Der Begriff des »tiefen Staates« hat sich in der BRD für alles, was mit intransparenten Vorgängen rund um die Nachrichtendienste zu tun hat, eingebürgert. Es gibt genug, was sich dieser angeblich geheimen, im Schatten agierenden Struktur zuordnen lässt: der Mordfeldzug des »Nationalsozialistischen Untergrundes«.
Die unheimliche Nähe des – ausgerechnet »Verfassungsschutz« genannten – Inlandsgeheimdienstes zu den Rechtsterroristen. Die Querfinanzierung der braunen Szene mit Steuergeldern. Die vielen »V-Leute« und Provokateure. All das stimmt auch. Und trotzdem führt der Begriff in die Irre – zumindest, was den deutschen Staat angeht. Der ist nämlich weder tief, noch gedeiht er im Zwielicht. Was seine Strippenzieher tun wollen, tun sie öffentlich, mit völliger Selbstverständlichkeit und ohne jede Furcht, jemals dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Der jüngste Skandal, der mit dem Etikett des »tiefen Staates« versehen wird, ist der Fall des »Uniter«-Netzwerkes. Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte und Angehörige der Bundeswehr sollen den Bürgerkrieg geplant haben. Todeslisten mit den Namen von Linken wurden gepflegt, Waffenverstecke angelegt, Munitionsbestände abgezweigt. Mittendrin, wen wundert es, der Militärische Abschirmdienst: Hohe Offiziere des Militärgeheimdienstes werden verdächtigt, in die Affäre verwickelt zu sein. Der mutmaßliche »Uniter«-Chef, Deckname »Hannibal«, war selbst als Auskunftsperson für den MAD tätig. Zum Geflecht um »Hannibal« gehören auch geheime Chatgruppen, in denen sich auf den »Tag X« – die Machtübernahme – vorbereitet wurde. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen mehrere Beteiligte.
»Uniter« ist allerdings weder geheim noch in irgendwelchen Tiefen verborgen. Das Abzeichen der Verbindung wird von aktiven Soldaten auf ihrer Uniform getragen, und natürlich ist der eingetragene Verein als gemeinnützig anerkannt. Im Umfeld der Gruppe soll sich auch Franco Albrecht bewegt haben: Der Bundeswehr-Offizier wurde im April 2017 unter dem Verdacht, Attentate auf Kabinettsmitglieder und den Bundespräsidenten geplant zu haben, verhaftet. Er hatte sich eine Tarnidentität als syrischer Flüchtling zugelegt.
Wen sollte es nun noch überraschen, dass – laut Recherchen der Taz – ein Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes zu den Gründern von »Uniter« gehört. Dem Zeitungsbericht zufolge soll der Geheimdienstmann 2017 aus dem Vorstand zurückgetreten sein. Im Vereinsregister steht er jedoch immer noch.
Zeit, das Gerede vom »tiefen Staat« zu beenden. Es ist kein anderer als der, mit dem wir es täglich zu tun haben – der Staat, der von seinen Bürgern Steuern einsammelt, sorgt auch dafür, dass ein Teil des Geldes bei denen landet, die ihn durch eine offene rechte Diktatur ersetzen wollen. Das alles ist kein Versagen und keine Verschwörung, sondern Klassenauftrag.
Von Sebastian Carlens, junge WELT 12.3.19
Von Sebastian Carlens, junge WELT 12.3.19
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