Kein Betriebsunfall: Nach Ansicht von Martina Renner haben rechte Umtriebe in der Bundeswehr Tradition
Ein lautloser Skandal
Von Martina Renner
Lesedauer: 3 Min.
Mit großem Aufwand und unter publizistischer Schützenhilfe der »Bild«-Zeitung versucht die Bundeswehr derzeit, dem Kommando Spezialkräfte (KSK) durch eine mehrteilige Webserie ein abenteuerlich-sympathisches Image zu verpassen. Und das scheint es auch nötig zu haben. Gleich zwei Skandale sorgen derzeit für Schlagzeilen. In einem Fall geht es um einen Oberstleutnant des KSK, der auf einer Feier im Kreis von Kameraden im April 2017 den Hitlergruß gezeigt haben soll. Außerdem soll auf dieser Feier Neonazirock gespielt worden sein. Die internen Ermittlungen der Bundeswehr endeten in einer Bagatellisierung und erst das Amtsgericht Böblingen verurteilte den Offizier wegen des Verwendens von Kennzeichen verbotener Organisationen.
Zur gleichen Zeit wird ein Netzwerk von Soldaten und Polizisten öffentlich, das sich auf den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Deutschland vorbereitet, für diesen Fall Waffendepots anlegt und zumindest in Teilen auch darüber fantasiert, linke Politiker und Politikerinnen, allen voran die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag, zu entführen und zu ermorden. Zu diesem Netzwerk gehören neben Soldaten und Polizisten auch Anwälte, Ärzte und vermutlich auch Angehörige des Inlandsgeheimdienstes. Der Generalbundesanwalt führt diesbezüglich Ermittlungen, doch diese werden unter anderem dadurch behindert, dass Verdächtige möglicherweise durch einen Hinweis des Militärischen Abschirmdienstes gewarnt wurden.
Wer sich mit rechtem Terror in der Geschichte der Bundesrepublik beschäftigt, erkennt in solchen Skandalen eine Tradition. Das KSK beispielsweise wurde 1996 unter anderem aus dem Fallschirmjägerbataillon 251 gegründet. Letzteres führte als internes Verbandsabzeichen eine Referenz auf die 78. Infanteriedivision der Wehrmacht, zu deren Mitgliedern auch Kontakte gepflegt wurden. Auch im KSK wirken nationalsozialistische Traditionslinien: In seinem Buch »Geheime Krieger« stellt der ehemalige Kommandeur der Eliteeinheit, Brigadegeneral Reinhard Günzel, das KSK in eine Tradition mit der Einheit »Brandenburg«, die als Spezialeinheit im Vernichtungskrieg der Wehrmacht eingesetzt wurde. Günzel schreibt darin: »Die Kommandosoldaten wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen.«
Teil dieser ideologischen Tradition ist natürlich auch die Vorstellung, im Zweifelsfall gegen den »inneren Feind« vorzugehen. Dieser »innere Feind« sind demokratische Soldaten ebenso wie Politiker und Politikerinnen der LINKEN. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass in der Geschichte des KSK immer wieder Vorfälle öffentlich wurden, die diese Tradition bestätigen. Auch der aktuelle Fall eines geheimen Netzwerkes, das sich auf einen Tag X vorbereitet und in einem solchen Fall prominente Linke ermorden würde, ist kein Betriebsunfall sondern Ausdruck einer antidemokratischen Traditionslinie, die bis heute politisch geschützt wird.
Dieser Schutz hat mehrere Facetten. Zum einen gibt es in Bundeswehr, Geheimdiensten, Polizei und Politik Menschen, die diese Vorstellungen ganz oder ausreichend teilen. Zum anderen gibt es einen allgemeinerer Korpsgeist, der die Bundeswehr generell gegen Kritik und demokratische Reformen schützt und dafür sorgt, dass Einheiten wie das KSK weiterhin von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden. Entscheidend ist aber ein dritter Aspekt, denn der politische Schutz muss nicht unbedingt aus ideologischer Verbundenheit erfolgen, sondern kann auch ein Effekt einer Abwägung der parteipolitischen Kosten und Nutzen sein.
Die Unionsparteien werden dementsprechend von sich aus kaum Druck auf KSK, Bundeswehr und das Verteidigungsministerium aufbauen, weil dessen CDU-Ministerin derzeit ohnehin wegen der McKinsey-Berateraffäre politisch angeschlagen ist. Die SPD wiederum ist bemüht, öffentliche Skandale zu vermeiden, die die bereits überaus brüchige Koalition weiter gefährden könnten. Im Falle von Neuwahlen dürfte die SPD mit herben Verlusten rechnen. Die Regierungsparteien haben also kein Interesse an einer Skandalisierung, solange der öffentliche Druck ihnen keine andere Wahl lässt. Ein solches Kalkül ist nicht nur makaber, weil es demokratische Aufklärung dem eigenen politischen Vorteil opfert. Es ist auch gefährlich, weil das Netzwerk noch nicht einmal annähernd enttarnt und entschärft wurde. Es ist eine Frage der Zeit, bis Teile davon zur Tat schreiten und ihre Vernichtungsfantasien in die Tat umsetzen. Das muss verhindert werden.
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