Dienstag, 13. November 2018

Trotz US-Sanktionen gegen Iran fallen Preise kontinuierlich. OPEC-Staaten wollen Förderung drosseln

Billiges Öl


Von Knut Mellenthin
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Überproduktion: Der Künstler Christo hat Ölfässer für sein Werk »Die Steinbank« in London himmelhoch gestapelt (18.6.2018)
Trotz der am 5. November reaktivierten US-Sanktionen gegen den Erdölexport des Iran sinkt der Weltmarktpreis des strategisch wichtigen Rohstoffs. Das widerlegt manche Prognosen, nicht zuletzt die der iranischen Regierung. Als Reaktion beabsichtigen Saudi-Arabien und andere OPEC-Staaten jetzt eine Senkung ihrer Fördermengen, um den Preisverfall aufzuhalten. Der Preis pro Barrel fiel am Sonntag zum zweiten Mal in diesem Monat unter 70 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit April. Nach der Ankündigung erholte er sich sofort etwas und lag am Montag vormittag bei mehr als 71 Dollar. Seinen Höchststand hatte er am 9. Oktober mit zeitweise über 86 Dollar erreicht. Seither fällt der Preis kontinuierlich.
Die globale Ölproduktion und der weltweite Verbrauch liegen gegenwärtig jeweils im Bereich von ungefähr 95 Millionen Barrel pro Tag (bpd), mit Abweichungen nach oben und unten. 37 bis 38 Millionen bpd Öl werden international gehandelt. Iran war daran in der ersten Jahreshälfte mit durchschnittlich 2,4 bis 2,5 Millionen bpd beteiligt. Im Vorfeld der Reaktivierung der US-amerikanischen Sanktionen, die Präsident Donald Trump am 8. Mai angekündigt hatte, sank der iranische Ölexport um etwa 700.000 bpd. Saudi-Arabien hatte sich, vom US-Präsidenten immer wieder mit dramatischen Behauptungen über eine drohende Verknappung des Rohstoffs angestachelt, bereit erklärt, den Verlust durch eine Erhöhung seiner eigenen Fördermenge zu kompensieren. In den Medien wurde darüber gestritten, ob die Saudis dazu überhaupt in der Lage seien.
Die eindeutige Antwort auf das scheinbare Problem bietet die Entwicklung des Ölpreises. Hintergrund ist, dass der Rückgang des iranischen Ölexports – und der Ausfuhr einiger anderer Staaten wie Venezuela, Libyen und Nigeria – durch andere Förderländer mehr als ausgeglichen wurde. Die OPEC-Länder insgesamt erhöhten ihre Produktion, dem jüngsten Bericht der Organisation zufolge, seit Mai um 820.000 bpd. Sowohl Russland als auch die USA förderten im Oktober Rekordmengen. Russland erreichte 11,41 Millionen bpd, 440.00 bpd mehr als im Mai. Die USA liegen derzeit mit 11,6 Millionen bpd an der Spitze aller Förderländer. Auch wenn sie aufgrund ihres hohen Verbrauchs immer noch Nettoimporteur sind, streben sie gleichzeitig nach Expansion auf dem Weltmarkt. Nach Regierungsangaben haben sie ihren Ölexport seit Mai um rund eine Million bpd steigern können.
Als Ergebnis gibt es gegenwärtig ein Überangebot an Erdöl. Nach vorherrschenden Schätzungen wird sich dieses im kommenden Jahr durch ein Sinken der globalen Nachfrage sogar noch weiter erhöhen. Saudi-Arabien hat deshalb angekündigt, seine Förderung, die zur Zeit bei 10,7 Millionen bpd liegt, im Dezember um 500.000 bpd zu verringern. Energieminister Khalid Al-Falih sagte am Montag, eine Million bpd Erdöl müssten vom Markt genommen werden, um den Preis zu »stabilisieren«, berichtete Reuters. Während einer OPEC-Ausschusssitzung in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, Abu Dhabi, wurde deutlich, dass andere Staaten dem saudischen Beispiel folgen wollen. Eine entsprechende gemeinsame Entscheidung könnte schon beim nächsten regulären Treffen der OPEC am 6. Dezember fallen.
Iranische Regierungspolitiker halten trotzdem immer noch an der Behauptung fest, die von den USA erzwungene Beschränkung ihrer Erdölausfuhr werde zu einer erheblichen, von anderen Förderländern nicht zu kompensierenden Unterversorgung des Weltmarkts führen. Präsident Hassan Rohani verrannte sich am Sonnabend sogar zu der unwahren Aussage, die USA hätten selbst zugegeben, dass sie Irans Ölexport nicht »auf null bringen« könnten, weil der Preis sonst auf 150 Dollar pro Barrel steigen würde. Mit dieser Marke übertraf er die gewohnte Teheraner Propaganda bei weitem, aber Drohungen mit einem Ölpreis von 100 Dollar sind dort ganz normal. Ölminister Bidschan Sangane warnte am vorigen Mittwoch, dass die US-Sanktionen zu einem »schweren Ölmangel« führen würden und dass den Verbrauchern »schmerzhafte Monate« bevorstünden.
Die Tatsache, dass die US-Regierung mit sieben Staaten und Taiwan befristete Ausnahmegenehmigungen für die Einfuhr von iranischem Erdöl vereinbart hat, kommentiert man in Teheran als Ausdruck und Eingeständnis von Schwäche angesichts des unterstellten »Ölmangels«. Gleichzeitig betonen iranische Regierungspolitiker unentwegt, dass keine oder allenfalls nur minimale negative Auswirkungen der US-Sanktionen auf die Wirtschaft des Landes zu befürchten seien. Das ist angesichts eines schon jetzt um fast ein Drittel gesunkenen Erdölexports mit Sicherheit unrealistisch.

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