Montag, 29. April 2013
Vasallen, Volkstod, EZB
Am 1. Mai wollen deutsche Nazis in mehreren Städten Kundgebungen abhalten. An den Vorbereitungen zum »Tag der Arbeit« zeigen sich vor allem die Zerwürfnisse zwischen der NPD, Christian Worchs Partei »Die Rechte« und der freien Kameradschaftsszene.
von Benjamin Böhm
Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Zum einen geht die NPD zum diesjährigen »Tag der Arbeit« mit einem Motto auf die Straße, das auch von den Euro-Gegnern der »Alternative für Deutschland« stammen könnte: »Genug gezahlt! Wir sind keine Melkkuh Europas.« Auf einen öffentlichen Ankündigungstext hat die rechtsextreme Partei bisher verzichtet, stattdessen wirbt sie ausschließlich mit den vorgesehenen Rednern, bei denen es sich um bekannte Parteifunktionäre wie Udo Pastörs, Arne Schimmer, Udo Voigt und auch den Parteivorsitzenden Holger Apfel handelt. Sowohl in Frankfurt als auch in Berlin will die NPD demonstrieren, wobei der diesjährige Schwerpunkt auf der angekündigten Großkundgebung vor der Europäischen Zentralbank liegt. Vorerst wurde die Kundgebung jedoch von der Stadt Frankfurt verboten.
Zum anderen finden in Erfurt, Dortmund und Würzburg rechtsextreme Aufmärsche statt, deren Ankündigungstexte nationalrevolutionäres Pathos verbreiten und ganz offensichtlich nur den harten Kern der Kameradschaftsszene ansprechen sollen. Der in Erfurt von örtlichen »Nationalen Sozialisten« angemeldete Aufmarsch steht unter dem Motto »Für Arbeit, Recht und Freiheit!«. Im Aufruf ist vom »Volkstod«, von »antideutschen Gewalttätern« und von den Deutschen als »Sklaven einer europäischen Wirtschaftsdiktatur« die Rede. Die Verfasser bedienen sich eines Jargons, der eher eine kleine Anhängerschaft ansprechen dürfte.
Mit dem Erscheinen dieser Anhänger können die Organisatoren der Veranstaltungen in Würzburg, Erfurt und Dortmund aller Wahrscheinlichkeit nach rechnen. Denn die NPD hat derzeit neben ihren finanziellen Schwierigkeiten (Jungle World 16/2013) und der Diskussion um ihr Verbot ein weiteres erhebliches Problem: Holger Apfel gelang mit seinem Konzept der »radikalen Seriosität« nicht die erhoffte Integration der unterschiedlichen rechtsextremen Strömungen in die NPD, sondern er vergraulte stattdessen die Kameradschaftsszene.
Das Zerwürfnis hat in diesem Jahr einen beträchtlichen Einfluss auf die Organisation der Veranstaltungen am »Tag der Arbeit«. In Dortmund möchte Christian Worchs Partei »Die Rechte« einen Aufmarsch veranstalten. Die Verfasser des Aufrufs vertreten einen völkischen Antikapitalismus und wollen die Volksgemeinschaft in antisemitischer und antiziganistischer Manier gegen die »ungebremste Masseneinwanderung (…) aus Bulgarien und Rumänien« und – geographisch etwas desorientiert – gegen die »Vasallen der Entscheidungszentren an der amerikanischen Ostseeküste« mobilisieren. Vorerst wurde diese Demonstration verboten. Ebenso wie die NPD in Frankfurt versucht auch »Die Rechte«, ihren Aufmarsch juristisch durchzusetzen.
Die Konkurrenz zwischen der NPD und der »Rechten« besteht schon länger. Kurz nach der Gründung von Worchs Partei im Jahr 2012 gab der NPD-Bundesvorstand im September die Devise aus, dass »Mitglieder von politischen Parteien, (…) die sich öffentlich gegen die NPD positionieren, (…) nicht als Redner eingesetzt werden« dürften. Erst vor wenigen Tagen beklagte der NPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen in einem offenen Brief die Einschüchterung seiner Dortmunder Stadtratsmitglieder durch Anhänger der »Rechten«. Noch ist Worchs Gruppe zwar eine Kleinstpartei, die versucht, mit Kundgebungen und einem Blog Aufmerksamkeit zu erhalten. Doch wie an den panischen Reaktionen zu sehen ist, bereitet die mögliche Konkurrenz der NPD-Führung offenbar Sorgen.
Der Konflikt der beiden Parteien färbt auf die Dortmunder Demonstration ab: Ursprünglich war Thorsten Heise als Redner vorgesehen, der mit anderen Führungspersonen der Kameradschaftsszene 2004 in die NPD eingetreten war und derzeit stellvertretender Landesvorsitzende in Thüringen ist. Nach Angaben der »Rechten« verhängte die NPD-Spitze jedoch ein Redeverbot für Heise. Auf der Rednerliste findet sich nun hinter Heises durchgestrichenem Namen die Bemerkung »NPD-Maulkorb«.
Auch die bislang von der Stadt Würzburg untersagte Demonstration des »Freien Netzes Süd« konkurriert mit den Aufmärschen der NPD. Das bayerische Kameradschaftsnetzwerk entstand 2009 als Reaktion auf einen gescheiterten Putschversuch der bayerischen Jungen Nationaldemokraten gegen die Führung des bayerischen Landesverbands. Das antifaschistische Rechercheteam Nordbayern vermutet, dass sich die Organisatoren dieses Jahr Würzburg als Ort für die Veranstaltung ausgesucht haben, um der NPD in Frankfurt Konkurrenz zu machen. Die Städte sind nur etwa eine Stunde Fahrzeit voneinander entfernt. Der Aufruf des »Freien Netzes Süd« trägt deutliche Züge eines nationalrevolutionären Antikapitalismus. Das Motto lautet »Kapitalismus zerschlagen – Nationalen Sozialismus durchsetzen«, die Verfasser fordern im Ankündigungstext die »Vergesellschaftung von Großkonzernen und Arbeitnehmerbeteiligung an den entsprechenden Unternehmen«.
Mit Thomas Wulff und Uwe Meenen, dem langjährigen Begleiter der nordbayerischen Kameradschaftsszene, sind zwei Redner der NPD in Würzburg angekündigt, die für die letzten verbliebenen Verbindungen zwischen den »Freien Kräften« und der Partei stehen. Wulff kommt ursprünglich aus der parteiungebundenen Szene und trat ebenso wie Thorsten Heise im Zuge der sogenannten Volksfrontstrategie 2004 der Partei bei. Sein Rückzug aus dem Bundesvorstand der Partei im Jahr 2011 deutete jedoch schon darauf hin, dass sich einflussreiche Personen der Kameradschaftsszene wie Wulff und Heise von der Partei entfremdet haben.
In Würzburg wollen am 1. Mai die Neonazis aufmarschieren, um die die »Rechte« wirbt, und ohne die die NPD den vielbeschworenen »Kampf um die Straße« nicht führen kann. Der Politologe Richard Stöss attestierte der Partei bereits Anfang 2012 in einem Bericht für den NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag, sie habe »den Zenit ihrer Entwicklung längst überschritten«. Zumindest am »Tag der Arbeit«, an dem die »Rechte« und »Freie Kräfte« zu eigenen Veranstaltungen aufrufen, ohne auf Hilfe von oder Kooperation mit der NPD angewiesen zu sein, scheint sich das zu bewahrheiten.
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