Montag, 29. April 2013
Nur ein Traditionsrennen?
Wenn Anfang Mai in der Nähe der Dresdner Autobahnspinne in einem sogenannten Traditionsrennen dem ersten deutschen Tourist Trophy (TT)-Sieg auf der Isle of Man von Ewald Kluge 1938 gedacht wird, lohnt sich ein kritischer Blick zurück, um den Fahrer des Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps (NSKK) und die Rolle des NSKK in der Vorbereitung des 1939 vom Deutschen Reich begonnenen Vernichtungskrieges zu beleuchten.
Der in Lausa (nahe Dresden) 1909 geborene Ewald Kluge fuhr seit 1929 Motorradrennen und begann mit einem dritten Platz auf Freiberger Dreiecksrennen. Bis 1934 startete der spätere Unteroffizier der Wehrmacht als Privatfahrer, danach war er Mitglied im DKW-Werksteam. Es folgten Deutsche Meisterschaften bzw. Europameisterschaften. Kluge trat dem Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) bei. Es wird kolportiert, die Mitgliedschaften wären "angetragen". Das soll ausdrücken, die Fahrer hätten keine Wahl gehabt. Doch, die hatten er: es drohte als Konsequenz nur, eventuell keine Rennen mehr fahren zu dürfen. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete Kluge an der Schule für Heeresmotorisierung in Wünsdorf und war auf Antrag der Auto Union ab 1943 freigestellt, um in der Versuchsabteilung zu arbeiten. Einer der wichtigsten produzierten Motoren der Auto Union während des Zweiten Weltkrieges war der Junkers Jumo 211, ein Flugzeugmotor der in Sturzkampf- und Schlachtflugzeugen eingesetzt wurde. Kluge war von 1946 bis 1949 interniert und begann nachher wieder auf DKW Rennen zu fahren. Er beendete seine Karriere 1953 nach einem schweren Sturz auf dem Nürburgring.
Jüdische Rennfahrer hatten keine Chance auf eine TT-Teilnahme, wie das Beispiel von Leo Steinweg zeigt, der 1925 eine vielversprechende Karriere mit 175 und 250 ccm Maschinen begann. Weil Leo Steinweg 1934 keinen anerkannten Abstammungsnachweis für seine Rennlizenz erbringen konnte, mußte er den Motorsport aufgeben und wurde aus dem DKW-Werksteam entlassen. Vier Jahre später flieht Leo Steinweg nach einer Warnung in die Niederlande, im folgenden Jahr folgt ihm seine Frau Emmy Herzog. Mit Hilfe von Nachbarn und anderen Gönnern können sich die Beiden verstecken. Nach einer Denunziation wird Steinweg 1942 nach Auschwitz deportiert und kommt auf dem Weg ins KZ Flossenbürg 1945 ums Leben. In späteren Veröffentlichungen über die Rennsporterfolge von DKW wird Leo Steinweg nur kurz erwähnt, die "arischen Rennfahrer" hingegen, ohne tiefergehende Beschreibung des historischen Kontextes in dem und für welche Propaganda sie fuhren, werden gefeiert.
Auf Kritik wird dann zumeist mit dem Vermerk des "unpolitischen", nur am "technischen interessierten" reagiert. Dieses verharmlost den deutschen Faschismus und das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps nicht minder. Das NSKK, als "Banner- und Willensträger des Motorisierungsgedanken der deutschen Nation" bezeichnet, war nicht nur ein Exekutivorgan der NSDAP. Nach einer Studie der Historikerin Dorothee Hochstetter war das NSKK eine Organisation, "die in vielen Gesellschaftsbereichen Macht ausübte: im Motorsort, in der Automobilindustrie, im Vereinswesen und Verkehr. Indem die Autorin die Beteiligung des NSKK an der Verfolgung und Ermordung der Juden und an Kriegsverbrechen nachweist, wird der Mythos des NSKK vom unpolitischen Kraftfahrertreff und von der unwichtigen, weil untergeordneten Parteigliederung zerstört." (1)
(1) Werbetext des Verlages für Dorothee Hochstetter: Motorisierung und "Volksgemeinschaft". Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931-1945, München 2005
Dieser Artikel entstand in Anlehnung an einen im Juli 2012 in der Megaphone (Verbandszeitschrift des Motorradclubs Kuhle Wampe) erschienen Artikel zum Sieg von Georg-Schorsch-Meier in der 500er Klasse während der TT 1939. In jenem Artikel wurde Bezug auf das 2009 erschienene Buch "The Nazi TT" von Roger Willis genommen.
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