Dienstag, 9. Juni 2020

Coronavirus, Wirtschaftskrise, Polizeistaat


(Stand hinsichtlich Daten, Fakten und Einschätzungen: 20.03.2020)

Vorbemerkung: Wir waren uns lange nicht sicher, ob es sinnvoll bzw. überhaupt möglich ist, zum jetzigen Zeitpunkt einen Artikel dieser Art zu schreiben. Die Lage ist komplex, von Land zu Land unterschiedlich und vor allem ändert sie sich von Tag zu Tag rasant, und das in einem Ausmaß, das auch die laufende Überprüfung der gewonnenen Einschätzungen erfordert [1].Die Maßnahmen der Staaten ähneln sich stark, wenn auch zeitversetzt, Deutschland hinkt momentan noch nach (aber vermutlich nicht mehr lange), von Großbritannien gar nicht zu reden. Die staatlichen Maßnahmen haben immer zwei miteinander in Widerspruch befindliche Seiten: Bekämpfung der Epidemie, was notwendig ist, und Repression bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten, was dem Grundsatz nach reaktionär ist. Um eine konkrete Lage zu beurteilen, muss man jeweils konkret beide Seiten dieses Widerspruchs, deren relatives Gewicht und ihr Verhältnis zueinander analysieren, also –Begriffen der Dialektik gesprochen – den Widerspruch selbst (worin er besteht), die beiden Seiten des Widerspruchs, die konkret Ausprägung und das konkrete Gewicht jeder dieser beiden Seiten und die Frage, ob es eine Hauptseite des Widerspruchs gibt. Und wie sich das alles im Zeitverlauf entwickelt, also die Bewegung des Widerspruchs. Davon hängt ab, was man von dieser oder jener Maßnahme der Staatsmacht zu halten hat, wie man sie beurteilen soll. Ohne den gegenständlichen Widerspruch allseitig und in seinem Verlauf zu analysieren, kann man diese Maßnahmen nur abstrakt, also eigentlich nicht beurteilen.
Das Bild der Corona-Epidemie wandelt sich ständig. Erschien sie, in Europa angekommen, zunächst wenig gefährlich z.B. im Vergleich zur saisonalen Grippe, änderte die Entwicklung in Italien, v.a. in der Lombardei, das Bild erheblich. Inzwischen hatten wir in Italien an einem einzigen Tag, dem 18. März, 457 dem Coronavirus zugerechnete Todesfälle, sind dort wegen Überbordung das Systems und schlechter bis fehlender Ausrüstung 12% der Ärzte und des sonstigen medizinischen Personals selbst infiziert und sehen wir eine veritable Katastrophe in Bergamo. Wir hatten am 18. März in Wien bei 1,9 Millionen Einwohnern 180 Infizierte und 2 Todesfälle (die aber auch eher an Vorerkrankungen gestorben sind als am Coronavirus), in Bergamo (Provinz) hingegen bei 1,2 Millionen Einwohnern 4.000 Infizierte und 330 Todesfälle. Ist das wirklich dieselbe Seuche? Wenn ja, warum verbreitet sie sich dermaßen unterschiedlich? Hat das Virus womöglich mutiert (auf was aber anscheinend, den Gen-Sequenzen nach, nichts hindeutet)? Im internationalen Vergleich erscheint per heutedie Dimension der Corona-Infektion in Wien, aber generell in Österreich (außer vielleicht in Tirol), im Vergleich zu Italien lächerlich gering und praktisch vernachlässigbar – aber bleibt das so? Nach Verfassung dieses Textes sind wir uns immer noch in vieler Hinsicht unsicherin der Beurteilung: Eindämmung einer gefährlichen Epidemie und Einschränkung bürgerlich-demokratischer Freiheiten – was wiegt wie stark? In welchem Verhältnis zueinander stehen die beiden Seiten? Der Artikel geht von einer bestimmten Einschätzung der Lage aus, wenn die Lage sich ändert, ändert sich auch die Einschätzung. Aber der Artikel liefert in jedem Fall Hilfestellung, anhand welcher Kriterien man die Lage analysieren und die Maßnahmen der Regierung einschätzen kann bzw. soll. Deshalb haben wir uns entschieden, ihn jetzt in dieser Form zu publizieren.


Seit ein paar Wochen ist der neue Coronavirus COVID-19 in Europa angekommen. Anders als in Italien, sind in Österreich die absoluten Zahlen der Erkrankungen als solche bis jetzt nicht dramatisch [2]. Per Stichtag 20. März gab es in Österreich 2.203 registrierte Infektionen und sie führten zum Tod von 6 Menschen. Das ist eine Mortalitätsrate von 0,27%. Bei fast allen bisher dem Coronavirus zugeschriebenen Todesfällen handelt es sich um nicht nur ältere (genau gesagt: die allermeisten über 80 Jahre), sondern praktisch immer um Menschen mit schweren Vorerkrankungen, hauptsächlich solche mit chronischen Lungenerkrankungen und Diabetiker u.a.m.

Die Größenordnung dieser Zahlen ist im internationalen Vergleich, aber auch im Vergleich dazu, wie viele Menschen täglich an anderen Krankheiten sterben, auch an der saisonalen Grippe, gelinde gesagt, sehr gering[3].An der normalen „saisonalen Grippe“ starben im Durchschnitt der letzten 10 Jahre pro Jahr etwa 1.400 Menschen, zwischen 500 und 4.500 pro Grippesaison (bei einer durchschnittlichen Mortalitätsrate, d.i. die Sterblichkeitsrate der registrierten Infizierten, von 1%): 2016/17 waren es 4.436 Tote gewesen, 2017/18 2.851, 2018/19 1.373, 2019/20 bisher 643. In Jahr 2018/19 kam es mit 2,5% zur schwersten Ausprägung in puncto Mortalität [4]. Also viel Lärm um nichts?

So einVergleich des Coronavirus gegenüber der saisonalen Grippe liefert jedochkein richtiges Bild. Die Lage ändert sich laufend und rasch. In den letzten zehn Tagen stieg die Zahl der registrierten Fälle in Österreich um fast 30% pro Tag (von 140 am 8.3. auf 2.203 am 20.3. = + 28,5% pro Tag). Tirol und Vorarlberg sind inzwischen erheblich von der Epidemie erfasst und zur Gänze in Quarantäne. Und vor allem schaut jeder mit Sorge nach Italien, wo die Epidemie trotz schon vor Wochen ergriffener drakonischer Maßnahmen der Regierung eine ganz andere Qualität angenommen hat und sich anscheinend bis jetzt nicht eindämmen lässt.

Das Coronavirus bzw. seine Verbreitung haben einige Besonderheiten. Die Virulenz, wie die Mediziner sagen (Schädlichkeit, Giftigkeit), ist deutlich stärker, es verbreitet sich steil exponentiell (d.h. die Kurve steigt nicht linearan, sondern zieht immer steiler hoch), oft regelrecht explosionsartig, und das Virus ist offenbar infektiöser als seine diversen Vorläufer. Er ist dies auch deshalb so, weil unser Immunsystem auf dieses Virus nicht vorbereitet war bzw. ist, es also keine vorlaufende Grundimmunisierung gibt. Dies und speziell die Entwicklung in Italien haben die Alarmglocken schrillen lassen, weil man befürchtete, es könnte dazu kommen, dass die Krankheitsfälle die „Schranken unseres Gesundheitssystems“binnen kürzester Zeit überborden würden. Dieses wurde nämlich in den letzten Jahrzehnten systematisch in „neoliberaler“ Manier herunter- und in einigen Ländern regelrecht zu Tode gespart.In Italien ist dieser Fall bereits eingetreten, dort wurden ja auch „Rationalisierung“ und Niedersparen des Gesundheitssystems besonders radikal betrieben[5]. Aus bestimmten Gründen wurde dort noch massiverer Druck als üblich seitens der Weltbank, der OECD, der EU und der EZB, kurzum: der „Märkte“, also des internationalen Geldkapitals, und ihrer Repräsentanten, ausgeübt[6]. Alle imperialistischen „Partner“ prügelten unentwegt auf Italien und sein Budgetdefizit und seine „Überschuldung“ ein. Jetzt haben wir den Salat und jetzt haben sie plötzlich auch bei uns Angst vor einem regelrechten Zusammenbruch des Spitalssystems, wo Ärzte und alles Gesundheitspersonal kollabieren oder, selbst infiziert, ausfallen und ihnen die Leute wie die Fliegen wegsterben. Das und – jedenfalls in den meisten Ländern – nicht die absoluten Fallzahlen war der Auslöser der radikalen Maßnahmen, die in den meisten Staaten in den letzten Tagen ergriffen wurden.

Dazu kommt eine unglaubliche und geradezu kriminelle Nachlässigkeit bei Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus. Markantestes Beispiel dafür sind die Vorgänge in und um den „Ballermann der Alpen“ Ischgl. Mehr als tausend Menschen (Stand 17. März 2020) aus Norwegen (500 Fälle), Großbritannien, Deutschland, Dänemark und anderen Ländern sind bis heute als direkt oder indirekt in Ischgl Infizierte in ihren Heimatländern registriert. Schon am 29. Februar wurden in Island 15 Coronafälle mit Ursprung in Ischgl festgestellt, am 5. März hatte die isländische Regierung die österreichischen Behörden dementsprechend informiert, aber am 7. März teilte die Tiroler Landesregierung dazu mit, dass es „wenig wahrscheinlich“ sei, dass es Corona in Ischgl gäbe („Man wollte diese letzte ‚starke Touristenwoche‘ noch ‚mitnehmen‘, auf dass die Kassen der Liftbetreiber und Hoteliers klingeln“, schreibt treffend eine deutsche Zeitung). Die Tiroler Amtsträger haben wahrscheinlich vielfach pekuniäre Interessen in Ischgl. Erst am 13. März (!) stellte die Bundesregierung (!) Ischglunter Quarantäne, daraufhin reisten Hunderte Gäste ungeordnet und unregistriert aus – um sich in anderen in der Nähe liegenden Hotels, auch in Innsbruck, unterzubringen und dort auf ihre Rückflüge zu warten. Am 16. März erklärten das Tiroler Gesundheitsamt und der Landeshauptmann, es sei alles ordnungsgemäß abgelaufen und außerdem sei ja das Virus in Ischgl von auswärts eingeschleppt worden. Ebenfalls wurden St. Anton am Arlberg und Heiligenblut, am 17.3 auch das ganze Vorarlberger Arlberggebiet und Sölden unter Quarantäne gestellt [7], am 18.3. ganz Tirol. „Gier und Raffsucht“ jammert Der Standard, aber Gier und Raffsucht sind die Triebkraft des Kapitals, das Um und Auf der Kapitalverwertung.

Ruin der „Volksgesundheit“ und „Abspecken“ des Gesundheitssystemsals Grundlage für die Ausbreitung der Coronakrise

Dass das Coronavirus über die Menschheit kommen würde, war nicht vorauszusehen, dass aber jedes solche Ereignis katastrophale Auswirkungen haben würde, war es schon. So wie jede neue Epidemie in weiten Teilen Afrikas bei den dortigen Lebensverhältnissen rasch verheerende Ausmaße annimmt, so stößt das Coronavirus auch bei uns sozusagen auf fruchtbaren Boden. Die Grundlagen einer Krise des Gesundheitssystems wie wir sie derzeit haben, wurden seit Jahren und Jahrzehnten gelegt. Einerseits wurde und wird das Gesundheitssystem im Sinne des „neoliberalen“ Programms ausgerichtet: Profitabilität, Ausrichten des ganzen Systems auf Kapitalverwertung statt auf Gesundheitsversorgung und -vorsorge, Wegrationalisierung alles Nichtprofitablen, Rückbau der Ressourcen und Kostensenkung um jeden Preis, letztlich Privatisierung der profitablen Teile.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wird in Österreich unglaublich wenig überhaupt auf Corona-Infektion getestet, die Versorgung des medizinischen und Betreuungspersonals mit Schutzausrüstung ist in einem verheerendem Zustand, Personalmangel an allen Ecken und Enden, wenn sich ein paar davon selbst anstecken oder in Quarantäne müssen, knirscht es im System gewaltig.Die 2.548Intensivbetten in Österreichwaren bei Ausbruch des Coronavirus bereits zu 80% ausgelastet, bleiben also etwa 500 freie Betten für intensivmedizinische Behandlung von Corona-Patienten. Vorsorge für den eventuellen Fall des Falles einen raschen Ausbau zu bewerkstelligen, waren nicht getroffen worden, erst zuletzt wurden Notmaßnahmen ergriffen (z.B. in Wien am Messegelände). Klar dass eine Entwicklung auch nur annähernd wie in Italien das System auch in Österreich zum Zusammenbruch brächte. Daher war Feuer am Dach. Dazu kommt die hochgradige Abhängigkeit bei den meisten Medikamenten von Asien (v.a. China und Indien). Lieferengpässe waren daher absehbar.

Noch viel gravierender ist, dass seitens des Kapitals seit Jahrzehnten energisch massive Verschlechterung des Immunsystems der Menschen betrieben wird. Über die Umweltverschmutzung, im Corona-Zusammenhang speziell die Smog- und Feinstaubbelastung[8], braucht man nicht mehr viel zu sagen. Die Lebensmittelindustrie sorgt dafür, dass es bald einmal kaum mehr Menschen geben wird, die nicht unter Adipositas und/oder Bluthochdruck leiden. Wachsender Stress tut ein Übriges. Diabetes, Bluthochdruck, Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems, aber auch sogenannte Autoimmunerkrankungen und Krebs grassieren. Heute kriegen schon Kinder und Jugendliche massenhaft in jungen Jahren Diabetes. In den USA sinkt die Lebenserwartung Neugeborener seit einigen Jahren wieder. Säuglingen und Kleinkindern werden Zwangsimpfungen verpasst (in Italien 12 Stück in wenigen Wochen), die das Immunsystem dieser kleinen Wesen für immer ruinieren. Schon wird an einer nochmaligen Erhöhung der Dosis gearbeitet:wegen des Coronavirus wollen sie Impfungen gegen Lungenentzündung vorschreiben und sobald es einen „Impfstoff“ gegen dieses Virus gibt, wird er sicher in Bälde allen, auch den Säuglingen und Kleinkindern verordnet, auch wenn man keine Ahnung über die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Folgewirkungen (gerne euphemistisch als „Nebenwirkungen“ bezeichnet“) hat. Jüngste Studien in China weisen darauf hin, dass die Anfälligkeit bzw. Verletzlichkeit gegenüber dem seinerzeitigen SARS 1-Virus und dem jetzigen Coronavirus davon beeinflusst sein dürfte, ob der/die Kranke dauerhaft gängige Pharmaprodukte nimmt, insbesondere Blutdrucksenker. Wenn alles und jedes, auch der banalste Schnupfen und das kleinste Wimmerl, mit Antibiotika, Cortison, vieles mit Immunsuppressiva „bekämpft“ wird, dann wird eben das Immunsystem supprimiert (= unterdrückt) und dauerhaft und ernsthaft ruiniert. Das Immunsystem rebelliert, aber die Gründe dafür interessieren nicht, sondern es werden Immunsuppressiva verabreicht: das Immunsystem wird medikamentös geschwächt, es soll nicht mehr funktionieren, wenn es dann aber nicht mehr funktioniert, ist klarerweise bei jeder daherkommenden neuen Bedrohung “Polen offen“. Ältere Leutchen beginnen irgendwann mit einem halben Dutzend Medikamenten gegen irgendetwas, wozu sich bald ein weiteres Dutzend gesellt, das die Nebenwirkungen des ersteren Dutzends neutralisieren soll. Wenn man allerdings bei einem Dutzend an Medikamenten oder mehr angelangt ist (und das ist nicht selten, haltet die Augen in der Apotheke offen!), wird man das sowieso nicht lange überleben. Dass insbesondere „ältere Menschen“ mit Vorerkrankungen besonders gefährdet sind, hat mit all diesen Dingen wesentlich mehr zu tun als mit deren bloßem Lebensalter. Also: Der Boden für dieses oder jenes Virus, aber auch für bakterielle Erkrankungen und Parasiten jeder Art ist bereitet. Für den Nachschub an Kranken ist gesorgt – und das ist es ja, was die Pharmaindustrie braucht. Wie jedes Kapital strebt auch das Pharmakapital nach Maximalprofit und wie die Nahrungsmittelindustrie nicht interessiert sein kann, dass die Menschen nicht fresssüchtig werden, und die Rüstungsindustrie nicht an Frieden, kann das Pharmakapital nicht an ihrer Gesundheit interessiert sein. Die Pharmaindustrie verdient doppelt oder mehrfach und sie hat keinen größeren Feind, keine größere Gefahr für ihre Profite als eine Verbesserung des Gesundheitszustands der Menschen, und nichts kommt ihr mehr zupass als dessen weitere und dauerhafte Verschlechterung. Und in je früherem Lebensalter ihr ein Mensch als „Patient“ zukommt bzw. von Staats wegen zugeführt wird, desto besser für die Profitmaschine.Organisiert wird dieser ganze Wahnsinn vom Staat, dessen Anhängseln, den Ärzte- und Apothekerkammern, und der von der Pharmaindustrie gesponserten „Wisssenschaft“. Nur mit den „Gesetzen des freien Marktes“ könnte der Terror der Pharmaindustrie und dieser Art von Medizin nicht flächendeckend durchgesetzt werden.

Der Ausnahmezustand

Die Kurz-Kogler-Regierung reagierte, sagt sie, mit ihren Maßnahmenin Europa, mit Ausnahme natürlich von Italien, besonders frühzeitig und besonders scharf (obwohl nach einem bestimmten Marketing- bzw. Einlullungskonzept scheibchenweise präsentiert). Der Vizekanzler Kogler brüstet sich mit der Phrase „Wir sind die Nr.1“, normalerweise hört man das immer aus Deutschland. Gut, in Ischgl war es nicht gerade so, auch bei anderen Maßnahmen, die sich auf das Gesundheitssystem beziehen, ist es nicht so, aber in Bezug auf die (relative) Ausgangssperre usw. ist es so.

Im Verhältnis zur heutigen Gefahren- und Risikolage sind die Maßnahmen der Regierung ziemlich radikal. Immerhin werden sog. Grund- und Freiheitsrechte beschränkt oder überhaupt außer Kraft gesetzt. Viele dieser Maßnahmen sind oder beinhalten Elemente der Repression. Insbesondere gilt das für die (relative) Ausgangssperre. Das Problem ist, dass sich hier zwei Ebenen überschneiden. Einerseits reihen sich diese Maßnahmen ein in den ohnehin seit langem stattfindenden Prozess des Auf- bzw. Ausbaus eines Polizeistaats und der Faschisierung von Gesellschaft und Staat. „Ausnahmezustand“, „Notstandsrecht“, „Katastrophensituation“ oder wie immer es in verschiedenen Ländern heißt sind immer ein Schlag gegen die bürgerlich-demokratischen Rechte. Sicher betrachten die entsprechenden Teile des Staatsapparats die Lage auch als hervorragende Chance für umfassende Manöver des staatlichen Gewaltapparats in Echtzeit und Echtraum: ob man den „Notstand“ auch effizient organisieren kann und sich die Leute das gefallen lassen, wie sie reagieren, auf welche Schwierigkeiten man stößt usw.

Die Maßnahmen zur Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte werden hierzulande nicht ganz so rabiat durchgesetzt wie in Italien und Frankreich – wo allerdings in den letzten Jahren schon eine ganz andere „Tradition“ von Polizeiterror und Militarisierung der Gesellschaft besteht [9]. In Frankreich, wo viel heftigere Arbeiter- und Volkskämpfe stattfinden als bei uns, wurden viele Elemente (von partiellen Ausgangssperren über wilde Polizeiwillkür bis zu massenhafter Vorbeugehaft) immer wieder in den letzten Jahren praktiziert, eigentlich alles außer der Ausgangssperre (die sie jetzt allerdings in einer noch deutlich strengeren Form als in Österreich verordnet haben). Die Staatsmacht hier wie dort hat sicher noch ganz andere Ziele im Auge als die Epidemiebekämpfung. Das sieht man ja auch daran, dass überall die ultrareaktionärsten und faschistoiden Kräfte (wie der FPÖ-Kickl) noch radikalere Maßnahmen „fordern“. Allerdings ist das nur Propaganda, kein realistisches Konzept. Der Ultrareaktionär Kurz bzw. die Strömung in Staatsmacht und Bourgeoisie, die er repräsentiert, „begnügt“ sich damit, die wirkliche Reaktionarisierung der Staatsmacht effizient voranzutreiben, auch unter Ausnutzung des Coronavirus.

Andererseits gibt es wirkliche Risken, ist eine wirkliche Gefahr mit der Ausbreitung des Coronavirus verbunden. Bei uns kann man noch die Augen zumachen, aber in Italien kann man das nicht mehr. Man kann nicht zuschauen, wie das Gesundheitssystem zusammenbricht, wie dort Menschen reihenweise sterben, weil es zu wenige Intensivbetten und zu wenig Personal (selbst schon durch Erkrankung und Quarantäne ausgedünnt) gibt, wie die dort Beschäftigten dem psychischen und physischen Ruin ausgesetzt werden, incl. lebensbedrohlicher Risken wegen mangelnder oder mangelhafter Schutzausrüstung. Man kann nicht in einer Art „Sozialdarwinismus“ [10] der „Durchseuchung“ der Bevölkerung mit dem Coronavirus tatenlos zuschauen nach dem Motto „Die Starken kommen durch“. Man kann sich nicht hinstellen und gegen jegliche Maßnahme zur Eindämmung der Verbreitung der Epidemie sein, bloß weil es sich um eine reaktionäre Staatsmacht und eine üble bourgeoise Regierung handelt. Wenn man nur auf Fragen der Demokratie schaut und einem Fragen der Gesundheit der Arbeiter- und Volksmassen und des Gesundheitssystems, darunter eben auch die des Schutzes vor Epidemien und deren Bekämpfung, wurscht sind, greift man zu kurz und ignoriertauch für die Arbeiterklasse wichtige gesellschaftliche Interessen: die Erhaltung ihrer Reproduktionsbedingungen und ihrer Kampfkraft.

So wie der Staat zwar in der Hauptseite Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument der herrschenden Klasse gegen Arbeiterklasse und Volksmassen ist, so ist er zugleich die politische Form, in der sich die Gesellschaft organisiert. Wie ja auch der Polizist bewaffneter Arm des Klassenfeindes ist, aber ich nicht dagegen sein kann, dass er einen Mörder, der mich gerade abstechen will, daran hindert. Weil es eine reaktionäre, unterdrückerische Form der Organisation der Gesellschaft ist, geht es darum, die herrschende Klasse zu stürzen, sodass sich die Gesellschaft in anderer Weise organisieren kann. Aber daran, dass sie sich organisiert, führt kein Weg vorbei. „Der Staat ist …keineswegs eine der Gesellschaft von außen aufgezwungenen Macht … Er ist vielmehr ein Produkt der Gesellschaft auf bestimmter Entwicklungsstufe; er ist das Eingeständnis, dass diese Gesellschaft sich in einen unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die zu bannen sie ohnmächtig ist. Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen, nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der ‚Ordnung‘ halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangene, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat… Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber zugleich mitten im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel der Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittels seiner auch politisch herrschende Klasse wird.“ (Engels: Über den Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“, MEW 21, S.165f.)

In unserem Zusammenhang verlangt das, die derzeitigen Maßnahmen der Regierung unter ihren beiden Aspekten zu betrachten. Sie sind einerseits Bekämpfung einer Epidemie. Was man unter diesem Aspekt von ihr zu halten hat, muss man daran messen, erstens ob die Bekämpfung der Epidemie notwendig ist und wenn ja zweitens, wie effizient und mit welchen Mitteln sie geführt wird – gemessen am gegebenen Ziel, der Eindämmung der Epidemie, nicht an reaktionären Hintergedanken und schon vorbereiteten Schweinereien. Zugleich sind aber dieselben Maßnahmen solche der staatlichen Repression, die vielfach (objektiv und im Schädel der Repräsentanten der Staatsmacht) eine von der Epidemiebekämpfungunabhängige bzw. über sie hinausgehende reaktionäre Zielsetzung und Stoßrichtung haben. Ersteres dient allgemein gesellschaftlichen Interessen und ist notwendig, zweiteres dient ausschließlich der Reaktion gegen die Interessen der Arbeiter- und Volksmassen.

Es ist unmöglich, prinzipiell gegen alle zeitweiligen Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte aufzutreten, insofern und insoweit dies zur Durchsetzung eines auch für die Arbeiterklasse wichtigen gesellschaftlichen Interesses unumgänglich und der konkreten Ausprägung nach vertretbar ist. Im Kriegsfall oder im Falle einer gewaltigen großflächigen Naturkatastrophe, wären wir ja auch nicht „prinzipiell“ dagegen, dass Notstandsmaßnahmen samt solchen Einschränkungen ergriffen werden, wenn es ohne sie nicht ginge. Im gegebenen Fall kommt es darauf an, jede Maßnahme am Ziel der Epidemiebekämpfung zu messen und daraufhin zu überprüfen, ob sie – im Hinblick auf dieses Ziel – nützlich und unvermeidlich ist, übermäßige und überflüssige Maßnahmen zu bekämpfen, zu erwartende Exzesse der Repression zu denunzieren und dafür zu sorgen, dass nicht aus temporären Maßnahmen, berechtigt zur Epidemiebekämpfung, Elemente eines Dauernotstands werden. Zum Beispiel muss man energisch gegen einen geplanten Einsatz des Militärs zur Überwachung der Ausgangsbeschränkungen auftreten und dagegen, dass die Bevölkerung Schritt für Schritt an die Präsenz von Militär im alltäglichenStraßenbildgewöhnt wird („Militäreinsatz zur Personenkontrolle“, derzeit erst an den Staatsgrenzen, aber im Hinterkopf sicher schon darüber hinaus).Oder gegen die Quarantänisierung weiterer Gebiete in Fällen, wo ohnehin schon kaum mehr ein Verkehr stattfindet, der über das hinausgeht, was auch unter dem Quarantäneregime erlaubt bleibt. Oder eine Verlängerung des Ausgehverbots über das notwendige oder nützlich erscheinende Maß hinaus. Natürlich ist das manchmal schwer zu beurteilen, manchmal aber auch gar nicht. So ist das eben in einer komplizierten widerspruchsvollen Situation.

Wo bzw. sofern und sobald die Seite der Repression zur überwiegenden Seite wird und in keinem vertretbaren Verhältnis mehr steht zur Seite der Epidemiebekämpfung, schlägt die Lage um: die dann in erster Linie nur mehr repressiven Maßnahmen müssen bekämpft werden und dazu muss man sich auch über sie hinwegsetzen. Aber in dieser Situation werden das zumindest Teile der Arbeiter- und Volksmassen ebenfalls so sehen.

Eine übermäßige zeitliche Ausdehnung der Ausgangssperre, wie sie soeben (20. März) beschlossen wurde, ist inakzeptabel, da sie irgendwann in ein bloßes Terrorisieren der Bevölkerung ausartet und ihrerseits dazu beiträgt, Leute körperlich und mental krank zu machen – ohne aber offenbar gegen die Epidemie zu helfen, denn sonst hätte es ja schon geholfen.Wenn sie – im heutigen Stadium der Verbreitung der Epidemie – nach zwei, drei Wochen immer noch nichts gebracht hat, ist sie offenbar ein ungeeignetes Instrument, hat sie sich als unverhältnismäßig und zugleich nutzlos erwiesen und ist sie zu beenden. In Norditalien mit dem noch viel schärferen Ausgehverbot ist dieser Punkt wahrscheinlich schon erreicht – nur die Aussicht, dass der peakvielleicht tatsächlich in wenigen Tagen überschritten und die Repression schrittweise gelockert werden könnte, hält die Menschen davon ab, sie nicht trotz Verboten und drakonischen Strafen zu durchbrechen. Die Gefahr der Ausdehnung der Epidemie ist ja keine abstrakte Gefahr, sondern eine konkrete, die im Zusammenhang mit anderen Risken und Gefahren zu betrachten ist. Wenn eines Tages der Virus zurückgedrängt (ausgerottet kann er sowieso nicht werden), aber um den Preis der Verelendung und psychischen und körperlichen Schädigung einer großen Zahl von Menschen, dann ist das wie das Sprichwort: „Operation gelungen, Patient tot“.

Der Ausnahmezustand ist auch mit einer ideologischen Offensive der Bourgeoisie verbunden. Zwar wird diese teils aggressiv, schnittig, martialisch vorgetragen (vor allem vom Innenminister und der Kriegsministerin, während sich der Kurz ein bisschen „ausgewogener“ präsentiert), teils rührselig und voll Devotion gegenüber dem Koalitionspartner (vom grünen Vizekanler Kogler). Aber sie zielen alle auf die Stärkung des „Teams Österreich“, einer autoritären Volksgemeinschaft, die die Klassenwidersprüche und den Widerspruch zwischen Demokratie und Reaktion übertüncht. Alle parlamentarischen Parteien sind plötzlich ein Herz und eine Seele und sogar die „Sozialpartner“ rühmen sich plötzlich, wie gut sie in der Not miteinander können (allerdings bisher nur in der Frage der neuen Kurzarbeiterregelung). Streiks sindin so einer Lage undenkbar geworden. Der Klassenkampf der letzten Monate im Sozialbereich, einer der wenigen, muss unterbrochen werden: nicht nur wäre er ohnehin aus Gründen der Epidemie verboten, sondern man könnte ihn in der derzeitigen Lage nicht durchhalten.

So „professionell“ die Regierung in puncto Repressionsmaßnahmen und in puncto „Rettung“, sprich: Subventionierung der Wirtschaft „koste es was es wolle“ ist, so krass tritt in der eigentlichen Kernfrage, der Bekämpfung der Epidemie, ihr „Versagen“ bzw. ihre Volksfeindlichkeit, ihre Verlogenheit, ihre Rücksichtslosigkeit und Arroganz gegenüber den Massen, teils auch ihre Dummheit und Unfähigkeit zutage. Z.B. ihr doppelzüngiges und dilettantischesAgieren im Schulwesen und in der öffentlichen Kinderbetreuung, das nicht nur Eltern und Kinder, sondern auch Lehrer und Kinderbetreuer in eine schwierige Lage gebracht hat. Oder der drohende Zusammenbruch des häuslichen Pflegewesens (mit den Tausenden und Abertausenden slowakischen, tschechischen, kroatischen etc. Pflegekräften, denen die Grenzen gesperrt sind), während der Gesundheitsminister im Fernsehen erklärt, man hätte alles mit den dortigen „Kollegen“ besprochen und es sei alles geregelt (was unmittelbar darauf vom ORF dementiert wurde – es sei ein Fehler beim Schnitt (!) des Beitrags passiert). Oder dass sie sich sogar noch damit rühmen, dass sich in der Gesellschaft aus der Not heraus Initiativen bilden, um einen Versorgungsnotstand für kranke und ältere Menschen zu verhindern –sie merken nicht einmal, welchen Spiegel sie sich damit selbst vorhalten. Fernsehauftritte beherrschen manche von diesen Kreaturen meisterlich (zum Glück nur manche!), aber das ist auch schon alles, was man ihnen allenfalls an Positivem nachsagen könnte.

Die Wirtschaftskrise

Die Coronakrise, heißt es, stürzt uns möglicherweise in eine gewaltige Wirtschaftskrise. Eine solche Wirtschaftskrise steht in der Tat bevor – aber sie bahnt sich schon seit Ende 2017/Anfang 2018 an. Seit dem letzten großen Krach 2008/09 hatte eine Art schwankende Stagnation geherrscht, außer ein, zwei Strohfeuern kam es nie zu einem wirklichen Konjunkturaufschwung. Anhaltende Überproduktion, Lahmen der Investitionen, Überschuss an Geldkapital ohne profitable Anlagemöglichkeiten, neuerliche Ausbildung riesiger Spekulationsblasen. Seit Anfang 2018 kam es zu verstärktem Verfall der Wachstumsraten (des BIP und anderer volkswirtschaftlicher Größen) und der Investitionsquoten (ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste vorlaufende Indikator) [11]und im Jahr 2019 schrumpfte schließlich die Industrieproduktion in Österreich bereits um -5,3%, die Sachgüterproduktion insgesamt um -7,1%. Die Konjunkturprognose des WIFO vom Dezember 2019, also noch vor der  (europäischen) Coronakrise,ging bereits von einem BIP-Wachstum von nur mehr 1,2% aus (das ist halb so viel wie 2017 und 2018 und um ein Drittel weniger als 2019) – heute ist diese Prognose Schnee von gestern. Auf die nächste Prognose am 26. März kann man gespannt sein, vielleicht sagen sie sie auch ab, zu beneiden sind die Herren und Damen Wirtschaftsforscher in Bezug auf diese Aufgabe nicht. Eine Rezession war also schon im Anmarsch und sie hatte schon das Potential, sich zu einer regelrechten Wirtschaftskrise zu entfalten. Es brauchte nur mehr einen Auslöser. Dafür hätten alleine schon die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Epidemie in China gereicht. Jetzt wird ein solcher krisenhafter Einbruch wohl unvermeidbar. Die Wirtschaftskrise kann sich leicht mit einer neuen „Finanzkrise“, also einer des Geldkapitalsektors, verbinden. Alle Ingredienzien dafür sind zubereitet, die Dimension des spekulativen fiktiven Kapitals liegt in der Größenordnung wie vor der letzten „Finanzkrise“[12].

Aber jetzt ist das Virus an allem schuld. An der heraufziehenden Krise ist nicht der Kapitalismus schuld, sondern einzig und allein das Virus. Wie aufgescheuchte Hühner rennen jetzt Politiker herum und versichern, der Staat würde die Wirtschaft retten, „koste es was es wolle“. Nulldefizit und „Neoliberalismus“ sind vergessen, jetzt geht es nur mehr darum, wie man in der Not den Kapitalisten unter die Arme greifen kann. 39 Milliarden Euro sollen in Österreich dafür locker gemacht werden, aber das sei nur eine Art Anzahlung, denn es gibt „keine Obergrenze“ für das, was den Kapitalisten zugeschoben wird. Die Frage des Budgetdefizits, bisher der Gottseibeiuns der „neoliberalen“ Budgetpolitik, spielt keine Rolle mehr: für die „Rettung der Wirtschaft“ schreckt den Finanzminister kein noch so hohes Budgetdefizit. Ein echtes Déjà-vu-Erlebnis, wenn man an die letzte „Finanzkrise“ zurückdenkt. Damit allerdings die „Rettung“ zielgerichtet dorthin gelenkt werden kann, wohin sie soll, vornehmlich auf das große Kapital und nicht auf den Zwergwuchs an EPUs oder Kleinstbetrieben, wurde am 15.März einstimmig das „Epidemiegesetz“ 1950 mit dem „COVID 19 Maßnahmengesetz“ außer Kraft gesetzt. Dort war geregelt, dass im Falle behördlich angeordneter Betriebsschließungen der Verdienstentgang (des Kapitalisten) ausgeglichen werden muss, sie aber zugleich „die während der Sperre angefallenen Lohnkosten vom Gesundheitsamt zurückfordern können“. Dafür gibt es jetzt ein „Versprechen“ der Bundesregierung à la „wir machen da was“. Was? Dafür werden mehrere behördliche Stellen zuständig sein und sie wollen einen Hilfsfonds einrichten, der dann prüft, ob und warum und überhaupt und wieviel usw.,  Die Lohnabhängigen schauen sowieso durch die Finger, aber auch der kleine Kapitalist muss sich ziemlich verarscht vorkommen durch die Partei, die er gewählt hat (wer immer das war).

Verstaatlichungen von Fluglinien werden ins Auge gefasst (z.B. in Italien und Frankreich). VW begegnet dem Problem der Überkapazitäten der Automobilbranche durch ein paar Wochen Stillstand – wegen des Coronavirus natürlich (obwohl das angesichts der Verschlechterung der Lage auf den Exportmärkten, speziell Chinas, sowieso früher oder später notwendig geworden wäre) und bedarf jetzt dringend staatlicher Subventionen, da ja anscheinend die Profite von 12,5 Mr. € und 14,6 Mrd. €  (Gewinn vor Steuern) in den letzten beiden Geschäftsjahren zu bescheiden sind, um die Auswirkungen des Coronavirus zu „stemmen“. Um die EPUs zu retten, verlangen manche, möge man jedem von ihnen gleich einmal formlos 10.000 € überweisen, denn für das Ausfüllen von langen Formularen hätten sie jetzt keine Zeit. Auch ohne Coronavirus gehen allerdings Zehntausende dieser „ventures“ jedes Jahr bankrott (sollte man ihnen vielleicht von vornherein jedes Jahr 10.000 € überweisen?) Ob diese EPUs ihre 10.000 € kriegen, sei dahingestellt, aber jedenfalls kommen Milliarden oder Billionensubventionen zur Stützung der Profitrate auf die Staatshaushalte zu – und diese finanzieren sich bekanntlich zu fast drei Vierteln aus Massensteuern. Aber ob Budgetüberschuss (wie in Deutschland), Nulldefizit (wie in Österreich bis vor kurzem geplant) oder ein Fluten der Wirtschaft mit „Rettungs“milliarden (wie jetzt überall geplant) – es läuft immer auf dasselbe hinaus, es geht immer um die Steigerung von Ausbeutung und staatlicher Plünderung.

Es wird im Zuge der sich anbahnenden Wirtschaftskrise mit Sicherheit zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit[13], zu noch stärkerem Lohnraub, zu noch heftigeren Angriffen des Kapitals zur Steigerung der Ausbeutung auf allen Linien kommen. So läuft offenbar bereits eine Flutwelle an Bemühungen, die Menschen zu zwingen, ihren Jahresurlaub zwangsweise während des Ausnahmezustandes zu konsumieren. Widerspricht zwar dem Arbeitsrecht, wo ja festgehalten ist, dass der Urlaub zwischen “Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ vereinbart werden muss und dass er der Erholung und der Reproduktion der Arbeitskraft dient und nicht einer faktischen Quarantäne, es widerspricht auch der Tatsache, dass ein Kapitalist nicht (subventionierte) Kurzarbeit beantragen und Subventionen kassieren, aber zugleich  noch den Verbrauch des Urlaubs im Rahmen dieser Kurzarbeit anordnen darf. Findet aber alles statt. Die Wirtschaftskammer nutzte am 17. März die Gunst der Stunde und forderte, das Sonntagsfahrverbot für LKWs aufzuheben und die Beschränkungen der Lenkzeiten zu lockern, wegen der Versorgungssicherheit natürlich, nicht etwa wegen des Profits – einmal gelockert, ist die Gefahr groß, dass sie gelockert bleiben. Auch mit angekündigten ohnehin nur kosmetischen Reformen im Bereich der Lohnsteuer wird es nichts werden, dafür aber sicher mit Erhöhungen der indirekten Steuern (vielleicht auch mit dem Etikett Umweltschutz versehen, damit auch der grüne Koalitionspartner sich freuen kann) und vielleicht „Erleichterungen“ bei der Körperschaftssteuer. Die neue Kurzarbeitsregelung, die Unterbrechungen der Wirtschaftstätigkeit mit AMS-Zuschüssen abfedern soll, legt alle Entscheidung alleine in die Hände der Kapitalistenund schützt keinesfalls vor Kündigung. „Sozialpartner“ und Regierung (und auch alle anderen parlamentarischen Parteien) waren sich „in zwei Stunden“ einig, dass allein der Kapitalist zu entscheiden habe, ob er die Leute gleich rausschmeißt oder die neue Regelung in Anspruch nimmt und sie ggf, später rausschmeißt, alles nach seinem freien Ermessen. Gerade noch waren die ÖGB-Bonzen ganz stolz auf ihr Tempo, im Nachhinein wird ein bisschen gemault, dass die Betriebsräte zwar mitreden können, aber letztlich nichts zu sagen haben.

Alle reden über diese wunderbare Flexibilisierung der Kurzarbeiterregelung, obwohl diese alle Macht in die Hände der Kapitalisten legt. Niemand verliertauch nur ein einziges Wort über die Aufhebung des Epidemiegesetzes 1950 durch einstimmigen Beschluss des Nationalrats am 15. März. In vielen anderen europäischen Ländern, z.B. auch in einigen Bundesländern Deutschlands, ist (oder war jedenfalls bisher) geregelt, dass im Epidemiefall besondere Regelungen greifen: Kündigungsverbot bei behördlich angeordneter Betriebsschließung sowie im Fall staatlicher Subventionen, Lohnfortzahlung zu 100% durch den Kapitalisten für die gesamte Dauer der Schließung bzw. der Subvention, Refundierung des Kapitalisten durch die Gesundheitsbehörden. Der „Arbeitnehmer“ hätte so mit dem Arbeitsamt gar nichts zu tun. Auch in Österreich war es gemäß Epidemiegesetz 1950 so geregelt. Aber nur bis zum 15. März, d.h. bis zum ersten Ernstfall, als nämlich dieses Gesetz im Nationalrat einstimmig aufgehoben und durch ein neues COVID-19-Maßnahmengesetz ersetzt wurde. Von Lohnfortzahlung kommt dort nichts mehr vor. Diesbezügliche Erstattungsansprüche wurden, von der bürgerliche Öffentlichkeit ganz unbemerkt, mit einem Federstrich ersatzlos gestrichen. Alles liegt jetzt in Händen des Kapitalisten, der aber natürlich keine Löhne fortzahlen will, wenn er sie nicht refundiert bekommt.

Ebenso bösartig ist es, die Kapitalisten mit allen Mitteln „retten“ zu wollen und ihnen die Subventionen hinten hineinzustopfen, aber nicht den geringsten Versuch zu unternehmen, im Gegenzug dem „freien Spiel“ der Kündigungswellen einen Riegel vorzuschieben oder sie wenigstens zu beschränken. Wie bösartig auch, den subventionierten Kapitalisten nicht einmal zu verbieten, die Menschen während des Ausgehverbots in Zwangsurlaub zu pressen bzw. solche Methoden verbieten als kriminellen Missbrauch unter schwere Strafen zu stellen. „Freie Marktwirtschaft“ wie sie leibt und lebt. Es wäre ein Wunder, wenn die Lage nicht für einen Generalangriff des Kapitals gegen eine durch das Coronavirus zusätzlich gelähmte Arbeiterklasse genutzt werden würde. Er hat schon begonnen.

Seid wachsam, lasst Euch nicht alles gefallen,wehrt Euch!

Bei aller Sorge wegen des Coronavirus und aller Notwendigkeit, seine Ausbereitung zu bekämpfen und zurückzudrängen, darf man sich nicht das Hirn vernebeln lassen. Das unerwartete Virus darf nicht vom Kampf gegen das unweigerliche Abladen der wirtschaftlichen und sozialen Krisenlasten auf die Arbeiterklasse und die Massen abhalten. Hinter der Bekämpfung der Ausbreitung der Epidemie stecken noch andere Interessen und Ziele. Die Bourgeoisie bleibt die Bourgeoisie, die reaktionäre Regierung bleibt die reaktionäre Regierung – mit oder ohne Coronavirus. Auch wenn man vom Virus und der Regierung drangsaliert wird sind höchste Aufmerksamkeit und Wachsamkeit geboten. Jeder nicht zwingend für die Epidemiebekämpfung erforderlichen bzw. übermäßigen Einschränkung demokratischer Rechte, jedem Exzess des Staatsapparats, jedem Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen, darunter auch im Gesundheitswesen, dem der Krise zwingend nachfolgenden Raubzug des Kapitals sowie der ebenfalls zwingend bevorstehenden massiven Zunahme der Steuerausplünderung muss entgegengetreten werden.

[1]Die Dynamik der Verbreitung, die Virulenz des Erregers, die Mortalität usw. haben sich anders entwickelt als noch vor einigen Wochen angenommen. Aufgrund der Analysen in China und des Verlaufs in Italien ist die Lage heute schon anders zu sehen als damals und sie wird vielleicht in ein paar Wochen und Monaten, vielleicht schon ein paar Tagen, wieder anders zu sehen sein. Und damit auch die Einschätzung der Krise und ihrer verschiedenen Seiten.

[2] Bei allen im Zusammenhang mit dem Coronavirus kolportierten Zahlen ist Vorsicht geboten. Je mehr getestet wird, desto mehr Infizierte findet man, je weniger, desto weniger. Daher gibt es in ganz Osteuropa fast gar keine Fälle, aber auch seltsame Disparitäten innerhalb verschiedener Länder erklären sich banal so. Ferner ist der Abstrichtest nicht absolut verlässlich, sodass er z.B. in Italien erst durch einen zweiten Test der DirezioneCentrale di Sanità in Rom bestätigt werden muss, aber trotzdem sofort in die Statistik eingeht. Weiters steigt und fällt die veröffentlichte Kurve der Infektionen nach Maßgabe dessen, wann die Infektion durch einen Test entdeckt wird, nicht aber wann sie erfolgte; modifiziert man sie dementsprechend im Zuge der Rückverfolgung der Infektionswege, sieht sie ziemlich anders aus und hätte z.B.in Italien den peak bereits überschritten oder würde ihn jedenfalls in den nächsten Tagen erreichen. Und schließlich werden Todesfälle dem Coronavirus zugeschrieben, bloß weil man diesen post mortem entdeckte, der Patient aber keine diesbezüglichen Anzeichen hatte, sondern einfach z.B. an einem seit langem bestehendem Lungenemphysem litt und deshalb an Linksherzversagen in der Intensivstation starb, woran er mit oder ohne die neue Pandemie gestorben wäre.

[3]In Wien, wo man, als Großstadt, besonders viele Fälle erwarten könnte, sind es per 20. März 270 Fälle und 2 Todesfälle bei 1,9 Millionen Einwohnern!

[4] Nur zum Vergleich: Bei den Masern, die bis vor kurzem zur hypergefährlichen und tödlichen Seuche erklärt wurden und in Bezug auf die gerade Terror in puncto Impfpflicht aufgeschaukelt wird, gab es 95 Masernfälle im Jahr 2017, 77 in 2018und 151 in 2019 – Todesfälle seit zwanzig Jahren Null. Weltweit 2018laut WHO 77 Todesfälle, davon 35 in Europa. Trotzdem trommelt Der Standard: „Österreich kämpft mit alarmierenden Problemen.“ Aber nun  haben sie endlich das Coronavirus, dagegen haben sie zwar nichts, keine Impfung, keine Medikamente, nur ein intaktes Immunsystem könnte Schutz bieten – aber sie können den Leuten massenhafte Impfungen gegen Lungenentzündung (Pneumokokken) einreden – blöderweise ist das eine Impfung gegen bakterielle Erkrankungen, die ebenso wie Antibiotika gegen Viren nichts, aber auch schon gar nichts nützt (aber, sagen sie, gegen bakterielle Folgeerkrankungen könnten sie allenfalls nützen). Vor allem, so hoffen sie, brauchen sie sich in Kürze nicht mehr mit solchem Pippifax herumschlagen, sondern können sie sich dem wirklich lukrativen Pandemiegeschäft zuwenden. Wahrscheinlich wird 2021 eine Corona-Impfung verpflichtend gemacht – und dann kommt womöglich in der nächsten Saison ein ganz anderes, eventuell mutiertes Virus daher, gegen das – wie bei der saisonalen Grippe – der heuer entwickelnde Impfstoff sowieso nicht wirkt.

[5]Italien verfügt nur über 8,4 Intensivbetten pro 100.000 Bevölkerung. Zum Vergleich: Deutschland hat 34 und Österreich 28. Großbritannien verfügt nur über 6,6 Intensivbetten und ist in puncto Corona-Katastrophe der nächste Kandidat für ein zweites „Italien“.

[6] Es gibt auch keinen einzigen OECD-Länderbericht der letzten Jahre über Österreich, wo nicht energisch eine wesentlich schärfere „Rationalisierung“ des Gesundheits- und Bildungssystems in Österreich (incl. dessen radikaler Redimensionierung und Privatisierung) gefordert wurde. Wäre man diesen Empfehlungen noch “konsequenter“ gefolgt, als man es ohnedies tat, wäre die Verletzlichkeit des Gesundheitssystems gegenüber diesem Virus heute noch größer (allerdings der daraus gezogene Profit ebenfalls).
[7] Wieso gerade diese Ski-Hotspots? Weil es dort nicht um Skisport geht, sondern darum, „so richtig die Sau rauszulassen und völlig abzugehen“ (über Medien vermittelte Eigenwerbung von Ischgl). Wer weiß, wie sich dort in den Mega-Bars Massen an „abgehenden“ oder „abgegangenen“ Individuen rudelweise beim Après-Ski vollsaufen und dann nächtelang grölend, weiter saufend, speibend, brunzend, umfallend, wieder aufstehend, weitersaufend, weitergrölend usw. durch die Straßen ziehen, wird sich darüber nicht wundern. Ein winterliches Pendant zum Münchner Oktoberfest halt. Schade, dass der Berg oberhalb Ischgls namens Muttler kein Vulkan ist, der diesen ekelhaften Auswuchs des Tourismus ein für alle Mal unter einer dicken Ascheschicht begraben könnte. Diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen, aber immerhin wird dem Monstrum Ischgl ein empfindlicher kommerzieller Schlag versetzt werden.

[8]Ein Blick von den Torineser Bergen auf Turin und Mailand oder von den Bergamasker Alpen auf Bergamo, alle die meiste Zeit des Jahres von Smog eingehüllt, das halbe Jahr im Nebel, genügt, um sich das zu vergegenwärtigen.
[9]In Frankreichgeschah bis Sonntag, den 15. März, dem Tag der Kommunalwahlen, gar nichts, seit Montag abends aber geht es richtig martialisch zu. Die „Republik“ führt eine „Generalmobilmachung“ durch, es herrscht „Krieg“ (alles offizielle Diktion der Regierung), die Freizügigkeit der Bewegung ist – wie auch in Italien – viel massiver eingeschränkt als etwa in Österreich, als in Deutschland sowieso. Der Innenminister Castaner verweist auf über 100.000 Polizisten und Militärs, die den Leuten, die sich nicht daran halten, Mores lernen sollen – bei einer sofort exekutierbaren Strafe von 135 € bei unbefugtem Ausgang. Aller Klassenkampf ist natürlich verboten. Auf der anderen Seite wurde am 18. März vom Premierminister bekanntgegeben, die Regierung habe viele arbeiter- und volksfeindliche „Projekte“, darunter die Pensionsreform, gegen die seit Monaten gekämpft wird, vorläufig abgesagt. Sie hätten ja auch versuchen können, ihr „Projekt“ jetzt erst recht blitzartig durchzusetzen (und auf eine völlige Lähmung der Arbeiter- und Volksbewegung zu setzen), aber so sind die Kräfteverhältnisse trotz Corona nicht und das wissen sie genau. Interessant die sehr unterschiedliche Vorgangsweise und Diktion: Italien ist seit Wochen unter radikaler Kuratel, in Frankreich wird jetzt ebenfalls offen radikalisiert, in Österreich wird zwar Unruhe und Panik gestiftet, aber zugleich auch immer wieder beruhigt, in Deutschland schauen sie anscheinend jetzt erst einmal, wie sich das halt alles so entwickelt …sie haben ja auch das „beste Gesundheitswesen auf der ganzen Welt“ und generell auf allen Gebieten die klügsten Köpfe der ganzen Welt (Stand 18.3., demnächst wird es möglicherweise ins Gegenteil umschlagen, sowohl in den Fakten der Epidemie, als auch in den Maßnahmen der Staatsmacht).
[10]Dieser Begriff ist übrigens eine Verleumdung Darwins, dem eine Übertragung seiner Erkenntnisse aus Pflanzen- und Tierwelt auf die Soziologie der Menschenwelt niemals in den Sinn kam.
[11]Weil der derzeitige Verfall der Aktienkurse gerade als Fanal einer zukünftigen Wirtschaftskrise in aller Munde ist: Daher waren auch die Aktienkurse bereits im Jahr 2018 beträchtlich eingebrochen (der deutsche DAX z.B. über das ganze Jahr hin um -18,3%). 2019 wiegte man sich wieder in von den Wirtschaftsforschern und Regierungen geschürten Illusionen, der Einbruch würde nur kurz werden, am Ende des Jahres war man eines Besseren belehrt, auch ganz ohne Corona, machte sich aber vor, 2021 sei alles überstanden. Auch ohne den Coronavirus hätte sich 2020 die Rezession vertieft und wahrscheinlich eine veritable Krise entfaltet. (Beim letzten Krach 2008 war der DAX übrigens um -40,3% eingebrochen, beim vorletzten 2000 – 2002 um 58,4%.)

[12]Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die die globale Statistik über derivative Finanzprodukte führt, weist für das erste Halbjahr 2019 allein im OTC-Segment, den nicht-börsenotierten Transaktionen (OTC = overthecounter), ein Volumen an Derivatives von 640.442 Milliarden $ aus (d.s. 640.442.000.000.000 €). Und das ist nur ein, allerdings das bei weitem größte Marktsegment auf den Global Derivatives Markets.(https://www.bis.org/statistics/derstats.htm?m=6%7C32%7C71)

[13]Schon an den ersten beiden Tagen (17. Und 18. März) meldeten sich 49.000 Menschen beim AMS als soeben arbeitslos geworden.

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