Mittwoch, 28. August 2019

Dumpinglöhne in der Bio-Branche des Einzelhandels: Glückliche Kühe statt glückliche Mitarbeiter


Dossier

Bio-LebensmittelSie stehen für umweltschonende Landwirtschaft und fairen Handel, aber auch bei Öko-Märkten gibt es niedrige Löhne. Glückliche Kühe auf Kosten der Mitarbeiter. Nach Alnatura sorgt nun die Bio-Kette Denn’s für Unruhe. Es sind Vorwürfe, denen sich sonst die Billiganbieter im Handel ausgesetzt sehen. Vorwürfe, die so gar nicht zum guten und anthroposophischen Image in der Bio-Szene passen wollen und die leider auch kein Geheimnis mehr sind. Viele Öko-Händler, die auf eine angemessene Bezahlung und Behandlung von Kleinbauern in Entwicklungsländern pochen, bezahlen ihre eigenen Mitarbeiter teils schlechter als die konventionellen Läden. Sogar die Discounter Lidl und Aldi zahlen Tarif, aber der Biofachhandel nicht. (…) Schnell taucht in der Debatte um das Lohnniveau in der Bio-Branche deshalb immer auch der Hinweis auf sogenannte weiche Faktoren auf: Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln sei schließlich eine sinnvolle und befriedigende Tätigkeit. Das Arbeitsklima sei gut, die Hierarchien flach, die Arbeitszeiten flexibel gestaltbar und die Möglichkeit, Abläufe selbständig zu gestalten, sei höher als in konventionellen Betrieben…” Artikel von Carina Groh-Kontio im Handelsblatt online vom 28.05.2013 externer Link. Siehe auch:
  • Am-Boden-Haltung. Betriebsräte? Tariflohn? Viele Biomärkte behandeln ihre MitarbeiterInnen wie Legehennen New 
    “… Es ist ein tolles Gefühl, im Biosupermarkt einkaufen zu gehen. Das Kilo Rinderfiletsteak kostet hier bei Alnatura 64,90 Euro: glückliche Rinder, gesunde Kundinnen, sauberes Klima, so was kauft man sich ja nicht jeden Tag. Hier geht es sicher allen gut. Und bei diesen Preisen wird man sich eine selbstbewusst organisierte Belegschaft wohl leisten können. Denkste. „Tarifgebunden ist keiner in der Biobranche“, sagt die Verdi-Handelsexpertin Erika Ritter. Ob etwa Alnatura nach Tarif bezahlt, könne sie nicht überprüfen. Was man aber überprüfen kann, ist die Existenz von Betriebsräten in Unternehmen. In gerade einmal einer von 133 Filialen gibt es eine gewählte Vertretung der Arbeitnehmer. „Die Arbeitgeber im Biosortiment wollen keine Mitbestimmung in den Betrieben haben“, sekundiert Paul Lehmann, Verdi-Gewerkschaftssekretär im Bezirk Oberfranken-West, „das zeigt der Erfahrungswert.“ Allein, es gab Versuche, an anderen Alnatura-Standorten Mitbestimmung zu erwirken. Vom Union Busting in dem Unternehmen kann die Bremer Grünen-Politikerin Kai Wargalla ein Lied singen, sie hat dort bis 2016 gearbeitet. Dann ließ man ihren Vertrag aus „betriebswirtschaftlichen Gründen“ auslaufen , sie hatte sich zur Protagonistin im Kampf der Angestellten für einen Betriebsrat aufgeschwungen. Alles ging damit los, erzählt sie, dass Alnatura die Filialleiterin in ihrem Bremer Markt entließ, weil sie hin und wieder alte Salatblätter für ihre Hühner mitgenommen habe. „Dazu muss man wissen: Bei Alnatura darf man nichts mitnehmen, auch nichts, was schon abgelaufen oder verschimmelt ist, wir müssen alles wegwerfen!“ Intern vermuteten die Kollegen noch andere Gründe hinter der Kündigung. Die Filialleiterin habe einen alten Vertrag gehabt, besser vergütet (…) In Bremen gibt es bis heute keinen Betriebsrat, Alnatura zieht das Verfahren mit Gerichtsprozessen in die Länge. Sogar verfassungsrechtliche Gutachten wurden angefertigt. (…) Der Betriebsrat in Bremen wäre der zweite innerhalb des Unternehmens, nur in Freiburg existiert einer. Ein stellvertretender Filialleiter in Berlin-Mitte erzählt, er habe zuvor zehn Jahre bei Bio Company gearbeitet, verglichen damit sei hier „alles super“. Dabei ist Bio Company, zumindest was die betriebliche Mitbestimmung anbelangt, schon weiter als Alnatura. Knapp 20 Jahre hat Verdi dort für den mehrere Filialen umfassenden Betriebsrat gekämpft. (…) Ein Kollege von ihr findet noch deutlichere Worte: „Aus Gewerkschaftssicht sind die Biomärkte schlimmer als die Discounter!“ Bio Company zahlt unter Tarifniveau und hat es geschafft, den von Arbeitnehmerseite hart erkämpften Betriebsrat mit den eigenen unternehmensfreundlichen Leuten zu besetzen, die gewerkschaftsnahen sind in der Minderheit…” Artikel von Dorian Baganz vom 22.08.2019 bei Der Freitag online externer Link
  • Schlechte Bedingungen in vielen Ökosupermärkten – „Bio“ ist nicht automatisch fair  
    “… Der Handel mit Biolebensmitteln boomt seit Jahren, und Supermarktketten wie Alnatura, Denn’s Biomarkt und Bio Company expandieren Jahr für Jahr. Doch wenn es um Bezahlung und Arbeitszeit nach Tarif sowie um die Mitbestimmung geht, erweist sich die Branche als sehr abweisend, wie Orhan Akman, Leiter des ver.di-Bundesfachbereichs Einzelhandel kritisiert. Doch in anderen Teilen der Branche tut sich seit einiger Zeit eine Menge: im Großhandel nämlich. Mitte Mai wählten die Beschäftigten aus Warenlager und Zentralverwaltung beim Bio-Großhändler Dennree im oberfränkischen Töpen erstmals einen 15-köpfigen Betriebsrat. (…) Orhan Akman kritisiert die Bio-Einzelhandelsketten mit deutlichen Worten. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet in einem Zweig des Einzelhandels, der sich Nachhaltigkeit, Tierwohl und Regionalität auf die Fahnen schreibt, eine Politik gegen Arbeitnehmerrechte gefahren wird“, sagte er im April gegenüber den Zeitungen der WAZ-Gruppe. Seit Jahren kämpfe ver.di beispielsweise um die Wahl eines Betriebsrates in einer Bremer Alnatura-Filiale – bisher ohne Erfolg. Viele Beschäftigte in Bio-Supermärkten müssten mehr als 37,5 Stunden wöchentlich arbeiten und bekämen dafür weniger Lohn und weniger Urlaubstage als die Tarifverträge des Einzelhandels vorsehen…” Beitrag von Gudrun Giese aus ver.di publik vom Juni 2019 bei ver.di externer Link
Siehe dazu auch im LabourNet Germany:

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