibt er doch spürbar in der Entwicklung zurück. Sicherer war deshalb, zunächst mit 12. ... Db4+ 13. Dd2 D:d2+ die Damen zu tauschen und nach 14. ... b6 den Läufer auf b7 zu postieren, wobei die Zentrumsstellung vorerst ungeklärt blieb.
13. 0 - 0 e5 x d4
14. Sg3 - f5 De7 - d8
15. Sf3 x d4 Sd7 - e5
16. Lc4 - b3 Lc8 x f5
17. Sd4 x f5 Dd8 - b6?
Ein schwerwiegender Fehler. Schwarz führt seine Dame ins Abseits, wo sie nicht an der Verteidigung des Königsflügels teilnehmen kann. Nach 17. ... g6 hätte Schwarz erfolgreich Widerstand leisten können, während Aljechin nun durch einige energische Züge die Initiative ergreift und im Bereich des schwarzen Königs eine kritische Situation heraufbeschwört. Im Zentrum steht nicht ein einziger Bauer. Nur der weisse Bauer e3 und der schwarze auf c6 nehmen gewissen Einfluss auf die Zentralfelder. Die Hauptsache ist jedoch, dass alle weissen Figuren (und natürlich auch die schwarzen) die Möglichkeit haben, ungehindert von einem Flügel auf den anderen zu gelangen, um zur rechten Zeit an der erforderlichen Stelle eingreifen zu können. Der Leser wird sehen, dass beim folgenden Angriff Aljechins die Bauern keine Rolle spielen - alles bleibt den Figuren überlassen.
18. Dd1 - d6!
Der erste Schlag. Weiss greift nicht nur den Springer e5 an, sondern droht auch mit einem Springerschach auf h6, das die Bauerndeckung des schwarzen Königs empfindlich schwächen würde. Nach 18. ... Sg6 19. Sh6+ gh 20. D:f6 Dd8 21. Dc3 verfügt Weiss über einen bedeutenden Positionsvorteil.
18. ... Se5 - d7!
19. Tf1 - d1 Ta8 - d6
20. Dd6 - g3 g7 - g6
21. Dg3 - g5!
Durch elegante Manöver hält die Dame den Druck auf die gegnerische Königsstellung aufrecht. Es droht nunmehr 22. Td6!, womit Weiss nicht nur den Springer f6 angreifen, sonden auch eine entscheidende Turmverdoppelung in der d-Linie vorbereiten würde.
21. ... Kg8 - h8
22. Sf5 - d6 Kh8 - g7
23. e3 - e4!
Schliesslich macht Weiss doch einen Bauernzug. Dies geschieht aber nicht, um den kleinen Infanteristen in die Schlacht zu schicken, sondern um die 3. Reihe für die Überführung des Turmes d1 nach h3 oder f3 freizulegen.
23. ... Sf6 - g8
24. Td1 - d3 f7 - f6
Weiss wollte die Partie durch 25. Tf3 entscheiden. Die erneute Schwächung der schwarzen Stellung gibt Aljechin jedoch Gelegenheit zu einem effektvollen Damenopfer. Nach 24. ... h6 gewann 25. Sf5+ Kh7 26. S:h6 f6 27. Sf5 fg 28. Th3+ Sh6 29. T:h6 matt
25. Sd6 - f5+ Kg7 - h8
26. Dg5 x g6!!
Schwarz gab auf. Ein hübsches Finale!
Der Leser möge beachten, mit welcher Leichtigkeit die angreifenden Figuren von einem Brettabschnitt auf den anderen beordert wurden. Eine derartige Bewegungsfreiheit ist für Stellungen mit offenem Zentrum typisch!


Bewegliches Zentrum

* Mitunter verfügt eine Partei nach der Eröffnung oder nach Veränderungen der Stellung über Bauern, die vorrücken können. Dies ist zum Beispiel in vielen Varianten der Italienischen Partie der Fall. Fast alle bekannten Gambits sind mit der Absicht verbunden, ein bewegliches Zentrum zu schaffen: das Königsgambit, das Evans-Gambit, das Staunton-Gambit. Weiss opfert in diesen scharfen Partieanfängen einen Bauern, um seine Zentralbauern c4 und d4 bzw. e4 und d4 in die Lage zu versetzen, vorzustürmen und dabei alle Verteidigungslinien des Gegners zu überrennen. Andererseits überlässt Schwarz dem Anziehenden in vielen modernen Eröffnungen freiwillig das Zentrum und gestattet ihm, seine beiden Mittelbauern auf die vierte Reihe zu stellen. Die Idee der Grünfeld-Indischen Verteidigung und der Pirc-Ufimzew-Verteidigung z.B. besteht gerade darin, diese vorgeschobenen Bauern mit Figuren zu bekämpfen. Um sie zum Stehen zu bringen und schliesslich zu vernichten, werden verschiedene Methoden angewandt, angefangen von der Errichtung einer speziellen Bremse, eines Hemmnisses auf dem Wege der Bauern, bis hin zu einem beharrlichen Figurendruck auf sie.
* In derartigen Stellungen gilt die volle Aufmerksamkeit der Spieler natürlich diesem beweglichen Zentrum, und die beiderseitigen Pläne sind darauf gerichtet, die gefährlichen und wichtigen Bauern voranzubringen bzw. aufzuhalten.

Der aktive Plan

Die Seite, die über die beweglichen Mittelbauern verfügt, wird stets versuchen, sie so weit wie möglich vorzurücken und einen oder besser gleich zwei Freibauern zu bilden, die den Ausgang des Kampfes unmittelbar entscheiden können. Ein solch idealer Plan ist jedoch selten zu verwirklichen. In der Regel verdrängt die aktive Seite mit Hilfe der Bauern Figuren des Gegners aus guten Positionen und schafft damit die Voraussetzung, den Angriff auf einen Flügel, meist den Königsflügel, zu verlagern. In diesem Fall besteht die Rolle des beweglichen Bauernzentrums darin, die gegnerischen Kräfte einzuengen und die Überführung von Verteidigungsreserven auf den entscheidenden Frontabschnitt zu erschweren.

Der Verteidigungsplan

Vor welche Aufgabe sieht sich ein Schachspieler gestellt, dessen Gegner ein bewegliches Bauernzentrum besitzt? Zunächst muss er natürlich bemüht sein, das weitere Vordringen der Bauern zu unterbinden, und zwar so weit wie möglich vor der eigenen Verteidigungslinie. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Die Errichtung von Hindernissen in Form einzelner Bauern, die das eine oder andere Feld verteidigen.
2. Die Ausübung eines so intensiven Figurendrucks auf das Zentrum, dass der Gegner nicht einmal davon träumen kann, es auch nur einen Schritt vorzurücken.
Meist werden beide Methoden miteinander kombiniert. Erst wenn die Bauern zuverlässig gebremst sind, kann man nach Wegen suchen, die lästigen Widersacher zu vernichten.
Ein starkes Bauernzentrum vereitelt gewöhnlich alle Versuche des Verteidigers, Gegenspiel auf den Flügeln zu erlangen. Seine ganze Aufmerksamkeit hat den feindlichen Bauern im Zentrum zu gelten, die er nicht einen Augenblick ohne Aufsicht lassen darf. Derartige Stellungen sind deshalb in der Regel durch ein Spiel in der Brettmitte gekennzeichnet. Genauso wie der Verteidiger verpflichtet ist, die Bauern ständig zu beobachten und zu zügeln, muss sich selbstverständlich auch ihr Besitzer voll auf sie konzentrieren. Schon die geringste Unachtsamkeit kann dazu führen, dass der Gegner das Zentrum zerschlägt und damit alle hochgeschraubten Erwartungen durchkreuzt.


Nimzowitsch-Indische Verteidigung
Kotow - Unzicker
Saltsjöbaden 1952

1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. e3 d5 5. a3 L:c3+ 6. bc c5 7. cd ed 8. Ld3 00 9. Se2 b6
- Eine problemreiche Variante der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung. Schwarz hat dem Gegner gestattet, sich im Zentrum eine aussichtsreiche Bauernstellung zu verschaffen - nach dem Vorbereitungszug f2 - f3 und entsprechender Figurenunterstützung wird Weiss schon bald den wichtigen Vorstoss e3 - e4 verwirklichen.
- Die Aufgabe des Nachziehenden ist klar: Er muss seine Kräfte so aufbauen, dass sie dem Ansturm der feindlichen Infanterie gerüstet gegenüberstehen. Dies ist nicht leicht und erfordert ein tiefes Eindringen in das Wesen der Stellung.
11. 0 - 0 Lc8 - a6
11. Ld3 x a6 Sb8 x a6
12. f2 - f3
Der Beginn des Marsches des weissen Bauern e3 nach e5, von wo er weiter vorzurücken und der gegnerischen Stellung einen ernsthaften Schlag zu versetzen droht. Im Gefolge des Bauern e5 wird auch sein Nachbar, der Bauer f3, bemüht sein, bis f5 vorzudringen, wonach mit f5 - f6 der entscheidende Schlag am Königsflügel geführt werden kann. Unzicker muss jetzt eine gute Methode finden, dem Vorgehen des weissen Mittelbauern zu begegnen.
12. ... Sa6 - b8
Der Springer strebt nach c6. Mehr Möglichkeiten, auf das weisse Zentrum einzuwirken, eröffnete jedoch das Manöver Sa6 - c7 - e6.



13. Dd1 - d3 Tf8 - e8
14. Se2 - g3 Sb8 - c6
15. Lc1 - b2 Ta8 - c8
16. Ta1 - e1 h7 - h6
Unzicker beabsichtigt, den Springer f6 nach h7 zu bringen, schwächt indes zu sehr den Königsflügel. Notwendig war, sich auf einen Verteidigungsplan zu orientieren, der von folgenden Hauptanliegen der Stellung ausging: erstens auf keinen Fall dem Läufer b2 die Diagonale a1 - h8 zu öffnen und zweitens den Vorstössen e3 - e4 - e5 und f3 - f4 unbedingt den Zug f7 - f5 entgegenzusetzen. Aufmerksamkeit verdiente 16. ... c4 mit der etwaigen Folge 17. Dc2 b5 18. e4 g6 19. e5 Sd7 20. f4 f5
17. e3 - e4 c5 x d4
18. c3 x d4 d5 x e4
19. f3 x e4 Sc6 - e5
20. Dd3 - d1 Se5 - c4
21. Lb2 - c1! ...
Die weissen Zentrumsbauern haben ideale Positionen bezogen und drohen mit entscheidender Wirkung vorzurücken: Nachdem der Springer f6 vertrieben ist, kann Weiss mittels Sg3 - f5 und Dd1 - g4 matt drohen bzw. einen unwiderstehlichen Angriff der Türme auf den Punkt g7 organisieren. Unzicker hat die Möglichkeit verpasst, die weissen Bauern aufzuhalten und wird sogleich dafür bestraft.
21. ... Sf6 - h7
22. e4 - e5 Te8 - e6
23. Te1 - e4! ...
Weiss lässt sich mit den Aktionen am Königsflügel Zeit. Das Zentrum befindet sich in seiner Hand, der Gegner kann nichts Wesentliches unternehmen und muss abwarten. Die schwarze Stellung ist strategisch verloren.
23. ... Sh7 - f8
24. Sg3 - f5 Kg8 - h8
25. Dd1 - h5 Tc8 - c7
26. Te4 - h4 ...
Es erhebt sich nunmehr die Frage, ob Weiss das entscheidende Opfer auf g7 oder h6 anbringen soll.
26. ... Sf8 - h7
27. Sf5 x g7!
Die Variantenberechnung ergab, dass das Opfer auf g7 am schnellsten zum Ziel führt. Der Leser möge beachten, wie hilflos Schwarz war, nachdem er die Bildung eines machtvollen weissen Bauernzentrums zugelassen hatte.
27. ... Kh8 x g7
28. Lc1 x h6+ Kg7 - g6
Oder 28. ... Kh8 29. T:f7.
29. Th4 - g4+ Te6 - g6
30. e5 - e6!
Schwarz gab auf.

Festgelegtes Zentrum

Im Abschnitt, der dem geschlossenen Zentrum gewidmet war, haben wir untersucht, wie sich die Bauern beider Parteien verschachtelten, lange Ketten bildeten und den Figuren dadurch völlig den Weg versperrten. Desweiteren lernten wir Partien mit offenem Zentrum kennen, wo den Figuren viel Raum zur Verfügung stand. Es gibt im Schach indes auch Stellungen eines Zwischentyps, in denen Elemente eines geschlossenen und eines offenen Zentrums vorhanden sind.
* Mitunter, wiederum im Ergebnis der Eröffnung oder von Abtauschoperationen, verschwindet im Zentrum das eine oder andere weiss-schwarze Bauernpaar vom Brett, und es verbleiben dort letztlich nur zwei Bauern, die sich einander gegenüberstehen. Ein solches Zentrum bezeichnen wir als festgelegt. Das Spiel nimmt in diesem Fall einen besonderen Charakter an. In der Brettmitte ergeben sich offene Linien, um die ein scharfer Kampf entbrennt, und Diagonalen spielen ebenfalls eine gewisse Rolle. Zugleich wirken aber auch Elemente eines geschlossenen Zentrums, da die das Zentrum blockierenden Bauern in bedeutendem Maße die Aktionen der eigenen und gegnerischen Figuren beeinträchtigen.
Obwohl die beiderseitigen Pläne in Stellungen mit festgelegtem Zentrum keine scharf ausgeprägten Besonderheiten aufweisen, wollen wir dennoch die Prinzipien andeuten, von denen sich die Spieler in derartigen Situationen leiten lassen müssen.

Der aktive Plan

Worin kann ein Vorteil in Stellungen mit festgelegtem Zentrum zum Ausdruck kommen?
Zunächst im Besitz einer offenen Mittellinie und vor allem in der Okkupierung von Stützpunkten auf diesen Linien. Um diese Vorposten wird auch der eigentliche Kampf geführt. Die festgelegten Bauern schaffen im Zentrum Felder, auf denen wir ungehindert eine Figur, meist einen Springer, etablieren können. Wenn sich auf der Nachbarlinie kein gegnerischer Bauer befindet, ist die Besitzergreifung eines solchen Feldes dauerhaft - der Gegner kann unsere Figur nicht durch einen Bauern vertreiben. Die aktiven Handlungen des Angreifers bestehen im Folgenden darin, auf derartige Vorposten mit Figuren einzuwirken, im Schutz der vorgeschobenen Figuren die Türme zu verdoppeln und dann den entscheidenden Schlag zu führen.
Weshalb ist eine so ungehinderte Verstärkung der eigenen Stellung möglich?
Vor allem deshalb, weil der Gegner eine vorgeschobene Figur in den meisten Fällen nicht abtauschen darf, ohne einen schwachen isolierten Bauern zu erhalten, der sofort in das Feuer der im Zentrum stehenden angreifenden Figuren geriete. Deshalb muss er den feindlichen Vorposten wohl oder übel dulden und abwarten, was weiter geschieht.

Der Verteidigungsplan

Die Verteidigung ist in derartigen Stellungen nicht leicht. Wie schon gesagt, ist ein Abtausch für den Verteidiger wenig nützlich, und trotzdem hat er seine Aufgabe darin zu sehen, den in sein Lager eingedrungenen gefährlichen Fremdling bei der ersten besten Gelegenheit zu vernichten. Der Abtausch einer vorgeschobenen Figur ist in Stellungen mit festgelegtem Zentrum eine Hauptmethode der Verteidigung.
Sollte es jedoch aus diesem oder jenem Grunde nicht möglich sein, den gegnerischen Vorposten zu schlagen, heisst es, sich auf Abwehrmaßnahmen zu beschränken. Diese Art der Verteidigung ist sehr kompliziert. Bei passivem Widerstand liefern wir uns dem Gegner völlig aus und können nichts anderes tun, als seinen entscheidenden Schlag abzuwarten.
Nur in seltenen Fällen bietet sich die Möglichkeit, auf der gleichen oder einer anderen Linie selbst einen gedeckten Vorposten zu errichten. Dies erleichtert die Verteidigung wesentlich.

Nimzowitsch-Indische Verteidigung
Stolberg - Botwinnik
Moskau 1940
1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. e3 00 5. Ld3 d5 6. Se2
Da Schwarz bereits d7 - d5 gespielt hat, wäre es besser gewesen, den Springer nach f3 zu entwickeln.
6. ... c7 - c5
7. 0 - 0 Sb8 - c6
8. c4 x d5 e6 x d5
9. a2 - a3 c5 x d4
10. e3 x d4 Lb4 - d6
- Die Stellung in der Brettmitte hat sich geklärt. Die Bauern d4 und d5 stehen einander gegenüber und bilden ein festgelegtes Zentrum. Auf dem Brett sind zwei offene Linien entstanden, um die natürlich die Hauptkämpfe entbrennen werden. Für Weiss bieten sich auf diesen offenen Linien die Stützpunkte e5 und c5 an, Schwarz verfügt entsprechend über die Felder e4 und c4. Wem es gelingt, diese wichtigen Vorposten als erster zu besetzen, wird sich damit auch ein positionelles Übergewicht sichern.
11. h2 - h3 ...
In der Absicht, den Läufer nach g5 zu führen, was im Augenblick an 11. ... L:h2+ und 12. ... Sg4+ scheiterte. Der Zug schwächt jedoch merklich den weissen Königsflügel und wird noch unangenehme Folgen haben. Besser war daher 11. lf4, wonach die Stellung im Gleichgewicht blieb.
11. ... h7 - h6
12. b2 - b4 ...
Auch dieser Bauernvorstoss ist nutzlos. Mit 12. Lc3, 13. Dd3 und 14. Lf4 hätte Stolberg gute Aussichten behalten, während die Initiative nun allmählich an Schwarz übergeht.
12. ... Tf8 - e8
13. Dd1 - b3 Lc8 - e6
14. Lc1 - d2 Dd8 - d7!
Um mit Hilfe des Opfers 15. ... L:h3! die Schwächung des weissen Königsflügels auszunutzen.
15. f2 - f4 ...
Einen solchen Zug muss man schon als positionellen Selbstmord werten. Um den Fehler zu bestrafen, bedurfte es allerdings der hohen Meisterschaft des Gegners. Das Opfer auf h3 war am besten durch 15. Sa4 zu verhindern (15. ... L:h3? 16. gh D:h3 17. Lh7+), womit der Springer c3 zugleich auf das starke Feld c5 gebracht würde. Jetzt erreicht Botwinnik mit eiserner Systematik eine entscheidende Schwächung des zentralen Schlüsselfeldes e4.
15. ... Le6 - f5!
Zunächst ist es notwendig, den Läufer d3 zu beseitigen, der das Feld e4 verteidigt. Überhaupt liegt es im Interesse von Schwarz, soviel gegnerische Figuren wie möglich abzutauschen, die den Kampf um das Feld e4 beeinflussen. Sieht Weiss wie in der Partie vom Tausch auf f5 ab, stellt Schwarz den Läufer nach e4, von wo dieser den Angriff all seiner Abteilungen dirigiert.
16. Db3 - c2 Lf5 - e4
17. b4 - b5 ...
Noch eine Ungenauigkeit, die auf einen Rechenfehler zurückgeht. Weiss gestattet dem Gegner, den Springer nach c4 zu führen und überlässt ihm so auch den Schlüsselpunkt auf der offenen c-Linie. Vorsichtiger war 17. Tad1.
17. ... Le4 x d3
18. Dc2 x d3 Sc6 - a5
19. Se2 - g3 ...
Weiss versucht, das auf e4 klaffende Loch zu stopfen. Er bemerkte offenbar erst jetzt, dass er nicht 19. S:d5 ziehen darf, weil Schwarz durch 19. ... S:d5 20. L:a5 Te3 ein gewaltiges positionelles Übergewicht bekäme.
19. ... Sa5 - c4
20. Ld2 - c1 Ta8 - c8
21. Ta1 - a2 Ld6 - f8
22. a3 - a4 Lf8 - b4
- Beachten Sie, mit welcher Beharrlichkeit Botwinnik jede gegnerische Figur ausschaltet, die das Feld e4 angreift!
Weiss beschliesst, den Springer zu behalten, aber auch dadurch wird die Einwirkung auf das Feld e4 um eine Figur reduziert.
23. Sc3 - d1 Sf6 - e4
* Eine Idealstellung bei festgelegtem Zentrum. Schwarz hat beide offenen Linien mit Türmen besetzt und auf ihnen Springer befestigt. Zwar gelingt es Stolberg, den Abtausch des Springers e4 zu erzwingen, doch tritt an dessen Platz mit nicht geringerer Wirksamkeit ein schwarzer Turm.
24. f4 - f5 Se4 x g3
25. Dd3 x g3 Lb4 - d6
26. Dg3 - f3 Ld6 - e7
Dieses Manöver ist erforderlich, um den gefährlichen Bauernzug f5 - f6 zu verhindern.
27. Df3 - g3 Le7 - f6
28. Lc1 x h6 Lf6 x d4+
29. Kg1 - h1 f7 - f6!
Der weisse Angriff ist abgeschlagen, und Schwarz dominiert uneingeschränkt im Zentrum. Mit dem letzten Zug nahm er auch noch das Feld e5 in Besitz. Botwinniks Strategie hat einen vollen Triumph davongetragen.
30. Lh6 - c1 Te8 - e4
31. Dg3 - d3 Sc4 - e5
32. Dd3 - b1 Tc8 - c4
- Ein malerisches Bild. Im Zentrum sind ausschliesslich schwarze Figuren aufmarschiert. Einer derart aktiven und geschlossenen Kräftekonzentration vermag Weiss nichts entgegenzusetzen.
33. a4 - a5 Ld4 - c5
34. b5 - b6 a7 - a6
35. Sd1 - b2 Tc4 - c3
36. Lc1 - d2 Tc3 - b3
37. Db1 - c2 Dd7 - b5
38. Tf1 - c1 Lc5 - f8
Die vorbereitenden Manöver der schwarzen Figuren haben nur ein Ziel - den entscheidenden Schlag am Königsflügel so wirksam wie möglich zu gestalten. Die zurückgeworfenen, jeglichen Stützpunkt im Zentrum entbehrenden weissen Figuren können keinerlei Widerstand leisten.
- Schwarz hat die Vorteile eines festgelegten Zentrums strategisch richtig ausgenutzt und das hat ihm im Grunde genommen ohne grosse Komplikationen den Sieg gebracht.
39. Tc1 - d1 Te4 - e2
40. Dc2 - c1 Tb3 x h3+!
Diese elementare Kombination beendet den Kampf am schnellsten.
41. g2 x h3 d5 - d4
Weiss gab auf. Gegen ein Schachgebot der schwarzen Dame auf der Diagonale h1 - a8 ist nichts zu erfinden.



Spannung im Zentrum

Einen solchen Zustand im Zentrum kann man auch als unausgereift bezeichnen, da noch nicht klar ist, welche Struktur die Mittelbauern schliesslich annehmen werden. Er ist in der Praxis am häufigsten zu beobachten: In den meisten Eröffnungen bleibt das Zentrum nach den Anfangszügen unausgereift, und erst im weiteren Verlauf des Kampfes bildet sich in der Brettmitte eine der bereits besprochenen Bauernstrukturen heraus.
* Bei ungeklärten Verhältnissen im Zentrum gestaltet sich das Spiel besonders schwierig, weil man unablässig darüber wachen muss, keine dem Gegner genehme Struktur zuzulassen. Kampf um eine vorteilhafte Zentrumsstruktur - das ist das Ziel aller Manöver bei einer unausgereiften Bauernstellung. Ein direkter Unterschied zwischen aktivem und Verteidigungsplan lässt sich in diesem Fall kaum nachweisen.

Der aktive Plan

Die Partei, die über die Initiative verfügt, muss solche Manöver anwenden, die den Gegner zwingen, sich mit einer für die aktive Seite günstigen Zentrumsstruktur abzufinden. Der Gegner wird natürlich alles in seinen Kräften Stehende tun, um das Schlimmste zu verhindern, und versuchen, eine für ihn mehr oder weniger erträgliche Struktur herbeizuführen. In diesem Fall hat der Angreifer zu entscheiden, ob er mehr erreichen oder sich mit der vom Verteidiger angebotenen Zentrumsstellung zufriedengeben will.

Der Verteidigungsplan

Entsprechend den Absichten des Angreifers sind auch die Abwehrmassnahmen festzulegen. Der Verteidiger hat bis zuletzt einer für ihn ungünstigen Struktur auszuweichen. Besitzt er zum Beispiel einen Springer, der Gegner indes einen Läufer, muss er - selbst wenn seine Stellung andere Nachteile aufweist - ein geschlossenes Zentrum anstreben, bei dem die Aussichten des Springers grösser sind als in offener Feldschlacht.
Der Verteidiger hat in Stellungen mit einem unausgereiften Zentrum einen besonders schweren Stand, weil es gerade hier kompliziert ist, dem Willen des Gegners untergeordnet zu sein und aufmerksam alle seine Drohungen zu parieren.

Es kommt vor, dass eine Partei ohne die Klärung der Bauernstruktur im Zentrum abzuwarten, einen Flankenangriff beginnt. Dies setzt ein besonders sorgfältiges Studium der Stellung voraus, muss doch ein Gegenschlag in der Brettmitte einkalkuliert werden, der für den Angreifer verderbliche Folgen haben könnte.
* Angesichts der alten Weisheit "Ein Gegenschlag im Zentrum ist die beste Erwiderung auf einen Flankenangriff" hat jeder, der Angriffszüge an einem Flügel plant, zunächst eingehend die Möglichkeiten eines Gegenspiels im Zentrum zu untersuchen.
Viele bekannte Grossmeister- und Meisterpartien wurden gerade beim Übergang von einem unausgereiften Zentrum zu einer der behandelten strategischen Bauernstrukturen entschieden. Hier kann man leicht einen Fehler machen, und andererseits kann eine richtige Entscheidung sofort Früchte tragen. Es ist deshalb notwendig, die Stellung ernsthaft zu durchdenken, bevor man die Zentrumsposition in dieser oder jener Weise verändert. Dafür Leitsätze zu formulieren ist schwer. Ob der gewählte Weg richtig ist, hängt von der Erfahrung und dem Talent des Spielers, vor allem aber auch hier von einer exakten Berücksichtigung der Stellungsfaktoren ab. Sind unsere Türme schlecht postiert, werden wir auf gar keinen Fall die Stellung öffnen, sondern sie im Gegenteil abriegeln.

Spanische Partie
Boleslawski - Keres
Zürich 1953
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0 - 0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 0 - 0 8. c3 d6 9. h3 Sa5 10. Lc2 c5 11. d4
* Im Ergebnis der ersten Züge hat sich ein unausgereiftes Zentrum herausgebildet. Jeden Augenblick kann Weiss die Bauernstellung schliessen - dazu braucht er nur d4 - d5 zu ziehen - oder durch Tausch auf e5 bzw. c5 festlegen. Tatsächlich kommt es jedoch schon bald zu einer ganz anderen Lösung.
11. ... Dd8 - c7
12. Sb1 - d2 Tf8 - d8
13. Sd2 - f1 d6 - d5
* Ohne darauf zu warten, dass der Gegner die Bauernstruktur bereinigt, ergreift Keres als erster die Initiative. Mit seinen letzten Zügen hat er den aktiven Vorstoss des d-Bauern vorbereitet, und nun entbrennt in der Brettmitte ein heftiger Kampf.
14. e4 x d5
Später fanden die Theoretiker, dass Weiss mittels 14. de de 15. S1d2! merklichen Vorteil erzielen konnte, z.B. 15. ... ef 16. ef L:f6 17. D:f3 Le6 18. Se4. Keres musste deshalb, bevor er den Bauern nach d5 vorrückte, zunächst 13. ... cd spielen.
14. ... e5 x d4
15. c3 x d4 Sf6 x d5
16. Dd1 - e2 Lc8 - b7
17. Sf1 - g3 c5 x d4
18. Sf3 x d4
* Im Zentrum sind bedeutsame Veränderungen vor sich gegangen: Soeben war es noch durch weisse und schwarze Bauern verstellt, jetzt hingegen ist es wie leergefegt.
Der weitere Partieverlauf zeigt, dass Schwarz nicht umsonst die Spannung aufgehoben und ein offenes Zentrum herbeigeführt hat. Seine weitreichenden Figuren erhielten dadurch einen grossen Aktionsradius und werden rasch einen starken Druck auf die gegnerische Stellung ausüben. Eine richtige Lösung bei der Umwandlung des Zentrums gab Keres somit die Möglichkeit, sofort entscheidenden Positionsvorteil zu erlangen.
18. ... g7 - g6!
Schwarz nimmt gleich zwei weissen Springern das Feld f5 und macht alle Hoffnungen des Gegners auf einen Angriff am Königsflügel zunichte. Weiss stand hier das komplizierte und schwer zu berechnende Springeropfer 19. Sdf5 zur Verfügung. Boleslawski kann sich zu dieser an Verzweiflung grenzenden Fortsetzung nicht entschliessen und gerät allmählich in einen Angriff aller schwarzen Figuren.
19. Lc1 - h6 Le7 - f6
20. Sd4 - b3
Nach 20. Tad1 Sf4! bekommt Schwarz ein mächtiges Läuferpaar und die wesentlich bessere Stellung. Aber auch jetzt sichert er sich durch Doppelangriff auf den Bauern b2 ein materielles Übergewicht. Wir möchten den Leser nochmals darauf hinweisen, wie schnell die richtige Lösung des Zentrumsproblems Schwarz den Erfolg brachte.
20. ... Sa5 - c4
21. Sg3 - e4 Lf6 x b2
22. Sb3 - c5
Weiss hofft, durch ein Qualitätsopfer Verwicklungen schaffen und die Schwäche der schwarzen Felder am Königsflügel ausnutzen zu können. Keres hat jedoch alle Varianten genau berechnet und wehrt die harmlosen Drohungen des Gegners leicht ab.
22. ... Lb2 x a1
23. Te1 x a1 f7 - f5!
Die Stärke des Zuges ist nicht allein darin zu sehen, dass er das Feld g7 verteidigt; er erzwingt vor allem Abtausch und eine Vereinfachung der Stellung.
24. Sc5 x b7 ...
Oder 24. De6 De5. Schlecht ist auch 24. Sg5 wegen 24. ... Sf4.
24. ... Dc7 x b7
25. Se4 - c5 Db7 - c6
26. Sc5 - d3 Sd5 - c3
27. De2 - e1 Dc6 - f6
Schwarz ist nicht nur materiell im Vorteil, seine Figuren stehen obendrein äusserst aktiv. Der Kampf ist bereits entschieden und weiterer Widerstand nutzlos.
28. f2 - f4 Sc3 - e4!
Umgeht eine letzte Falle:
28. ... T:d3? 29. L:d3 Dd4+ 30. Kh1 D:d3 31. De6+
29. Kg1 - h2 Df6 - c3
30. De1 - b1 Sc4 - d2
31. Db1 - c1 Td8 x d3!
32. Lc2 x d3 Dc3 x d3
33. Dc1 - c7 Sd2 - f3+!
Weiss gab auf.
* In der soeben untersuchten Partie erlangte Schwarz durch richtige Lösung des Zentrumsproblems ein entscheidendes Übergewicht. Bei unausgereifter Bauernstruktur entschloss er sich, das Spiel in eine Stellung mit offenem Zentrum zu lenken, was sofort eine erhebliche Aktivierung seiner Figuren bewirkte.

Quelle: Alexander Kotow, Ohne Bauern läuft nichts, Sportverlag Berlin 1992

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