Dem Wortsinne nach gibt es mittlerweile drei gärige Haufen im Bundestag. Neben der AfD, auf die ihr einstiger Vorsitzender Gauland den Begriff ursprünglich gemünzt hatte, gärt es auch in der SPD und in der CDU, wie deren jüngste Parteitage gezeigt haben. Bei den Sozialdemokraten und den Christdemokraten geht es darum, ob sie ihre politische Zweckehe fortsetzen sollen oder nicht, während in der Alternative für Deutschland darüber gestritten wird, ob sie sich als bürgerlich oder deutschnational versteht. Wohin die Reise gehen wird, kann derzeit niemand verlässlich vorhersagen.
Nimmt man das jüngste ZDF-Politbarometer zur Grundlage, können CDU und CSU nur dann damit rechnen, wieder die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler zu stellen, wenn sie neben den Freien Demokraten entweder die Grünen oder die AfD ins Boot holen. Eine Neuauflage der Großen Koalition scheint ausgeschlossen. Rechnerisch denkbar wäre eine Koalition unter Führung der Grünen, mitgetragen von den Sozialdemokraten und der Linkspartei. Ein solches Bündnis könnten CDU/CSU, FDP und AfD zusammen jedoch verhindern.
Solange die Unionsparteien bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Alternative für Deutschland bleiben, besteht kein Grund zur Sorge vor einem Abrutschen des Landes in nationalistisches Fahrwasser, obwohl sich – wie die Süddeutsche Zeitung dieser Tage bemerkte – »in der Welt, zuvorderst in Amerika, aber auch in Großbritannien oder Osteuropa, der politische wie wirtschaftliche Fokus stärker auf das Nationale richtet«. US-Präsident Trump hat das mit seinem brutalen »America first« auf den Punkt gebracht.
Was die gegenwärtige Situation von früher unterscheidet, ist die Haltung der deutschen Wirtschaft. Als die rechtsgerichtete Nationaldemokratische Partei Deutschlands zu ihrem Höhenflug ansetzte, schrieb die Zeitschrift des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände, Der Arbeitgeber, in der Ausgabe vom 20. April 1966, dass die nationale Frage virulent geworden sei, »halten wir nicht von vornherein für ein Unglück … Bis zum Beweis des Gegenteils sind wir n i c h t der unabdingbaren Meinung, bei der NPD handele es sich um eine Nachfolgeorganisation der NSDAP«. Das Blatt forderte »Mut zur sachlichen Auseinandersetzung«. Dann werde sich zeigen, ob bei der NPD »die einflussreiche, dem nationalistischen und rechtsextremen Gedankengut verpflichtete Funktionärsgruppe die Oberhand behält, oder ob es neuen, demokratischen Kräften gelingen wird, die Partei in eine national-konservative, doch der freiheitlichen Grundordnung verpflichtete Richtung zu führen«.
Was daraus geworden ist zeigte sich 2017, als das Bundesverfassungsgericht der NPD eine »Wesensverwandtschaft« zum Nationalsozialismus bescheinigte, ein Verbot der Partei gleichwohl aber ablehnte, weil sie zu bedeutungslos sei, um die Demokratie zu gefährden. Im selben Jahr zog die AfD mit rund 90 Abgeordneten in den Bundestag ein und entwickelte sich in mehreren ostdeutschen Bundesländern zur unmittelbaren Konkurrentin der CDU. Noch ehe es so weit war, hatte der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Kempf, vor negativen Auswirkungen gewarnt. »Erfolge der AfD schaden dem Image unseres Landes«, sagte er. Der Arbeitgeberverband der Region Braunschweig kritisierte die Haltung der AfD in der Flüchtlingsfrage und warf ihr Fremdenfeindlichkeit vor. Die Arbeitgeber erlebten in den Betrieben jeden Tag, dass Flüchtlinge zu geschätzten Kollegen geworden seien.
Nach Ansicht des Meinungsforschers Güllner vom Befragungsinstitut Forsa versammeln sich bei der AfD überwiegend Menschen mit einem rechtsradikalen Weltbild. Zweiundvierzig Prozent dieser Wähler seien der Meinung, dass Deutschland wieder einen starken Mann brauche, 15 Prozent sagten sogar, dass die Nazis Millionen Menschen umgebracht hätten, sei Propaganda der Siegermächte. Die AfD sei jedenfalls keine bürgerliche Partei, so Güllner. Den gegenteiligen Eindruck zu erwecken war das Hauptziel ihres Braunschweiger Parteitages. Deshalb kamen Scharfmacher wie Höcke und Curio nicht zum Zuge. Was morgen in diesem, aber auch in den beiden anderen »gärigen Haufen« sein wird, bleibt abzuwarten.
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