Mittwoch, 24. Juni 2015
Darf man ein Volk aushungern? (Bernd Duschner)
Am 8. Mai sprach ich in einer SPD-Veranstaltung in Pfaffenhofen »Asylpolitik« die Abgeordnete des Europaparlaments Birgit Sippel auf das Elend in Syrien an: Seit 2011 hat die EU gemeinsam mit den USA und den Feudalherrschern der arabischen Halbinsel ein Embargo gegen dieses Land verhängt. Die syrischen Auslandskonten wurden gesperrt, und der Import syrischer Waren, besonders seines Rohöls, wurde verboten. So wurde Syrien seine Haupteinnahmequellen genommen. Das Entwicklungsland kann sein Rohöl nicht selbst verarbeiten. Es ist auf den Einkauf von Treibstoff und Heizöl sowie von technischer Ausrüstung und Technologie für seine Kraftwerke zur Stromgewinnung angewiesen. Ohne Treibstoff und Strom aber kommen seine Traktoren und Bewässerungsanlagen, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Industrie, Handel und Handwerk zum Erliegen. Genau um das zu erreichen, hat die EU den Export von Treibstoff und Heizöl und jeder Technologie an Syrien verboten. Selbst Überweisungen syrischer Gastarbeiter an ihre Verwandten sind nicht mehr möglich.
Zynisch fragte die Tagesschau schon am 14. Dezember 2012: »Wie lange hält Assads Wirtschaft das durch?« Mittlerweile ist das Sozialprodukt des Landes um 60 Prozent gegenüber 2010 eingebrochen, die Arbeitslosenquote von knapp 15 auf 58 Prozent hochgeschnellt. 64,7 Prozent der Syrer leben in extremer Armut. Daß in einer solchen Situation Gewalt, Fanatismus, Kriminalität und Terrororganisationen wie IS gedeihen, sollte uns nicht wundern. Ich habe die Europa-Abgeordnete Sippel auf das Leid der 20 Millionen Syrer hingewiesen. Ich habe sie an die mehr als 500.000 Kinder erinnert, die im Irak infolge eines ähnlichen Embargos sterben mußten. Ihre lapidare Antwort war: »Aber was sollen wir sonst gegen den Diktator Assad tun?«
Daß man nicht ein Volk aushungern darf, um den Sturz einer unliebsamen Regierung zu erzwingen, kam ihr nicht in den Sinn. Solange aber wir Bürger einer solchen menschenverachtenden Politik gleichgültig zusehen, werden das Elend in der Dritten Welt und die Flüchtlingszahlen weiter wachsen.
Bernd Duschner sammelt jetzt Unterschriften für einen Aufruf zur Beendigung des Embargos (Bernd@Freundschaft-mit-Valjevo.de).
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