Mittwoch, 24. Juni 2015
Freital: Ausländerbeauftragter warnt vor gewalttätiger Stimmung
Hetze gegen Journalisten, Attacken auf Antifaschisten: Wieder aggressive Stimmung vor Asylunterkunft / Linke, SPD und Grüne kritisieren CDU-Innenminister: Ulbig gefährdet Flüchtlinge
Berlin. Die Proteste nehmen bedenkliche Ausmaße an. Wie Radio Dresden über Twitter verlautbaren ließ, griffen Neonazis Gegendemonstranten in einem Auto mit einem Baseballschläger an. Trotz der gewalttätigen Übergriffen stellt sich die AfD in einer Pressemitteilung hinter die rassistischen Proteste.
Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) hat den Organisatoren der Demonstrationen gegen eine Asylunterkunft in Freital bei Dresden aggressive Stimmungsmache vorgeworfen. «Manche Formulierungen der Rädelsführer enthalten zumindest zwischen den Zeilen Aufrufe zu Gewalt gegen Personen und Sachen», erklärte er am Mittwoch. «Es ist unerträglich, wenn Menschen, die vor Terror auf der Welt geflohen sind, nun in sächsischen Unterkünften erneut in Angst und Schrecken versetzt werden.» Zugleich warnte er davor, die Standortwahl infrage zu stellen. «Wegbrüllen kann man gesellschaftliche Aufgaben nicht.»
Auch am zweiten Abend in Folge haben Dutzende «besorgte Bürger» und Neonazis im sächsischen Freital bei Dresden bedrohlich Stimmung gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in einem ehemaligen Hotel gemacht. Die Stadt liegt in der Nähe von Kesselsdorf, dem Wohnort des Gründers der rechten Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann.
Vor Ort war wie schon am Vorabend von sehr aggressiver Stimmung die Rede. Es seien Böller und Eier geflogen. Auch seien Antifaschisten, die vor Ort gegen die rassistische Pogromstimmung protestierten, angegriffen, wie ein Pressefotograf berichtete. Im Internet wurde zudem Stimmung gegen Journalisten gemacht, die kritisch über den rassistischen Auflauf berichtet hatten.
Etwa 200 Menschen hatten sich nach Zählung der Polizei am Dienstag dem rassistischen Auflauf entgegengestellt und die Unterkunft geschützt. Von Neonazis wurden sie als «Linksfaschisten» beschimpft, auch habe es Sprüche wie «Antifa Faschistenpack, wir haben euch zum Kotzen satt» gegeben. Es sei zu keinen handgreiflichen Zwischenfällen gekommen, so die Polizei. Eine ältere Dame zeigte, dass die Unterstützer der Flüchtlinge in Freital nicht allein sind: «Nazis raus aus Deutschland», habe sie gerufen.
Am späten Abend zogen sich die Gegner der Flüchtlingsunterkunft zurück. Auch die Gegendemonstration löste sich größtenteils auf. Nur eine Handvoll Menschen blieb am Heim zurück, um es gegen Angriffe der Rechten zu schützen. «Der Einsatz wurde um 00.45 Uhr beendet», sagte ein Polizeisprecher. Dennoch werde man die ganze Nacht über vor der Unterkunft präsent bleiben.
Politiker von Linken, SPD und Grünen äußerten sich besorgt über die rechten Aufmärsche. Besonders erschreckend sei die Stimmungsmache, die die Organisatoren von Pegida in Freital betreiben würden, meinte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann. Linke und Grüne warfen der schwarz-roten Staatsregierung Missmanagement vor.
Schon seit Anfang März fänden jeden Freitag rassistische Aufmärsche gegen die Unterkunft statt, erklärte die örtliche Linken-Wahlkreisabgeordnete Verena Meiwald. Die Wahl der Stadt als Standort für die Erstaufnahme zeige, wie wenig sensibel das Innenministerium vorgehe. Innenminister Markus Ulbig (CDU) habe die Erstaufnahme nicht im Griff und gefährde Flüchtlinge, erklärte die Linken-Migrationsexpertin Juliane Nagel.
Ulbig rechtfertigte die Unterbringung: «Mit der Einquartierung in Freital können Flüchtlinge aus Zelten herausgebracht werden», erklärte der Minister. «Ausländerfeindliche oder populistische Parolen Einzelner dürfen nicht die Verantwortung unserer Gesellschaft für eine vernünftige und anständige Unterbringung infrage stellen.
Schon am Montagabend hatten Dutzende vor dem ehemaligen Hotel »Leonardo« Front gegen die Unterbringung von Flüchtlingen gemacht, nachdem die Landesdirektion erklärt hatte, in der Unterkunft bis zu 280 Plätze für die Erstaufnahme von Asylbewerbern einzurichten. Bislang waren dort vom Landkreis etwa 100 Asylbewerber untergebracht. Agenturen/nd
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