Freitag, 12. April 2013
Staatsmonopolistischer Kapitalismus und Demokratie
Auszug aus: Tibor Zenker, „Was ist Faschismus?“, Wien 2006, S. 141-151
Kommunistische Initiative vom 28.03.2013
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde die Schreibweise geringfügig geändert
Gossweiler schreibt über den Imperialismus vor dem Auftreten des Faschismus: „Der dem Monopolkapitalismus innewohnende Drang nach Reaktion und Gewalt, nach Ergänzung des ökonomischen Monopols durch das Machtmonopol hatte sich bislang vor allem in der Entfaltung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, im dauernden Bemühen um Stärkung der Exekutive auf Kosten des Parlaments sowie in Repressivmaßnahmen gegen die Arbeiterbewegung geäußert.“ [1] – Wir haben im Abschnitt 1.2. ausführlich darüber gesprochen: dem Imperialismus wohnt per se der Drang des ökonomisch herrschenden Monopolkapitals nach politischer Alleinherrschaft inne. Mit dem Eintritt des Kapitalismus ins Stadium seiner allgemeinen Krise äußert sich dieser Drang im und als Faschismus. Und auch wenn die Errichtung einer faschistischen Diktatur in West- und Mitteleuropa heute nicht unmittelbar auf der Tagesordnung des Monopolkapitals steht, so besteht auch im gegenwärtigen staatsmonopolistischen Kapitalismus die grundsätzliche Tendenz zur politischen Reaktion, d.h. zu einer Entwicklung der mit den Monopolen verwachsenen Staatsmacht in eine verstärkt autoritäre und demokratiefeindliche Richtung – in Richtung des Ausbaus der (exekutiven) Staatsgewalt, der Militarisierung der Gesellschaft, der Beschneidung der Möglichkeiten des repräsentativen Parlamentarismus und der (relativ) unabhängigen Rechtssprechung. Das bedeutet, dass sich das europäische Monopolkapital gegenwärtig mit der bürgerlichen Demokratie abfindet, ohne dabei jedoch seine reaktionären Tendenzen auch nur ansatzweise abzulegen.
Betrachten wir zunächst die bürgerliche Demokratie mitsamt Parlamentarismus und allgemeinem Wahlrecht. Wie steht die revolutionäre Arbeiterbewegung, wie steht der Marxismus dazu? „Die demokratische Republik ist die denkbar beste politische Hülle des Kapitalismus, und daher begründet das Kapital, nachdem es … von dieser besten Hülle Besitz ergriffen hat, seine Macht derart zuverlässig, derart sicher, dass keine Wechsel, weder der Personen noch der Institutionen noch der Parteien der bürgerlich-demokratischen Republik, diese Macht erschüttern kann“ [2], schreibt Lenin. – Warum ist das so? „Die bürgerliche Demokratie“, erklärt Karl Liebknecht, „ist eine verfälschte Demokratie, da die ökonomische und soziale Abhängigkeit der arbeitenden Massen auch bei formaler politischer Gleichheit den herrschenden Klassen sachlich ein ungeheures politisches Übergewicht gibt und die ökonomische und soziale Abhängigkeit an und für sich wirkliche Demokratie ausschließt.“ [3]
Man muss kein Marxist wie Lenin oder Liebknecht sein, um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen. Albert Einstein schrieb 1949 äußerst richtig: „Privates Kapital tendiert dazu, in wenigen Händen konzentriert zu werden – teils aufgrund der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten und teils, weil die technologische Entwicklung und die wachsende Arbeitsteilung die Entstehung von größeren Einheiten auf Kosten der kleineren vorantreiben. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist eine Oligarchie von privatem Kapital, dessen enorme Kraft nicht einmal von einer demokratisch organisierten politischen Gesellschaft überprüft werden kann. Dies ist so, da die Mitglieder der gesetzgebenden Organe von politischen Parteien ausgewählt sind, die im Wesentlichen von Privatkapitalisten finanziert oder anderweitig beeinflusst werden und in der Praxis die Wähler von der Legislative trennen. Die Folge ist, dass die ‘Volksvertreter’ die Interessen der unterprivilegierten Schicht der Bevölkerung nicht ausreichend schützen. Außerdem kontrollieren unter den vorhandenen Bedingungen die Privatkapitalisten zwangsläufig direkt oder indirekt die Hauptinformationsquellen (Presse, Radio, Bildung). Es ist deshalb äußerst schwierig und für den einzelnen Bürger in den meisten Fällen fast unmöglich, objektive Schlüsse zu ziehen und in intelligenter Weise Gebrauch von seinen politischen Rechten zu machen.“ [4] – Trefflich, wenn auch nicht mit der exakten Terminologie des Marxismus, erklärt Einstein hier die Herausbildung des Monopolkapitals sowie ansatzweise die politische Struktur des Stamokap und leitet davon die Grenzen der bürgerlichen Demokratie unter solchen Voraussetzungen ab.
demokratie1Wir haben damit schon hinlänglich die Gründe, warum Lenin in Anlehnung an Marx über den bürgerlichen Parlamentarismus feststellen kann: „Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll – das ist das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus, … auch in den allerdemokratischsten Republiken. (…) Die eigentlichen ‘Staats’geschäfte werden hinter den Kulissen abgewickelt (…) In den Parlamenten wird nur geschwatzt, speziell zu dem Zweck, das ‘niedere Volk’ hinters Licht zu führen.“ [5]
Unter diesen Gesichtspunkten hat das in der bürgerlichen Demokratie verwirklichte „allgemeine Wahlrecht“ natürlich nur eingeschränkte Bedeutung: „Denn bei Fortbestand des Kapitalismus“, schreibt Clara Zetkin, „ist das Wahlrecht nur zur Verwirklichung der lediglich formalen politischen, bürgerlichen Demokratie da, es besagt keineswegs tatsächliche, wirtschaftliche, proletarische Demokratie. Das allgemeine, gleiche, geheime, direkte, aktive und passive Wahlrecht für alle Erwachsenen bedeutet nur die letzte Entwicklungsstufe der bürgerlichen Demokratie und wird zur Grundlage und zum Deckmantel für die vollkommenste politische Form der Klassenherrschaft der Besitzenden und Ausbeutenden.“ [6]
Welche Bedeutung haben nun also Demokratie und Parlamentarismus für die revolutionäre Bewegung? Nochmals Zetkin: „Für sie kommt der Besitz des Wahlrechtes und der Wählbarkeit nur als ein Mittel unter anderen Mitteln in Betracht, sich zu sammeln und zu schulen für Arbeit und Kampf zur Aufrichtung einer Gesellschaftsordnung, die erlöst ist von der Herrschaft des Privateigentums über die Menschen und die daher nach der Aufhebung des Klassengegensatzes zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten die Gesellschaftsordnung freier, gleichberechtigter und gleichverpflichteter Arbeitender sein kann.“ [7] Und Jakob Rosner stellt dies nun im Allgemeinen in die historische Dimension, wenn er schreibt: „Das wesentlich Fortschrittliche und Vorwärtsweisende an der Demokratie … ist das durch sie ermöglichte Vorwärtsdrängen und die Förderung des Klassenkampfes, die Erleichterung des Zusammenschlusses der Arbeiterschaft und der werktätigen Menschen zu gemeinsamem Handeln, zu gemeinsamem Wirken und Kämpfen für ihre Forderungen und Ziele. Denn die Demokratie ist kein Ziel ‘an sich’, keine soziale Erscheinung, die absoluten Wert in sich selbst birgt: die Demokratie ist lediglich eine historische Kategorie, im Kampf der Klassen, im Klassenkampf geworden, der Entfaltung des Kampfes des Klassen, des Klassenkampfes dienend und mit dem Überwinden und Verschwinden des Klassenkampfes selbst verschwindend und vergehend.“ [8]
So sehr die deformierte Demokratie des bürgerlichen Klassenstaates aus Sicht der revolutionären Arbeiterbewegung keinen Wert an sich darstellt, so ist für sie dennoch nicht gleichgültig – das geht aus dem von Clara Zetkin Gesagten bereits hervor – in welcher Form der bürgerlichen Herrschaft sie agiert. Natürlich liegen mit der bürgerlichen Demokratie und mit dem Wahlparlamentarismus ganz andere Spielräume für die Arbeiterbewegung vor als ohne sie. Und in dem Fall, wo es um die Entscheidung Demokratie oder faschistische Diktatur geht, hängt mitunter, ja zumeist auch die legale Existenz und Tätigkeit der Organisationen der Arbeiterbewegung davon ab. Natürlich unterstützt die revolutionäre Arbeiterbewegung alle demokratischen Forderungen und Bestrebungen. Letztlich hat gerade der Kampf gegen den Faschismus gezeigt, dass es in erster Linie die Kommunisten sind, die am vehementesten die bürgerliche Demokratie – sei sie noch so unzulänglich – gegen alle Angriffe der Reaktion und des Faschismus verteidigen.
Dementsprechend sagte Clara Zetkin am 20. Oktober 1922 im deutsche Reichstag über das Verhältnis der KPD zur Weimarer Republik: „’Wir haben keine Illusionen über das, was dieses bisschen Demokratie für die Arbeiterklasse wert ist, aber so wenig es bedeutet, wir unterschätzen es nicht.’ Zu den Deutschnationalen gewandt, fuhr sie fort: ‘Während Sie nur sinnen und trachten, wie Sie diesen Anfang zur Demokratie beseitigen können, stehen wir allezeit bereit und gerüstet, diese armselige Demokratie gegen Sie zu schützen und zu verteidigen, und es wird sich zeigen, dass dieser Anfang zur Demokratie keine treueren, keine kampfentschlosseneren Verteidiger hat als gerade die Kommunisten’.“ [9]
Vor diesem Hintergrund gibt es wenig Schändlicheres als jene Versuche bürgerlicher und sozialdemokratischer Historiker, den Kommunisten eine Teilschuld für das Ende der Weimarer Republik zu unterschieben: die demokratische Republik, so die Behauptung, sei dem doppelten antidemokratischen Angriff der NSDAP von rechts und der KPD von links zum Opfer gefallen. Nun, die NSDAP – und das deutsche Monopolkapital – waren in der Tat antidemokratisch eingestellt: sie wollten weniger Demokratie, ja überhaupt keine Demokratie. Den Kommunisten hingegen ging diese Demokratie noch nicht weit genug: sie wollten mehr Demokratie. So ist denn auch der Kampf für den Sozialismus per se ein demokratischer Kampf, ein Kampf für die vollständige Demokratie. Die Diktatur des Proletariats ist die vollständige Demokratie für die Werktätigen, aber – das ist richtig – eine notwendige Diktatur gegenüber jenen gesellschaftlichen Kräften, die an sich antidemokratisch sind: das ist die Bourgeoisie im Allgemeinen, das Monopolkapital im Besonderen. Doch auch diese proletarische, sozialistische Demokratie – Rosner hat es oben schon erwähnt – dient nur dazu, schließlich mit einer klassenlosen Gesellschaft auch eine herrschaftsfreie Gesellschaft zu erreichen: den Kommunismus.
Das Verhältnis des Monopolkapitals zur Demokratie einerseits und zum Faschismus andererseits wollen wir nun als nächstes genauer betrachten. Das Verhältnis des Monopolkapitals zu Demokratie und Faschismus ist – gelinde gesagt – ein unsauberes. Wir haben bereits ausführlich besprochen, was die ökonomischen Grundlagen für diese politischen Tendenzen, für den antidemokratischen Drang des Monopolkapitals sind. Wir wollen nun exemplarischer und konkreter betrachten, wie sich dies im demokratisch-parlamentarischen Stamokap auswirkt. Drei Beispiele seien angeführt – davon ein historisches und zwei aktuelle.
Ein viel sagendes Beispiel für die Demokratiefeindlichkeit des Monopolkapitals ist sein Verhältnis zum Pinochet-Putsch und zur Errichtung der faschistischen Diktatur in Chile 1973. Reinhard Kühnl stellt etwa zur damaligen Situation in der BRD fest, „dass maßgebliche Politiker und Organe der ‘gemäßigten’ Rechten – von Franz Josef Strauß bis zum CDU-Generalsekretär Bruno Heck, vom Bayernkurier bis zur Welt und zur Frankfurter Allgemeine Zeitung – die Errichtung terroristischer Diktaturen in anderen Ländern, zum Beispiel in Chile 1973, als notwendig oder sogar höchst erfreulich dargestellt und damit nicht nur diese Diktaturen gestützt, sondern grundsätzlich ihre dubiose Haltung zur Demokratie deutlich gemacht und ideologisch zur Vorbereitung diktatorischer Herrschaftsformen im eigenen Land ihren Teil beigetragen haben. Dieses Lob der Diktatur wird begründet, wie es von der Rechten schon immer begründet worden ist: Die ‘kommunistische Gefahr’ müsse niedergehalten werden, und zwar aus militärstrategischen und innenpolitischen Gründen; wo es keine Arbeiterorganisationen gebe, seien die Arbeitskräfte billiger und die Investitionen lohnender; so sei also – recht verstanden – die Diktatur der Garant für die ‘Freiheit’ – nämlich, wie man hinzufügen muss, die Freiheit des Kapitals und der Ausbeutung. Es ist offensichtlich, dass alle diese Argumente aus der Sicht der herrschenden Klasse und der politischen Rechten sinnvoll sind und ihr Lob auf die Diktatur deshalb auch konsequent ist.“ [10]
Die konservativen und rechten Parteien in der BRD sowie das Monopolkapital fanden also absolut nichts dabei, dass ein demokratisch gewählter Präsident durch einen faschistischen Putsch gestürzt wurde. Im Gegenteil: dieser Schritt wurde begrüßt, in Wirklichkeit aber vom internationalen Monopolkapital und vom Weltimperialismus sogar von langer Hand geplant und unterstützt. Besagter Präsident, Salvador Allende, berichtete am 4. Dezember 1972 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, bereits seit 1970 „gab es in Chile Terroraktionen, die außerhalb unserer Grenzen geplant und zusammen mit faschistischen Gruppen im Lande durchgeführt wurden. (…) Im März dieses Jahres wurden Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht, die den Zusammenhang zwischen diesen finsteren Machenschaften und der ITT aufdeckten. (…) Diese Gesellschaft war erneut bei der amerikanischen Regierung vorstellig geworden und hatte um deren Hilfe dafür ersucht, meine Regierung im Verlauf von sechs Monaten zu stürzen. (…) Vorgesehen waren die wirtschaftliche Erdrosselung, die diplomatische Sabotage, die Organisierung eines sozialen Chaos, die Schaffung einer Panikstimmung unter der Bevölkerung, damit … die Streitkräfte sich veranlasst sähen, die demokratische Ordnung aufzuheben und eine Diktatur zu errichten.“ [11] Ähnlich äußerte sich Luis Corvalán noch im März 1973: „Trotz allem erklärt sich der reaktionärste Teil der Opposition als nicht geschlagen. Er schreckt nicht davor zurück, das Urteil der Bürger zu ignorieren und widmet sich erneut einem Putsch, um mit allen Mitteln den Sturz der Regierung herbeizuführen, bevor es dieser gelingt, die reaktionären Machenschaften zu unterbinden und bevor sich der revolutionäre Prozess in etwas Unwiderrufliches verwandelt. (…) Als Konsequenz wird der Feind erneut versuchen, sie zu stürzen. Er wird den Putsch bald und mit der besten Vorbereitung unternehmen, um eine erneute Niederlage zu vermeiden. Die CIA-Agenten arbeiten sicher schon recht aktiv…“ [12] – In der Tat ist es sechs Monate später genau so gekommen – und nicht nur die US-Monopole und die US-Regierung, sondern auch die „demokratischen“ und „antifaschistischen“ Staaten Westeuropas und das europäische Monopolkapital ließen keinen Zweifel daran, dass sie diesen Putsch billigten und unterstützten.
Ein durchaus ähnliches Beispiel aus der Gegenwart, das wir schon kurz angesprochen haben, ist das Verhältnis der imperialistischen Regierungen Europas und insbesondere der USA zum revolutionären Prozess in Venezuela. Tatsache ist, dass es in den kapitalistischen Ländern der Welt wohl keine zweite Regierung gibt, die ähnlich umfassend und wiederholt vom Volk legitimiert ist wie jene von Hugo Chávez. Diese Regierung hat unter Beteiligung des Volkes eine neue partizipativ-demokratische Verfassung eingeführt und sich diesen Bedingungen, die von der Opposition im – gescheiterten – Abwahlreferendum bereits genutzt wurden, auch gestellt. Diese Regierung hat dank des Volkes einen Putschversuch des Unternehmerverbandes überstanden. Diese Regierung bindet die Volksmassen ein, um sie selbst aktiv daran zu beteiligen, eine demokratische und soziale Gesellschaft neuen Typs zu verwirklichen: eine antiimperialistische, antimonopolistische Volksdemokratie. – Trotz dieser Tatsachen, trotz des zutiefst demokratischen Charakters des revolutionären Prozesses in Venezuela, werden die imperialistischen Regierungen und bürgerlichen Medienmonopole der Welt nicht müde, ausgerechnet dieser Regierung autoritäre Züge zu unterstellen. Wieder – wie schon im Falle Chiles 1970-1973 – sind die imperialistischen Regierungen Nordamerikas und Europas sowie die nordamerikanischen und europäischen Monopole nicht bereit, das wiederholte demokratische Votum, den eindeutigen Willen eines Volkes anzuerkennen – vielmehr noch: sie unterstützten jene konterrevolutionären Kräfte, die die Regeln ihrer eigenen bürgerlichen Demokratie nicht mehr anerkennen, sondern auf Sabotage, Putschversuche und Terroraktionen setzen. Und da behauptet die US-Regierung, die zweifellos die Hauptunterstützung der konterrevolutionär-putschistischen Kräfte in Venezuela ist – auch noch, sie würde bloß für Demokratie und Freiheit und gegen den Terrorismus agieren… – Man möchte hoffen, dass das Volk Venezuelas die Kraft und die Beharrlichkeit aufbringt, derartigen Beglückungen nachhaltig Widerstand zu leisten. Und man möchte hoffen, dass die Werktätigen in den imperialistischen Hauptländern klar erkennen, wer welche Interessen vertritt, wer für Demokratie und wer für die faschistische Diktatur steht, und sich dementsprechend mit den für tatsächliche Freiheit und Demokratie kämpfenden Volksmassen in Lateinamerika solidarisieren.
Kommen wir abschließend noch zu einem Beispiel, das die Europäische Union betrifft: zum EU-Verfassungsvertrag. Was sich diesbezüglich in den Ländern der EU abspielte und abspielt, ist ja schon bemerkenswert kurios. Oben hatten wir anhand Venezuelas das Beispiel, wie eine Verfassung unter Beteiligung des Volkes auf breitester Grundlage erarbeitet und beschlossen werden kann. Der gesamte Verfassungsprozess der EU steht dem diametral entgegen. Wir wollen hier gar nicht darauf eingehen, dass der Vertrag selbst dem Inhalt nach per se antidemokratisch, militaristisch und imperialistisch ist. Das ist nicht weiter verwunderlich: „Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d.h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt“, schrieb Lenin, „sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär.“ [13] Die EU ist ein imperialistisches Bündnis, entsprechend besteht ihre Hauptfunktion in der Optimierung der globalen Ausbeutungsmöglichkeiten des EU-Monopolkapitals, was konsequenterweise Militarismus, imperialistische Aggression, Antisozialismus und eben antidemokratische Strukturen impliziert. Soll sein. Natürlich schaffen sich die nationalen europäischen Imperialismen ein Staatenbündnis nach ihrem Ebenbilde. Die Groteske besteht aber wiederum darin, dass demokratische Entscheidungen der Bevölkerung schlichtweg nicht anerkannt werden: in zwei der wichtigsten EU-Mitgliedstaaten, in Frankreich und den Niederlanden, hat sich die Bevölkerung auf dem Wege der Volksabstimmung gegen die Verfassung ausgesprochen. Dies wird autoritärer Weise einfach nicht akzeptiert. Andererseits – und das ist ebenso bemerkenswert – wird in den meisten EU-Ländern (so auch in Österreich und Deutschland) der Bevölkerung die Mitbestimmung von vornherein verweigert. Was nun kein Wunder ist, denn auch in einer Reihe anderer Mitgliedstaaten würde ein Referendum klar negativ ausfallen. – Also wird so etwas Grundlegendes wie ein Verfassungsvertrag lieber gleich von oben oktroyiert, denn man möchte sich vom Pöbel ja nicht in die monopolkapitalistische Suppe spucken lassen…
Wir sehen schon anhand dreier Beispiele, dass es mäßig gut bestellt ist um das Verhältnis des Monopolkapitals zur Demokratie. Stellt man dem Monopolkapital die Gretchenfrage „Wie hältst du’s mit der Demokratie?“, so ist die Antwort eindeutiger als Fausts Position zur Religion – und ablehnender.
Neben diesen Einzelbeispielen wollen wir abschließend noch mal auf jene verstärkt reaktionären Maßnahmen zu sprechen kommen, die bürgerliche (und leider auch sozialdemokratische) Regierungen im Rahmen des bürgerlich-parlamentarischen Systems fast andauernd vorantreiben. Dimitroff sagte 1935, „ernst und gefährlich ist der Fehler, die Bedeutung zu unterschätzen, die den verschärfenden reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie für die Aufrichtung der faschistischen Diktatur zukommt; jenen Maßnahmen, die dazu dienen, die demokratischen Freiheiten der Werktätigen zu unterdrücken, die Rechte des Parlaments zu verfälschen und zu schmälern, die Repressalien gegen die revolutionäre Bewegung zu verschärfen.“ Es geht um die „Tatsache, dass vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel verschiedene Etappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Maßnahmen durchführen, die den Machtantritt des Faschismus vorbereiten und unmittelbar fördern. Wer in diesen Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen und den anwachsenden Faschismus kämpft, der ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, der fördert ihn vielmehr.“ [14] – Das bedeutet nun nicht, dass wir uns in einem permanenten Faschisierungsprozess befinden, wohl aber, dass das Monopolkapital permanent bestrebt ist, das Kräfteverhältnis noch weiter zu seinen Gunsten zu verschieben. Im Ernstfall bedeutet dies sodann freilich günstigere Ausgangsbedingungen für die Errichtung einer faschistischen Diktatur – ob es allerdings jemals soweit kommt, hängt immer vom einheitlichen (und rechtzeitigen) Widerstand der demokratischen und antifaschistischen Kräfte ab.
Man kann also zusammenfassend mit Konstantin Sarodow sagen: „Die Kommunisten sind unversöhnliche Feinde des Faschismus. Sie kämpfen auch gegen jeden Rechtsruck der bürgerlichem Demokratie, weil das Unterdrückung der demokratischen Freiheiten der Werktätigen, Schmälerung der Rechte des Parlaments, Stärkung der Positionen der Reaktion und Zunahme der Repressalien gegen die revolutionäre Bewegung bedeutet. Gleichzeitig sind sich aber die Kommunisten über den gewaltigen politischen Unterschied klar, der zwischen einem Rechtsruck der bürgerlichen Demokratie und der Liquidierung der bürgerlichen Demokratie besteht. Es versteht sich von selbst, dass ein Rechtsruck der bürgerlichen Demokratie auf dem Boden des staatsmonopolistischen Kapitalismus die Tendenzen zur Faschisierung des bürgerlichen Staatswesens verstärkt, die Machtergreifung durch die Faschisten fördern kann.“ [15]
Welche Maßnahmen sind hier nun konkret gemeint? Im weltweiten Maßstab betrifft dies insbesondere die „Anti-Terror“-Gesetzgebung seit dem 11. September 2001. „Diese Anschläge und die Überzeichnung einer terroristischen Gefahr, die zu geopolitischen und kriminalistischen Realitäten freilich in keinerlei Relation steht, dienten und dienen weltweit als Vorwand, die Macht und die Befugnisse von Polizei und Armee im Sinne der ‘Terrorbekämpfung’ auszuweiten, um somit schärfer als je zuvor gegen Opposition, progressive politische Organisationen, ‘Globalisierungs’-Gegner, ethnische Minderheiten, Menschen islamischen Glaubens, Immigranten und unangenehme Journalisten vorgehen zu können. Absehbar ist, dass jeder soziale Aufstand, jedes Aufbegehren gegen die Brutalität des imperialistischen Ökonomie, in nächster Zeit schlicht als ‘Terror’ definiert werden soll und wird.“ [16] – Bezüglich der USA hat die „Anti-Terror“-Strategie und -Hysterie u.a. Dinge hervorgebracht wie das neue „Heimatschutzministerium“ im Geiste McCarthys, Abu Ghraib, die CIA-Geheimgefängnisse in Osteuropa und wahrlich nicht zuletzt das Lager bei Guantanamo. Doch dies sind nur Einzelbeispiele, wir werden auf die besondere Rolle der USA noch allgemeiner eingehen. Betrachten wir Österreich, so wären bezüglich der letzten Jahren außerdem u.a. das Heeresbefugnisgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, „Lauschangriff“ und Rasterfahndung sowie das Vermummungsverbot bei Demonstrationen zu nennen; hier „wird deutlich, dass … [dies] nur Mosaiksteine sind in einem Gesamtbild, das den systematischen Ausbau der Staatsgewalt zu einem immer umfassenderen Herrschaftsinstrument, das auch grundlegende Menschen- und Bürgerrechte beschneiden und vorsätzlich Elemente exekutiver Willkür haben soll und muss, beinhaltet.“ [17] – Es ist absehbar, was in diesem Sinne eine anstehende Aufgabe der demokratischen Kräfte in Österreich beispielsweise sein könnte: was der österreichischen Bourgeoisie nämlich etwa noch fehlt, ist die Einführung eines Berufsheeres – dagegen muss es Widerstand geben bei gleichzeitigem Kampf um eine Demokratisierung des Bundesheeres.
Unterm Strich gilt also unter demokratischen Verhältnissen des staatsmonopolistischen Kapitalismus, was Lenin geschrieben hat: „Insbesondere aber weist der Imperialismus, weist die Epoche des Bankkapitals, die Epoche der gigantischen kapitalistischen Monopole, die Epoche des Hinüberwachsens des monopolistischen Kapitalismus in den staatsmonopolistischen Kapitalismus, eine ungewöhnliche Stärkung der ‘Staatsmaschinerie’ auf, ein unerhörtes Anwachsen ihres Beamten- und Militärapparates in Verbindung mit verstärkten Repressalien gegen das Proletariat.“ [18] – Dieser stetige Ausbau der Staatsgewalt, der gegenwärtige Prozess der Entdemokratisierung, der von den imperialistischen Regierungen vorangetrieben wird, der Prozess der Militarisierung etc. – all dies sind Vorboten und Ansätze möglicher faschistischer Gefahren.
Fußnoten:
[1] Gossweiler, Kurt: Über Ursprünge und Spielarten des Faschismus. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 584
[2] Lenin, W. I.: Staat und Revolution. In: LW 25, S. 405
[3] Liebknecht, Karl: Leitsätze. In: Reden und Aufsätze in zwei Bänden, Frankfurt am Main 1972, Bd. 2, S. 115
[4] Einstein, Albert: Why Socialism? In: Monthly Review 1/1949
[5] Lenin, W. I.: Staat und Revolution. In: LW 25, S. 435 f.
[6] Zetkin, Clara: Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung. In: Schriften zur proletarischen Frauenbewegung, Wien 1979, S. 69
[7] ebd., S. 70
[8] Rosner, Jakob: Der Faschismus. Wien 1966, S. 88 f.
[9] zitiert nach: Gossweiler, Kurt: Von Weimar zu Hitler. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. I, S. 334
[10] Kühnl, Reinhard: Faschismustheorien. Reinbek bei Hamburg 1979, S. 255
[11] Allende, Salvador: Rede vor dem Plenum der XXVII. UNO-Vollversammlung. In: Chile – Volkskampf gegen Reaktion und Imperialismus, Berlin 1973, S. 201 f.
[12] Corvalán, Luis: Lehren aus dem Wahlsieg. In: Freiheit für Chile!, Frankfurt/Main 1973, S. 77
[13] Lenin, W. I.: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa. In: Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Moskau 1946, Bd. I, S. 751
[14] Dimitroff, Georgi: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus. In: Ausgewählte Werke, Frankfurt am Main 1972, Bd. 1, S. 107
[15] Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek 1974, S. 202
[16] Zenker, Tibor: Stamokap heute. Wien 2005, 2. Auflage, S. 202
[17] ebd., S. 118
[18] Lenin, W. I.: Staat und Revolution. In: LW 25, S. 423
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