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Exodus aus Kroatien führt zu vielen »Zu verkaufen«-Schildern in Dörfern
Petrinja. Von seinen Nachbarländern wird Kroatien beneidet, weil es vor sechs Jahren der EU beitreten durfte. Am 1. Januar übernimmt die Regierung in Zagreb sogar die EU-Ratspräsidentschaft. Doch die Kroaten verlassen immer noch in Scharen ihr Heimatland - aus denselben Gründen wie ihre Nachbarn in Serbien oder Bosnien. Die Regierung hat bisher keinen Plan, wie sie den Exodus stoppen soll.
In kroatischen Städten und Dörfern hängen »Zu verkaufen«-Schilder an verlassenen Häusern, deren Bewohner in wohlhabendere EU-Länder ausgewandert sind. »Wir hören immer seltener das Lachen von Kindern«, sagt die 50-jährige Visnja Cosic, die auf einem Markt in der Kleinstadt Petrinja Gemüse verkauft. »In kleinen Städten gibt es keine Jobs.« Ihr Mann Mario ergänzt: »Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, würde ich auch ein Ticket ohne Rückfahrschein kaufen.«
Seit dem EU-Beitritt 2013 sind die Exporte Kroatiens gestiegen und viele Fördergelder aus Brüssel geflossen. Das durchschnittliche Monatseinkommen der Kroaten beträgt heute aber gerade einmal 862 Euro, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist laut offizieller EU-Statistik nur in Bulgarien niedriger.
Gleichzeitig hat die Öffnung der Grenzen die Auswanderung vereinfacht: Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat leben mittlerweile 15,4 Prozent der Kroaten im arbeitsfähigen Alter in einem anderen EU-Land. Damit liegt Kroatien in der EU auf Platz zwei hinter Rumänien. Seit dem EU-Beitritt 2013 haben nach offiziellen Angaben 190.000 der 4,2 Millionen Einwohner das Land verlassen. Experten schätzen die Zahl der Auswanderer sogar auf bis zu 300.000.
Mehr als zwei Drittel der Auswanderer gaben in einer Umfrage der Universität in Zagreb vom November wirtschaftliche Gründe für ihre Emigration an - gefolgt von der immer noch weitverbreiteten Korruption. »Die Menschen schätzen ihre wirtschaftliche Lage als schlecht ein, wissen aber nicht, wie sie das verändern sollen, weil die 'Spielregeln' feststehen. Das System ist korrupt«, sagt der Psychologieprofessor Zvonimir Galic, der die Befragung geleitet hat.
So erging es etwa Ana-Marija Hota, die mehr als zehn Jahre einen einträglichen Friseursalon in Zagreb betrieben hat. Zwei Monate nach dem EU-Beitritt im Juli 2013 ging sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nach Irland, das neben Deutschland und Österreich eines der Hauptzielländer für Kroaten ist. Zurück nach Kroatien will sie nicht.
»Das höhere Einkommen war nur einer der Gründe«, sagt die 37-Jährige, die in Dublin jetzt zwei Jobs in einem Friseursalon und einer Marketing-Agentur hat. Ausgewandert sei sie auch wegen der Korruption, der »Unantastbarkeit« beschuldigter Politiker und der Intoleranz in Kroatien.
Von der Auswanderung sind vor allem Dörfer und Städte auf dem Land betroffen, aber auch junge und gebildete Menschen aus Zagreb packen die Koffer. »Ich habe ein Angebot bekommen, das ich einfach nicht ablehnen konnte«, sagt der 26-jährige IT-Spezialist Ivan Krpelnik, der seit August in Deutschland arbeitet. In Deutschland würden »Arbeit und Leistung viel mehr gewürdigt als in Kroatien«.
Andere osteuropäische Länder erlebten nach ihrem EU-Beitritt ähnliche Auswanderungswellen. Wegen seiner vergleichsweise kleinen Bevölkerung könnten die Folgen für Kroatien aber bedrohlich werden, wie der Bevölkerungswissenschaftler Stjepan Sterc sagt. Weil gleichzeitig die Geburtenrate sinke, stehe Kroatien ein »demografischer Kollaps« bevor, der sich auf die gesamte Wirtschaft und das Renten-, Gesundheits- und Bildungssystem auswirken werde.
Die Regierung ist sich des Problems bewusst. Für Ministerpräsident Andrej Plenkovic ist die demografische Entwicklung entscheidend »für das Überleben der kroatischen Nation«. Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic, die um ihre Wiederwahl bangen muss, bezeichnet die schrumpfende Bevölkerung als »größte Herausforderung« für ihr Land.
Die seit 2015 amtierende Staatschefin tritt am 5. Januar in einer Stichwahl gegen den früheren Regierungschef Zoran Milanovic an. Die erste Wahlrunde am vergangenen Sonntag hatte der Sozialdemokrat mit knappem Vorsprung gewonnen.
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