Montag, 7. September 2009

Emil Joseph Diemer und sein Gambit

-Vorgeschichte- Armand Edward Blackmar, geboren am 30. Mai 1828 in Bennington/ Vermont und gestorben am 28. Oktober 1888 in New Orleans, war Musikkomponist und -verleger. Er veröffentlichte im Juli 1882 im amerikanischen Schachmagazin "Brentano´s Chess Monthly" in seiner Vaterstadt New Orleans die ersten Analysen und Partien mit der Urform des Gambits 1. d4 d5 2. e4 de 3. f3. Zum Pech Blackmars zeigte sich dann, das dieses mit 3. ... e5 glatt widerlegt wird. Auf 4. d5 krankt die weisse Stellung nach 4. ... Lc5 an langandauernden Entwicklungsschwierigkeiten, die Schwarz eindeutig zum Vorteil nutzen kann. Und 4. ... de5: ergibt Damentausch und kann bestimmt den Anziehenden nicht in Begeisterung versetzen. Und so lag die Idee des Gambits 1. d4 d5 2. e4 brach, bis 1889 Ignaz von Popiel in Wien erstmalig auf 2. ... de mit 3. Sc3 antwortete. Er wandte diese Neuerung gegen die dortigen stärksten Spieler wie Bauer, Fleissig, Englisch und Csank an. Diese glaubten, dem neuen Zug am besten mit 3. ... e5 antworten zu können; in Gedenken an Popiels Heimat, dem damals österreichisch regierten Lemberg, ging diese Antwort auf Vorschlag von Tartakower als Lemberger Gegengambit in die Schachgeschichte ein. 1893 veröffentlichte von Popiel seine Entdeckungen im "Wochenschach". In seinen Analysen antwortete er nach 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 Sf6 mit 4. Lg5 (heute bekannt als "Polnisches Gambit"), was ihm die Kritik einiger Zeitgenossen einbrachte, er wolle gar kein echtes Gambit spielen, sondern unter Aufgabe des Läuferpaares den geopferten Bauern so schnell als möglich zurückerobern. Von Popiel hat aber nach 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 Lf5 ausschliesslich mit 4. f3 fortgesetzt, also ein echtes Gambit gespielt und auf Materialgleichstand verzichtet. Aus seinen Anmerkungen ist erkennbar, das er die Urform von Blackmar sehr wohl kannte.
- Diemer -
Am 15. Mai 1908 wurde in Rudolfzell am Bodensee der Nachfolger des Von Popiel geboren: Emil Joseph Diemer. Mit neun Jahren erlernte er von einem älteren Schulkameraden das Schachspiel. Mit neunzehn machte er sein Abitur in Baden-Baden und begann mit dem Turnierschach. Ebenfalls 1927 begann er eine Buchhändlerlehre, 1931 wurde er arbeitslos. Am 24. 9. 1931 trat er der NSDAP bei, betrieb den Buchverkauf von NS-Literatur. Mit dem Eintritt in die Partei begann für ihn gleichzeitig die Karriere als Berufsschachspieler, eine Tätigkeit, die ihn dann später zum "Schachreporter des Grossdeutschen Reiches" werden liess. Im September 1931 fand er zum erstenmal ein Blackmar-Gambit, das in einer Stuttgarter Illustrierten abgedruckt war. Zu dieser Zeit spielte er bevorzugt "Colle-Stonewall" 1. d4 d5 2. e3 nebst baldigem f4; aus der Eröffnung heraus operierte er mit Bauernketten, Bauernstössen und dem Ansetzen von Hebeln. Diemer wurde 1932 Blitzmeister des Badischen Schachverbandes. 1933 wohnte Diemer einen Monat in Triberg, um Bogoljubows "Schachschule" (ein Lehrbuch für Anfänger) zu tippen. 1934 begann seine Arbeit als Schachjournalist mit dem Weltmeisterschaftskampf zwischen Bogoljubow und Aljechin. Er bekam von der NSDAP den Auftrag, während des Kampfes den jüdischen Grossmeister Nimzowitsch zu betreuen (offizieller Standpunkt "Wir nehmen von diesem Juden keine Notiz"...), der insbesondere vor dem Aufenthalt in Nürnberg grosse Angst hatte. Anscheinend stellte Diemer in solchen Situationen die schachlichen vor die antisemitischen Aspekte, und Nimzowitsch fühlte er sich verbunden. Diemer berichtete u.a. für den "Völkischen Beobachter", den "Illustrierten Beobachter" und die "Brennessel"; 1935 nahm er als Schachreporter am Weltmeisterschaftskampf Euwe- Aljechin teil, wo er sich mit Euwe anfreundete. 1936 war Diemer Korrespondent bei einem Turnier in Bad Podebrady, das Flohr vor Aljechin gewann; Diemer spielte dort auch selber, erstmalig sein BDG (Blackmar- Diemer- Gambit, eine Namensgebung, die Euwe 1951 vornahm) gegen Fux: 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 e5 4. de Dd1:+ 5. Sd1: Sc6 6. Lf4, was er dann noch im 30. Zug gewann. Diemers Tätigkeit als Schachreporter ging mit Ausbruch des 2. Weltkriegs zu Ende; nach Teilnahme am "Sitzkrieg" (Westwalleinsatz) und anschliessendem Lazarettaufenthalt in Bad Liebenzell wurde er als untauglich aus der Wehrmacht entlassen. Er arbeitete dann bis zur Kapitulation als Betriebsprüfer beim Finanzamt Baden- Baden. Nach kurzer Internierung in einem französischen Lager in Lindau und "Entnazifizierung" als Mitläufer fand sich Diemer 1947 auf der 1. Südbadischen Meisterschaft in Endingen ein, die von Bogoljubow gewonnen wurde, mit Diemer im hinteren Feld. In der anschliessenden Blitzmeisterschaft passierte es sogar dem Grossmeister Bogoljubow mit Schwarz gegen Diemer, dass er auf 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 Sf6 4. f3 mit 4. ... e5 antwortete, was nach 5. de Dd1:+ 6. Kd1: Sfd7 7. Sd5 Kd8 8. Lg5+ f6 9. ef gf 10. Sf6: zu der verblüffenden Situation führte, das Weiss einen Bauern geopfert hat, um nach der Abwicklung zwei Bauern mehr zu besitzen!Diemer stellte das Schach und das BDM in den Mittelpunkt seines Lebens, wobei er teilweise ärmliche Lebensbedingungen in Kauf nahm. 1950 wechselte er von seinem bisher stark verfochtenen 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sf3 Sc6 4. f3 ef 5. Df3: zu 5. Sf3:. Seine Begründung, die Masse der Schachspieler könne sich mit dem Opfer von zwei Bauern in der Eröffnung schwer anfreunden, wirkt wenig überzeugend. 1951 gewann Diemer in Waldkirch die 5. Südbadische Meisterschaft und errang damit den höchsten Titel seiner Laufbahn; er durfte sich jetzt Badischer Meister nennen. Durch seine Turniererfolge mit dem BDG begannen auch stärkere Spieler, sich für dieses Gambit zu interessieren, insbesondere Tartakower und Euwe, später dann aber auch Spasski. 1953 jedoch wurde Diemer nach internen Streitigkeiten auf Betreiben des Deutschen Schachbundes aus dem Badischen Schachverband ausgeschlossen. Er nahm weiter an Turnieren des Bundes der Fernschachspieler teil, wobei er zeitweise bis zu 300 Partien gleichzeitig zu bewältigen hatte. 1955 begann Diemer mit der Herausgabe der "Blackmar- Gemeinde", die er wegen Überschuldung aber wieder aufgeben musste. Er unternahm Vortragsreisen durch ganz Europa, nahm an Turnieren in der Schweiz und in den Niederlanden teil. 1958 begann Diemer, sich mit Esoterik zu beschäftigen, u.a. Nostradamus, was ihn 1978 schliesslich zur Erkenntnis führte, das er die Reinkarnation vom eingangs erwähnten Blackmar sei. Seine düsteren Vorhersagen schreckten Veranstalter zunehmend ab, ihn zu Simultanturnieren etc. einzuladen. Bei Diemer bildete sich eine paranoide Shizophrenie heraus. 1964 wurde er in die Psychiatrie eingewiesen, 1965 in das Alten- und Pflegeheim Fußbach mit der Begründung: "Seine Nerven hielten der starken Beschäftigung mit Schach nicht stand." 1970 suchte Stapelfeldt Diemer im Pflegeheim auf und schaffte es, ihn wieder für das BDG zu interessieren. 1971 gelang es Stapelfeldt, sowohl das Pflegeheim als auch den Badischen Schachverband zu überzeugen, Diemer eine erneute schachliche Betätigung im Schachclub Umkirch zu gestatten. Mit Diemer am ersten Brett stieg der Verein von der untersten Klasse aus nun jährlich auf. 1973 nahm Diemer an Turnieren in den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz teil, hielt Vorträge über "Schach und Nostradamus". Ab 1974 nahm seine Spielstärke ab, 1986 spielte er seine letzte Turnierpartie, weil sich seine Augen verschlechtert hatten. Am 10. 10. 1990 starb Emil Joseph Diemer.
- Korrektheit? -
Manche von Diemers Aussagen zu seinem Gambit wirkten auf die Schachwelt eher befremdlich, etwa "Spiele BDG, und das Matt kommt von allein." oder "Das BDG verändert den ganzen Menschen." Eindeutig ist etwa die Aussage von Ludek Pachmann: "Das BDG ist sichtlich inkorrekt."...Max Euwe schrieb am 5. Mai 1956 an Diemer: "Jede Stellungnahme (zum BDG) meinerseits, richtig oder unrichtig, könnte beantwortet werden mit zehn anderen Möglichkeiten, die wieder neue Probleme aufwerfen. Und von zehn kommt man auf hundert usw. Die Gambitspiele sind eben kompliziert; und es ist oft Geschmackssache, ob man lieber den Bauern oder den Angriff hat. Nun ist das Blackmar- Diemer- Gambit ja eine interessante Spielweise, aber ich kann doch dafür unmöglich den Rest meiner schachlichen Aktivität aufopfern. Verzeihen Sie daher meine Zurückhaltung, die sie nicht als Angst erklären müssen. Es ist vielmehr so, dass, wenn Tausende von Mücken auf einen zukommen, es absolut sinnlos ist, zehn oder hundert totzuschlagen."Eine aktuellere Stellungnahme von FM Konikowski (Dortmund) findet sich in der Rochade 10/ ´04, Seite 81: "Das vorgestellte Gambit bietet gute praktische Chancen genauso wie andere Gambitspiele. Jedoch bei genauem Spiel ist meiner Meinung nach seine Korrektheit fraglich. Es ist klar, dass Schwarz bei beschränkter Bedenkzeit die richtigen Züge erst finden muss. Also muss er auch theoretisch gut mit dem Gambit vertraut sein. Mit einem Satz: Die Hausaufgaben muss man unbedingt machen! Ein wichtiger Hinweis für die Anhänger der Skandinavischen Verteidigung: Das Blackmar- Diemer- Gambit muss man kennen, denn nach 1. e4 d5 kann 2. d4!? eine böse Überraschung sein, wenn Schwarz mit der Theorie des Gambits nicht vertraut ist."Sicher eignet sich das BDG vor allem für Angriffsspieler, was Diemer mit dem Slogan "Vom ersten Zug an auf Matt" zum Ausdruck brachte.
- Partiebeispiel -
Auf Initiative von W. Schneider (Kirschhausen/ Odenwald) wurde von 1968 bis 1975 in Vor-, Zwischen- und Endrunde ein BDG- Fernschach- Weltturnier durchgeführt, wobei Gewinne mit 3 Punkten und Remisen mit jeweils 1 Punkt gewertet wurden. Hierbei gelangte Georg Danner aus Österreich mit 53 Punkten auf Platz 1, Emil Kunath aus Heidenau mit 40 Punkten auf Platz drei, bei 21 Teilnehmern. - Emil Kunath wurde angesichts seines dritten Platzes im Fernschach-Weltturnier des Blackmar-Diemer-Gambits der inoffizielle Titel "BDG-Grossmeister" verliehen. (SZ 5./ 6.6.`76)Emil Kunath - Georg Danner1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 Sf6 4. f3 ef 5. Sf3 Lg4 6. h3 Lf3: 7. Df3: c6 8. Ld3 (oder 8. g4 Dd4: 9. Le3 Db4 10. 000 e6 11. Td4 Da5 12. g5 Sd5 13. Sd5: cd 14. a4 Sc6 15. Lb5 Ld6 16. c4 00 17. Th4 g6 18. cd Se5 19. Df6 a6 20. Le2 Dd5: 21. Tf1 Sd3+! und Weiss gab auf, z.B. 22. Ld3: Dd3: 23. Ld4 Tc8+ 24. Lc3 Tc3:+ 25. bc La3#; G. Lagland aus Finnland gegen G. Danner, selbes Turnier...) Sbd7 9. Le3 e6 10. 00 Le7 11. Se4 00 12. c4! Se4: 13. De4: g6 14. Lh6 Te8 15. Tae1 Lg5 16. Lg5: Dg5: 17. h4 De7 18. Df4 Tad8 19. Te3 Sf8 20. Le2 Td7 21. c5 Ted8 22. Td1 Kg7 23. h5 g5 24. Tg3 h6 25. De5+ f6 26. De4 Td4:! 27. Td4: Dc5: 28. Tb3 Td4: 29. De3 b6 30. Tc3 Dd6 31. Tc6: Dc6: 32. Dd4: Dc5 Im 40. Zug gab Weiss die aussichtslos gewordene Partie auf.- Heutzutage spielt Emil Kunath das BDG nicht mehr mit Weiss wegen Inkorrektheit. -
- Die Emil- Kunath- Variante im Blackmar- Popiel- Gambit -
Am 1. 8. 1945 wurde Emil Kunath (14 Jahre alt) Mitglied des Heidenauer Schachvereins. 1949 machte der damals 16jährige Manfred Mädler (heute Eigentümer des Schachhauses in Dresden- Blasewitz, am Blauen Wunder) ihn mit dem Blackmar- Diemer- Gambit in der Variante 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 f5 bekannt, nach der Dresdner Jugendmeisterschaft. 1956 kam es im Zusammenhang mit dem Turnersportfest in Leipzig zu einem Vergleichskampf mit dem TSV Giessen. Deren Spieler waren eine Woche lang Gäste in Heidenau (private Unterbringung), danach ging es gemeinsam nach Leipzig. Weihnachten/ Sylvester 1956 erfolgte die Revanchereise in den Westen, ebenfalls mit privater Unterbringung. Der Sportverantwortliche der Schuhfabrik, Hans Richter, übernahm die Absprachen mit den DDR- Behörden und sorgte für einen reibungslosen Ablauf - allerdings durfte Emil Kunath als Nicht- SED-Mitglied nicht die Mannschaft leiten, er wurde in dieser Funktion durch Willy Hanisch ersetzt. Ergebniss der zwei Duelle: 9, 5 zu 8, 5 für Giessen. Die Kunath- Brüder erreichten den Zug zurück in die DDR nur ganz knapp, waren dann froh, dem Verein nicht durch verspätete Heimkehr als "Republikflucht" Ärger bereitet zu haben. 1962 war Emil Kunath Hauptturnierleiter bei der DDR-Jugendmeisterschaft in Saßnitz.1963 starb der Vater von Emil Kunath, Emil konnte sich aufgrund der zeitlichen Belastung durch die Betriebsführung der Druckerei nicht mehr in der gewohnten Weise im Nahschach engagieren. Nach einigen Jahren schachlicher Passivität wandte er sich dem Fern- bzw. Briefschach zu. Er sah das auch als eine "Brücke zur Welt"; bei der ersten Blackmar- Diemer- Weltmeisterschaft 1968 nahmen über 200 Schachfreunde teil, u.a. aus Mexico, Argentinien, USA... Gelegentlich wurde ihm aber auch vom Fernschach abgeraten, eben wegen dieser internationalen Kontakte. 1972 gewann Emil die Heidenauer Stadtmeisterschaft, auch die Partien, wo er das BDGambit mit Weiss spielte im allgemeinen. 1987 gab er auf Vorschlag von Volker Drücke in Ludwigshafen die Broschüre zum Lemberger Gegengambit in dessen (heute nicht mehr existentem) Schachverlag heraus; eine Herausgabe in der DDR erschien aufgrund der "Inkorrektheit" des Gambits nicht erwünscht. 1988 wurde Emil zum Zoll in Dresden bestellt; Manfred Mädler, inzwischen Herausgeber der Gambit- Revue in Düsseldorf, hatte vorgeschlagen, die Schachfreunde aus der DDR könnten die Gambit- Revue mit Schachuhren bezahlen, in Ermangelung von Westgeld. Beim Zoll deutete man Emil an, es gäbe doch auch eine DDR- Schachzeitung. Als er erwiderte, man fände dort nur Sizilianisch und nicht sein Eröffnungsrepertoire, wurde ihm beigepflichtet. Bezüglich der Gambit-Revue half dann Emils Brieffreund Walter Schneider aus Baden- Württemberg mit den Devisen... 1992 beendete Emil Kunath seine Fernschachkarriere. 2002 gewann er gegen Mario Dietrich eine Partie mit den Anfangszügen 1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 de 4. f3...Das Blackmar-Popiel-Gambit ist auch unter dem Namen "Polnische Eröffnung" bekannt. Im Buch "Supertaktik modernen Gambitspiels" widmete Gerhart Gunderam, ein auch in der DDR anerkannter Eröffnungstheoretiker, Emil Kunath aus Heidenau eine eigene Variante: 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 Sbd7 5. De2 - Kunath-System. Als Praxisbeispiel führte Gunderam die Partie E. Kunath, DDR gegen E. Meyer, Schweiz an:1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 Sbd7 5. De2 c6 6. Se4: Se4: 7. De4: Da5+ 8. Ld2 Dd5 9. Dd5: cd 10. Ld3 e6 11. Se2 Ld6 12. a3 Sb6 13. b3 e5 14. de Le5: 15. Lc3 Lc3:+ 16. Sc3: a6 17. a4 Le6 18. Se2 Ke7 19. 00 Tac8 20. f4 g6 21. Sd4 Ld7 22. Tae1+ Kd6 23. f5 Tce8 24. Te8: Te8: 25. fg fg 26. Tf6+ Le6 27. Se6: Te6: 28. Tf7 Te7 29. Te7: Ke7: 30. Kf2 Kf6 31. Ke3 Ke5 und Remis im 42. Zug.
-Emil Kunath und der "Sneiders-Angriff" im Lemberger Gegengambit-
Im 1956 geschriebenen Buch "Vom ersten Zug an auf Matt" merkte Emil Joseph Diemer an, für nicht wenige Schachfreunde wäre der Zug 3. ... e5 das Problem Nr. 1 des BDG. FM Jerzy Konikowski führte in seinem Artikel "Zur Theorie des Blackmar- Diemer- Gambits" in der Rochade 10/ ´04 folgende Variante an: "1. d4 d5 2. e4 de 3. Sc3 e5 (Lemberger Gegengambit) 4. Dh5 Sf6 (Dd4: ist unklar) 5. De5:+ Le7 6. Lf4 Sc6 7. Dc7: Dc7: 8. Lc7: Lb4 und Schwarz hat keine Probleme."Nun wurde diese Variante in der Vergangenheit im allgemeinen anders gespielt, etwa E. Kunath - Richter-Mendau in einer Fernpartie 1979: 7. Lb5 Ld7 8. Lc6: Lc6: 9. Dc7: Dd4: 10. Sge2 Dc5 11. Td1 00 12. Le3 Db4 13. a3 Db2: 14. De7: Dc2: 15. Db4 a5 16. Dc4 und 1 : 0 im 19. Zug. Oder Kunath - Werner im BDG- Einladungsturnier: 6. ... 00 7. Dc7: Sc6 8. 000 Dc7: 9. Lc7: Lf5 10. d5 Tfc8 11. dc (besser Lg3!) Tc7: 12. cb Tb7: 13. Lc4 Tab8 14. Lb3 Sg4 15. Sh3 h6 16. Td5 g6 17. Td4 Sf6 18. The1 Lh3: 19. gh Lc5 20. Td2 Te7 21. Sa4 Lb4 22. c3 La5 23. Tde2 Te5 24. Lc2 Tbe8 25. f3 e3 26. f4 T5e7 27. f5 Sd5 28. fg Sf4 29. gf+ Kf7: 30. Tf1 Lc7 31. T2e1 Kg7 32. Tg1+ Kh8 33. h4 e2 34. Kb1 Tg7 35. Tg7: Kg7: 36. Ld1 Kg6 und 0 : 1 im 51. Zug.Viktor Kortschnoi vertrat übrigens die Auffassung, nach 3. ... e5 könne Schwarz nicht mehr gewinnen....Neben der oben erwähnten Variante "Sneiders- Angriff" 4. Dh5 kann Weiss auch mit dem Alfred-Lange-Gambit 4. Se4: antworten. Im von Diemer als "Stammpartie des Alfred- Lange- Gambits" bezeichneten Spiel zwischen Lange sen. - Lange jun., Schloss Wolfegg 1949, folgte 4. ... Dd4 5. Df3 Le7 (5. ... f5!) 6. Se2 Db6 7. S2c3 (7. Dg3!) Le6 8. Le3: Db2: 9. Tb1 Dc2: 10. Tb7: f5! 11. Tc7: Lb4 12. Lb5+ Kd8 13. 00! fe 14. Dh5 Kc7 (14. ... Sd7!) 15. De5:+ Ld6 (15. ... Kb7). Diemer schrieb: "Jetzt gewann 16. De6:! ganz einfach, anstelle des komplizierten 16. Sd5+!?" Fritz 6 empfiehlt hier aber 16. Dg7:+ Se7 17. Dh8: a6 18. La4 Dd3 19. Td1 Sbc6 20. Da8: Dc3: 21. Tc1. ... Den sogenannten "Fritz- Angriff" (1. d4 d5 2. e4 de 3. Lc4) spielte Diemer erstmalig bei der Schweizer Schachmeisterschaft 1956, hier geht 3. ... e5 nicht wegen 4. Dh5.Zum "Sneiders- Angriff" im Lemberger Gegengambit analysierte Emil Kunath in seiner Broschüre von 1987 gründlich die vier hauptsächlichen Antworten auf 4. Dh5, 4. ... ed, 4. ... Sf6, 4. ... Sc6 und 4. .... Dd4:?. Letzteres, die von FM Konikowski als "unklar" bezeichnete Variante 4. ... Dd4, wurde von Emil Kunath mit 5. Sb5 Dd7 6. De5:+ als unspielbar für Schwarz eingeschätzt. Der Computer empfiehlt hier 5. ... Sf6 6. c3 Dc5 7. Le3 Sh5: 8. Lc5: Sa6 9. Lf8: Tf8: 10. 000 Sf4. (5. Sb5 Sf6 6. Sc7:+ Kd8 7. Df7: Lb4 8. c3 Lc3:+ (8. Ke2 Lc5...) 9. bc Dc3: 10. Kd1 Dc7: 11. Dc7: Kc7: 12. Lb2 Sc6). Also besser gleich 5. Le3 Dd6 6. Se4: Db4+ 7. Sd2 Db2: 8. Tb1 Dc3 9. Se2 Sf6 10. Df7:+ Kf7: 11. Sc3:Der Sneiders- Angriff geht zurück auf eine 1960 bei der Meisterschaft von Lanzig in Michigan, USA, gespielte Partie zwischen Sneiders und O`Kelly: 1. d4 d5 2. e4 de 3. Sf3 e5 4. Dh5 ed 5. Lc4 De7 6. Lg5 Sf6 7. Lf6: Df6: 8. Sd5 Dd6 9. 000 Sc6 10. Se2 g6 11. Dh4 Le6 12. Sf6+ Kd8 13. Le6: De6: 14. Sd4: Sd4: 15. Td4:+ Kc8 16. Te4: Lh6+ 17. Kb1 Dc6 18. Dh3+ Kb8 19. Sd7+ Kc8 20. Se5+ De6 21. Sf7: Dh3: 22. gh Kd7 23. Td1+ Kc6 24. Te6+ Kc5 25. Sh6: 1 : 0Als beste Erwiderung auf 4. Dh5 schätzte Emil Kunath 4. ... Sc6 ein. Hierzu nun die Fernpartie Kunath-Nickl: 5. Lb5 Ld7 6. Lc6: Lc6: 7. De5:+ De7 8. Lf4 De5: 9. de 000 10. Sge2 Se7 11. Lg5 h6 12. Le7: Le7: 13. 00 Td2 14. Tac1 Lb4 15. Tfd1 Thd8 16. Td2: Td2: 17. Kf1 Lc3: 18. Sc3: g5 19. b4 e3 20. f3 g4 21. b5 gf 22. bc Tf2+ 23. Kg1 Tg2:+ 24. Kh1 bc 25. Se4 e2 26. Sc3 Tg5 27. Se2: fe 28. e6 fe 29. Te1 Te5: 30. Kg2 Kd7 31. Kf3 Kd6 32. Kf4 Kd5 33. c3 Te4+ 34. Kf3 Ke5 35. a3 a5 36. h3 a4 37. h4 h5 0 : 1
Quellen:Georg Studier: Emil Joseph Diemer - Ein Leben für das Schach im Spiegel seiner Zeit, Schachverlag Mädler 1996Gerhart Gunderam: Supertaktik modernen Gambitspiels, Schachverlag MädlerGerhart Gunderam: Blackmar-Diemer-Gambit, Walter Rau Verlag 1993Alfred Freidl: Das moderne Blackmar-Diemer-Gambit, Band 2; Schachverlag Rudi Schmaus 1984E.J.Diemer: Das moderne Blackmar-Diemer-Gambit, Band 1
Nun noch ein Text von Diemer selber, mit dem sich auch begründet, warum ich das hier in die Rubrik "Kunst" gestellt habe:
a propos - KUNST!Erkenntnisse und ein Bekenntnis.
Mein Herzensanliegen: SCHACH IST KUNST!
Für gut 99 von 100 Schachspielern ist Schach nicht mehr als ein schöner Zeitvertreib, bestenfalls eine geistreiche Unterhaltung, kurz, nur ein Spiel. Sie könnten genauso gut "Mensch-Ärgere-Dich-nicht" spielen. Soweit in Vereinen organisiert, wird es auch noch als Sport betrieben; bei dem es, wie beim Fußball, um Punkte geht. Und einige wenige dieser Schach-Sportler beschäftigen sich mit dem Geschehen auf den 64 Feldern als einer Wissenschaft.All diese zahllosen Anhänger des Königlichen Spiels sind aber im Grunde genommen zu bedauern. Denn an den wirklichen Schönheiten ihres Spieles gehen sie so ihr ganzes Leben lang blind vorüber.Für mich war Schach, als ich es 1934, also erst mit 26 Jahren, bewusst zu spielen begann (was ich dem wochenlangen Zusammensein mit Aljechin während seines Wettkampfes mit Bogoljubow zu verdanken hatte) von Anfang an nichts anderes als eine KUNST.Ich habe mich schon immer gefragt, warum. Es wird wohl der gleiche Vorgang gewesen sein, von dem Albert Einstein dem Prager Physiker Frank berichtet hat:"Wenn ich mich frage, woher es kommt, dass gerade ich die Relativitätstheorie gefunden habe, so scheint es an folgendem Umstande zu liegen: Der normale Erwachsene denkt nicht über Raum - Zeit - Probleme nach. Alles, was darüber nachzudenken ist, hat er nach seiner Meinung bereits in der frühen Kindheit getan. Ich dagegen habe mich derart langsam entwickelt, dass ich erst anfing, mich über Raum und Zeit zu wundern, als ich bereits erwachsen war. Naturgemäss bin ich tiefer in die Probleme eingedrungen als ein gewöhnliches Kind."Das Verhältnis zum Schachspiel musste daher für einen 26 jährigen ganz anders sein, als für jemand, der sozusagen mit dem Schachspiel gross geworden ist.Für mich war also das Schach spielen eine KUNST. Und zwar eine Kunst, wie die Malerei, die Musik, die Dichtkunst. Ich spielte und spiele Schach, weil ich darin eine Möglichkeit sehe, mich künstlerisch, mich selbst schöpferisch zu betätigen. Immer setze ich mich ans Schachbrett, in der Hoffnung und Erwartung, ein KUNSTWERK gestalten zu können, besser gesagt, zu dürfen.Ich befinde mich mit dieser Auffassung heute nicht mehr allein. P.A. Romanowsky hebt im Geleitwort zu W.W. Smyslovs ausgewählten Schachpartien immer wieder auf den künstlerischen Charakter des Schachspiels ab. Da heisst es, dass Smyslov dem "künstlerischen Vermächtnis" M. Tschigorins folge. Und stellt fest: "Da die künstlerischen Ansichten Smyslovs ihren Ursprung vor allem in der Tschigorinschen Schachauffassung haben, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die schachlichen Vorgänge in seiner Betrachtung künstlerischen Charakter erhalten, und dass bei seinem Wirken in dieser Kunst sein gesamtes Gedankengut tiefe Empfindung und echtes künstlerisches Pathos zum Ausdruck bringen." Und er rühmt Smyslov nach, dass "in seinem Spiel technische Entscheidungen und bestimmte Zugfolgen nicht Selbstzweck oder Methode des Schaffens sind, sondern Hilfsmittel zur kunstvollen Verwirklichung schöpferischer Gedanken" (Smyslov also ein legitimer Nachfahre von Paul Morphy!!).Und dass er, Smslov, jene Zugfolge wähle, "die ihn schöpferisch am meisten interessiert und die seinem Geschmack am meisten entspricht". Und es "nicht unterlässt, die rein mechanische Abwicklung nach Möglichkeit durch künstlerische Gedanken zu verschönern". (Was ja auch Paul Morphy in jeder seiner Partien sich zu tun bemühte. Ohne aber in seinen wahren Absichten, bis zum heutigen Tage, von der Nachwelt richtig verstanden worden zu sein. Man nehme nur Geza Maroczys Morphy-Buch zur Hand; man ist erschrocken und enttäuscht über soviel Verständnislosigkeit für Paul Morphys Künstlertum!). Hören wir, was Smyslov selbst Grundlegendes dazu sagt: "Im Schach erblicke ich eine interessante Bewegungssphäre schöpferischer Ideen, die aufgebaut sind auf den gegensätzlichen Plänen zweier Schachspieler, welche während eines spannungsreichen Kampfes danach streben, ein KUNSTWERK zu schaffen. Diese künstlerische Einstellung zum Schach als zu einem Ausdruck höchster Kultur des Volkes habe ich immer als die einzig fruchtbringende angesehen."Smyslov begründet auch, warum im Bewusstsein der nicht-russischen Schachwelt der Gedanke, dass Schach auch und vor allem eine KUNST ist, bisher nicht durchzusetzen vermochte:"Während W.Steinitz und seine Anhänger Schemata in das Schachspiel hineintrugen, die die Phantasie des Spielers durch strenge Gesetze formal logischen Denkens einengten, so betrachtete M.I.Tschigorin als Künstler das Schachspiel von einem anderen Standpunkt aus, nämlich als eine eigenartige Kunst, die nicht durch irgendwelche mathematische Formeln erfasst oder ausgedrückt werden kann".Und Smyslov stellt mit nur zu berechtigtem Stolz fest, dass in seiner Heimat Millionen die Schachkunst lieben, und zwar nicht zuletzt aus dem Grunde "weil sie in ihr neben den Möglichkeiten des sportlichen Wettkampfes die Grundzüge direkt künstlerischen Schaffens finden".Um was es hier geht, möchte ich so formulieren:
Vor einer schönen Kombinationsind Weltmeister und irgend ein unbekannter Schachkünstlerg l e i c h e n Ranges!
Der grosse Dichter Stefan Zweig spricht in seiner faszinierenden "SCHACH-NOVELLE" vom Schach als einer "Kunst ohne Werke". Er meint damit wohl, dass schachliche "Kunstwerke" nicht wie andere Kunstwerke mit den Augen, den Ohren und dem Tastsinn aufgenommen werden könnten. Nun, um eine schöne Partie, ein schachliches KUNSTWERK wie jedes Kunstwerk zu geniessen, zu bewundern, nachzuempfinden, bedarf es wahrhaftig nicht der Augen, der Ohren, des Tastsinnes! Ein nach den heutigen Begriffen "anerkannter" Künstler, und ein Kenner und Könner des Schachspiels haben vieles gemeinsam. Beide müssen eine ungeformte Welt ordnen. Die Welt der 64 Felder mit den 32 Steinen ist aber noch weit ungeformter, als die "Welt" jedes anderen Künstlers. Auch der Schachspieler muss das "Chaos" in sich tragen. Und dieses "Chaos" auf dem Schachbrett stellt ihn immer wieder vor Aufgaben, wie sie einem anderen Künstler kaum jemals gestellt werden. Der Maler hat seine Farben, er sieht, was er darstellen will. Ähnlich ist es beim Bildhauer. Der Komponist hört, was er zum Erklingen bringen will. Und der Dichter hat Gedichte, die er in Versen festzuhalten versucht. Jeder dieser Künstler weiss, was er will, was ihn erwartet, womit er zu rechnen und zu schaffen hat. Der Schachspieler dagegen weiss im vorhinein - nichts. Den Gegner mattzusetzen ist sein einziges Sinnen und Trachten. Wobei es nicht auf das Wie, sondern nur auf das Dass des Mattsetzens ankommt. Daher das grosse Missverständnis, im Schach alles mögliche sehen zu wollen, - nur keine Kunst. Weil das WIE - nicht wie bei jeder anderen Kunst - Selbstzweck ist, sondern nur - Mittel zum Zweck (Ein Opfersieg steht nicht höher als ein Beraubungssieg!).Auf das WIE hat der Schachspieler aber nur einen beschränkten Einfluss. Das hängt von vielen Faktoren ab, die von seinem Willen meist nur am Rande in eine bestimmte Bahn gelenkt werden können. Immer wieder schaltet sich der Gegner ein. (Was ja bereits mit dem ersten Zuge, mit der Wahl der Eröffnung beginnt!).Ein schachliches KUNSTWERK ist also das Ergebnis eines Kampfes zweier Individualitäten, deren einziges Interesse während der Partie nur darin bestand, den anderen zur Aufgabe zu zwingen. Der Gegner, genauer gesagt, der Verlierer, gibt also der Schachpartie und dem schliesslichen Kunstwerk das Gesicht; und das hat für jede große Partie Gültigkeit.Wer sollte nicht in diesem Tatbestand auch die Tragik des Schachkampfes erkennen können? Ja, nicht wenige Schachpartien, die den Anspruch erheben, als KUNSTWERKE gewertet zu werden, haben nicht selten einen Verlauf genommen, der wie bei einem Schicksalsdrama "Furcht und Mitleid" für den heldenhaft Untergegangenen hervorruft.Ob eine Schachpartie zu einem Kunstwerk wird, hängt immer davon ab, ob mir etwas einfällt. Diesen "Einfall" kann man nicht "erzwingen". (Man kann bestenfalls günstige Voraussetzungen für solche "Einfälle" schaffen, z.B. durch die Wahl der Eröffnung...!) Dieser "Einfall" hängt fast immer vom Zufall ab, das heisst vom Willen des Gegners. Die Anregung zum Einfall gibt also meist der Gegner. Der entweder einen Zug macht, der den Schachkünstler auf einen genialen Einfall bringt. Oder, was meist der Fall ist, er zwingt ihn geradezu, die entscheidende Opfer-Kombination - äusseres Kennzeichen des (schachlichen) KUNSTWERKES - auszulösen, will er nicht selbst verlieren.Der Kampf mit der Idee spielt bei einem Maler, einem Komponisten, einem Dichter die gleiche Rolle, die beim Schachkampf dem Gegner übertragen ist. Diese Ähnlichkeit des Schachspiels mit allen anderen "anerkannten" künstlerischen Ausdrucksformen ist doch nicht zu übersehen. Und kein Zufall!Zugegeben, ein Gemälde, eine Oper, ein Gedicht, ein Drama, ein Roman, wird, wenigstens bei uns in Westeuropa und in Amerika, im Augenblick noch von zahllos mehr Menschen verstanden, als zum Beispiel die "Unsterbliche Partie" Anderssens. Aber wenn man bedenkt, dass das allgemeine Bildungsniveau (die Voraussetzung für dieses "Begreifen", für dieses "In-Fleisch-Und-Blut-Übergegangensein"!) noch vor wenigen Jahrzehnten weit niedriger war, und von Jahr zu Jahr immer weiter vorschreitet, entfällt auch dieses immer wieder mit Vorliebe vorgebrachte Argument gegen das Schachspiel als KUNST. In der Sowjetunion gehört es längst zur Allgemein-Bildung, Schach spielen, und daher bei der Beurteilung eines schachlichen Kunstwerkes mitreden zu können. Warum sollte das nicht auch eines, hoffentlich recht baldigen Tages bei uns der Fall sein? Mittel und Wege, um diesen Ideal-Zustand zu erreichen, gibt es genügend - man muss sie nur richtig anzuwenden wissen!Über den Künstler und sein Schaffen las ich einmal:"Das Ungeformte muss er formen, und das Geformte muss er wieder einschmelzen, um zu neuen Formen zu kommen".Genau dieses Formen und Einschmelzen tut der Kenner und Könner des Schachspiels. In jeder Partie; oder versucht es wenigstens. Denn nichts anderes tut er, als immer und immer wieder die "Theorie" (die Praxis der Anderen!) zu verbessern, - oder zu wiederlegen; also das "geformte wieder einschmelzen, um zu neuen Formen zu kommen".Ja, ich möchte sogar noch weiter gehen. Vom KUNSTWERK spricht man gern als von einer "Fortsetzung des göttlichen Schaffens".Zu Beginn einer Schachpartie befindet sich nun der Schachspieler, ich möchte fast sagen, glücklicherweise nicht in der Situation jedes anderen Künstlers, zu dem Gott, der in seinem Werke innegehalten hat, nur zu sagen braucht: "Mach du weiter!". Nein, für jeden echten Schachkünstler beginnt jede Partie sozusagen mit den Worten der Schöpfungsgeschichte: "Und im Anfang war alles wüst und leer!" (Vorausgesetzt allerdings, dass er die Partie vom ersten Zuge an selbständig führt, und nicht etwa erst mit dem 15. oder gar 20. Zuge irgend einer Meisterpartie oder einer "Mode-Variante" seine eigene Partie zu spielen beginnt!)Für den Schach-KÜNSTLER handelt es sich also nicht um ein "Weitermachen", sondern immer und immer wieder um einen völlig neuen Anfang.Sollte SCHACH also eine NEUE KUNST sein?Für mich war das niemals eine Frage, in jeder Partie war und ist es immer wieder erlebte Wirklichkeit. Das hat ein Schachfreund leider noch niemals in einem Lehrbuch gelesen. Wäre es anders, wir bräuchten heute keine Klagelieder anstimmen über das mangelnde Interesse, das die Öffentlichkeit an unserem geliebten Spiel nimmt.Denn so wie ich es auffasse, könnte Schach nämlich die einzige KUNST sein, die ohne allzu große Schwierigkeiten von jedermann beherrscht und ausgeübt werden kann. Wir wissen doch alle, dass jedem halbwegs begabten, erfahrenen und geübten Schachspieler immer wieder einmal eine schöne Kombination gelingt, eine "Stern-Stunde" schlägt. Eine Kombination, der man es nicht ansieht, ob sie von einem grossen Meister oder von irgend einem der zahllosen unbekannten Schachfreunde ausgedacht wurde.Um es nochmals zu betonen:
Vor einer schönen Kombination sind alle gleich!!
Soll Schach also in der ganzen Welt zum Volksspiel werden, dann sehe ich nur den einen Weg:Im Schachspieler den unbekannten Schach-KÜNSTLER anzusprechen!

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