Stefan Engel
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Briefwechsel zur Frage des marxistisch-leninistischen Kulturbegriffs
Von RW-Redaktion
Brief eines Genossen der RW Redaktion an Stefan Engel, 23.1.18
Einige Anmerkungen zur Gliederung des RW 36
a) Zum Punkt 6.3. Zunehmende Dekadenz in der bürgerlichen Massenkultur
(...)
„Die zunehmend reaktionäre
Tendenz der bürgerlichen Ideologie“ (2.2) hat ja eine allgemeine
Grundlage in der Überholtheit des kapitalistischen Systems, bzw. darin,
dass die Produktivkräfte über dieses System hinausgewachsen sind.
Auf der Stufe der
Neuorganisation der internationalen Produktion hat die Dekadenz und
Fäulnis der bürgerlichen Kultur eine neue Dimensionen angenommen.
Sexismus, Pornografie, Drogenhandel, Mobbing, Unterwerfung bis hin zur
Versklavung und Sadismus, Frauenhandel, organisierte Wilderei im
internationalen Maßstab, Umgang mit der Natur und Naturprodukten usw.
Es gibt aber gleichzeitig eine Kultur der Massen, des Widerstandes, der Rebellion und Revolution.
Bei der Beschäftigung mit der
Kunst und Kultur bin ich besonders im Zusammenhang mit der Geschichte
der Musik und der konkreten Untersuchung ihrer Internationalisierung
(siehe die Artikelserie dazu in der Roten Fahne 2006/2007) auf eine
wesentliche Erscheinung gestoßen, wie die Herrschenden ihr Dilemma zu
lösen suchen, dass sie selbst keine ideologische Grundlage für die
Entwicklung einer inhaltlich frischen, perpektivisch-optimistischen
Kunst haben, ohne Masseneinfluss aber nicht auskommen können bzw.
wollen.
Die Sache ist so, dass die
bürgerliche Massenkultur auch Elemente aus der Kultur des „Unterholzes“
als Nektar für sich aufgreift, verwertet, vermarktet und zur
Stabilisierung seines gesellschaftlichen Systems der kleinbürgerlichen
Denkweise nutzt; konkret nachgewiesen an verschiedenen Beispielen.
Konkreter zum Beispiel des RAP/Hiphop: er entstand Ende der 60er Jahre
als Teil der Gegenkultur zum Rassismus, des Zusammenhalts, des Kampfs um
demokratische Rechte usw. Mit seiner Vermarktung verschärfte sich in
den folgenden Jahren in Form und Inhalt das aggressive Herausstellen des
Individuums, wurde damit Egoismus, Sexismus und das Konkurrenzdenken
unter den Jugendlichen verbreitet.
Die Hauptmethode der Herrschenden ist heute nicht die offene Unterdrückung fortschrittlicher Elemente in der Kultur.
Die Geschichte des Jazz, des Rock und Pop zeigt, dass jeder neue Ansatz
von Protest und Rebellion immer schneller und raffinierter von den
herrschenden Medien und Märkten für ihre Zwecke geschluckt und als Teil
der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Massenkultur etabliert wurde. Das
heißt, dass mit Musik - auch der dazu entwickelten Mode usw. - ein
gewisses Gefühl der Unzufriedenheit, des Protestes usw. unter den Massen
aufgegriffen und so gesteuert wird, dass dieses Gefühl sich nicht
massenhaft als bewusster Widerspruch zum bestehenden Profitsystem
entwickelt bzw. entwickeln soll.
Umgekehrt greifen die Massen
auch Formen und Technik der bürgerlichen Massenkultur auf, um sie mit
ihren Inhalten und in mehr oder weniger verwandelter Form ihrem Lebens-
und Kampfwillen unterzuordnen, keineswegs nur auf dem Gebiet der Musik
und Kunst, sondern auch der Technik, besonders der modernen
Kommunikationstechnik. Das ist ein gesetzmäßiger und bereits spontaner
Prozess, denn die materiellen Grundlagen für Sozialismus bzw. die
Elemente der Auflösung der alten Gesellschaft reifen weiter.
Natürlich gab es schon sehr
lange und auch schon vor dem Einsetzen der Neuorganisation der
internationalen Produktion einen Austausch und eine Durchdringung der
Musik und Kultur verschiedener Länder, eine gegenseitige Befruchtung und
Weiterentwicklung. Schon mit dem Aufkommen von Radio, Fernsehen,
Musikkassetten usw. nahm dieser kulturelle Austausch international
bedeutend zu.
(...)
Man kann sagen: Die neue Qualität der
kulturellen Entwicklung im Zusammenhang mit der Neuorganisation der
internationalen Produktion zeigt sich allgemein in der zunehmenden
weltweiten Vernetzung, gegenseitigen Beeinflussung und in neuen
Entwicklungen auf Grundlage der neuen elektronischen, digitalen und
Kommunikationstechnik und der sprunghaft gewachsenen Offenheit für
internationale Entwicklungen, sowohl bei den Kulturschaffenden als auch
den Verwertern.
- Es gibt also zwei Grundrichtungen die sich hier gegenüberstehen, die in der Wirklichkeit oft vermengt sind:Kulturentwicklungen und ihre Vermarktung auf der Grundlage der Neuorganisation der internationalen Produktion, unter Nutzung modernster Mittel zum Zweck der Festigung eines staatstragenden Systems der kleinbürgerlichen Denkweise. Die Internationalisierung von Kunst und Kultur als Instrument der heute Mächtigen, über die Massenmedien Verfügenden zur Aufrechterhaltung ihrer Profite und ihrer Systeme. Dies widerspricht weltweit den Zukunftsinteressen der Völker. Sie hat geschichtlich betrachtet keine Zukunft.
- Die Entwicklung von Kultur und Kunst als Bestandteil des respektvollen internationalen kulturellen Austausches zwischen den Völkern, auch als Teil der bewussten Entwicklung einer internationalen Arbeiter- und Volksbewegung, der Integration von Migranten in den gemeinsamen antifaschistischen, antiimperialistischen und revolutionären Kampf (siehe das kurdisch-deutsche Liederheft bzw. das 2. Rebellische Musikfestival) usw.. Diese entspricht den Zukunftsinteressen der Massen und der Vorbereitung einer internationalen sozialistischen Revolution und sie gilt es bewusst zu entwickeln.
b) Zu 7. Über die Behandlung der Denkweise in der sozialistischen Gesellschaft
a) Die Probleme des Klassenkampfs in der Sowjetunion in den 1930er Jahren
Hier habe ich überlegt, dass
man die Auseinandersetzungen um die Bildende Kunst (siehe z.B. den
Artikel im RF-Magazin zur „Ausstellung revolutionärer Kunst in
Chemnitz“), oder die verzweifelten Erklärungsversuche der bürgerlichen
Geschichtsschreiber zu Schostakovitsch und anderen Künstlern, die sich
am Aufbau des Sozialismus beteiligten, aufnehmen sollte. In dieser
Auseinandersetzung bin ich selbst leider nicht sehr bewandert.
(...)
Gruß
(Unterstreichung im Text durch RW-Redaktion)
Antwort von Stefan Engel an den Genossen
15.11.2018
Lieber Genosse,
vielen Dank für deine Vorschläge zur Behandlung von
Fragen der Kunst und Kultur im RW 36/37 vom 21. August 2018. Ich bin
leider erst jetzt dazu gekommen, im Rahmen der Veränderung der
Gliederung, mich mit deinem Brief zu befassen.
Insgesamt halte ich deine schöpferischen Gedanken für
sehr wertvoll und sie müssen unbedingt auch in unserem RW eingebracht
werden.
Allerdings möchte ich auf einige Ungereimtheiten und auf Fehler aufmerksam machen:
1. Du behauptest, dass die Herrschenden ein Dilemma hätten, „dass
sie selbst keine ideologische Grundlage für die Entwicklung einer
inhaltlich frischen, perspektivisch optimistischen Kunst haben, ohne
Masseneinfluss aber nicht auskommen bzw. wollen.“
Die These, dass die Herrschenden keine ideologische
Grundlage haben, ist nicht richtig. Selbstverständlich ist die
herrschende Kunst und Kultur Ausdruck der bürgerlichen Ideologie in
seinen verschiedenste Facetten. Du beschreibst in deinem Brief daher
selbst, dass sie natürlich im System der kleinbürgerlichen Denkweise
eine wichtige Rolle spielen und dort auch eine entsprechende
Modifikation erfahren haben. Aber die These, dass es keine ideologische
Grundlage für ihre Dinge gibt, ist grundsätzlich falsch. Man muss genau
untersuchen, wie ihr Problem, dass ihre bürgerliche Ideologie in der
Krise ist und sie aber einen Masseneinfluss ergattern wollen, gelöst
wird. Da wird zum Beispiel sehr viel mehr auf Form als auf Inhalt Wert
gelegt, da wird mit der modernen Technik verschiedene Defizite in Inhalt
und Form wiederum auszugleichen versucht, um die Leute zu beeindrucken.
Das alles muss untersucht werden, kann aber nicht zu der These führen,
dass sie keine ideologische Grundlage für ihre bürgerliche Kunst und
Kultur haben.
2. Du schreibst, dass heute nicht die offene
Unterdrückung fortschrittlicher Elemente der Kultur die Hauptmethode
sei. Das ist einerseits richtig, führt aber in deinen Ausführungen dazu,
dass du dich mit der offenen Unterdrückung dazu in der Kultur gar nicht
befasst. Es häufen sich doch Fälle, wo man Embleme und Fahnen nicht
tragen, Lieder nicht mehr singen darf oder Parolen nicht mehr sprechen
darf, weil sie politisch nicht genehm sind. Wir haben das selbst im
Laufe dieses Jahres mehrmals bei Demonstrationen und Aktivitäten erlebt.
Auch die Verfolgung von „Grup Yorum“ zielt ja letztlich überhaupt auf
die Unterdrückung und Diskriminierung revolutionären Kulturguts. In
verschiedenen Ländern der Welt, ist der Kommunismus direkt verboten
einschließlich seiner Symbole, Losungen und seiner Kultur. Diese Tendenz
hat auch mit der Renaissance offen reaktionärer Ideologien, hat auch
etwas mit der internationalen Rechtsentwicklung zu tun, die bei deiner
These eigentlich viel zu kurz kommt. Diese Rechtsentwicklung kann sehr
schnell auch zur Hauptseite werden und muss auch in unserem RW
entsprechend behandelt werden.
3. Unverständlich ist deine These „Umgekehrt
greifen die Massen auch Formen und Technik der bürgerlichen Massenkultur
auf, um sie mit ihren Inhalten und in mehr oder weniger verwandelter
Form ihrem Lebens- und Kampfwillen unterzuordnen, keineswegs nur auf dem
Gebiet der Musik und Kunst, sondern auch der Technik, besonders der
modernen Kommunikationstechnik. Das ist ein gesetzmäßiger und bereits
spontaner Prozess, denn die materiellen Grundlagen für Sozialismus bzw.
die Element der Auflösung der alten Gesellschaft reifen weiter.“
Ich muss dir ehrlich sagen, ich habe diesen Absatz
mehrmals gelesen und verstehe kein Wort. Was willst du denn damit
eigentlich sagen? Dass jede Kunst und Kultur seine materielle Grundlage
in der politisch-ökonomischen Basis der Gesellschaft hat? Dass das
natürlich eine reaktionäre Widerspiegelung ist, die direkt zum
reaktionären Überbau in der imperialistischen Gesellschaft gehört, aber
auch zu fortschrittlichen Erscheinungen des Kampfs gegen diese
Gesellschaft? Ich bitte dich, dich in der RW-Arbeit so auszudrücken,
dass man damit auch etwas anfangen kann. Du musst deine Gedanken zu Ende
führen und dann aufs Papier bringen und mir nicht ein solches
Kauderwelsch vorlegen.
Deine Vorschläge sind gut, aber man muss genau
unterscheiden, was vorne behandelt wird bei der Dekadenz der
bürgerlichen Kunst und Kultur und dann auch beim System der
kleinbürgerlichen Denkweise, wozu wir eine extra Nummer des RW
herausgeben. Es ist sehr wichtig, dass man hier genauer unterscheidet.
Beide Teile haben eine bestimmte Berechtigung, sowohl im ersten wie im
zweiten Teil unseres RW. Bitte bemühe dich doch, deine Vorschläge so
exakt zu machen, dass sie auch entsprechend dem erwähnten RW 36 bzw. RW
37 zugeordnet werden können. Den neuen Gliederungsvorschlag lege ich dir
bei.
Herzliche Grüße!
Stefan
Antwort des Genossen an Stefan Engel:
Lieber Stefan,
zunächst muss ich mich für die späte
Antwort entschuldigen. Ich hatte mich mit deinem Brief – der am 28.
Dezember 18 bei mir einging - erst nach der Revue-Aufführung im Januar
2019 befasst und den Brief auch nicht so verstanden, dass er unmittelbar
beantwortet werden soll, sondern ich deinen Hinweisen entsprechend mich
unter Schriftleitung, an der konkreten Erarbeitung des Abschnitts „6.3.
Zunehmende Dekadenz in der bürgerlichen Massenkultur“ beteiligen soll.
(...)
Es gilt jetzt auf dem Niveau der Ergebnisse des Seminars weiter zu arbeiten, deshalb gehe ich in diesem Sinne nur kurz auf deine Hinweise zu meinem „alten“ Brief ein:
1.: Deine Kritik an meiner grundsätzlich falschen Behauptung, dass die Herrschenden ein Dilemma hätten, nämlich „dass
sie selbst keine ideologische Grundlage für die Entwicklung einer
inhaltlich frischen, perspektivisch optimistischen Kunst haben“ ist berechtigt. Das Seminar hat ja gerade deutlich gemacht, über welche Kanäle die bürgerliche Weltanschauung Einfluss auf das Denken nimmt. Genau deshalb muss ja das weltanschauliches Vorgefecht für die internationale sozialistische Revolution geführt werden. Wichtig finde ich deinen Hinweis, dass man genau untersuchen muss, „wie
ihr Problem, dass ihre bürgerliche Ideologie in der Krise ist und sie
aber einen Masseneinfluss ergattern wollen, gelöst wird. Da wird zum
Beispiel sehr viel mehr auf Form als auf Inhalt Wert gelegt, da wird mit
der modernen Technik verschiedene Defizite in Inhalt und Form wiederum
auszugleichen versucht, um die Leute zu beeindrucken.“ Da gibt es meiner Meinung nach noch Defizite im Abschnitt 6.3.
2. Dein nächster Hinweis an mich: „Du
schreibst, dass heute nicht die offene Unterdrückung fortschrittlicher
Elemente der Kultur die Hauptmethode sei. Das ist einerseits richtig,
führt aber in deinen Ausführungen dazu, dass du dich mit der offenen
Unterdrückung dazu in der Kultur gar nicht befasst.“ Das ist richtig. Neben dem Vorgang mit Grup Yorum gibt es das zunehmend auch gegenüber uns in Deutschland und gegenüber revolutionären Gruppen und Organisationen international.
Die Tendenz der internationalen Rechtsentwicklung hatte ich bei der
Erstellung der Reihe zur Internationalisierung der Musik natürlich noch nicht im Blick, in dem Punkt ist sie überholt. Dein Hinweis muss aber aufgenommen und entsprechend in diesem RW-Abschnitt berücksichtigt werden.
3. Aus dem von dir als „unverständlich“ und als „Kauderwelsch“
bewertete Abschnitt will ich hier gar nicht mehr lang zitieren – er ist
intellektuell-abstrakt formuliert. Es ging mir konkret darum: Der
Prozess der ideologischen Einflussnahme der internationalen Übermonopole
und ihrer nationalen Regierungen mit kulturellen Mitteln verläuft
keineswegs widerspruchsfrei. Allgemein wird z. B. durch die
internationale Vernetzung – auch der Nutzung digitaler Medien - und die
wachsenden Möglichkeiten sich weltweit Informationen und auch kulturelle
Produkte zu beschaffen, der lokal begrenzte Horizont erweitert – eine
materielle Grundlage für den internationalen Zusammenschluss im eigenen
Interesse bzw. der internationalen sozialistischen Revolution.
Soweit. Herzliche Grüße!
Brief des Genossen an Stefan Engel, 13.9.19
Zur Qualifizierung des Kulturbegriffs
In der Formulierung des Abschnitts „I. 6. 3. Zunehmende Dekadenz in der bürgerlichen
Massenkultur“ wird von einem anderen Genossen folgende Kennzeichnung des „Kulturbegriffs“ vorgenommen:
„In der Kultur fasst sich auf der Grundlage der
materiellen Produktion der gesamte gesellschaftliche Fortschritt der
Menschheit in ihrer Lebensweise, ihren Umgangsformen, ihren Sitten und
Gebräuchen zusammen. Die Sprache, Bildung, Musik, Kunst, Literatur, Film
oder Wissenschaft sind nur besondere Ausdrucksformen der Kultur. Jede
Gesellschaftsform bestimmt ihr Kulturniveau. Dieses prägt zugleich die
Gesellschaft und jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft. Der
bürgerliche Kulturbegriff reduziert das Kulturverständnis auf
Disziplinen des Kulturschaffens (Literatur, Musik, Theater usw.), der
Wissenschaft, Religion und Philosophie. Mit der Entwicklung der
Klassengesellschaften entstanden höhere Kulturformen und die Kultur nahm
Klassencharakter an. “
In dieser Qualifizierung des Kulturbegriffs fehlt meines Erachtens die Seite der Natur als eine wesentliche Seite in der dialektischen Einheit von Kultur und Natur
und ihrer Entwicklung. Die Natur ist für die Kultur des Menschen, seine
materiellen Produktion, seine gesellschaftlichen Fortschritte keine
gleich bleibende oder passive Konstante, sondern beweglich, aktiv und
passiv.
Die weltbekannten Geoglyphen in Peru,
die „Nasca-Linien“ beispielsweise, waren eine kulturelle Reaktion auf
die objektive Veränderung des Klimas für das Volk der Nascas. Der Mensch
hat auch mit der aktiven Veränderung der Natur - zum Beispiel durch
Abholzung - das Klima verändert und damit selbst veränderte Bedingungen
für die Produktion, die menschliche Lebensweise und ihre Umgangsformen,
Sitten und Gebräuche – also auch seiner Kultur geschaffen. Solche
Wirkungen, Wechselwirkungen und Durchdringungen finden ständig statt.
Und heute - mitten im fortschreitenden Übergang zu einer globalen Umweltkatastrophe – kann der Kulturbegriff erst recht nicht unabhängig von der Rolle der Natur in der Einheit von Kultur und Natur qualifiziert werden.
Der „gesamte gesellschaftliche Fortschritt der Menschheit“ ist gerade Fortschritt wenn und weil er die Einheit von Mensch und Natur höher entwickelt. Er ist Auseinandersetzung
mit der Natur, die sich im Lebenskampf der Menschen, geschichtlich in
den Veränderungen der Produktion und in der Entwicklung des Denkens und
der Kultur der Menschen widerspiegeln. Diese Veränderungen werden in
kulturellen Formen zunächst für ihre Gemeinschaft, später für ihre
Klasseninteressen zum Ausdruck gebracht, mit denen die Menschen die
Probleme ihrer Stellung zur Natur und ihrer Stellung zu einander lösen
wollen.
Deshalb schlage ich vor nach dem Satz „Jede Gesellschaftsform bestimmt ihr Kulturniveau.“ folgendes einzufügen:
„Dieses drückt sich in der
Auseinandersetzung mit der Natur, den Veränderungen der Produktion, in
der Entwicklung des Denkens und den Kulturformen der Menschen aus mit
denen sie die Probleme ihrer Stellung zur Natur und ihrer Stellung zu
einander und im Klassenkampf lösen wollen. Und dieses prägt...“
Dazu schreibt der andere Genosse am 23.9.19:
Das ist natürlich nicht falsch. Aber
ich halte es nicht für notwendig, weil die materielle Produktion und die
Lebensweise wesentlich die Wechselwirkung mit der Natur einschließt.
Hier extra noch die Einheit von Mensch und Natur einfügen, würde die
Frage aus etwas zusätzliches und außerhalb ergänzendes behandeln.
Genauso gut, könnte man weitere Elemente hinzufügen, wie die Einheit von
Frau und Mann, die Kinderaufzucht usw. Im RW 23 wurde diese Einheit von
Mensch und Natur der Definition der Produktion zu grunde gelegt:
„Jede
Produktion ist Verbindung von Arbeit und Naturstoff. Der Mensch
produziert, indem er durch seine Arbeit der Natur den stofflichen
Reichtum abringt; er verändert die Formen der Naturstoffe und schafft
die verschiedenen Gebrauchswerte, die für die menschliche Gesellschaft
nützlich sind... Dieser Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur ist eine
Bedingung jedes menschlichen Lebens und für alle
Gesellschaftsformationen grundlegend.“ (Seite 9)
Antwort von Stefan Engel an die beiden Genossen, 10. Oktober 2019:
Liebe Genossen,
ich habe eure Diskussion zur Qualifizierung des
Kulturbegriffs vom 13. September 2019 gelesen. Ich halte den Einwand für
berechtigt. Es geht hier nicht darum, lange Ausführungen zu machen,
aber der Kulturbegriff muss schon richtig qualifiziert werden. Dabei
fällt mir auf, dass von euch unter Kultur nur geisteswissenschaftliche
Sachen gefasst werden. Aber der Entwicklungsstand der Produktivkräfte,
die Ernährung, die Körperkultur, die Bildung der Menschen etc. fehlt
völlig. Hier folgt ihr offenbar tendenziell einem idealistischen
Kulturbegriff. Es ist wichtig, dass wir von einem idealistischen
Kulturbegriff wegkommen, der sich weder mit den materiellen Grundlagen
in der Gesellschaft und in der Natur, noch mit der Lebensweise der
Massen richtig befasst.
Herzliche Grüße
Stefan
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