Dossier
“Machen Sie jetzt mit! Während normale Menschen arbeiten, treiben tausende Arbeitnehmer oder Staatsdiener Ausländer durch Chemnitz, attackieren Presse und Polizeibeamte und grüßen Hitler. Was würde ihr Chef wohl dazu sagen? Um das herauszufinden, haben wir 3 Millionen Bilder von 7.000 Verdächtigen ausgewertet und danach gelöscht. Das Ziel: den Rechtsextremismus 2018 systematisch erfassen, identifizieren und unschädlich machen. Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen.” Die Aktion “Soko-Chemnitz” samt aktuellen (Repressions)Entwicklungen und Reaktionen:
- Kunst oder Spaltung? Heftiger Streit um Online-Pranger von rechten Gewalttätern
“Gegen die umstrittene „Fahndung“ einer Künstlergruppe nach mutmaßlich Beteiligten an den rechten Ausschreitungen Ende August in Chemnitz sind bislang neun Strafanzeigen gestellt worden. Drei Strafanzeigen seien bislang an die Staatsanwaltschaft Chemnitz übermittelt worden, teilte die Polizeidirektion Chemnitz am Dienstag mit. (…) Bislang seien mehr als 3.000 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, teilte die Künstlergruppe am Dienstag auf der Internetseite mit. Auf der Website wurden erste Namen von mutmaßlichen rechten Gewalttätern genannt. Laut Polizei gibt es den Verdacht einer Straftat nach dem Kunsturhebergesetz und den Anfangsverdacht einer Beleidigung, weil die abgebildeten Personen höchstwahrscheinlich keine Einwilligung zur Veröffentlichung gegeben haben und als Straftäter bezeichnet werden…” Beitrag vom 5. Dezember 2018 beim Migazin
- Lametta im Fenster und Hass im Netz. Rechtsradikale bedrohen das »Zentrum für politische Schönheit« für ihre viel diskutierte Kunstaktion in Chemnitz“Um neun Uhr eröffnete am Montag in Chemnitz ein Büro des Kunstprojektes »Soko Chemnitz«, Fahndungsbilder vermeintlicher Teilnehmer der gewalttätigen Aufmärsche vom August dieses Jahres hingen an den metergroßen Glasscheiben. Die Tinte hatte kaum Zeit zu trocknen, da standen schon die ersten Rechten vor der Tür, schickten Bilder ins Netz und gossen Gewaltaufrufe hinterher. »Pro Chemnitz« startete augenblicklich einen Spendenaufruf: geoutete Rechtsextreme sollen sich bei ihnen für juristische Unterstützung melden. Die sächsische Polizei reagierte beinahe genau so schnell, ließ die Türen aufbrechen und entfernte die Plakate. Online verbreitete deren Social-Media-Team, man habe aus Gefahrenabwehr handeln müssen. Es stand die Befürchtung im Raum, Rechte würden sonst selber den Laden zerstören – online kursierten entsprechende Aufrufe. Unterstützer der Künstlergruppe »Zentrum für politische Schönheit« (ZPS) hatten das vormalige Süßwarengeschäft in der Chemnitzer Innenstadt mit gebrauchten Möbeln eingerichtet und einen alten Computer reingestellt. Wer genau hinsieht, kann erkennen, dass nicht mal ein Stromkabel zur Steckdose führt – nur der Monitor ist alibimäßig angeschlossen. Auf einem Couchtisch liegt die »Sport Bild« – eine Anspielung auf den »Bild«-Pranger während des G20-Gipfels vergangenes Jahr in Hamburg? Beobachter sehen die Pranger-Website auch als Referenz auf ein AfD-Portal, bei dem kritische Lehrer gemeldet werden sollen. (…)Wegen der erwarteteten Gewalt aus rechtsextremen Kreisen hatte vom ZPS selbst noch niemand einen Fuß in das Büro gesetzt. Die Aktivisten beobachten aus der Ferne, wie ihre Provokation Früchte trägt und drehen die Eskalation weiter. Die Inszenierung ist noch nicht an ihrem Ende angelangt...” Artikel von Henrik Merker, Chemnitz, vom 04.12.2018 beim ND online
- “Soko Chemnitz” hat rechtliche Folgen“Das Zentrum für Politische Schönheit ruft dazu auf, Nazis zu identifizieren. Jetzt geht unter anderem die sächsische Landesregierung gegen die Aktion vor. Es gab auch einen Polizeieinsatz, eine Abmahnung und Unterlassungserklärung. (…) Beamte hatten noch am Nachmittag die Poster mit entsprechenden Fotos und Steckbriefen entfernt und sichergestellt. Zur Begründung hieß es, dass über soziale Netzwerke zu Sachbeschädigungen auf das Büro aufgerufen worden sei. “Im Sinne der Gefahrenabwehr” habe man sich für dieses Vorgehen entschieden. Zudem werde eine strafrechtliche Relevanz der Inhalte und Abbildungen geprüft. Es gehe um Beleidigung und den Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. (…) Das Zentrum für Politische Schönheit teilte mit, dass die Polizei auch die Schlösser des angemieteten Objektes in Chemnitz habe austauschen lassen und die Herausgabe der Schlüssel bislang verweigere. Auch das bestätige die Polizei bis zum Nachmittag nicht...” Beitrag vom 04.12.2018 beim Spiegel online
- Fahndung nach Rechtsextremisten: Wo arbeiten diese Idioten?“Eine Aktivistengruppe fahndet im Internet mit Fotos öffentlich nach Rechtsextremisten, die bei rechten Ausschreitungen in Chemnitz dabei waren. Ihre Arbeitgeber werden dazu aufgerufen, diese „Idioten“ zu entlassen. Sachsens Landesregierung reagiert mit einer Abmahnung an die Aktivisten. (…) „Nach den verfassungsfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz erfolgte eine Debatte über die Asylgesetzgebung in diesem Land, statt einschneidender Maßnahmen gegen Rechtsextremismus“, begründete ZPS-Gründer Philipp Ruch die neue Aktion. Weiter betonte er, es sei „Zeit für eine Entnazifizierung“. In einigen Regionen in Sachsen sei heute nicht mehr klar, ob die demokratisch gesinnten Kräfte in der Mehrheit sind. Die Ächtung von rechten Straftätern könne nicht allein der Politik und den Strafverfolgungsbehörden überlassen werden, dies sei ein gesamtgesellschaftlicher Prozess. (…) Zugleich müssten die demokratischen Kräfte gestärkt werden. Auf ihrer Website bieten die Künstler auch die Möglichkeit, das Foto von mutmaßlichen Rechtsextremen wieder zu entfernen, sofern diese sich schriftlich zur demokratischen Grundordnung bekennen…” Beitrag vom 4. Dezember 2018 beim Migazin
- Provokation gelungen: #SokoChemnitz nimmt Ermittlungen auf
“Der rechte Mob schäumt vor Wut und viele sprechen wieder über die rechtsradikalen Ausschreitungen von Chemnitz. Dabei setzt das Zentrum für politische Schönheit in seiner neuesten Aktion auf Methoden, die aus Perspektive des Datenschutzes fragwürdig sind. Darf das Kunst, um gesellschaftliche Defizite sichtbar zu machen? (…) Aus Sicht des Datenschutzes geht die neue Aktion des Zentrums für politische Schönheit (ZPS) überhaupt nicht klar: Wenn Privatpersonen ohne rechtsstaatliche Kontrolle Fahndungsbilder von Privatpersonen ins Netz stellen, die sie für Nazis halten, wenn sie Kopfgelder ausloben und Personen jagen wollen – dann geht das in eine Richtung, die für unsere Gesellschaft nicht wünschenswert und auch möglicherweise justiziabel ist. Diese Kritik wird das Zentrum schwer entkräften können, wenn sich die gezeigten Bilder und Namen als echt erweisen. Auf der anderen Seite ist der Aufschrei der Rechten und Rechtsradikalen scheinheilig. (…) Insofern kann man die provozierende Aktion eben als politisch auffassen: als Kritik an AfD-Lehrer-Denunziantenportalen, als Kritik an dem laschen Umgang mit Neonazis, als Kritik daran, dass hunderte per Haftbefehl gesuchte Neonazis frei herumlaufen, als Kritik an staatlichen Institutionen wie dem Verfassungsschutz, dessen ehemaliger Chef sich schützend vor die Rechtsradikalen stellte. Das Zentrum eignet sich in der jüngsten Aktion sogar rechte Rhetorik an, bezeichnet die Nazis von Chemnitz als „Vaterlandsverräter“ – und spiegelt so die rechtsradikalen Schlagworte…” Kommentar von Markus Reuter vom 03.12.2018 bei Netzpolitik
- Künstlergruppe fahndet nach Rechtsradikalen“… Offenbar lief für die Künstler nicht alles wie geplant. Eine Aktion vor dem Bundestag wurde am Montag kurzfristig abgesagt. 200 Fotos mussten aufgrund rechtlicher Bedenken von der Webseite entfernt werden. Die Aktion des ZPS traf schnell auf Kritik. »Ein Fahndungs- und Denunziationsportal, in dem Teilnehmer der rechtsextremen Demonstrationen als ›AfD-Ratten‹ bezeichnet werden, unterminiert eine sachliche und fundierte Auseinandersetzung mit den Gefahren, die von rechtsextremen Mobilisierungen ausgehen«, sagte Levi Salomon, Sprecher des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus. Mit seiner Aktion habe das ZPS die journalistische Glaubwürdig der Organisation diskreditiert, künftige Arbeit im Feld »erschwert und gefährdet«. Da man eine Kooperationsanfrage zuvor abgelehnt hatte, wolle man nun mit rechtlichen Schritten gegen die unerlaubte Verwendung von eigenen Fotos vorgehen. Die sächsische Landesregierung mahnte wiederum die Künstlergruppe ab, da diese das Logo der sächsischen Standortkampagne »So geht sächsisch« auf ihrer Webseite benutzt. »Die Aktion steht in keinem Zusammenhang mit der Kampagne«, sagte Regierungssprecher Ralph Schreiber. Die rechtsradikale Wählervereinigung »Pro Chemnitz« plant nach eigener Aussage ebenfalls rechtliche Schritte gegen die Künstler…” Artikel von Sebastian Bähr vom 03.12.2018 beim ND online
- Neue Aktion von „Politische Schönheit“. Wanted: Nazis!“Ein Kunstkollektiv ruft zur Denunziation von Leuten auf, die bei den Aufmärschen in Chemnitz mitgelaufen sind. Das ist aus drei Gründen richtig. (…) Tipps für Kündigungen liefert das Zentrum gleich dazu. Belohnt werden soll, wer Namen liefert: Für manchen Nazi sind es 5 Euro, für andere 90. Besser spiegeln kann man die Ideologie der Ungleichwertigkeit nicht. Die Polit-Künstler, die vor einem Jahr ein Holocaust-Mahnmal vor dem AfD-Oberhetzer Björn Höcke aufgebaut hatten, bedienen sich einer bewährten antifaschistischen Strategie: Sie outen jene, die sich gegen Menschenrechte und Demokratie einsetzen. Richtig ist das aus mindestens drei Gründen: Zuallererst ist der Widerstand gegen Faschismus moralisch geboten. Zweitens trägt das Wissen um potenzielle Nazischläger zum Schutz für jene bei, die sich womöglich unwissentlich im ihrem Umfeld bewegen, als Arbeitskollegen, Nachbarn oder Mitspieler im Fußballclub. Drittens funktioniert der Pranger als öffentliche Ächtung und erfüllt damit einen Beitrag, rechte Ideologie und Umtriebe einzudämmen…” Kommentar von Erik Peter vom 3.12.2018 bei der taz online
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