Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Berlin steigt. Die Arbeitslosenzahl in Berlin lag im November bei 7,6 Prozent; 0,9 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Das entsprach einem Rückgang von 13 662 auf 146 670 Arbeitslose. Das sind erstmals seit dem Mauerfall unter 150 000. Die Zahl der Beschäftigten insgesamt liegt erstmals auf über 1,5 Millionen. Aktuell gibt es 26 500 freie Stellen.
Der Regierende Bürgermeister Michel Müller (SPD) ließ es sich nicht nehmen, die frohe Botschaft mit zu verkünden. »Vielleicht ist es der Beginn einer großen Tradition, dass ich an diesen Pressekonferenzen teilnehme«, sagte er.
Der Leiter der Regionaldirektion, Bernd Becking, erklärte, das Thema Arbeitsmarkt beherrsche die Diskussion wie kaum ein anderes. »Für die Bürgerinnen und Bürger ist es für ihre Lebensplanung interessant zu wissen: Was hat mir meine Stadt zu bieten? Finde ich einen guten Arbeitsplatz oder suche ich mir woanders etwas?« Aus Sicht der Arbeitsagentur ist der Anstieg der Beschäftigung von einem Trend geprägt. »Wer heute keinen Abschluss hat, hat keine Perspektive für seine weitere Lebensführung«, so Becking. »Qualifizierung ist das A und O.« Die Zahl der Hochqualifizierten und der Fachkräfte sei gestiegen. Neue Arbeitsplätze in Berlin sind besonders in den Bereichen Information und Kommunikation, Bauwirtschaft, Immobilienwirtschaft sowie Erziehung und Unterricht entstanden. Das monatliche Durchschnittsbrutto stieg auf 3120 Euro monatlich. »Der Abstand zum Bund hat sich weiter verringert«, sagte Becking.
»Ich habe in meiner ersten Regierungserklärung 2014 gesagt, dass ich Vollbeschäftigung anstrebe«, erinnerte Michael Müller. Damals lag die Arbeitslosenquote bei rund elf Prozent. »Wenn es uns gelungen ist, in den letzten Jahren vier Prozent besser zu werden, warum soll uns das in den kommenden Jahren nicht auch gelingen?« Er sieht sich in seiner Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der letzten Jahre bestätigt. Die Schwerpunkte seien Forschung, Wissenschaft, Industrie gewesen. In einem Stadtstaat sei es immer schwierig, auf die Industrie zu setzen, »aber wir geben unsere Indus- trie nicht auf«, so Müller. »Bei der Jugendarbeitslosigkeit sind wir aber nicht so gut, wie wir sein wollen.« Der rot-rot-grüne Senat will seine Bemühungen verstärken, Jugendliche frühzeitig anzusprechen. Berlin speise seinen Zuwachs an Arbeitskräften aus EU-Mitgliedsländern und weltweit. »Allein mit inländischen Kräften können wir das auch nicht schaffen«, sagte Becking. Zwischen August 2015 und August 2018 haben in Berlin 12 500 Geflüchtete eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Das Betriebspanel 2017 liefert die Zahlen. Es ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung des IAB, der Forschungseinrichtung der Arbeitsagentur. »Mehr als jede und jeder Fünfte in Berlin arbeitet in einem Minijob, in der Leiharbeit oder befristet«, schreibt Arbeits- und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) im Vorwort. Rechne man die Teilzeit dazu, arbeiten 39 Prozent der Berliner Beschäftigten nicht in einem Normalarbeitsverhältnis. Jeder zweite Arbeitsvertrag bei Neueinstellungen sei befristet.
Christian Hoßbach, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg bekräftigte deshalb am Donnerstag: »Künftig muss gelten: Öffentliche Aufträge nur mit Tarifvertrag.« Der DGB fordert zudem schon lange ein Verbot von sachgrundlosen Befristungen.
»Bei der niedrigen Tarifbindung gibt es noch keine Trendwende«, sagte ver.di-Sprecher Andreas Splanemann. Aber es zeichne sich eine Veränderung ab: »Durch den Fachkräftemangel sitzen die Beschäftigten an einem länger werdenden Hebel.« Die Arbeitgeber müssten sich bewegen, weil sie sonst in Zukunft mehr Probleme bekommen werden, freie Stellen zu besetzen. Diese Entwicklung sei schon jetzt bei der BVG oder in der Pflege zu beobachten.
Auch Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, sieht in der Entwicklung beide Seiten der Medaille: »In unseren Branchen freuen wir uns einerseits über den Zuwachs an hochqualifizierter Beschäftigung, der mit dem Zusammenspiel von Unis und Industrie zu tun hat«, sagte er dem »neuen deutschland«. Andererseits gebe es besonders in neuen Unternehmen und in Start-ups zu wenig Betriebsräte. Und in der Automobilbranche sei der Anteil an Werkverträgen unverändert hoch.
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