Mittwoch, 5. Dezember 2018

Boykott und Demonstration: Bevölkerung im westafrikanischen Togo fordert endlich gültige Wahlen

Dynastie beenden


Von Ina Sembdner
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Widerstand in Togos Hauptstadt Lomé gegen die 50jährige Herrschaft der Familie Gnassingbé: Bisher ohne Erfolg (20.9.2017)
Die togoische Opposition setzt erneut zu einem Versuch an, die Herrschaft der Familie Gnassingbé zu beenden. Am vergangenen Samstag kamen nach Medienberichten über 500.000 Menschen in verschiedenen Städten Togos zusammen, um gegen die für den 20. Dezember angesetzten Parlaments- und die bereits vier Tage vorher stattfindenden Kommunalwahlen zu protestieren. Zudem ist zeitgleich ein Referendum über eine Verfassungsreform angesetzt worden. Die Regierung unter Präsident Faure Gnassingbé hatte am 9. November eine Verfassungsreform verabschiedet, die im Kern die Begrenzung der Amtszeit des Staatschefs auf zwei Wahlperioden umfasst.
Die Entrüstung der Bevölkerung rührt daher, dass die Reform nicht rückwirkend gilt und der jetzige Präsident, der seit 2005 an der Macht ist, somit auch 2020 und 2025 erneut antreten dürfte und nach gegenwärtiger Lage auch gewinnen würde. Hinzu kommt, dass die Verfassung von 1992 eigentlich eine Amtszeitbegrenzung vorsieht. Der damalige Staatschef Etienne Gnassingbé Eyadéma hatte 2002 jedoch einen Zusatz eingefügt, der die Begrenzung aufhob und ihm so den weiteren Machterhalt sicherte. Togo ist damit der einzige Staat Westafrikas, indem es faktisch keine Amtszeitbegrenzung gibt.
Es war bereits die dritte große Demonstrationswelle seit dem 17. November, und sie forderte auch diesmal wieder zahlreiche Verletzte bei Zusammenstößen mit Einsatzkräften. Die Opposition ist bestrebt, die Umsetzung einer langjährig angekündigten Verfassungsreform zu erzwingen. Es fehlt aber das Vertrauen in die ausführenden Akteure. Die Opposition fordert die Neuorganisation der Wahlbehörde CENI und den Abbruch der laufenden Wahlvorbereitungen. Deshalb boykottiert sie die Arbeit der CENI durch Nichtwahrnehmung der ihr zustehenden Sitze in der Institution. Auch die katholische Bischofskonferenz in Togo übte in einem am 21. November über soziale Netzwerke verbreiteten Kommuniqé Kritik. »Die einseitige Vorbereitung der Wahlen, bei der es eklatante Verletzungen von Bestimmungen gibt, die in der Roadmap der ECOWAS festgehalten sind, birgt die Gefahr, dass das Land erneut ins Chaos steuert«, bemängeln die Geistlichen unter Bezugnahme auf einen Ablaufplan, den die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft für Togo aufgestellt hatte.
Die Koordinatorin eines Bündnisses aus 14 Oppositionsparteien (C14), Brigitte Adjamagbo-Johnson, sagte gegenüber der Wochenzeitschrift Jeune Afrique, dass die Menschen in Togo am 1. Dezember gezeigt hätten, dass sie Veränderungen haben wollen und bereit seien, sich gegen betrügerische Wahlen zur Wehr zu setzen. Ein Demonstrant sprach von einer »Maskerade, die für uns vorbereitet wird« und prophezeite: »Niemand wird wählen.«
C14 hatte für den Start der Wahlkampagne einen Generalstreik unter dem Label »Togo mort« (Togo tot) ausgerufen. Aus wirtschaftlichen Gründen konnten die meisten Menschen dem Aufruf jedoch nicht folgen. Eine bei Jeune Afrique zitierte regierungsnahe Quelle deutete diesen ökonomischen Zwang opportun um und sprach von einem Beweis dafür, dass die Opposition nicht im Interesse der Bevölkerung handele.
Wahlen waren in Togo, so sie denn stattfanden, bisher stets von Betrugsvorwürfen begleitet. Faure Gnassingbés Vater, Etienne Gnassingbé Eyadéma, putschte sich mit Hilfe des Militärs 1967 an die Macht und herrschte bis zu seinem Tod 2005 in Form einer Militärdiktatur. Daraufhin setzte das Militär seinen Sohn als Präsidenten ein, der sich seine Position bei zwei Wahlen bestätigen ließ – immer begleitet von erheblichen Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Unruhen. Die Familie Gnassingbé gehört zu den am längsten herrschenden Dynastien in Afrika.

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