Dienstag, 14. Juli 2020

Debatte um Schleuser und Schlepper – richtet sich gegen Fluchthelfer


Dossier

EU-Aussengrenze“Die nach weit verbreiteter Auffassung notwendige strikte Abschottung der Festung Europa, die geringe Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und politische Brandstiftung nicht nur aus dem konservativen Lager stehen dem im Weg; das hat die mit sachfremden Erwägungen gespickte mündliche Urteilsbegründung des Landgerichts Essen gegen so genannte Schleuser erst kürzlich gezeigt. Es ist schon von daher längst überfällig, für die vielen erkannten – und die noch größere Zahl der unerkannten – Fluchthelfer, die verfolgten und Not leidenden Menschen bei der Einreise nach Deutschland und in die Europäische Union (EU) Hilfe leisten, eine Lanze zu brechen…“ Aus dem Artikel von Axel Nagler, Mitglied im Vorstand der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. (s.u.), für uns ein Anlaß für dieses Dossier. Siehe auch unser Dossier: Absurde EU-Politik im Mittelmeer: Rettungsmissionen sollen zukünftig von libyschen Schleusern koordiniert werden und hier zur Debatte:
  • Unter dem Deckmantel der »Schleuserbekämpfung«: Verhinderung von Flucht statt Seenotrettung. PRO ASYL zu den heutigen Beratungen zwischen der EU und Vertreter*innen nordafrikanischer Staaten New
    Auslagerung von Grenzschutz und Abschottung sind kein Ersatz für Menschenrechte, Humanität und Solidarität. Weniger als eine Woche nach dem Treffen der 27 EU-Innenminister*innen zum Thema Seenotrettung kommen heute Vertreter*innen der EU mit Minister*innen nordafrikanischer Staaten zusammen. Bereits vergangene Woche berieten die EU-Innenminister*innen vorranging über Außengrenzschutz und Schleuserbekämpfung anstatt über die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer. Diese ersten Akzente der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zur Flüchtlingspolitik sind höchst problematisch. »Statt eine staatliche, europäische Seenotrettung anzuvisieren, geht es den EU-Innenminister*innen nur um Maßnahmen zur Verhinderung von Flucht«, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL. »Zur Verhinderung von Todesfällen im Mittelmeer setzt die EU nur auf eine Strategie: Zweifelhafte Deals und Grenzschutz auslagern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden schlimmste Menschenrechtsverletzungen, wie wir sie aus Libyen kennen, in Kauf genommen«. Unter anderem wird die Teilnahme von Vertreter*innen der sogenannten libyschen Einheitsregierung sowie Algeriens und Tunesiens erwartet…” Pressemitteilung vom 13.07.2020 externer Link
  • Ausbau von Europol zur Bekämpfung der ‚Migrantenschleusung‘: Lasst den Flüchtenden das Internet! 
    „Ich halte nichts davon, Facebook-Konten von Schleusern zu löschen. Den Betroffenen fällt es dadurch immer schwerer, im InternetHilfe für eine Überfahrt über das Mittelmeer zu finden. Ich fürchte deshalb, dass Fluchten risikoreicher werden. Noch mehr Tote wären die Folge“; warnt der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. Der Rat der Europäischen Union hat Europol mit der „Erfassung und Störung der von Schleusernetzen genutzten technischen Infrastruktur“ beauftragt. Das bei Europol angesiedelte „Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ (EMSC) soll dafür Soziale Netzwerke überwachen und Nutzerkonten entfernen. Hierzu kooperiert das EMSC mit der „Meldestelle für Internetinhalte“, die eigentlich gegen „terroristische Internetinhalte“ gegründet wurde. (…) Das Geschäft der Schleuser ist tatsächlich oft menschenverachtend, gewalttätig und auf maximalen Profit ausgerichtet. Es ist aber auch die Folge einer europäischen Abschottungspolitik. Gäbe es für Asylsuchende sichere Wege zur Einreise in die Europäische Union oder die Möglichkeit, aus einem Drittstaat heraus Schutz zu beantragen, würden diese Netzwerke überflüssig. Die Bundesregierung muss sich deshalb im Rat für eine humane EU-Flüchtlingspolitik und die Beseitigung der wirklichen Fluchtursachen einsetzen. Repression und Zensur lösen keine Probleme, sondern machen das Geschäft der Fluchthilfe erst lukrativ.“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 22. Januar 2019 externer Link mit Link zur Antwort auf die Kleine Anfrage „Ausbau von Europol zur Bekämpfung der ‚Migrantenschleusung‘“
  • Gerichtsurteil gegen Pegida: Seenotretter sind keine Schlepper 
    Nach dem Urteil des Dresdner Landgerichts darf die fremdenfeindliche Bewegung die Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ nicht mehr als Schlepper bezeichnen. Die Dresdner Seenot-Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ hat vor Gericht einen weiteren Erfolg erzielt. In einem Unterlassungsprozess setzte sie sich am Donnerstag gegen die fremdenfeindliche „Pegida“-Bewegung durch. Nach einem Urteil des Dresdner Landgerichts dürfen die Seenotretter nicht als Schlepper oder Schlepperorganisation bezeichnet werden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro. (1aO2748/17 EV und 1aO2749/17 EV) (…) Wegen des Hetzens hatten die Dresdner Seenotretter eine Unterlassungserklärung von „Pegida“ gefordert, diese hatte eine solche jedoch nicht abgeben wollen. Lediglich der Post wurde gelöscht. Es bestehe „Wiederholungsgefahr“, sagte die Richterin. Lifeline-Sprecher Axel Steier zeigte sich zufrieden mit dem Urteil, dem innerhalb von vier Wochen widersprochen werden kann…” Artikel vom 12.1.2018 bei der taz online externer Link – wir gratulieren!
  • Menschenschmuggler: Das Geschäft mit den Flüchtlingen
    “Ohne Menschenschmuggler gelingt kaum eine Flucht. Erstmals sprechen Schleuser offen vor der Kamera über ihre Geschäfte, ihre Motive und über die Jagd, die Polizei und Armee auf sie machen. Der Film lässt die neuen Menschenhändler sprechen: Anwerber und Skipper, Vermieter illegaler Unterkünfte und Geldhändler. Er zeigt, wie sie arbeiten – arbeitsteilig und hochprofessionell, allein und in Netzwerken, mit Bestechungen von Beamten und mit Gewalt. (…) Europäische Politiker sprechen regelmäßig von kriminellen Schleuserbanden, die mit der Not Zehntausender Milliarden verdienten und mit dem Leben der Flüchtenden spielten. Doch ist es so einfach? Ärmliche, mit Flüchtlingen überladene Fischerboote, abgerissene Gestalten in Auffanglagern prägen das Bild illegaler Immigration. Mehr als 1600 Menschen sind 2016 im Mittelmeer ertrunken. Doch der Tod schreckt kaum einen ab. Die Sehnsucht nach einem besseren Leben treibt viele zur Flucht. Die meisten von ihnen sind angewiesen auf die illegalen Helfer…” Beitrag einer internationale Kooperation zwischen  Dänischen Rundfunk und dem ZDF vom 23. November 2017 bei ZDFinfo externer Link (Videolänge: 43 Min., verfügbar bis zum 22. November 2018)
  • [Video] Notruf im Mittelmeer: Das Geschäft der Schleuser
    “Das Mittelmeer ist zum Grab geworden. Die Politik ist sich weitgehend einig, wer für den Tod von mehr als 20 000 Geflüchteten verantwortlich ist: die Schleuser. (…) Immer mehr Flüchtlinge erreichen in diesem Sommer Italien. Unterstützung aus Europa – bisher Fehlanzeige. Dafür fast jeden Tag neue politische Ideen: Zusammenarbeit mit den libyschen Milizen, Zurückweisung der Bootsflüchtlinge im Zweifel mit Gewalt, Auffanglager in Nordafrika. Der Politikberater Gerald Knaus gilt als Erfinder des Abkommens der EU mit der Türkei. Er hält all die Vorschläge für „Scheindebatten, Theaterpolitik und Populismus“. Wer keine überzeugenden Lösungen für die Hundertausenden Flüchtlinge vor der Türen Europas hat, muss offenbar einen Schuldigen präsentieren: die Schleuser. Dass der Kampf gegen Schlepper das Flüchtlingsproblem eindämmen oder gar lösen könnte, bezweifelt Knaus. „Man muss Schlepper bekämpfen, weil sie oft Verbrechen begehen. Nur: Die Verbrecher sind das Symptom einer gescheiterten Politik – sie sind nicht die Ursache.“ Beitrag von Anna Feist und Christian Rohde bei Frontal21 vom 22. August 2017 externer Link (in der ZDF-Mediathek abrufbar bis zum 22. August 2018, Länge: ca. 20 Min.)
  • Woher kommt der Hass auf die Seenotretter? Die Hetze gegen die NGO-Schiffe im Mittelmeer zielt auf die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland 
    “… Eine übergroße Koalition aus CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP hat in den letzten Monaten ein Tabu über die Flüchtlingsdramen auf dem Wasser, das Afrika von Europa trennt, verhängt. Sie stützte den Deal der EU mit denjenigen, die in Libyen gerade das Sagen haben, in einer selbstbetrügerischen Hoffnung, die Fluchtbewegung könnte unter Beihilfe der libyschen Küstenwache gestoppt werden. Diese nationale Koalition verstand das Tabu vor allem als Mittel gegen die AfD. Das Kalkül: was man nicht sieht, darüber muss man nicht reden. Und wenn nicht geredet wird, keine Punkte für diese Partei. Ein Missverständnis. (.. ) Wer keine Argumente hat, greift zur Gewalt, zunächst zur Gewalt in der Sprache. Wem ein Menschenleben im Mittelmeer gleichgültig ist, interessiert der sich tatsächlich für Menschen im eigenen Land? Oder wird, wer Asylsuchenden die grundlegenden Sozialleistungen verweigern will, sie nicht irgendwann auch Einheimischen verweigern und dafür Gründe finden? Europa kann ohne Probleme zehn Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Auch Deutschland hat noch viele Aufnahmeressourcen – und vor allem eine große Zahl von Aufnahmebereiten. Für Ankommende gibt es hundertausendfache Unterstützung, Helfer in jedem Dorf. Sie sind mindestens so viele, wie diejenigen, die Schutzsuchenden draußen vor der Grenze ihrem Schicksal überlassen wollen. Doch das große Tabu der letzten Monate hat auch sie zum Schweigen verurteilt, hat ihnen ihre Stimme geraubt und den Widerspruch gegen die falschen und dümmlichen Behauptungen der Populisten unhörbar gemacht. Deren Verantwortungslosigkeit konnte nicht durch die Verantwortung so vieler ehrenamtlicher Helfer entlarvt werden.” Beitrag von Thomas Moser vom 14. August 2017 bei Telepolis externer Link – einer der Besten seit längerem hierzu!
  • Libyen: EU beschließt Polizei auf Schiffen von Rettungsmissionen
    Die Union treibt die Kontrolle der Land- und Seegrenzen weiter voran. In einer Polizeischule in der Sahel-Region will die Bundesregierung afrikanische Grenzschützer trainieren…” Artikel von Matthias Monroy vom 18. Juli 2017 bei telepolis externer Link
  • Seenotrettung im Mittelmeer: Weniger Helfer bedeuten nur mehr Tote
    Private Rettungsschiffe im Mittelmeer helfen Schleuserbanden, behaupten EU-Politiker. Doch eine Auswertung der Positionsdaten zeigt: Die Helfer halten sich an die Regeln. (…) 110.374 Menschen schafften es in diesem Jahr über das Mittelmeer nach Europa. So zählt es das UN-Flüchtlingshilfswerk. Die meisten von ihnen fuhren über die zentrale Route von Libyen nach Italien. Zwei Drittel der Flüchtlinge waren in Schlauchboote gestiegen. “Keines dieser Gummiboote ist in der Lage, das Festland zu erreichen”, sagt Werth. Die Schlepper zwingen 120, manchmal 150 und mehr Leute auf die Schlauchboote, viel zu viel Last für die billig zusammengeklebten Gummihüllen. Mehr als 2.300 Flüchtlinge ertranken allein 2017. “Diese Menschen sind schon in Seenot, wenn sie den Strand verlassen”, sagt der ehrenamtliche Retter. Europäische Behörden bestätigen seine Einschätzung…” Artikel von Kai Biermann, Karsten Polke-Majewski, Tilman Steffen und Sascha Venohr vom 19. Juli 2017 bei der Zeit online externer Link
  • Verdeckte Ermittlungen der Bundespolizei gefährden Geflüchtete und ihre Helfer
    „Auch die Bundespolizei darf zukünftig verdeckte Ermittlungen durchführen, Schwerpunkt ist die irreguläre Migration. Auch humanitär und politisch motivierte Fluchthelfer werden dadurch kriminalisiert. Hinter den von der Bundespolizei dämonisierten ‚Schleuserbanden‘ verbirgt sich oft eine Diaspora von Geflüchteten und ihren Unterstützern, die Fluchthilfe nicht aus Profitinteresse betreiben“, erklärt der Bundestagabgeordnete zu den neuen Kompetenzen der Bundespolizei. Die Bundespolizei bestätigt den bereits üblichen Einsatz von Vertrauenspersonen und die Kooperation mit der türkischen Nationalpolizei. Nach der Änderung des Bundespolizeigesetzes im Juni rekrutiert die Bundespolizei nun verdeckte Ermittler…Pressemitteilung von und bei Andrej Hunko vom 10. Oktober 2016 externer Link
  • „Schlepper“, „Schleuser“, „Menschenschmuggler“: Über die Kriminalisierung der Fluchthilfe und Strategien der Justiz
    Seitdem die Bundesregierung Mitte September 2015 nach Art. 23 des Schengener Grenzkodex die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen beschlossen hat, ist die Zahl der Strafverfahren gegen sog. Schleuser_innen so drastisch gestiegen, dass in Bayern die Gefängnisse überfüllt sind und die Amtsgerichte Bewährungsstrafen im Viertelstundentakt verhängen…Beitrag von Michael Plöse beim Antifaschistischen Infoblatt AIB 109 / 4.2015, online vom 26.02.2016 externer Link. Aus dem Text: “… Während selbst aus Polizeikreisen eine Entkriminalisierung der unerlaubten Einreise und der Beihilfe hierzu gefordert wird, verschärft die Bundesregierung die Strafandrohung für Fluchthilfe auf eine Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis. Die „Bekämpfung“ von „Schleppern“ ist in Europa Staatsraison und soll vom politischen Versagen bei der Organisation der Flüchtlingshilfe ablenken. Dabei richtet sich die Kriminalisierung immer öfter auch gegen solidarische Fluchthilfeaktionen und kollidiert bewusst mit dem Wohlfühlgewissen der Willkommenskultur. 3.601 Flüchtende haben 2015 im Mittelmeer bei dem Versuch, ihr Leben zu retten, ihr Leben gelassen. Die Bilder von ertrunkenen Menschen an Europas Stränden und die 71 Leichen in einem LKW südlich von Wien erzeugen Betroffenheit und provozieren die Suche nach Verantwortlichen. Die unverhohlene Scheinheiligkeit, mit der die zuständigen Innenminister die Folgen ihrer martialischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik den kommerziellen und solidarischen, in jedem Fall aber kriminalisierten Fluchthilfenetzwerken zuschieben, wenn sie Betroffenheit heucheln und von „schamlosen Menschenschmugglern“ schwadronieren, appelliert nicht umsonst an die rassistischen und stigmatisierenden Vorstellungen von den „ausländischen Schlepperbanden“, die schon in den 1990er Jahren unter dem Kampfbegriff der „Organisierte Kriminalität“ die Fluchthilfe in einem Atemzug mit „Menschenhandel“, Zwangsprostitution und Kindesmissbrauch nannten. Dabei wird oft vergessen, dass auch der illegalisierte Markt wie jeder andere nach den Mechanismen von Angebot und Nachfrage funktioniert und dass die militarisierte Aufrüstung an den Außengrenzen ebenso wie die Intensivierung der Migrationskontrolle im Inland für die Flüchtenden die Inanspruchnahme gut vernetzter Fluchthilfestrukturen geradezu notwendig macht und damit den Preis für die begehrte Dienstleistung in die Höhe treibt…
  • Fluchthilfe entkriminalisieren, Verselbständigung der EU-Polizeiagentur Europol stoppen
    „Die gegenwärtige Flüchtlingskrise braucht zweifellos eine gesamteuropäische Antwort. Die Aufrüstung der EU-Polizeiagentur gegen Fluchthilfe ist jedoch der falsche Weg. Das profitorientierte Geschäft der ‚Schlepper‘ wäre stattdessen sofort Geschichte, wenn die Europäische Union legale Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete beschließen würde“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zur Eröffnung des „Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ bei Europol. Zur „Zerschlagung von Schleppernetzen“ eröffnet Europol heute in Den Haag ein „Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ (EMSC). Vorhandene Abteilungen werden zusammengefasst und aufgewertet. Zu dem Zentrum gehören Soforteinsatzteams für die Erstellung von Lagebildern und Durchführung gemeinsamer Operationen…Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 22. Februar 2016 externer Link
  • “Refugee-Konvoi”: Fluchthilfeaktionen haben strafrechtliche Folgen
    Der sogenannte Refugee-Konvoi, ein Autokonvoi zur Fluchthilfe auf Etappen der Balkanroute in Richtung Deutschland, hat ein strafrechtliches Nachspiel: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt laut STANDARD-Informationen gegen zumindest drei Teilnehmende wegen des Verdachts auf Schlepperei. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt, dass Ermittlungen zumindest gegen einen Tatverdächtigen laufen, mehr könne man derzeit noch nicht sagen, da man den Polizeibericht abwarte. Es geht um den Konvoi von Ungarn nach Wien am 6. September 2015. Rund 150 Autos fuhren an jenem Tag von Wien nach Györ und Budapest, um Flüchtlingen eine sichere und kostenlose Weiterreise zu ermöglichen. Strafrechtliche Ermittlungen gibt es auch gegen eine zweite Fluchthilfeinitiative. Die von Deutschland aus lancierte Onlineplattform “fluchthelfer.in”, die zu privatem Fluchthilfeengagement aufruft und Tipps gibt, wie man sich dabei vor Strafverfolgung schützt, steht im Fokus eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt an der Staatsanwaltschaft (StA) Linz. Wobei es hier nicht um Schlepperei, sondern ums Auffordern zu Straftaten beziehungsweise zum Ungehorsam gegen Gesetze geht, wofür im Fall einer Verurteilung maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen sind. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass das Ermittlungsverfahren in Linz bleibt: Auch in Deutschland werde gegen die Plattform ermittelt, “in den nächsten Wochen” kläre man, ob der Fall dorthin wandert, heißt es in Linz…Beitrag von Maria Sterkl beim Standard online vom 5. November 2015 externer Link. Siehe zum Hintergrund etwa: Aktion: Fluchthilfe ist kein Verbrechen – Materialsammlung im LabourNet Germany bis 10. August 2015
  • Europol und Interpol verstärken Bekämpfung von Fluchthelfern
    Die Polizeiorganisationen errichten internationale Zentren gegen “Migrantenschleusung”. Die angeschlossenen Kriminalpolizeien verarbeiten auch Informationen von Geheimdiensten. Die EU-Polizeiagentur Europol erhält 30 zusätzliche Planstellen zum Aufspüren und Verfolgen von Fluchthelfern. Dies geht aus einem Nachtrag zum Haushaltsplan hervor, den die EU-Kommission Anfang des Monats veröffentlicht hat. Als Ziel wird die “Zerschlagung von Schleppernetzen” angegeben. Einige der neuen Mitarbeiter sollen mithilfe automatisierter Verfahren das Internet beobachten. Europol soll Postings, mit denen die Fluchthelfer “Migranten und Flüchtlinge anlocken”, ausfindig machen und bei den Internetanbietern deren Entfernung aus dem Netz beantragen…Beitrag von Matthias Monroy bei telepolis vom 22.10.2015 externer Link
  • Landgericht Freiburg treibt Flüchtlinge ins Mittelmeer
    … Am Donnerstag, dem 26. März, endete das Verfahren gegen zwei mutmaßliche Fluchthelfer beim Landgericht Freiburg mit einer Verurteilung wegen „Einschleusen von Ausländern“. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten in mehreren Fällen Blankodokumente an eine türkische Gruppe weitergaben, die damit syrischen Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland ermöglichte. Der akj Freiburg hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, die Angeklagten unter Berufung auf den rechtfertigenden Notstand nach § 34 Strafgesetzbuch freizusprechen. Dem ist das Landgericht nicht gefolgt…” Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) Freiburg kritisiert die Verurteilung von mutmaßlichen Fluchthelfern. Pressemitteilung des akj Freiburg vom 29.03.2015 externer Link. Siehe dazu:
    • Aus demText: “… Der akj Freiburg kritisiert das Urteil als herben Rückschlag für syrische Flüchtlinge, die in der Türkei festsitzen. Das Landgericht verkenne die akute Notlage, in der sich Viele der über 1,7 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei befinden. Sie leben in überfüllten Lagern oder auf der Straße und hungern, insbesondere im Winter ist die Lage lebensgefährlich. Die Gesundheitsversorgung ist völlig unzureichend, wie zahlreiche Berichte internationaler Organisationen belegen. Die Verfolgung und Kriminalisierung von Fluchthelfer*innen wird nach Einschätzung des akj dazu führen, dass noch mehr Flüchtlinge auf das Mittelmeer ausweichen müssen. Das Landgericht Freiburg trägt folglich zum Massensterben an den EU-Außengrenzen bei…
    • Siehe auch das Interview mit dem akj Freiburg im Radio Dreyeckland vom 27. März 2015 externer Link
  • Kein Strafnachlass für Schleusen von Flüchtlingen aus Griechenland
    Für Schleuser gibt es keine Strafmilderung. Das gilt auch dann, wenn sie aus humanitären Gründen handeln und Flüchtlinge aus Ländern schleusen, denen erhebliche Asyl-Defizite attestiert werden. Das hat das Bundesgerichtshof entschieden. (…) Damit bestätigte das Gericht die Verurteilung zweier Männer zu jeweils drei Jahren Haft wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern…Meldung beim Migazin vom 2. März 2015 externer Link
  • Das Flüchtlingsverbrechen
    Der eine half DDR-Bürgern bei der Flucht in den Westen und gilt als Held. Der andere brachte Flüchtlinge aus Sri Lanka nach Deutschland und wurde verurteilt. Schleusern schlägt inzwischen nur noch Verachtung entgegen. Dabei kann man Fluchthelfern durchaus edle Motive unterstellen…Artikel von Alex Rühle auf sueddeutsche.de vom 1. März 2015 externer Link. Aus demText: “… Was soll man zuletzt sagen gegen das Argument einiger Kritiker, man könne die Arbeit der DDR-Fluchthelfer nicht mit heutiger Schleuserarbeit vergleichen? Schließlich habe es damals eine tödliche Grenze gegeben, während doch heute jeder Asylantrag genau geprüft werde? Da muss Burkhard Veigel am Telefon lachen: “Die kommen ohne Schleuser ja nie dazu, einen Asylantrag zu stellen. Das Mittelmeer ist tödlicher als die Mauer.” Veigel ist heute 80 Jahre alt, und er sagt: “Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem, was ich gemacht habe und dem, was ein syrischer Fluchthelfer macht. Wenn ein Mensch in Not ist, hat er ein eigenes Gesetz. Und wenn ihm kein anderer hilft, müssen wir das eben tun.”
  • Strafe für lebensrettende Fluchthilfe?
    Ab dem 30. Januar wird am Landgericht Freiburg der Fall von drei mutmaßlichen Mitgliedern einer sogenannten „Schleuserbande“ verhandelt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, Einbrüche in Rathäuser in Auftrag gegeben, die dabei erbeuteten Blankodokumente zum Fälschen von Ausweisen verwendet und so syrischen Flüchtlinge die Einreise nach Deutschland ermöglicht zu haben. Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) geht von einem Freispruch durch das Landgericht aus. „Strafe für lebensrettende Fluchthilfe? So ein Blödsinn! Wir leben doch in einem Staat, der die Grund- und Menschenrechte achtet“, erklärt David Werdermann vom akj. Dass es überhaupt zur Anklage durch die Staatsanwaltschaft gekommen ist, sieht der akj in der mangelhaften Jurist*innenausbildung begründet. Diese produziere gewissenlose Rechtstechniker*innen, die ihr Fähnchen in den Wind der aktuellen politischen Machtverhältnisse (hier: die europäische Abschottungspolitik) hängen, statt dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen…Pressemitteilung des akj Freiburg vom 29.01.2014 externer Link.  Siehe dazu auch das Interview mit dem akj Freiburg beim Radio Dreyeckland vom 30. Januar 2015 externer Link
  • Von Schleppern und Schleusern: Prozess in der Wiener Neustadt steht vor der Urteilsverkündung. Dazu:
    • Schlepper: Hier Helden, dort Kriminelle – Artikel von Maria Sterkl in Der Standard vom 29. November 2014 und    Urteilsverkündung “Schlepperei”-Prozess – hinfahren, Solidarität zeigen! Aufruf der Unterstützer*innengruppe solidarityagainstrepression zur (voraussichtlichen) Urteilsverkündung am 4. Dezember 2014 in unserem Beitrag
  • Fluchthilfe: Lob des Schleusers
    „Es gab eine Zeit, da hießen Schleuser und Schlepper noch “Fluchthelfer” und haben für ihre kostenpflichtiige Dienstleistung in bundesdeutschen Zeitungen offen geworben. In der DDR galt dies natürlich als Straftatbestand und wurde als “staatsfeindlicher Menschenhandel” geahndet. (Unterhalb von “staatsfeindlich” ging in der DDR offenbar nichts.) Heute gibt es die DDR zwar nicht mehr. Fluchthelfer werden aber nun von der BRD ebenfalls konsequent verfolgt. So berichtet etwa “Der Westen” im Dezember 2013: “Mit einer Bewährungsstrafe beendete das Landgericht Essen einen Prozess gegen anfangs sechs Angeklagte, die Syrer aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geschleust hatten. Das Gericht berücksichtigte zwar humanitäre Aspekte, den Schleusern sei es aber auch um den finanziellen Gewinn gegangen.” Der Autor Stefan Buchen hat dazu ein Buch geschrieben: “Die neuen Staatsfeinde. Wie die Helfer syrischer Kriegsflüchtlinge in Deutschland kriminalisiert werden.”… Artikel auf der Seite der GGUA Flüchtlingshilfe (Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V.) 21.08.2014 externer Link
  • Lob der Schleuser – Wer Menschen in Not hilft, ist kein Verbrecher
    „In Verfahren gegen so genannte ›Schleuser‹ gelingt der Justiz die Herstellung einer Konkordanz zwischen Gesetz und Recht häufig nicht.(1) Die nach weit verbreiteter Auffassung notwendige strikte Abschottung der Festung Europa, die geringe Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und politische Brandstiftung nicht nur aus dem konservativen Lager stehen dem im Weg; das hat die mit sachfremden Erwägungen gespickte mündliche Urteilsbegründung des Landgerichts Essen gegen so genannte Schleuser erst kürzlich gezeigt. Es ist schon von daher längst überfällig, für die vielen erkannten – und die noch größere Zahl der unerkannten – Fluchthelfer, die verfolgten und Not leidenden Menschen bei der Einreise nach Deutschland und in die Europäische Union (EU) Hilfe leisten, eine Lanze zu brechen…“ Artikel von Axel Nagler, Rechtsanwalt, Notar und Seemann und Mitglied im Vorstand der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. Der Originalbeitrag ist in der Februar-Ausgabe (2014) der Zeitschrift ›freispruch. Mitgliederzeitung der Strafverteidigervereinigungen‹ erschienen; wir danken für die Nachdruckerlaubnis.Der Nachdruck des Artikels auf der Seite der RAV externer Link
  • Kommentar Schleuser und Asylrecht: Einwanderung neu denken
    Bei Fluchthelfern ist es wie beim Drogenhandel: Nur die Legalisierung sorgt für mehr Sicherheit und macht Kriminellen das Leben schwer.
    Schleuser oder Schlepper sind Berufe, die auf dem Humus der europäischen Asylpolitik gedeihen. Beispielsweise in Österreich. Dort dürfen Asylanträge seit etwa 15 Jahre nur im Inland gestellt werden. Wer sich in seinem Land nicht sicher fühlt, wird durch die Gesetzeslage gezwungen, die Dienste von Fluchthelfern in Anspruch zu nehmen und in der Regel auf lebensgefährlichen Wegen nach Europa zu kommen. Denn die wenigsten sind mit Vermögen, Flugticket und Visum ausgestattet…” Kommentar von Ralf Leonhard in der taz online vom 06.02.2014 externer Link
  • Streit um Meinungsfreiheit in Österreich: Auch Schlepper dürfen gelobt werden
    Ein Asylrechtsaktivist sollte verklagt werden, weil er Schlepper „sozial nützliche Dienstleister“ nannte. Der Prozess wurde in letzter Minute abgesagt.
    Schlepper oder Schleuser, die Verfolgte ins Land bringen, haben Anspruch auf ihr Geld. Das kann man in Österreich ungestraft behaupten. So ist die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu interpretieren, einen Prozess gegen Michael Genner in letzter Minute abzublasen. Am Donnerstag hätte sich der Vorsitzende der Asylrechtsorganisation Asyl in Not in Wien wegen „Gutheißens einer mit Strafe bedrohten Handlung“ vor Gericht verantworten müssen…” Artikel von Ralf Leonhard in der taz online vom 05.02.2014 externer Link. Siehe zum Hintergrund: Internationales » Österreich » Soziale Konflikte » Solidarität mit Michael Genner! (Prozess abgesagt)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=52522

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