Dienstag, 26. März 2019

Das 3:2 gegen die Niederlande hilft beim Neustart der verjüngten deutschen Fußballauswahl

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Knapper Sieg, große Wirkung

  • Von Frank Hellmann, Amsterdam
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  • 25.03.2019, 17:22 Uhr
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  • Lesedauer: 4 Min.
  • Vielleicht hatte Joachim Löw bei dem kurzen Wochenendtrip nach Amsterdam nicht mitbekommen: Autos stehen in der multikulturellen Metropole längst an zweiter Stelle. Gefühlt genießen die halbe Million Fahrräder, genannt »fiets«, an jeder Ecke Vorfahrt. Dennoch wählte der Bundestrainer in der Johan-Cruyff-Arena eine Beschreibung für seine Mannschaft, die aus der Autofahrernation Deutschland stammt: »Heute haben wir die PS auf die Straße gebracht.«
    Der 59-Jährige meinte damit, dass die verjüngte deutsche Nationalmannschaft beim Last-Minute-Sieg (3:2) in den Niederlanden endlich einmal nicht nur ihr spielerisches Potenzial entfaltet hatte - Löw bezeichnete die erste Halbzeit sogar als »fußballerisch überragend«. Nein, sie hatte nach einem verspielten 2:0-Vorsprung kurz vor Ende der Partie doch noch das Gaspedal wiedergefunden. Wie die eingewechselten Ilkay Gündogan und Marco Reus mit höchster Beschleunigung den Siegtreffer von Nico Schulz (90.) einleiteten, könnte zum erlösenden Akt für die neue Generation werden, denn, so prophezeite es Löw: »So ein Sieg hilft für die nächsten Wochen und Monate.«
    Seine vor allem wegen des Stils und Zeitpunkts kritisierte Ausbootung der Münchner Weltmeister Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller hat nun ausgerechnet dort ihre Bestätigung erfahren, wo die deutsche Auswahl vor fünf Monaten mit jener bayrischen Troika im Aufgebot eine 0:3-Abreibung kassiert hatte. Schon am 6. September wird es in Hamburg zum nächsten Aufeinandertreffen mit den Oranjes kommen. Zuvor kann die junge Garde jedoch in den Qualifikationsspielen in Belarus (8. Juni) und gegen Estland (11. Juni) gar nicht mehr so viel falsch machen, um das Minimalziel der direkten EM-Qualifikation für das paneuropäische Turnier 2020 zu gefährden.
    Nur ist Löw kein Typ, der gleich die Fäuste ballt und Freudenschreie ausstößt, nur weil er es allen gezeigt hat. Daher wollte er auch im Nachgang nicht von Genugtuung sprechen: »Wir alle mussten im letzten Jahr einige Enttäuschungen wegstecken. Aber wenn die Mannschaft die Dinge so gut umsetzt, dann bin ich sehr positiv - egal, was außen herum passiert.«
    »Am Ende ist Fußball ein Ergebnissport. Für uns ist es ein absoluter Neustart«, fasste Edeljoker Marco Reus zusammen, der wegen muskulärer Probleme mit Löw besprochen hatte, »dass es besser ist, wenn ich von der Bank komme«. Seine Einwechslung in der 88. Minute sollte zum späten Glücksfall werden - auch für Löw. Einem Team von außen zur richtigen Zeit belebende Impulse zu geben, ist Traineraufgabe; und auch da schien ihm zuletzt oft das richtige Gespür verlassen zu haben, wie viele späte Gegentore wie beim 2:2 gegen die Niederlande in der Nations League belegten. Insofern hat Löw durchaus einen doppelten Befreiungsschlag hinbekommen. Traumtore der mit großer Spielintelligenz brillierenden Dribbler Leroy Sané (15.) und Serge Gnabry (34.) in einer fast perfekten ersten Halbzeit bildeten Teil eins.
    Den teils eklatanten Leistungsabfall nach der Pause begründete Löw mit dem Anschlusstreffer durch Matthijs de Ligt (48.). Dass sein in dieser Phase viel zu tief stehendes Ensemble nach dem 2:2 durch Memphis Depay (63.) nicht einbrach, spricht für eine verbesserte Widerstandsfähigkeit. »Der Sieg tut der Seele und der Moral gut«, glaubt denn auch Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff, der sich für die nächste Zeit eine »größere innere Ruhe und Sicherheit« wünscht.
    Es ist müßig zu diskutieren, ob der Mentalitätswandel in direktem Zusammenhang mit den aufgebrochenen Hierarchien steht. Außer Frage aber, dass junge Talente derlei Erfahrungen und Erfolgserlebnisse benötigen wie Frühlingsblumen frische Luft und reichlich Sonnenlicht.
    »Es hört sich vielleicht komisch an: Das 3:2 ist wichtiger, als wenn wir 3:0 gewonnen hätten«, sagte Joshua Kimmich, der in Windeseile die Mats-Hummels-Rolle als Klassensprecher übernommen hat. In seiner Körpersprache geht der gnadenlos ehrgeizige Musterschüler mit 24 Jahren und 40 Länderspielen schon jetzt voran. Leon Goretzka, sein gleichaltriger Klubkollege vom FC Bayern tritt zwar noch nicht ganz so selbstbewusst auf, aber auch bei ihm war viel Erleichterung herauszuhören: »Ich glaube, so etwas schweißt zusammen.«
    Und dann war da ja auch noch Manuel Neuer, der drei Tage vor seinem 33. Geburtstag mit zwei Klasseparaden die Kritiker an seinem Nummer-Eins-Status verstummen ließ. Dass er selbst »torwartspezifisch ein gutes Spiel« gemacht habe, erwähnte der Kapitän nur beiläufig. Mit solchen Auftritten dürfte er den Verjüngungsprozess auf seiner Position jedenfalls hinauszögern. Ganz passend, dass dieses Signal in Amsterdam kam. Neuer hat das Radfahren längst zur liebsten Nebenbeschäftigung erkoren.
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