Die Bundeswehr gilt in der Öffentlichkeit als eine Parlamentsarmee. »Staatsbürger« in Uniform sollen die Soldaten sein, dem deutschen Vaterland dienen, Demokratie in ehemals autoritären Ländern fördern, Konflikte befrieden. Doch dieses Saubermannimage bekommt derzeit erneut Risse. Zur Zeit ist die Truppe mit für sie unschönen Vorwürfe der Christlichen Initiatve Romero (CIR) konfrontiert. Der Bundeswehr-Kleidungszulieferer Leo Köhler soll in Tunesien »grundlegende Arbeitsrechte verletzt« haben.
Die Liste der angeblichen Verstöße ist lang: Die Fabrikleitung von Leo Köhler soll eine Gewerkschaft im Betrieb zerschlagen und Angestellte als Spitzel missbraucht haben, um »kritische Arbeiter*innen zu denunzieren«. Desweiteren soll den Beschäftigten gesetzliche Boni vorenthalten worden sein. Mitarbeiter beklagen zudem unzureichende hygienische Zustände auf den Toiletten sowie unbequeme Stühle und Nähmaschinen. Auch die Bezahlung von etwa 120 bis 160 Euro im Monat sei nicht ausreichend: »Wir akzeptieren, für geringe Löhne zu arbeiten, weil wir keine andere Wahl haben. Die Löhne reichen aber nicht aus, um unsere Grundbedürfnisse abzudecken«, klagen Arbeiter. FTDES hatte im Auftrag von CIR im November vergangenen Jahres zehn Arbeiterinnen interviewt.
Die Vorwürfe an den Hersteller sind in der
Studie »Nähen für die Bundeswehr. Menschenrechtsverletzungen bei der öffentlichen Beschaffung« ausgeführt, die die tunesische Arbeitsrechtsorganisation FTDS und die Romero Initiative veröffentlicht haben. Darin sind auch Forderung an den Produzenten Leo Köhler formuliert - unter anderem die Zahlung von Löhnen, die zur Abdeckung der Grundbedürfnisse der Familien ausreichen, sowie eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Fabrikleitung und Arbeitern, die auf »Angst und Einschüchterungen« beruhten.
Für die Beschaffung von Kleidung und Ausrüstung der Bundeswehr ist die bundeseigene Bw Bekleidungsmanagement GmbH (BwBM) zuständig. Sie hat 2016 einen Vertrag über die Lieferung von Feldblusen mit Leo Köhler abgeschlossen. Das teilte ein Sprecher des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr dem »nd« mit. Bisher wurden rund 2200 Stück davon geliefert. »Der Rahmenvertrag läuft zum 31. Dezember 2018 aus, die letzte Teillieferung erfolgt im Frühjahr 2019«, heißt es.
Bereits zu Jahresanfang sei man von der CIR über die angeblichen Arbeitsrechtverletzungen informiert gewesen, so der Sprecher weiter. Die von der Menschenrechtsorganisation benannten Verstöße seien nach einer Überprüfung in der tunesischen Fabrik im Mai nicht bestätigt worden. Ähnliche Vorwürfe gegen die Firma seien nicht bekannt, sagt er. Nach nd-Informationen ist zum Thema eine Schriftliche Anfrage der Grünen an die Bundesregierung in Vorbereitung.
Auch die beschuldigte Firma Leo Köhler weist die Vorwürfe zurück. Unternehmenssprecher Andreas Koch-Bleichrodt führte auf nd-Nachfrage die Überprüfung an. Daran hätten auch die BwBM und der TÜV Rheinland teilgenommen. Dabei sei nichts beanstandet worden.
Die CIR dagegen bleibt bei ihrer Darstellung. »Wir fordern, dass BwBM zusammen mit Leo Köhler und Organisationen der Zivilgesellschaft an einer ernsthaften Verbesserung der Arbeitsrechtssituation in der Fabrik arbeiten«, erklärt CIR-Sprecher Christian Wimberger. Die BwBM fordere von den Auftragnehmern keine glaubwürdigen Nachweise zu Arbeits- und Menschenrechten, sondern lediglich Eigenerklärungen. »Der Fall zeigt für uns, dass wir verbindliche Standards mindestens für den Einkauf der Bundesbehörden brauchen«, so Wimberger.
Die Autoren der Studie beschreiben die Textilindustrie in Tunesien als einen zentralen Wirtschaftssektor in dem Maghreb-Staat. Laut Daten des Nationalen Statistikinstituts trug der Textilsektor im Jahr 2016 18,2 Prozent des von der Industrie erwirtschafteten Bruttoinlandprodukts (BIP) bei. 4,7 Prozent des BIP insgesamt sollen es in dem Jahr gewesen sein. Jedoch erlebte der Sektor in den vergangenen Jahren eine Rezession, zahlreiche Arbeitsplätze gingen in jüngster Vergangenheit verloren.
Das hat vermutlich auch mit dem weltweiten Konkurrenzkampf auf dem Textilmarkt zu tun. Die Tunesier stehen in unmittelbarem Wettbewerb mit Ländern wie Pakistan, Kambodscha oder Bangladesch, wo die Produktionskosten für Kleidung noch billiger sein dürften als in Nordafrika. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Hersteller im Maghreb ihre Zelte abbrechen. Denn das Kapital ist immer dort zuhause, wo es den größten Mehrwert erwirtschaften kann.
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