Mittwoch, 24. Juni 2015
NSA hat Frankreichs Präsidenten überwacht
WikiLeaks veröffentlicht Selektorenliste/ Frankreich beruft Verteidigungsrat ein
Die Enthüllungsplattform WikiLeaks hat am Dienstagabend das gemacht, woran politische Institutionen seit Monaten scheitern: Sie hat Suchbegriffe veröffentlicht, mit denen die NSA Ziele in Frankreich ausspioniert.
Wenn politische Institutionen versagen, springen Whistleblower ein: WikiLeaks hat am Dienstagabend Selektoren veröffentlicht, mit denen der US-Geheimdienst NSA Ziele in Frankreich ausspioniert. Unter den Opfern der amerikanischen Spionage befinden sich demnach unter anderem die drei französischen Präsidenten Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande. Auch die Kommunikation zahlreicher weiterer hoher französischer Regierungsvertrer ist betroffen. Frankreichs Präsident Hollande berief nach der Veröffentlichung am Mittwochmorgen den französischen Verteidigungsrat ein.
Vorab hatten am Dienstag bereits die französische Tageszeitung »Liberation« und der Rechercheverbund aus NDR und Süddeutscher Zeitung» über die als streng geheim eingestuften Dokumente. Demnach dauert der Spionageangriff mindestens von 2006 bis 2012an. In den veröffentlichten Selektoren befinden sich unter anderem zahlreiche Telefonnummern, darunter die von Präsident Holland, mehrerer enger Berater und verschiedener Minister.
Die «SZ» nennt in ihrer Veröffentlichung auch mehrere Beispiele für vertrauliche Informationen, die aus den Dokumenten hervorgehen. So findet sich den Unterlagen eine Notiz vom Mai 2012 über ein geheimes Treffen von französischen Spitzenpolitikern mit Vertretern der SPD in Paris. Hollande und Premierminister Jean-Marc Ayrault wollten damals mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und weiteren wichtigen SPD-Politikern über mögliche Folgen eines Austritts Griechenlands aus dem Euro sprechen. Über ein Treffen mit Merkel beklagt sich Hollande, es sei substanziell nichts erreicht worden und reine Show gewesen. Die Website von WikiLeaks liefert außerdem Hinweise darauf, wie sich Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy um ein No-Spy-Abkommen mit den USA bemühte. Wie auch in Deutschland kam das Abkommen allerdings nicht zustande.
«Das französische Volk hat ein Recht darauf, zu erfahren, dass die gewählte Regierung Opfer feindlicher Überwachung durch einen vermeintlichen Verbündeten wurde», kommentierte der Gründer der Whistleblower-Plattform WikiLeaks Julian Assange die Veröffentlichung und kündigte weitere Enthüllungen an.
Frankreichs Regierungssprecher Stéphane Le Foll verurteilte die Spionageaktion in einer ersten Reaktion am Mittwoch als «inakzeptabel unter Verbündeten». Die US-Regierung dementierte den Inhalt der Veröffentlichung bisher nicht: «Wir kommentieren nicht spezifische Geheimdienst-Beschuldigungen», sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats (NSC), Ned Price, am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa und fügte hinzu: Es gebe grundsätzlich keine Überwachungen im Ausland, wenn es nicht entsprechende Interessen der nationalen Sicherheit gebe: «Dies gilt für Normalbürger ebenso wie für politische Führungskräfte.» Gegenüber der britischen Tageszeitung «The Guardian» stritt Price hingegen ab, dass die NSA aktuell Präsident Hollande abhörten. Zur Spionagepraxis in der Vergangenheit wollte er sich allerdings nicht äußern.
Auch die deutsche Politik beschäftigt sich zurzeit mit der Spionagepraxis des BND im europäischen Ausland. Mit mehreren Hunderttausend Selektoren soll der deutsche Nachrichtendienst BND im Auftrag der NSA auch Ziele in Frankreich ausspioniert haben. Die Bundesregierung weigert sich allerdings beharrlich die Ziele der Abhöraktionen öffentlich zu machen. Ob die nun veröffentlichten Selektoren auch vom BND zur Spionage genutzt wurden, geht aus den von WikiLeaks veröffentlichten Dokumenten nicht hervor.
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