Montag, 28. April 2014
Bühne der Gerechtigkeit (Interview mit Ciudad Juarez-Theatertruppe)
Im Norden Mexikos werden seit Jahren Frauen ermordet, die männlichen Täter aber kaum zur Rechenschaft gezogen. Vor zehn Jahren gelang schließlich ein wichtiger Fortschritt. Drei Mütter erwirkten vor einem internationalen Gerichtshof ein Urteil in den entsprechenden Fällen – doch die Probleme waren damit noch lange nicht gelöst. Bis heute ist die ungleiche Rechtsbehandlung von Männern und Frauen ein großes Problem.
Perla de la Rosa hat das Theaterstück "Justizia Negada" inszeniert, das die Gerechtigkeit auf die Bühne bringt. Im Interview erzählen sie und Constanze Lemmerich, Organisatorin ihrer Deutschlandtour, uns, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten und sie mit dem emotionalen Thema umgegangen sind.
mephisto 97.6: Welche Schwierigkeiten hattet ihr zu bewältigen, um das Stück nach Deutschland zu bringen?
Constanze Lemmerich: Das war natürlich eine organisatorische Herausforderung, es sind 12 Leute aus Mexiko gekommen, das musste man erst mal finanziell wuppen. Dann natürlich die ganze Logistik, wir sind in zehn verschiedenen Orten in Deutschland und Österreich unterwegs und partizipieren auch an verschiedenen Theaterfestivals. Und das Ganze hat sich dann hingezogen über neun Monate, wir waren im letzten Jahr schon in Mexiko, um die Vorbereitungen dort zu treffen und sind sehr froh, jetzt endlich die Theaterkompanie nach Deutschland zu holen.
mephisto 97.6: Wie bringt man so ein Thema dem deutschen und österreichischen Publikum näher? Da gibt es ja schon Unterschiede in der Ästhetik und Herangehensweise.
Constanze Lemmerich: Erst mal musst man sagen, es gibt in Deutschland und Österreich eine sehr große Solidaritätsszene zu Lateinamerika und auch gerade zu Mexiko, das ist in erster Linie unser Zielpublikum. Aber wir versuchen auch gerade, mit diesem kulturellen Beitrag dieses politische und soziale schwere Thema zu vermitteln und immer mehr auch in diesen Theaterbereich zu kommen. Das Theater bietet eben auch den Freiraum, diese Themen zu artikulieren und auf die Bühne zu bringen.
mephisto 97.6: Perla, der Prozess war ein wichtiges Ereignis, aber wie sieht die aktuelle Situation in Mexiko aus?
Perla de la Rosa: Zunächst möchte ich sagen: Ich bin eigentlich keine Sozialwissenschaftlerin oder Politikerin, ich bin eine Theatermacherin. Aber sowohl als Theatermacherin als auch als Bürgerin ist es mir wichtig, diese Themen zu vermitteln. Die Realität, die ist immer noch aktuell und auch die Feminizide gehen weiter. Es ist nicht so, dass das irgendwann aufgehört hat. Im Gegenteil: Das Problem hat sich ausgeweitet. Betroffen sind jetzt auch junge Männer und Kinder, die auf den Straßen öffentlich ermordet werden. Es ist klar, dass das der Menschenhandel mit Frauen und Kinder mit mafiösen Strukturen zusammenhängt.
mephisto 97.6: Das ist ein sehr emotionales Thema, das Ihnen sehr am Herzen liegt. Wie belastend war es, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?
Perla de la Rosa: Es ist ein ganz großer Erfolg gewesen, dass dieses Gerichtsurteil auch vor einen Internationalen Gerichtshof gekommen ist. Für mich war es wichtig, diesen Sieg der drei Frauen zu verbreiten und zu versuchen, das dann auf eine ästhetische Weise umzusetzen. Das ist machbar gewesen, weil die Theatergruppe sehr professionell ist. Einige von ihnen machen schon seit mehr als 30 Jahren Theater.
mephisto 97.6: Aber ist bei Ihnen persönlich emotional etwas hochgekommen?
Perla de la Rosa: Sehr, auf jeden Fall. Wir hatten Momente, wo wir gemerkt haben, wir brauchen Distanz und können im Moment nicht weitermachen. Aber trotzdem war es für uns eine Verpflichtung. Wir hatten versprochen, das Stück auf die Bühne zu bringen.
mephisto 97.6: Im Stück wird ein mexikanischer Mythos mit den Bildern aus dem Prozess gegen diese Frauenmörder verknüpft. Warum dieser Zugang?
Perla de la Rosa: Es ist auf eine gewisse Art eine ziemlich ironische Herangehensweise gewesen. Wir haben den Urteilsspruch schon zelebriert, dann wurde aber wiederum eine Aktivistin, eine der Mütter, umgebracht. Letztendlich habe ich gemerkt, dass in dieser Stadt mittelalterliche Strukturen vorherrschen. Das ist ein Teil von diesen ganzen Globalisierungsprozessen, die die Menschlichkeit total infrage stellen und das ist auch der Zugang zu dem Stück.
_______________________________________________
Chiapas98 Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
Chiapas98@listi.jpberlin.de
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen