Freitag, 2. November 2012
Daimler-Vorstand zieht Kündigung von Betriebsvereinbarungen zurück - Zugeständnis an den Kampfwillen der Belegschaft
31.10.12 - Als Auftakt zur Durchsetzung eines wahren "Horrorkatalogs" zur Abwälzung der Krisenlasten auf die Belegschaften hat der Vorstand des Daimler-Konzerns vor einigen Wochen im Werk Sindelfingen mehrere Betriebsvereinbarungen gekündigt. Dagegen war es auf zwei Betriebsversammlungen am 12. und 15. Oktober in beiden Schichten der Produktion bereits zu massiven Protesten gekommen ("rf-news" berichtete). Jetzt zog es der Vorstand aufgrund des wachsenden Kampfwillens in der Belegschaft vor, die Kündigung der Betriebsvereinbarungen zurück zu nehmen. Ein Korrespondent aus Sindelfingen berichtet:
"Ohrenbetäubende Pfeifkonzerte; massenhaft Kollegen, die dem Werkleiter den Rücken zudrehten; Vertrauensleute marschierten mit Schildern ein; ein Teil der Kollegen ging raus; wütende Redebeiträge - ohne das Eingreifen des Betriebsratsvorsitzenden Erich Klemm wäre der Werkleiter in beiden Betriebsversammlungen gar nicht zu Wort gekommen. Die Kollegen duldeten nicht, dass mit der Kündigung aller Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit und dem Gang zur Einigungsstelle der Vorstand einen Frontalangriff auf die Belegschaft plante und die Betriebsräte als Vertreter der Belegschaft missachtete. Selbst das Co-Management der Betriebsratsspitze funktionierte zeitweilig nicht mehr.
Es kommt immer mehr ans Tageslicht, dass der 'Horrorkatalog' des Vorstandes für alle Werke gelten soll. In Bremen und Stuttgart ging es um Fremdvergabe von Logistik und Instandhaltung, in Sindelfingen um eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, alles Bestandteile eines verschärften Ausbeutungsprogramms 'Fit for Leadership'. Das ist kein Fitness-Programm, sondern ein Raubprogramm! Es bedeutet: Daimler will auf dem Rücken der Beschäftigten Weltmarktführer werden. In den Strudel dieses gnadenlosen Konkurrenzkampfes sollen alle Belegschaften der Automobilwerke mitgerissen werden.
Sollen wir Kolleginnen und Kollegen uns vor den Karren der kapitalistischen Konkurrenz spannen lassen? Wozu führt es denn, wenn wir uns gegen die Kollegen von Audi oder BMW oder zwischen den Werken ausspielen lassen? Zu einer Spirale der Verschlechterungen, zu einer Schwächung der Arbeitereinheit! Wir glauben weder dem Werkleiter noch dem Vorstand! Sie haben uns schon zu oft betrogen, wie zuletzt mit der 'Zukunftssicherung'. Wessen Zukunft wurde da gesichert? Die unserer Jugend und unserer Region sicher nicht.
Angesichts des "Wutausbruchs" der Belegschaft wurde die Kündigung der Betriebsvereinbarungen noch in der gleichen Woche zurückgezogen und auch auf den Gang zur Einigungsstelle verzichtet. In den wieder aufgenommen Verhandlungen von Werkleiter und Betriebsratsspitze wurde allerdings eine 'Kröte' vereinbart: Es gibt keinen individuellen Anspruch mehr auf Freischicht (freie Tage aufgrund des Arbeitszeitkontos, vergleichbar mit Gleitzeit), sobald man ein Minus auf dem Konto vorweist. Viele Kollegen finden diese Veränderung momentan nicht so dramatisch.
Es wurde bisher schon immer wieder in einzelnen Hallen Freischicht 'verordnet'. So ruhte die Produktion der S-Klasse in den letzten drei Sommern mehrere Wochen wegen Baumaßnahmen. Jetzt werden über die Weihnachtsferien alle Produktionskollegen drei bis vier Wochen zu Hause bleiben wegen mangelnder Aufträge. Diese Flexibilisierung vernichtet auch Arbeitsplätze!
Sehr bitter ist auch, dass mehrere hundert Leiharbeiter schon vor Weihnachten entlassen werden sollen. Nach Weihnachten, wenn die neue Regelung in Kraft tritt, werden fast alle Freischichtkonten Minus aufweisen. Dann kommt der Praxistest für die neue Regelung.
Durch den Rückzieher des Vorstands haben wir uns jetzt eine Atempause verschafft, aber die Daimler-Belegschaften müssen sich auf einen harten Kampf vorbereiten. Der Vorstand hat bereits unmissverständlich erklärt, dass er an seinem 'Horrorkatalog' weiter festhält. Statt abzuwarten, bis der Vorstand wieder angreift oder mal wieder seine Versprechungen platzen, schließen wir uns aktiv mit allen Daimler-Belegschaften sowie den Kollegen von Renault und der Zulieferer zusammen, stellen unsere eigenen Forderungen und beraten einen konzernweiten Kampf!"
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