Dienstag, 14. Juli 2020

Registermodernisierung und Steuer-ID: Eine Nummer, sie alle zu finden


"Lass Dich nicht erfassen!"“Einmal eingeführte Überwachungsinstrumente werden später ausgeweitet. Ein Paradebeispiel dafür ist die einheitliche Steuer-Identifikationsnummer, die jetzt als Personenkennziffer zum Datenabgleich der Bürger:innen genutzt werden soll. Alternative und datenschutzfreundlichere Modelle hat die Bundesregierung bislang verworfen, obwohl ihr Vorschlag verfassungswidrig sein dürfte. (…) Problematisch ist die Einführung einer Personenkennzahl unter anderem wegen des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichtes und dem möglichen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Urteil untersagt dem Staat die Verknüpfung von personenbezogenen Daten mit einer übergreifenden Identifikationsnummer wegen einer möglichen Profilbildung. Schon frühere Entscheidungen des Gerichtes, etwa das Mikrozensus-Urteil von 1969, wendeten sich gegen die Personenkennziffer. Dort hieß es, dass es der menschlichen Würde widerspreche, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen. “Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.” Nach der Einführung der Steuer-ID warnte 2011 der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, dass die Nutzung der Steuer-ID entgegen aller Beteuerungen „schleichend ausgeweitet“ würde. Die Steuer-ID werde durch die Hintertür zu einer allgemeinen Personenkennziffer, was die Gefahr der Bildung aussagekräftiger Persönlichkeitsprofile verstärke…” Beitrag von Markus Reuter vom 9. Juli 2020 bei Netzpolitik.org und ein weiterer zu ersten Protesten:
  • Steuer-ID soll Bürgernummer werden – Datenschützer sind alarmiert
    “… Rund 130 Milliarden Euro verteilt die Bundesregierung mit ihrem Corona-Konjunkturpaket. Allerdings hat die Große Koalition in dem Paket auch eine Entscheidung versteckt, die mit Corona und der Konjunktur wenig zu tun hat: Die Steuer-ID werde in eine „verwaltungsübergreifende ID-Nummer“ verwandelt, heißt es im „Eckpunkte-Papier“. Noch im Sommer soll das Innenministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. (…) Das Vorhaben führt nun zu Ärger. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, lehnt es „aus verfassungsrechtlichen und aus datenschutzrechtlichen Gründen“ ab. Es bestehe die Gefahr einer „vollständigen Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit“, sagte Kelbers Sprecher Ende Juni gegenüber c’t. (…) Datenschützer Kelber hat allerdings nicht grundsätzlich etwas gegen E-Government und Datenaustausch zwischen Ämtern. Aus seiner Sicht gibt es nämlich datenschutzfreundlichere Alternativen zur übergreifenden Kennzahl, „etwa bereichsspezifische Identitätskennzeichen“. (…) Gemeint ist ein Modell, das in Österreich bereits angewendet wird. Die Alpenrepublik hat für E-Government eine „Stammzahl“ eingeführt, aus der eine Zentralstelle mit kryptografischen Verfahren bereichsspezifische Nummern für unterschiedliche Behörden ermittelt. Aus diesen Nummern kann die Stammzahl nicht zurück errechnet werden. Benötigt ein Amt fremde Daten, erhält es von der Zentralstelle die verschlüsselte Spezialnummer des Bürgers bei der Zielbehörde und kann damit die gewünschten Daten anfordern. Aus Sicht von Kelber ist das sicherer, als einfach überall die Steuer-ID zu speichern. Im Fall eines Missbrauchs könnten Daten „nicht so leicht zusammengeführt werden wie bei der Verwendung eines registerübergreifenden Identitätskennzeichens“, sagte sein Sprecher. Und laut einer Gruppe von E-Government-Experten aus der deutschen Verwaltung wäre das österreichische Modell auch für Deutschland praktikabel. Die Details der Umsetzung hat die Gruppe in einem 20-seitigen Papier, das c’t vorliegt, für die Politik skizziert. Die GroKo hat sich trotzdem für die Steuer-ID entschieden. Für Datenschutz beim Austausch soll nun lediglich eine nicht näher benannte „dritte Stelle“ sorgen, die prüft, „ob Sender und Empfänger die Daten rechtmäßig übermitteln dürfen“, wie das Innenministerium mitteilte. Aus Sicht von Kelber reicht das jedoch nicht aus. Experten aus Wissenschaft und Verwaltung rechnen deshalb damit, dass der Streit vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden muss.” Beitrag von Christian Wölbert vom 9. Juli 2020 aus c’t 15/2020 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=17543

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