Mittwoch, 24. Juni 2015
Punks not dead!
Bier, Pogo und Schweiß: Die Dead Kennedys legen die Große Freiheit 36 in Schutt und Asche
In Zeiten, in denen das ikonische Artwork der Sex Pistols für Kreditkarten missbraucht wird, denkt man: Punk ist tot. Weit gefehlt: Die legendären Dead Kennedys belehren uns am Mittwochabend in der Großen Freiheit 36 eines besseren.
Das Konzert ist seit Monaten ausverkauft. Manch ein Fan hofft, dass Jello Biafra als Überraschungsgast die Bühne stürmt - schließlich ist an diesem Tag sein 57. Geburtstag. Natürlich geschieht kein Wunder - die anderen Bandmitglieder und er streiten sich schon seit Ewigkeiten. Aber Ron "Skip" Greer ist ein würdiger Ersatz.
Schon vor der Großen Freiheit 36 liegt der Punk in der Luft. Die Straße ist voll von echten Fans. Bunte, verwuschelte Haare. Doc Martens. Hosenträger. Lonsdale. Skinheads. Pullis mit Botschaften wie "FCK NZS", "ACAB" und "Live fast, die young". An einem Arm sieht man sogar ein tätowiertes Dead-Kennedys-Logo. Und Bierkonsum, der seinesgleichen sucht. Pfandsammler-Paradies.
Es hat sich kein einziger Hipster-Trittbrettfahrer hierhin verirrt. Der Sidecut-Haarschnitt der Autorin dieses Textes ist das, was noch am meisten Möchtegern ist.
Als man das Etablissement betritt, hat man eine Vorahnung. Der Abend wird legendär. Die Stimmung ist weiterhin ausgelassen. Das Bier fließt und fließt und fließt. Und die Roadies werden mit den Bechern beworfen. Ein alter Rock'n'Roller erzählt: "Vielleicht war ich Anfang der 80er auf 'nem Konzert, ich kann mich nicht erinnern." Es werden dumme Witze gemacht: "Alle so alt hier. Ich dachte, heute wär' der Saal bestuhlt!" Die erste Vorband legt das Motto des Abends fest: "Let's get fucked up!"
Nach Sonny Vincent betreten die Dead Kennedys um 22.30 Uhr endlich die Bühne. Sofort geht's ab. "One, two, three, four!" Ein Vier-Viertel-Takt kann töten. "Jock-O-Rama"! "Nazi Punks Fuck Off"! "Buzzbomb"! Ein Punkrock- und Hardcore-Feuerwerk explodiert. Oder ist es eine Bombe?
Der Schlagzeuger, dessen Name niemand weiß, ist ein Jüngling. Sänger Ron "Skip" Greer und Gitarrist East Bay Ray (1. Gründungsmitglied) sind über ein halbes Jahrhundert alt und Bassist Klaus Flouride (2. Gründungsmitglied) ist ein echter Opa - gleicher Jahrgang wie die Mama der Autorin dieses Textes. 1949.
Mit 66 Jahren, da fängt das Leben zwar an. Aber wie muss es sein, in diesem Alter auf eine Punkrock- und Hardcore-Tour zu gehen? Niedlich: Er versteckt sein kleines Bäuchlein hinter seinem Bass und seine Brille ist wie eine Lesebrille auf die Nasenspitze gerutscht. Sein Ehering verrät, dass er nicht mehr ganz so unangepasst ist.
Der jüngere Leadsänger "Skip" rastet ab. Er ist völlig hyperaktiv. Wenn er sich nicht mit einem Fuß auf dem Monitor zum Publikum lehnt, springt er direkt hinein. Obwohl er mit dem Mob Pogo tanzt, trägt er die sozialkritischen Messages der Dead Kennedys klar und deutlich vor. Alle singen mit. Witzig ist er noch dazu: "Punkrock? Nein! Daftpunk? Ja!" Was ein Quatsch!
Bier durchtränkt die Jeans. Plattgetretene Füße. Was ist das für Schmiere an den Schuhen? Der Schweiß läuft. Ist das etwa Kotze vor der Treppe zum Klo?
Um 23.15 Uhr nach "California über alles" ist die Band auf einmal von der Bühne verschwunden. Um ein paar Minuten später wieder aufzutauchen. Jetzt ist Finale! "Holiday In Cambodia" reißt nochmal alles ab.
Zum Schluss ruft "Skip": "Ich bin ein Hamburger!" Ja, John F. Kennedy ist seit 51 Jahren tot! Die Dead Kennedys leben. Zum ironischen Ende des Konzerts wird der Südstaaten-Hit "Sweet Home Alabama" zum Besten gegeben.
23.30 Uhr. Ende. Aus. Was für ein wahnsinniges Konzert! Und die Kopfschmerzen gehen am nächsten Tag einfach nicht weg ...
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