Blutbad im Wahlkampf
Von Nick Brauns
Anhänger der Partei der Nationalistischen Bewegung
bei einer Veranstaltung zur Unterstützung der Regierungspartei AKP in
Istanbul am 9. April 2017
Foto: Emrah Gurel/AP/dpa
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Im Zusammenhang mit den türkischen Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen ist es am Donnerstag abend in der südostanatolischen
Stadt Suruc zu einem Blutbad gekommen. Vier Menschen wurden getötet,
zahlreiche weitere verletzt, nachdem Anhänger der Regierungspartei AKP
mit Kalaschnikow-Sturmgewehren das Feuer auf Anwohner eröffnetet hatten.
Der Streit war ausgebrochen, als Ladenbesitzer lautstark ihren Unmut
gegen den AKP-Abgeordneten Ibrahim Halil Yildiz deutlich machten, der in
einem Geschäft Wahlkampf betreiben wollte. Daraufhin eröffneten Yildiz’
Begleiter, darunter sein Bruder Mehmet, mit Kalaschnikows das Feuer.
Bei dem anschließenden Schusswechsel wurden einer der Gewerbetreibenden
und mehrere weitere durch Schüsse zum Teil schwer verletzt. Auch Yildiz’
Bruder war verwundet worden und erlag später seinen Verletzungen im
Krankenhaus. Ein Händler und sein Sohn, die bei der Schießerei verletzt
wurden, seien erst im Krankenhaus von AKP-Anhängern getötet worden,
zitiert die Nachrichtenseite
Medya Block den Vorsitzende der
kemalistischen Oppositionspartei CHP von Suruc, Servet Gören. Eine
Gerichtsmedizinerin bestätigte, dass einer der Toten im Operationssaal
einen Schädelbruch erlitten und dem anderen die Kehle durchgeschnitten
worden war. Regierungsnahe Medien versuchten, das Blutbad als Überfall
der Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) darzustellen. Die
Demokratische Partei der Völker (HDP), der ein Großteil der Bevölkerung
von Suruc nahesteht, sprach von einem »hochgradig erschreckenden
Vorfall«.
Am Mittwoch war über die sogenannten soziale Medien ein
Video von einer internen Sitzung der AKP in Istanbul vom vergangenen
Freitag verbreitet worden, in dem der Parteivorsitzende und
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die AKP-Funktionäre dazu aufruft,
die »nötigen Mittel« anzuwenden, damit die HDP bei den Wahlen am 24.
Juni an der Zehnprozenthürde scheitert. Denn nur im Falle eines erneuten
Einzuges der HDP ins Parlament ist eine oppositionelle Mehrheit nach
derzeitigen Umfrageergebnissen möglich. »Ich sage das draußen nicht«,
erklärt Erdogan in dem verwackelten Video, das »wird keine leichte Sache
sein«. Die Funktionäre sollten demnach sicherstellen, dass sie als
erste in den Wahllokalen seien und dort alle Plätze in den
Wahlkommissionen auffüllen, wenn Vertreter anderer Parteien nicht
rechtzeitig erscheinen. Mit Blick auf Istanbul erklärte Erdogan: »Wenn
wir die Mehrheit in den Wahlkommissionen sichern, dann haben wir in
Istanbul die Sache noch vor dem Beginn erledigt.« Die HDP sprach nach
Bekanntwerden des Videos von einem Aufruf zu Straftaten.
In den letzten Tagen häuften sich die Angriffe von Anhängern der AKP
und der mit ihr verbündeten »Grauen Wölfe« der Partei der
Nationalistischen Bewegung (MHP) auf Wahlkämpfer der HDP aber auch
anderer Oppositionsparteien. Mehrere HDP-Anhänger wurden am Donnerstag
in der Stadt Malatya verletzt, als sie von Faschisten mit Eisenstangen
attackiert wurden. Am Freitag griff ein Mob einen Fahrzeugkonvoi der HDP
in der Provinz Kocaeli an, sechs HDP-Anhänger mussten mit Verletzungen
ins Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei sah dem Angriff tatenlos
zu, berichtete die kurdische Nachrichtenagentur
Firatnews. »Ich
habe nicht die Befugnis hier jemanden festzunehmen«, wurde einer der
Beamten zitiert. Nach ihrem Angriff gingen die Täter zur Polizei und
bedankten sich bei ihr.
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