Dienstag, 13. November 2018

Autobahnprivatisierung: Verdi und Infrastrukturgesellschaft haben sich auf Eckpunkte für Arbeitsbedingungen der 15.000 Beschäftigten geeinigt

Unter Dach und Fach


Von Katrin Küfer
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»ÖPP« bieten den Versicherungen, Banken und Fonds Möglichkeiten zur Kapitalanlage. Als nächstes soll die Autobahnmeisterei Geiselwind an der Autobahn A 3 dran sein
Der von Bundestag und Bundesrat 2017 beschlossene Einstieg in die Autobahnprivatisierung stellt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor neue Herausforderungen. Denn mit der Gründung einer privatrechtlichen »Infrastrukturgesellschaft des Bundes für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen« (IGA) am 13. September stellt sich die Frage nach den Arbeitsbedingungen und Einkommen der bisherigen knapp 15.000 Beschäftigten.
Bislang waren die mit der Verwaltung und Instandhaltung der Fernstraßen beauftragten Beschäftigten Tarifkräfte und zu einem kleinen Teil Beamte im öffentlichen Dienst der 16 Bundesländer. Ihr Arbeitsplatz und Wirkungsbereich in den Straßenbauverwaltungen soll allerspätestens bis Anfang 2021 in die IGA übergehen. Dabei haben allerdings die Bundesländer das letzte Wort. So werden die norddeutschen Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen aller Voraussicht nach die Verwaltung der Fernstraßen komplett an die IGA abgeben. Größere Flächenländer könnten allerdings geneigt sein, die Bundesfernstraßen gemeinsam mit den Landes- und gemeindeeigenen Straßen zu verwalten.
Verdi hat in den vergangenen Wochen mit den Vertretern der Interimsgeschäftsführung der Infrastrukturgesellschaft verhandelt und dieser Tage ein Eckpunktepapier vorgelegt, das die Grundlage für die abzuschließenden Tarifverträge bilden soll. Dazu gehören Leitlinien für Arbeitsbedingungen sowie Rahmenbedingungen für die Überleitung der Beschäftigten aus ihren bisherigen Arbeitsverhältnissen in den 16 Bundesländern zur IGA. Die zuständige Verdi-Tarifkommission hat die Eckpunkte vergangenen Mittwoch angenommen. Das endgültige Tarifvertragswerk soll nun bis Ende Januar 2019 unter Dach und Fach gebracht werden.
Zu den wesentlichen Eckpunkten gehört die Zusage, dass sich die Arbeitsbedingungen und Einkommenstabellen für die IGA an die Bestimmungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst des Bundes (TVöD) anlehnen. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit soll für Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten oder in Autobahnmeistereien oder Kfz-Werkstätten eingesetzt sind, 38,5 Stunden und für alle anderen Beschäftigten 39 Stunden betragen.
Für die Betriebsrenten soll weiterhin die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zuständig sein. Wer in die IGA überwechselt, soll in der Regel am bisherigen Arbeitsplatz und Arbeitsort verbleiben können und durch die Zusage einer »umfassenden Besitzstandssicherung« gegebenenfalls vor Verschlechterungen durch mögliche Regelungslücken geschützt werden. Ein Zwei-Klassen-System nach dem Vorbild anderer Privatisierungsprojekte, bei dem für neu eingestellte Beschäftigte deutlich schlechtere Bedingungen gelten, soll es laut Verdi nicht geben. »Das hätten wir nicht mitgemacht«, so ein Gewerkschaftssekretär auf Anfrage.
Die Beschlussfassung in Bundestag und Bundesrat über die Gründung der IGA war im Frühjahr 2017 von privatisierungskritischen Protesten begleitet worden. Auch beim Bundesparteitag von Die Linke 2017 hatte die Zustimmung der von der Partei mitgetragenen Landesregierungen in Thüringen, Brandenburg und Berlin zum entsprechenden Gesetzespaket für Auseinandersetzungen gesorgt. Um Kritiker zu besänftigen, verweisen Mainstreampolitiker nun darauf, dass die IGA als GmbH auf Dauer im Bundeseigentum verbleiben solle. Allerdings verfolgt die Bundesregierung und insbesondere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) weiter das Ziel, einzelne Aufgaben über Projekte einer sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaft an gewinnorientierte Firmen auszulagern. So bemängeln auch Gewerkschafter, dass weiterhin profitable Teilstücke des Autobahnnetzes an private Interessenten vergeben werden können, die sich für die Instandhaltung des Streckenabschnitts verantwortlich erklären und als Gegenleistung die dort anfallenden Mauteinnahmen erhalten.
»Die Bundesautobahn-Verwaltung wird zentralisiert. Und öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) drohen zuzunehmen«, warnte Verdi in einer Publikation Ende 2017. »ÖPP und Privatisierungsmodelle bieten den Versicherungen, Banken und Fonds Möglichkeiten zur Kapitalanlage.« Die CSU hat es mit dieser schleichenden Privatisierung eilig, das zeigt eine Meldung der Mediengruppe Oberfranken. Demnach soll die Autobahnmeisterei Geiselwind an der Autobahn A 3 unweit von Würzburg ab Mitte 2019 aufgelöst werden. Ihre Aufgaben sollen dann von einem privaten Betreiber übernommen werden.

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