Die UNESCO hat Reggae-Musik zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Das wurde am Donnerstag in Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius, in einem speziellen Ausschuss, der noch bis Samstag tagt, beschlossen. Früher wurden schon chinesische Kalligraphie, kroatisches Holzspielzeug oder die estnische »Rauchsauna« als unersetzbar eingestuft.
Nachdem der Ausschuss verkündete, dass nun auch Reggae als eine solche »lebendige Tradition« anzusehen sei, fingen seine Mitglieder spontan an zu tanzen, berichtet dpa. Und zwar zu dem Lied »One Love« von Bob Marley. Doch von vielen Menschen wird Marley nicht geliebt. Er ist zwar schon seit fast vier Jahrzehnten tot, aber immer noch die bevorzugte Symbolfigur, die den Anlass dafür gibt, eine ganze Musikrichtung abzulehnen. Angeblich drohen hier Kifferalarm, allgemeine Schlappheit und komische Rasta-Theorien.
Das ist natürlich dummes Zeug. Mit einzelnen Liedern von Bob Marley ist es wie mit den Hits der Beatles: Man kann sie nur deshalb nicht mehr hören, weil man sie schon tausendmal gehört hat. Marleys Soloalben ab Mitte der Siebziger Jahre sind ausgezeichnete Platten. Als er 1981 mit nur 36 Jahren starb, war er gerade dabei, der erste Pop-Superstar zu werden, der nicht aus den USA oder England kam. Bezeichnenderweise gab es bis heute keinen Nachfolger.
Wer Reggae ablehnt, hat keine Ahnung. Aus dieser Musik kommen die entscheidenden Kulturtechniken der Popmusik seit 1970: das DJing (Mixen von Platten), der Sprechgesang (Toasting als frühe Form des Rappens), der Dub (Songs im Studio auseinandernehmen und sie wieder neu zusammensetzen) und das Soundsystem (man braucht keine Band mehr).
Der Legende nach führte Kool DJ Herc diese Methoden Anfang der Siebziger Jahre in New York ein, wohin er als Kind Ende der Sechziger Jahre von Kingston, Jamaika gezogen war. Das war die Erfindung von Hip-Hop und aller nachfolgenden Dance-Musiken.
Das Partyprinzip, dass die Musik niemals aufhören soll, basiert auf der repetitiven Kraft des Reggae. Auch wenn viele Reggae-Texte sexistisch und homophob sind (wie viele Texte in der Popmusik allgemein), so ist diese Musik auf eine unpatriarchalische Weise sexy und beschwingend. Denn die Gitarre, das Macho-Instrument Nummer eins, darf hier nur den Rhythmus machen. Stattdessen dominiert der - außerhalb von Partys meist verachtete - Bass. Zum Offbeat wird ein warmer musikalischer Strom erzeugt, der einen einfach mitnimmt auf die Reise zu einer besseren Musik.
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