Sonntag, 17. Juni 2018

Streit um Asyl- und Flüchtlingspolitik: CSU erhöht Druck auf Merkel – trotz Einigkeit bei Abwehr von Migranten

Keine Panik auf der Titanic


Von Stefan Huth
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Harmonie im Streit: Merkel und Seehofer machen die Schotten dicht
Die Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Und entpuppte sich rasch als Ente: »Seehofer kündigt Unionsbündnis auf« – eine vom Satiremagazin Titanic über den Twitter-Account »HR Tagesgeschehen« verbreitete Nachricht traf am Freitag in vielen großen Redaktionen von Bild bis Focus offenbar auf die richtigen Empfänger. Die brachten den Unfug postwendend als Eilmeldung in Umlauf.
Seit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Asylstreit mit der CDU verschärfte, machen in Berlin mit Blick auf die große Koalition Endzeitszenarien die Runde – und liegen vielerorts die Nerven blank. In einer Art Befreiungsschlag hatte Seehofer am Donnerstag versucht, seine Partei abermals als Garantin für einen Hardlinerkurs in Sachen Flüchtlingsabwehr ins Gespräch zu bringen. Und der Kanzlerin praktisch eine Frist bis Montag gesetzt, um auf die CSU-Linie eines nationalen Alleingangs an den deutschen Außengrenzen einzuschwenken. Seehofer will ohne Rücksicht auf die Praxis in anderen EU-Staaten künftig Migranten ausnahmslos zurückweisen, die in einem anderen Land ihren Asylantrag gestellt haben. Ein klarer Bruch mit EU-Recht, betonten Pro Asyl und andere Hilfsorganisationen am Freitag. Merkel hingegen strebt eine europäische Lösung und bilaterale Vereinbarungen mit Einzelstaaten an. Unterdessen heizte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag den Konflikt in mehreren Interviews weiter an, schwadronierte in Bild von »Asyltourismus« und konstatierte im »Heute Journal«: »Wir sind der festen Überzeugung, dass nur mit einer klaren deutschen Haltung auch endlich in Europa was bewegt werden kann«.
Hintergrund für die CSU-Attacken dürften sinkende Umfragewerte vor den im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Bayern sein. Die Partei könnte bis zu zehn Prozentpunkte verlieren – vorzugsweise an die AfD, die aktuellen Prognosen zufolge mit einem klaren zweistelligen Ergebnis rechnen darf. Alle bisherigen Versuche der CSU, den Ultrarechten durch Übernahme ihrer Themen Terrain streitig zu machen, haben diese bislang allerdings nur gestärkt.
Während auf der großen Bühne die Positionen aufeinanderprallen, wird hinter den Kulissen bereits an Kompromisslösungen gestrickt. So fand Julia Klöckner gegenüber der Deutschen Presseagentur verbindende Worte. »CDU und CSU eint ein gemeinsames Ziel: die Migration in unser Land besser zu steuern und die Zahl der zu uns kommenden Menschen deutlich zu verringern«. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende betonte: »Seit 2015 haben wir viel erreicht.« Andere wichtige Schritte seien geplant, mit dem Schwerpunkt der sogenannten Ankerzentren – Internierungs- und Abschiebelager für Asylsuchende –, die die CDU unterstütze.
Im großen und ganzen besteht also Einigkeit. Das erwies sich auch bei der am Freitag im Bundestag beschlossenen restriktiven Lösung beim Familiennachzug für Flüchtlinge. Ab August wird, wie im Koalitionsvertrag als »Kontingentlösung« vereinbart, quasi per Losverfahren pro Monat lediglich 1.000 Angehörigen von Flüchtlingen die Einreise in die Bundesrepublik gewährt. Die Verlängerung der Bundeswehr-Mission »Sophia« im Mittelmeer, die ebenfalls der Migrationsabwehr dient, war bereits am Donnerstag abend vom Bundestag mit deutlicher Mehrheit durchgewunken worden. Mit dem Untergang der Groko wird es allem Anschein nach noch ein Weilchen dauern.

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