Dossier
“Die
nach weit verbreiteter Auffassung notwendige strikte Abschottung der
Festung Europa, die geringe Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und
politische Brandstiftung nicht nur aus dem konservativen Lager stehen
dem im Weg; das hat die mit sachfremden Erwägungen gespickte mündliche
Urteilsbegründung des Landgerichts Essen gegen so genannte Schleuser
erst kürzlich gezeigt. Es ist schon von daher längst überfällig, für die
vielen erkannten – und die noch größere Zahl der unerkannten –
Fluchthelfer, die verfolgten und Not leidenden Menschen bei der Einreise
nach Deutschland und in die Europäische Union (EU) Hilfe leisten, eine
Lanze zu brechen…“ Aus dem Artikel von Axel Nagler, Mitglied im
Vorstand der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. (s.u.), für uns ein
Anlaß für dieses Dossier. Siehe auch unser
Dossier: Absurde EU-Politik im Mittelmeer: Rettungsmissionen sollen zukünftig von libyschen Schleusern koordiniert werden und hier zur Debatte:
- Unter dem Deckmantel der »Schleuserbekämpfung«: Verhinderung
von Flucht statt Seenotrettung. PRO ASYL zu den heutigen Beratungen
zwischen der EU und Vertreter*innen nordafrikanischer Staaten
“Auslagerung von Grenzschutz und Abschottung sind kein Ersatz für
Menschenrechte, Humanität und Solidarität. Weniger als eine Woche nach
dem Treffen der 27 EU-Innenminister*innen zum Thema Seenotrettung kommen
heute Vertreter*innen der EU mit Minister*innen nordafrikanischer
Staaten zusammen. Bereits vergangene Woche berieten die
EU-Innenminister*innen vorranging über Außengrenzschutz und
Schleuserbekämpfung anstatt über die Rettung von Menschenleben im
Mittelmeer. Diese ersten Akzente der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
zur Flüchtlingspolitik sind höchst problematisch. »Statt eine
staatliche, europäische Seenotrettung anzuvisieren, geht es den
EU-Innenminister*innen nur um Maßnahmen zur Verhinderung von Flucht«,
kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL.
»Zur Verhinderung von Todesfällen im Mittelmeer setzt die EU nur auf
eine Strategie: Zweifelhafte Deals und Grenzschutz auslagern. Um dieses
Ziel zu erreichen, werden schlimmste Menschenrechtsverletzungen, wie wir
sie aus Libyen kennen, in Kauf genommen«. Unter anderem wird die
Teilnahme von Vertreter*innen der sogenannten libyschen
Einheitsregierung sowie Algeriens und Tunesiens erwartet…” Pressemitteilung vom 13.07.2020
- Ausbau von Europol zur Bekämpfung der ‚Migrantenschleusung‘: Lasst den Flüchtenden das Internet!
„Ich halte nichts davon, Facebook-Konten von Schleusern zu löschen.
Den Betroffenen fällt es dadurch immer schwerer, im InternetHilfe für
eine Überfahrt über das Mittelmeer zu finden. Ich fürchte deshalb, dass
Fluchten risikoreicher werden. Noch mehr Tote wären die Folge“; warnt
der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej
Hunko. Der Rat der Europäischen Union hat Europol mit der „Erfassung und
Störung der von Schleusernetzen genutzten technischen Infrastruktur“
beauftragt. Das bei Europol angesiedelte „Zentrum zur Bekämpfung der
Migrantenschleusung“ (EMSC) soll dafür Soziale Netzwerke überwachen und
Nutzerkonten entfernen. Hierzu kooperiert das EMSC mit der „Meldestelle
für Internetinhalte“, die eigentlich gegen „terroristische
Internetinhalte“ gegründet wurde. (…) Das Geschäft der Schleuser ist
tatsächlich oft menschenverachtend, gewalttätig und auf maximalen Profit
ausgerichtet. Es ist aber auch die Folge einer europäischen
Abschottungspolitik. Gäbe es für Asylsuchende sichere Wege zur Einreise
in die Europäische Union oder die Möglichkeit, aus einem Drittstaat
heraus Schutz zu beantragen, würden diese Netzwerke überflüssig. Die
Bundesregierung muss sich deshalb im Rat für eine humane
EU-Flüchtlingspolitik und die Beseitigung der wirklichen Fluchtursachen
einsetzen. Repression und Zensur lösen keine Probleme, sondern machen
das Geschäft der Fluchthilfe erst lukrativ.“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 22. Januar 2019 mit Link zur Antwort auf die Kleine Anfrage „Ausbau von Europol zur Bekämpfung der ‚Migrantenschleusung‘“
- Gerichtsurteil gegen Pegida: Seenotretter sind keine Schlepper
“Nach dem Urteil des Dresdner Landgerichts darf die
fremdenfeindliche Bewegung die Hilfsorganisation „Mission Lifeline“
nicht mehr als Schlepper bezeichnen. Die Dresdner
Seenot-Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ hat vor Gericht einen
weiteren Erfolg erzielt. In einem Unterlassungsprozess setzte sie sich
am Donnerstag gegen die fremdenfeindliche „Pegida“-Bewegung durch. Nach
einem Urteil des Dresdner Landgerichts dürfen die Seenotretter nicht als
Schlepper oder Schlepperorganisation bezeichnet werden. Bei
Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro.
(1aO2748/17 EV und 1aO2749/17 EV) (…) Wegen des Hetzens hatten die
Dresdner Seenotretter eine Unterlassungserklärung von „Pegida“
gefordert, diese hatte eine solche jedoch nicht abgeben wollen.
Lediglich der Post wurde gelöscht. Es bestehe „Wiederholungsgefahr“,
sagte die Richterin. Lifeline-Sprecher Axel Steier zeigte sich zufrieden
mit dem Urteil, dem innerhalb von vier Wochen widersprochen werden kann…” Artikel vom 12.1.2018 bei der taz online – wir gratulieren!
- Menschenschmuggler: Das Geschäft mit den Flüchtlingen
“Ohne Menschenschmuggler gelingt kaum eine Flucht. Erstmals sprechen
Schleuser offen vor der Kamera über ihre Geschäfte, ihre Motive und
über die Jagd, die Polizei und Armee auf sie machen. Der Film lässt die
neuen Menschenhändler sprechen: Anwerber und Skipper, Vermieter
illegaler Unterkünfte und Geldhändler. Er zeigt, wie sie arbeiten –
arbeitsteilig und hochprofessionell, allein und in Netzwerken, mit
Bestechungen von Beamten und mit Gewalt. (…) Europäische Politiker
sprechen regelmäßig von kriminellen Schleuserbanden, die mit der Not
Zehntausender Milliarden verdienten und mit dem Leben der Flüchtenden
spielten. Doch ist es so einfach? Ärmliche, mit Flüchtlingen überladene
Fischerboote, abgerissene Gestalten in Auffanglagern prägen das Bild
illegaler Immigration. Mehr als 1600 Menschen sind 2016 im Mittelmeer
ertrunken. Doch der Tod schreckt kaum einen ab. Die Sehnsucht nach einem
besseren Leben treibt viele zur Flucht. Die meisten von ihnen sind
angewiesen auf die illegalen Helfer…” Beitrag einer internationale Kooperation zwischen Dänischen Rundfunk und dem ZDF vom 23. November 2017 bei ZDFinfo (Videolänge: 43 Min., verfügbar bis zum 22. November 2018)
- [Video] Notruf im Mittelmeer: Das Geschäft der Schleuser
“Das Mittelmeer ist zum Grab geworden. Die Politik ist sich
weitgehend einig, wer für den Tod von mehr als 20 000 Geflüchteten
verantwortlich ist: die Schleuser. (…) Immer mehr Flüchtlinge erreichen
in diesem Sommer Italien. Unterstützung aus Europa – bisher Fehlanzeige.
Dafür fast jeden Tag neue politische Ideen: Zusammenarbeit mit den
libyschen Milizen, Zurückweisung der Bootsflüchtlinge im Zweifel mit
Gewalt, Auffanglager in Nordafrika. Der Politikberater Gerald Knaus gilt
als Erfinder des Abkommens der EU mit der Türkei. Er hält all die
Vorschläge für „Scheindebatten, Theaterpolitik und Populismus“. Wer
keine überzeugenden Lösungen für die Hundertausenden Flüchtlinge vor der
Türen Europas hat, muss offenbar einen Schuldigen präsentieren: die
Schleuser. Dass der Kampf gegen Schlepper das Flüchtlingsproblem
eindämmen oder gar lösen könnte, bezweifelt Knaus. „Man muss Schlepper
bekämpfen, weil sie oft Verbrechen begehen. Nur: Die Verbrecher sind das
Symptom einer gescheiterten Politik – sie sind nicht die Ursache.“ Beitrag von Anna Feist und Christian Rohde bei Frontal21 vom 22. August 2017 (in der ZDF-Mediathek abrufbar bis zum 22. August 2018, Länge: ca. 20 Min.)
- Woher kommt der Hass auf die Seenotretter? Die Hetze gegen
die NGO-Schiffe im Mittelmeer zielt auf die innenpolitische
Auseinandersetzung in Deutschland
“… Eine übergroße Koalition aus CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP
hat in den letzten Monaten ein Tabu über die Flüchtlingsdramen auf dem
Wasser, das Afrika von Europa trennt, verhängt. Sie stützte den Deal der
EU mit denjenigen, die in Libyen gerade das Sagen haben, in einer
selbstbetrügerischen Hoffnung, die Fluchtbewegung könnte unter Beihilfe
der libyschen Küstenwache gestoppt werden. Diese nationale Koalition
verstand das Tabu vor allem als Mittel gegen die AfD. Das Kalkül: was
man nicht sieht, darüber muss man nicht reden. Und wenn nicht geredet
wird, keine Punkte für diese Partei. Ein Missverständnis. (.. ) Wer
keine Argumente hat, greift zur Gewalt, zunächst zur Gewalt in der
Sprache. Wem ein Menschenleben im Mittelmeer gleichgültig ist, interessiert der sich tatsächlich für Menschen im eigenen Land?
Oder wird, wer Asylsuchenden die grundlegenden Sozialleistungen
verweigern will, sie nicht irgendwann auch Einheimischen verweigern und
dafür Gründe finden? Europa kann ohne Probleme zehn Millionen
Flüchtlinge aufnehmen. Auch Deutschland hat noch viele
Aufnahmeressourcen – und vor allem eine große Zahl von Aufnahmebereiten.
Für Ankommende gibt es hundertausendfache Unterstützung, Helfer in
jedem Dorf. Sie sind mindestens so viele, wie diejenigen, die
Schutzsuchenden draußen vor der Grenze ihrem Schicksal überlassen
wollen. Doch das große Tabu der letzten Monate hat auch sie zum
Schweigen verurteilt, hat ihnen ihre Stimme geraubt und den Widerspruch
gegen die falschen und dümmlichen Behauptungen der Populisten unhörbar
gemacht. Deren Verantwortungslosigkeit konnte nicht durch die
Verantwortung so vieler ehrenamtlicher Helfer entlarvt werden.” Beitrag von Thomas Moser vom 14. August 2017 bei Telepolis – einer der Besten seit längerem hierzu!
- Libyen: EU beschließt Polizei auf Schiffen von Rettungsmissionen
“Die Union treibt die Kontrolle der Land- und Seegrenzen weiter
voran. In einer Polizeischule in der Sahel-Region will die
Bundesregierung afrikanische Grenzschützer trainieren…” Artikel von Matthias Monroy vom 18. Juli 2017 bei telepolis
- Seenotrettung im Mittelmeer: Weniger Helfer bedeuten nur mehr Tote
“Private Rettungsschiffe im Mittelmeer helfen Schleuserbanden,
behaupten EU-Politiker. Doch eine Auswertung der Positionsdaten zeigt:
Die Helfer halten sich an die Regeln. (…) 110.374 Menschen schafften es
in diesem Jahr über das Mittelmeer nach Europa. So zählt es das
UN-Flüchtlingshilfswerk. Die meisten von ihnen fuhren über die zentrale
Route von Libyen nach Italien. Zwei Drittel der Flüchtlinge waren in
Schlauchboote gestiegen. “Keines dieser Gummiboote ist in der Lage, das
Festland zu erreichen”, sagt Werth. Die Schlepper zwingen 120, manchmal
150 und mehr Leute auf die Schlauchboote, viel zu viel Last für die
billig zusammengeklebten Gummihüllen. Mehr als 2.300 Flüchtlinge
ertranken allein 2017. “Diese Menschen sind schon in Seenot, wenn sie
den Strand verlassen”, sagt der ehrenamtliche Retter. Europäische
Behörden bestätigen seine Einschätzung…” Artikel von Kai Biermann, Karsten Polke-Majewski, Tilman Steffen und Sascha Venohr vom 19. Juli 2017 bei der Zeit online
- Verdeckte Ermittlungen der Bundespolizei gefährden Geflüchtete und ihre Helfer
“„Auch die Bundespolizei darf zukünftig verdeckte Ermittlungen
durchführen, Schwerpunkt ist die irreguläre Migration. Auch humanitär
und politisch motivierte Fluchthelfer werden dadurch kriminalisiert.
Hinter den von der Bundespolizei dämonisierten ‚Schleuserbanden‘
verbirgt sich oft eine Diaspora von Geflüchteten und ihren
Unterstützern, die Fluchthilfe nicht aus Profitinteresse betreiben“,
erklärt der Bundestagabgeordnete zu den neuen Kompetenzen der
Bundespolizei. Die Bundespolizei bestätigt den bereits üblichen Einsatz
von Vertrauenspersonen und die Kooperation mit der türkischen
Nationalpolizei. Nach der Änderung des Bundespolizeigesetzes im Juni
rekrutiert die Bundespolizei nun verdeckte Ermittler…” Pressemitteilung von und bei Andrej Hunko vom 10. Oktober 2016
- „Schlepper“, „Schleuser“, „Menschenschmuggler“: Über die Kriminalisierung der Fluchthilfe und Strategien der Justiz
“Seitdem die Bundesregierung Mitte September 2015 nach Art. 23 des
Schengener Grenzkodex die Wiedereinführung von Kontrollen an den
Binnengrenzen beschlossen hat, ist die Zahl der Strafverfahren gegen
sog. Schleuser_innen so drastisch gestiegen, dass in Bayern die
Gefängnisse überfüllt sind und die Amtsgerichte Bewährungsstrafen im
Viertelstundentakt verhängen…” Beitrag von Michael Plöse beim Antifaschistischen Infoblatt AIB 109 / 4.2015, online vom 26.02.2016 . Aus dem Text: “…
Während selbst aus Polizeikreisen eine Entkriminalisierung der
unerlaubten Einreise und der Beihilfe hierzu gefordert wird, verschärft
die Bundesregierung die Strafandrohung für Fluchthilfe auf eine
Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis. Die „Bekämpfung“ von
„Schleppern“ ist in Europa Staatsraison und soll vom politischen
Versagen bei der Organisation der Flüchtlingshilfe ablenken. Dabei
richtet sich die Kriminalisierung immer öfter auch gegen solidarische
Fluchthilfeaktionen und kollidiert bewusst mit dem Wohlfühlgewissen der
Willkommenskultur. 3.601 Flüchtende haben 2015 im Mittelmeer bei dem
Versuch, ihr Leben zu retten, ihr Leben gelassen. Die Bilder von
ertrunkenen Menschen an Europas Stränden und die 71 Leichen in einem LKW
südlich von Wien erzeugen Betroffenheit und provozieren die Suche nach
Verantwortlichen. Die unverhohlene Scheinheiligkeit, mit der die
zuständigen Innenminister die Folgen ihrer martialischen Abschottungs-
und Abschreckungspolitik den kommerziellen und solidarischen, in jedem
Fall aber kriminalisierten Fluchthilfenetzwerken zuschieben, wenn sie
Betroffenheit heucheln und von „schamlosen Menschenschmugglern“
schwadronieren, appelliert nicht umsonst an die rassistischen und
stigmatisierenden Vorstellungen von den „ausländischen Schlepperbanden“,
die schon in den 1990er Jahren unter dem Kampfbegriff der „Organisierte
Kriminalität“ die Fluchthilfe in einem Atemzug mit „Menschenhandel“,
Zwangsprostitution und Kindesmissbrauch nannten. Dabei wird oft
vergessen, dass auch der illegalisierte Markt wie jeder andere nach den
Mechanismen von Angebot und Nachfrage funktioniert und dass die
militarisierte Aufrüstung an den Außengrenzen ebenso wie die
Intensivierung der Migrationskontrolle im Inland für die Flüchtenden die
Inanspruchnahme gut vernetzter Fluchthilfestrukturen geradezu notwendig
macht und damit den Preis für die begehrte Dienstleistung in die Höhe
treibt…“
- Fluchthilfe entkriminalisieren, Verselbständigung der EU-Polizeiagentur Europol stoppen
“„Die gegenwärtige Flüchtlingskrise braucht zweifellos eine
gesamteuropäische Antwort. Die Aufrüstung der EU-Polizeiagentur gegen
Fluchthilfe ist jedoch der falsche Weg. Das profitorientierte Geschäft
der ‚Schlepper‘ wäre stattdessen sofort Geschichte, wenn die Europäische
Union legale Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete beschließen würde“,
erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zur Eröffnung des
„Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ bei
Europol. Zur „Zerschlagung von Schleppernetzen“ eröffnet Europol heute
in Den Haag ein „Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der
Migrantenschleusung“ (EMSC). Vorhandene Abteilungen werden
zusammengefasst und aufgewertet. Zu dem Zentrum gehören
Soforteinsatzteams für die Erstellung von Lagebildern und Durchführung
gemeinsamer Operationen…” Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 22. Februar 2016
- “Refugee-Konvoi”: Fluchthilfeaktionen haben strafrechtliche Folgen
“Der sogenannte Refugee-Konvoi, ein Autokonvoi zur Fluchthilfe auf
Etappen der Balkanroute in Richtung Deutschland, hat ein
strafrechtliches Nachspiel: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt laut
STANDARD-Informationen gegen zumindest drei Teilnehmende wegen des
Verdachts auf Schlepperei. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt, dass
Ermittlungen zumindest gegen einen Tatverdächtigen laufen, mehr könne
man derzeit noch nicht sagen, da man den Polizeibericht abwarte. Es geht
um den Konvoi von Ungarn nach Wien am 6. September 2015. Rund 150 Autos
fuhren an jenem Tag von Wien nach Györ und Budapest, um Flüchtlingen
eine sichere und kostenlose Weiterreise zu ermöglichen. Strafrechtliche
Ermittlungen gibt es auch gegen eine zweite Fluchthilfeinitiative. Die
von Deutschland aus lancierte Onlineplattform “fluchthelfer.in”, die zu
privatem Fluchthilfeengagement aufruft und Tipps gibt, wie man sich
dabei vor Strafverfolgung schützt, steht im Fokus eines
Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt an der Staatsanwaltschaft (StA)
Linz. Wobei es hier nicht um Schlepperei, sondern ums Auffordern zu
Straftaten beziehungsweise zum Ungehorsam gegen Gesetze geht, wofür im
Fall einer Verurteilung maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen
sind. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass das Ermittlungsverfahren in
Linz bleibt: Auch in Deutschland werde gegen die Plattform ermittelt,
“in den nächsten Wochen” kläre man, ob der Fall dorthin wandert, heißt
es in Linz…” Beitrag von Maria Sterkl beim Standard online vom 5. November 2015 . Siehe zum Hintergrund etwa: Aktion: Fluchthilfe ist kein Verbrechen – Materialsammlung im LabourNet Germany bis 10. August 2015
- Europol und Interpol verstärken Bekämpfung von Fluchthelfern
“Die Polizeiorganisationen errichten internationale Zentren gegen
“Migrantenschleusung”. Die angeschlossenen Kriminalpolizeien verarbeiten
auch Informationen von Geheimdiensten. Die EU-Polizeiagentur Europol
erhält 30 zusätzliche Planstellen zum Aufspüren und Verfolgen von
Fluchthelfern. Dies geht aus einem Nachtrag zum Haushaltsplan hervor,
den die EU-Kommission Anfang des Monats veröffentlicht hat. Als Ziel
wird die “Zerschlagung von Schleppernetzen” angegeben. Einige der neuen
Mitarbeiter sollen mithilfe automatisierter Verfahren das Internet
beobachten. Europol soll Postings, mit denen die Fluchthelfer “Migranten
und Flüchtlinge anlocken”, ausfindig machen und bei den
Internetanbietern deren Entfernung aus dem Netz beantragen…” Beitrag von Matthias Monroy bei telepolis vom 22.10.2015
- Landgericht Freiburg treibt Flüchtlinge ins Mittelmeer
“… Am Donnerstag, dem 26. März, endete das Verfahren gegen zwei
mutmaßliche Fluchthelfer beim Landgericht Freiburg mit einer
Verurteilung wegen „Einschleusen von Ausländern“. Das Landgericht sah es
als erwiesen an, dass die Angeklagten in mehreren Fällen
Blankodokumente an eine türkische Gruppe weitergaben, die damit
syrischen Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland ermöglichte. Der
akj Freiburg hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, die Angeklagten
unter Berufung auf den rechtfertigenden Notstand nach § 34
Strafgesetzbuch freizusprechen. Dem ist das Landgericht nicht gefolgt…”
Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) Freiburg
kritisiert die Verurteilung von mutmaßlichen Fluchthelfern. Pressemitteilung des akj Freiburg vom 29.03.2015 . Siehe dazu:
- Aus demText: “… Der akj Freiburg kritisiert das Urteil als
herben Rückschlag für syrische Flüchtlinge, die in der Türkei
festsitzen. Das Landgericht verkenne die akute Notlage, in der sich
Viele der über 1,7 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei
befinden. Sie leben in überfüllten Lagern oder auf der Straße und
hungern, insbesondere im Winter ist die Lage lebensgefährlich. Die
Gesundheitsversorgung ist völlig unzureichend, wie zahlreiche Berichte
internationaler Organisationen belegen. Die Verfolgung und
Kriminalisierung von Fluchthelfer*innen wird nach Einschätzung des akj
dazu führen, dass noch mehr Flüchtlinge auf das Mittelmeer ausweichen
müssen. Das Landgericht Freiburg trägt folglich zum Massensterben an den
EU-Außengrenzen bei…“
- Siehe auch das Interview mit dem akj Freiburg im Radio Dreyeckland vom 27. März 2015
- Kein Strafnachlass für Schleusen von Flüchtlingen aus Griechenland
“Für Schleuser gibt es keine Strafmilderung. Das gilt auch dann,
wenn sie aus humanitären Gründen handeln und Flüchtlinge aus Ländern
schleusen, denen erhebliche Asyl-Defizite attestiert werden. Das hat das
Bundesgerichtshof entschieden. (…) Damit bestätigte das Gericht
die Verurteilung zweier Männer zu jeweils drei Jahren Haft wegen
gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern…” Meldung beim Migazin vom 2. März 2015
- Das Flüchtlingsverbrechen
“Der eine half DDR-Bürgern bei der Flucht in den Westen und gilt als
Held. Der andere brachte Flüchtlinge aus Sri Lanka nach Deutschland und
wurde verurteilt. Schleusern schlägt inzwischen nur noch Verachtung
entgegen. Dabei kann man Fluchthelfern durchaus edle Motive
unterstellen…” Artikel von Alex Rühle auf sueddeutsche.de vom 1. März 2015 . Aus demText: “…
Was soll man zuletzt sagen gegen das Argument einiger Kritiker, man
könne die Arbeit der DDR-Fluchthelfer nicht mit heutiger Schleuserarbeit
vergleichen? Schließlich habe es damals eine tödliche Grenze gegeben,
während doch heute jeder Asylantrag genau geprüft werde? Da muss
Burkhard Veigel am Telefon lachen: “Die kommen ohne Schleuser ja nie
dazu, einen Asylantrag zu stellen. Das Mittelmeer ist tödlicher als die
Mauer.” Veigel ist heute 80 Jahre alt, und er sagt: “Ich sehe keinen
Unterschied zwischen dem, was ich gemacht habe und dem, was ein
syrischer Fluchthelfer macht. Wenn ein Mensch in Not ist, hat er ein
eigenes Gesetz. Und wenn ihm kein anderer hilft, müssen wir das eben
tun.”“
- Strafe für lebensrettende Fluchthilfe?
“Ab dem 30. Januar wird am Landgericht Freiburg der Fall von drei
mutmaßlichen Mitgliedern einer sogenannten „Schleuserbande“ verhandelt.
Den Angeklagten wird vorgeworfen, Einbrüche in Rathäuser in Auftrag
gegeben, die dabei erbeuteten Blankodokumente zum Fälschen von Ausweisen
verwendet und so syrischen Flüchtlinge die Einreise nach Deutschland
ermöglicht zu haben. Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und
Juristen (akj) geht von einem Freispruch durch das Landgericht aus.
„Strafe für lebensrettende Fluchthilfe? So ein Blödsinn! Wir leben doch
in einem Staat, der die Grund- und Menschenrechte achtet“, erklärt David
Werdermann vom akj. Dass es überhaupt zur Anklage durch die
Staatsanwaltschaft gekommen ist, sieht der akj in der mangelhaften
Jurist*innenausbildung begründet. Diese produziere gewissenlose
Rechtstechniker*innen, die ihr Fähnchen in den Wind der aktuellen
politischen Machtverhältnisse (hier: die europäische
Abschottungspolitik) hängen, statt dem Recht zur Durchsetzung zu
verhelfen…” Pressemitteilung des akj Freiburg vom 29.01.2014 . Siehe dazu auch das Interview mit dem akj Freiburg beim Radio Dreyeckland vom 30. Januar 2015
- Von Schleppern und Schleusern: Prozess in der Wiener Neustadt steht vor der Urteilsverkündung. Dazu:
-
- Schlepper: Hier Helden, dort Kriminelle – Artikel von Maria Sterkl
in Der Standard vom 29. November 2014 und Urteilsverkündung
“Schlepperei”-Prozess – hinfahren, Solidarität zeigen! Aufruf der
Unterstützer*innengruppe solidarityagainstrepression zur
(voraussichtlichen) Urteilsverkündung am 4. Dezember 2014 in unserem Beitrag
- Fluchthilfe: Lob des Schleusers
„Es gab eine Zeit, da hießen Schleuser und Schlepper noch
“Fluchthelfer” und haben für ihre kostenpflichtiige Dienstleistung in
bundesdeutschen Zeitungen offen geworben. In der DDR galt dies natürlich
als Straftatbestand und wurde als “staatsfeindlicher Menschenhandel”
geahndet. (Unterhalb von “staatsfeindlich” ging in der DDR offenbar
nichts.) Heute gibt es die DDR zwar nicht mehr. Fluchthelfer werden aber
nun von der BRD ebenfalls konsequent verfolgt. So berichtet etwa “Der
Westen” im Dezember 2013: “Mit einer Bewährungsstrafe beendete das
Landgericht Essen einen Prozess gegen anfangs sechs Angeklagte, die
Syrer aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geschleust hatten. Das
Gericht berücksichtigte zwar humanitäre Aspekte, den Schleusern sei es
aber auch um den finanziellen Gewinn gegangen.” Der Autor Stefan Buchen
hat dazu ein Buch geschrieben: “Die neuen Staatsfeinde. Wie die Helfer
syrischer Kriegsflüchtlinge in Deutschland kriminalisiert werden.”… Artikel auf der Seite der GGUA Flüchtlingshilfe (Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V.) 21.08.2014
- Lob der Schleuser – Wer Menschen in Not hilft, ist kein Verbrecher
„In Verfahren gegen so genannte ›Schleuser‹ gelingt der
Justiz die Herstellung einer Konkordanz zwischen Gesetz und Recht häufig
nicht.(1) Die nach weit verbreiteter Auffassung notwendige strikte
Abschottung der Festung Europa, die geringe Kenntnis der tatsächlichen
Verhältnisse und politische Brandstiftung nicht nur aus dem
konservativen Lager stehen dem im Weg; das hat die mit sachfremden
Erwägungen gespickte mündliche Urteilsbegründung des Landgerichts Essen
gegen so genannte Schleuser erst kürzlich gezeigt. Es ist schon von
daher längst überfällig, für die vielen erkannten – und die noch größere
Zahl der unerkannten – Fluchthelfer, die verfolgten und Not leidenden
Menschen bei der Einreise nach Deutschland und in die Europäische Union
(EU) Hilfe leisten, eine Lanze zu brechen…“ Artikel von Axel Nagler,
Rechtsanwalt, Notar und Seemann und Mitglied im Vorstand der
Strafverteidigervereinigung NRW e.V. Der Originalbeitrag ist in der
Februar-Ausgabe (2014) der Zeitschrift ›freispruch. Mitgliederzeitung
der Strafverteidigervereinigungen‹ erschienen; wir danken für die
Nachdruckerlaubnis.“ Der Nachdruck des Artikels auf der Seite der RAV
- Kommentar Schleuser und Asylrecht: Einwanderung neu denken
“Bei Fluchthelfern ist es wie beim Drogenhandel: Nur die
Legalisierung sorgt für mehr Sicherheit und macht Kriminellen das Leben
schwer.
Schleuser oder Schlepper sind Berufe, die auf dem Humus der
europäischen Asylpolitik gedeihen. Beispielsweise in Österreich. Dort
dürfen Asylanträge seit etwa 15 Jahre nur im Inland gestellt werden. Wer
sich in seinem Land nicht sicher fühlt, wird durch die Gesetzeslage
gezwungen, die Dienste von Fluchthelfern in Anspruch zu nehmen und in
der Regel auf lebensgefährlichen Wegen nach Europa zu kommen. Denn die
wenigsten sind mit Vermögen, Flugticket und Visum ausgestattet…” Kommentar von Ralf Leonhard in der taz online vom 06.02.2014
- Streit um Meinungsfreiheit in Österreich: Auch Schlepper dürfen gelobt werden
“Ein Asylrechtsaktivist sollte verklagt werden, weil er Schlepper
„sozial nützliche Dienstleister“ nannte. Der Prozess wurde in letzter
Minute abgesagt.
Schlepper oder Schleuser, die Verfolgte ins Land bringen, haben
Anspruch auf ihr Geld. Das kann man in Österreich ungestraft behaupten.
So ist die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu
interpretieren, einen Prozess gegen Michael Genner in letzter Minute
abzublasen. Am Donnerstag hätte sich der Vorsitzende der
Asylrechtsorganisation Asyl in Not in Wien wegen „Gutheißens einer mit
Strafe bedrohten Handlung“ vor Gericht verantworten müssen…” Artikel von Ralf Leonhard in der taz online vom 05.02.2014 . Siehe zum Hintergrund: Internationales » Österreich » Soziale Konflikte » Solidarität mit Michael Genner! (Prozess abgesagt)
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