“Die tradierte Aufteilung polizeilichen Handelns in präventive, polizeirechtliche Gefahrenabwehr und repressive, strafverfahrensrechtliche Strafverfolgung verschwimmt zusehends. Auch das Strafrecht wird heute an seiner Eignung zur Verhinderung von Straftaten gemessen. Dies manifestiert sich in einer stetigen Vorverlagerung sowohl der materiellen Tatbestände als auch der prozessualen Ermittlungsbefugnisse. Damit einher geht ein fortschreitender Verlust von Beschuldigtenrechten. (…) Mit der Verdrängung des Kriteriums der subjektiven Schuld durch das des objektiven Risikos ist es zudem denkbar, dass die strafrechtliche Intervention erfolgt, bevor die Beschuldigten wissen, dass sie eine Rechtsgutsverletzung begehen werden. (…) Auf der formellen Ebene verwischt diese Entwicklung die Grenzen zwischen Polizei- und Strafrecht und führt zu einer Kompetenzbündelung bei der Polizei. Im Strafverfahren höhlt das wachsende Ausmaß von Ermittlungsmaßnahmen die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft aus und macht die Polizei entgegen der gesetzlichen Konzeption zunehmend zur faktischen Herrin des Ermittlungsverfahrens. Gesellschaftlich aber geht die Präventionsobsession zu Lasten der dringend notwendigen Auseinandersetzung mit Taten und TäterInnen als Teil der sozialen Wirklichkeit. Der Gedanke der Resozialisierung, welke Leitfigur des bürgerlich-liberalen Strafrechts, weicht ebenso wie die verantwortungsvolle Beschäftigung mit den Umständen und Ursachen von sozialen Problemen und Kriminalität einer Strategie der vorbeugenden Risikominimierung und Exklusion risikobehafteter Elemente.” Beitrag von Benjamin Derin vom 30. November 2018 aus Cilip / Bürgerrechte & Polizei 117 , siehe deren gesamtes Inhaltsverzeichnis zum Themenschwerpunkt “Drohende Gefahren”
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